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23.02.2011

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Beschluss vom 09.09.2010 – 1 Ta 193/10

1. Ein Rechtsstreit um die Ersetzung einer tariflich vorgesehenen Zustimmung des Betriebsrates zur Kündigung eines Arbeitnehmers ist eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit und bei der Festsetzung des Gegenstandswertes wegen der ähnlichen Zielsetzung wie ein Verfahren nach § 103 Abs. 3 BetrVG zu bewerten.

2. Eines Rückgriffs auf den bloßen Hilfswert von 4.000 Euro des § 23 Abs. 3 S. 2 RVG bedarf es nicht, da entsprechend § 42 Abs. 3 S. 1 GKG im einschlägigen Zustimmungsersetzungsverfahren tatsächliche Anhaltspunkte für eine Schätzung des Gegenstandswertes vorliegen. Die Wertung des § 42 Abs. 3 S. 1 GKG muss bereits bei Ausübung des im Rahmen des § 23 Abs. 3 S. 2 RVG eingeräumten billigen Ermessens Berücksichtigung finden, weil ein Verfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG für ein nachfolgendes Kündigungsschutzverfahren weitgehend präjudizielle Wirkung hat.


Tenor:

Die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgericht Mainz vom 11.08.2010 - 10 BV 16/10 - wird auf Kosten der Beschwerdeführerin zurückgewiesen.

Ein Rechtsmittel ist gegen diese Entscheidung nicht gegeben.

Gründe

I. Die beschwerdeführende Arbeitgeberin war Antragstellerin in dem Beschlussverfahren 10 BV 16/10. Sie begehrt die Festsetzung eines niedrigeren Gegenstandswertes für die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten dieses Verfahrens.

Die Arbeitgeberin beantragte in dem vorliegenden Beschlussverfahren die Ersetzung der fehlenden Zustimmung des Betriebsrates zur Kündigung eines Arbeitnehmers. Dieser war bei der Arbeitgeberin seit dem 01.08.1975 zu einer Bruttomonatsvergütung von zuletzt 4.760,- Euro beschäftigt. Es war zwischen Arbeitgeberin und Betriebsrat streitig, ob die Regelung des § 15 Nr. 5 Manteltarifvertrag Einzelhandel Rheinland-Pfalz eine Zustimmung des Betriebsrates zur Kündigung überhaupt erforderte. Rein vorsorglich hat die Arbeitgeberin das vorliegende Beschlussverfahren betrieben.

Die Arbeitgeberin hat nach interner Einigung mit dem Arbeitnehmer den Antrag auf Ersetzung der Zustimmung zurückgenommen.

Nach Anhörung hat das Arbeitsgericht den Gegenstandswert der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten mit Beschluss vom 11.08.2010 auf 14.280,- Euro festgesetzt. Dies entspricht der Summe von drei Bruttomonatsgehältern des gekündigten Arbeitnehmers.

Gegen diesen dem Verfahrensbevollmächtigten der Arbeitgeberin am 13.08.2010 zugestellten Beschluss hat die Arbeitgeberin mit einem am 24.08.2010 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und die Festsetzung eines Gegenstandswerts von 4.000,- Euro begehrt. Zur Begründung führt die Beschwerdeführerin aus, es handele sich bei dem vorliegenden Verfahren um einen nichtvermögensrechtlichen Streit. Es sei daher auf den Regelgegenstandstandswert des § 23 Abs. 3 S. 2 RVG abzustellen.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde mit Verweis auf die Rechtsprechung des Beschwerdegerichts nicht abgeholfen und das Verfahren dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die Beschwerde ist nach § 33 Abs. 3 RVG statthaft und zulässig. Sie wurde insbesondere fristgerecht nach § 33 Abs. 3 RVG eingelegt und der Beschwerdewert übersteigt den Betrag von 200,- Euro.

In der Sache hat die Beschwerde keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht einen Gegenstandswert in Höhe von 3 Bruttomonatsgehältern des gekündigten Arbeitnehmers festgesetzt.

Gemäß § 33 Abs. 1 i.V.m. § 23 Abs. 2 RVG war der Gegenstandswert nach § 23 Abs. 3 S. 2 RVG zu bestimmen. Die Regelung des § 23 Abs. 1 RVG findet vorliegend keine Anwendung, da in Beschlussverfahren gem. § 2 Abs. 2 GKG i.V.m. den §§ 2 a, 80 ff. ArbGG keine Gerichtskosten erhoben werden.

Im Streitfalle handelt es sich um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit i.S.v. § 23 Abs. 3 S. 2 GKG, weil die Arbeitgeberin die tariflich vorgesehene Zustimmung des Betriebsrates zur beabsichtigten Kündigung eines Arbeitnehmers vom Arbeitsgericht ersetzt haben wollte. Hierbei handelt es sich um ein ähnliches Verfahren wie in § 103 BetrVG. Der Streit zwischen Arbeitgeberin und Betriebsrat geht nicht um Geld oder Geldwertes. Nach ständiger Rechtsprechung des Beschwerdegerichts handelt es sich bei dem in § 23 Abs. 3 S. 2 Halbsatz 2 RVG genannten Wert von 4.000,- Euro gerade nicht um einen Regelwert, was sich bereits aus der gesetzlichen Formulierung ergibt (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 01.03.2010 - 1 Ta 24/10). Grundsätzlich ist nach § 23 Abs. 3 S. 2 Halbsatz 2 RVG der Gegenstandswert bei nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten nach billigem Ermessen zu bestimmen. Nur in Ermangelung genügender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung ist der Gegenstandswert ausgehend von 4.000,- Euro, je nach Lage des Falles auch niedriger oder höher zu bestimmen.

