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15.02.2007 · IWW-Abrufnummer 070549

Landgericht Berlin: Urteil vom 28.11.2006 – 65 S 220/06

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Landgericht Berlin

Urteil

Geschäfts-Nr. 65 S 220/06
verkündet am 28.11.2006
9 C 1006/06 Amtsgericht Pankow/Weißensee

In dem Rechtsstreit XXX

hat die Zivilkammer 65 des Landgerichts Berlin in Berlin-Mitte, Littenstraße 12-17, 10179 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 28.11.2006 durch XXX

für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Verfügungskläger wird das Urteil des Amtsgerichts Pankow/Weißensee vom 4. Juli 2006 - 9 C 1006/06 - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass das Verfahren in der Hauptsache erledigt ist, soweit die Verfügungskläger begehrt haben, die Verfügungsbeklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, die Stromversorgung in der von den Verfügungsklägern innegehaltenen Wohnung in der XXX-Straße wieder herzustellen.

Die darüber hinausgehende Klage der Verfügungskläger wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.
Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zunächst auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Mit der Berufung haben die Verfügungskläger ihre erstinstanzlichen Anträge im vollen Umfang weiter verfolgt.

Am 22. November 2006 sind die Verfügungskläger im Wege der Zwangsvollstreckung aus einem gegen sie am 08.09.2006 ergangenen Versäumnisurteil, gerichtet auf die Räumung und Herausgabe der Wohnung, des Besitzes an der Wohnung enthoben und die Verfügungsbeklagten in den Besitz eingewiesen worden.

Daraufhin haben die Verfügungskläger das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Verfügungsbeklagten halten an ihrem Antrag auf Zurückweisung der Berufung fest.

II.
Die Berufung der Verfügungskläger ist gemäß §§ 511 ff ZPO zulässig, aber in der Sache nur teilweise erfolgreich.

Sie ist erfolgreich, soweit sie nunmehr die Feststellung der Hauptsachenerledigung hinsichtlich der begehrten Wiederherstellung der Stromversorgung erklärt haben.

Die einseitig von ihnen erklärte Hauptsachenerledigung ist als Feststellungsklage zu werten. Die darin zugleich liegende privilegierte Klageänderung ist gemäß § 264 Nrn.
2 und 3 ZPO zulässig.

Der Feststellungsantrag ist in dem vorstehenden Umfang auch begründet. Denn der dementsprechende Verfügungsantrag ist bei Einreichung des Antrags zulässig und auch begründet gewesen und hat sich nach Rechtshängigkeit des Verfahrens infolge der Besitzeinweisung der Verfügungsbeklagten und damit des Besitzverlustes der Verfügungskläger an der Wohnung erledigt. Denn der - zu Recht eingetretene - Verlust des Besitzes beseitigt auch den Anspruch auf Unterlassung von Besitzstörungen.

Die Verfügungskläger hatten einen Verfügungsanspruch auf Wiederherstellung der Stromversorgung für die von ihnen innehaltene Wohnung, §§ 862 Abs. 1, 858 Abs. 1 BGB.

Bei der von den Verfügungsbeklagten vorgenommenen Unterbrechung der Stromversorgung handelte es sich um eine Besitzstörung im Sinne von §§ 862 Abs. 1, 858 Abs 1 BGB. Unter Besitz versteht man die tatsächliche Sachherrschaft über eine Sache oder Sachgesamtheit. Der Besitz hat in der tatsächlichen Sachgewalt über die mit Strom- und Wasseranschlüssen ausgestattete Wohnung bestanden. Da der Besitz hier durch den Mietvertrag zwischen den Parteien begründet bzw. übertragen worden war, besteht gerade kein Unterschied zu der mit § 535 Abs. 1 BGB vom Vermieter geschuldeten Gebrauchsgewährung in dem vereinbarten Umfang, sondern vielmehr Identität. Entscheidend für eine Besitzstörung ist, dass der Besitzer in seiner Sachherrschaft und der darin liegenden Sachnutzungsmöglichkeit und damit in seinen Interessen beeinträchtigt ist (Streyl, Das Einstellen der Versorgungsleistungen durch den Vermieter, WuM 2006, 234 ff. [236] unter Bezugnahme auf Baur, Lehrbuch des Sachenrechts, 12. Aufl. 1983, § 9 I 2a (S. 74)).