Bei dem hier zu bewertenden Rechtsstreit bestehen tatsächliche Anhaltspunkte für eine Schätzung des Gegenstandswertes unter Berücksichtigung der Wertungen des § 42 Abs. 3 S. 1 GKG. Für das ähnlich gelagerte Verfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG ist anerkannt, dass es für ein späteres individualarbeitsrechtliches Kündigungsschutzverfahren eine weitgehende präjudizielle Wirkung hat, was bei der Festsetzung seines Wertes nicht unberücksichtigt bleiben kann. Das Arbeitsgericht überprüft bereits im Beschlussverfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG die Wirksamkeit der Kündigung in vollem Umfang, so dass eine nach Ersetzung der Zustimmung durch das Arbeitsgericht und der Kündigung durch den Arbeitgeber folgende Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers nur noch mit dem Vorbringen, die Kündigungserklärung habe formelle Mängel oder mit dem Einführen neuer Tatsachen zu den Kündigungsgründen Erfolg haben kann (vgl. ErfKomm/Kania, 10. Aufl., § 103 BetrVG, Rn. 15). Für die Überprüfung des Kündigungsgrundes und der Einhaltung der Kündigungsfrist nach § 626 Abs. 2 BGB hat die rechtskräftige Ersetzung der Zustimmung durch das Arbeitsgericht weitgehend präjudizielle Wirkung (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 15. 8. 2002 - 2 AZR 214/01, NJW 2003, 1204; Urteil vom 11.05.2000 - 2 AZR 276/99, NZA 2000, 1106).

Es geht daher in der überwiegenden Zahl der Fälle bereits im Verfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG maßgeblich um den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses und nicht ausschließlich um Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats. Die für Verfahren mit diesem Gegenstand vorgesehene Sonderregelung des § 42 Abs. 3 GKG muss somit auch bei der Ausübung des nach § 23 Abs. 3.S. 2 RVG eingeräumten billigen Ermessens Berücksichtigung finden (so bereits LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 30.03.2004 - 2 Ta 69/04; Beschl. v. 23.03.2000 - 5 Ta 223/99). Dass sich die Präjudizialität des Beschlussverfahrens nach § 103 BetrVG nicht auf alle Unwirksamkeitsgründe einer Kündigung bezieht, rechtfertigt keinen Abschlag bei der Anzahl der anzusetzenden Bruttomonatsgehälter (so jedoch LAG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 27.04.2007 - 1 Ta 178/06). Denn zum einen ist in die Bewertung des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auch der Streit um das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates einzubeziehen und zum anderen reicht die Präjudizialität des Beschlussverfahrens so weit, dass eine spätere Kündigungsschutzklage nur in Ausnahmefällen überhaupt noch Erfolg haben kann. Es ist daher angemessen, die Wertung des § 42 Abs. 3 S. 1 GKG voll zu berücksichtigen und das billige Ermessen i.S.v. § 23 Abs. 3 S. 2 Halbsatz 1 RVG daran zu orientieren. Eines Rückgriffs auf den Hilfswert von 4.000,- Euro bedarf es gerade nicht. Damit ist in einem Verfahren nach § 103 BetrVG auf den Vierteljahresverdienst des zu kündigenden Arbeitnehmers abzustellen.

Zwar verkennt das Beschwerdegericht nicht, dass vorliegend nicht § 103 BetrVG, sondern die tarifliche Sonderregelung von § 15 Nr. 5 des Manteltarifvertrages Einzelhandel Rheinland-Pfalz anwendbar war. Diese Vorschrift wirft erhebliche prozessuale und materiellrechtliche Probleme auf. Diese Eigenheiten können vorliegend bei der Festsetzung des Gegenstandswertes jedoch unberücksichtigt bleiben. Jedenfalls dürfte es - zumindest im Ergebnis - auch in dieser Tarifbestimmung letztlich um die Frage gehen, ob es ausreichende Gründe gibt, um das Arbeitsverhältnis des betroffenen Arbeitnehmers kündigen zu können oder nicht. Insoweit unterscheidet sich die fragliche Tarifnorm in ihrer Zielsetzung nicht von § 103 BetrVG. Sowohl das für die Ermittlung des Gegenstandswertes maßgeblich erstrebte Verfahrensziel als auch der Sachvortrag der Beteiligten waren erkennbar daran ausgerichtet. Damit ist es bei der Ermittlung des Gegenstandswertes angemessen, auch vorliegend die für § 103 BetrVG insoweit maßgeblichen Aspekte anzuwenden, weil auch hier das Arbeitsgericht zu prüfen hat, ob der Arbeitgeber das tariflich geschützte Arbeitsverhältnis zu Recht lösen kann oder nicht.

Gemäß § 97 Abs. 1 ZPO hat die Beschwerdeführerin die Kosten des Verfahrens zu tragen. In einem Beschlussverfahren ist auch das Beschwerdeverfahren nach § 33 Abs. 3 RVG nicht gebührenfrei. Die in § 2 Abs. 2 GKG bestimmte Kostenfreiheit der Gerichtsgebühren im Beschlussverfahren erfasst nicht das sich anschließende Beschwerdeverfahren wegen des festgesetzten Gegenstandswertes. Nach Sinn und Zweck der Kostenfreiheit bezüglich Streitigkeiten zwischen den Betriebspartnern kann diese Bestimmung nicht auch das Gebühreninteresse der beauftragten Rechtsanwälte erfassen (ständige Rechtsprechung der erkennenden Kammer, zuletzt Beschl. v. 23.07.2009 - 1 Ta 173/09).

Ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss ist nach § 33 Abs. 4 RVG nicht gegeben.

VorschriftenBetrVG § 103 Abs. 2, MTV Einzelhandel Rheinland-Pfalz § 15 Nr. 5, RVG § 23 Abs. 3 S. 2, RVG § 33 Abs. 3

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