Der Besitz an einer Sache umfasst damit ihre Gebrauchsmöglichkeit, insoweit besteht kein Raum für eine Unterscheidung des Besitzes im Sinne von §§ 854 ff. BGB und der im Rahmen des Mietvertrags vom Vermieter dem Mieter gegenüber geschuldeten Einräumung der Gebrauchsmöglichkeit gemäß § 535 Abs. 1 BGB.

Der Besitz der Verfügungskläger war durch die unstreitige wirksame Beendigung des Mietverhältnisses nicht tangiert worden, da er allein an die tatsächliche Sachgewalt und nicht an bestimmte rechtliche Voraussetzungen anknüpft. Die Verfügungskläger hatten den Besitz nicht aufgegeben. Darauf, dass das Mietverhältnis beendet war und die Verfügungskläger den Verfügungsbeklagten nach Beendigung des Mietvertrags kein Recht zum Besitz mehr hatten, konnten sich die Verfügungsbeklagten gemäß § 863 BGB nicht berufen, denn petitorische Einreden können gegenüber dem possessorischen Besitzschutzanspruch nach § 862 Abs. 1 BGB nicht erhoben werden.

Soweit die Verfügungsbeklagten die Stromversorgung unterbrochen haben, lag in ihrem Handeln auch eine verbotene Eigenmacht durch ein Tun. Denn durch die Unterbrechung der Stromversorgungsleitung haben sie in die Versorgungsbeziehung zwischen den Verfügungsklägern und dem Stromlieferanten eingegriffen und damit den Besitz der Verfügungskläger gestört. Denn diese konnten die Wohnung nicht mehr weiter in der Weise nutzen, dass sie über den Stromanschluss auch Strom erhielten.

Der Schwerpunkt des Handeins der Verfügungsbeklagten liegt mit der Unterbrechung und dem damit verbundenen Eingriff in die Versorgungsbeziehungen der Verfügungskläger mit dem Stromversorgungsunternehmen in einem Tun, nämlich der aktiven Unterbrechung und deren Fortdauern.

Ein Verfügungsgrund gemäß §§ 935, 940 ZPO hat vorgelegen, angesichts der bei der heute üblichen Lebensweise mit dem weitgehenden Bedarf nach Stromversorgung zur Beleuchtung und zum Betrieb von elektrisch betriebenen Haushalts und Unterhaltungsgeräten war eine besondere Dringlichkeit der Wiederherstellung der Stromversorgung für die Verfügungskläger zu bejahen.

Im Übrigen ist der Antrag der Verfügungskläger nicht begründet gewesen, so dass die Erledigung des Verfahrens in der Hauptsache insoweit nicht festgestellt werden kann und die Klage diesbezüglich abzuweisen ist.

Denn ihr Antrag gerichtet auf die Wiederherstellung der Wasserversorgung war nicht begründet

Zutreffend hat das Amtsgericht in dem angefochtenen Urteil ausgeführt, dass insoweit keine Besitzstörung durch verbotene Eigenmacht der Verfügungsbeklagten vorgelegen hat.

Die Wasserversorgung ist während des Mietverhältnisses und danach bis zur Unterbrechung durch die Verfügungsbeklagten erfolgt. Dafür hatten die Verfügungskläger den Verfügungsbeklagten die Kosten im Rahmen der Betriebskostenübernahme zu erstatten.

Insoweit lag mithin eine Versorgung durch die Verfügungsbeklagten seIbst vor. Im Rahmen des Mietverhältnisses schuldeten die Verfügungsbeklagten mithin die Versorgung der Wohnung der Verfügungskläger mit Wasser.

Die Unterbrechung bzw. Beendigung der Versorgung stellte in ihrem Schwerpunkt hingegen kein aktives Tun wie bei der Stromversorgung dar, sondern ein Unterlassen, nämlich der weiteren Versorgung der Verfügungskläger mit dem Wasser. Denn es macht keinen Unterschied, ob der Vermieter die Versorgung mit Wasser deshalb nicht fortsetzt, weil er die Versorgungsleitung unterbricht (den Zuleitungshahn schließt) oder das dem Wasserversorgungsunternehmen geschuldete Entgelt nicht zahlt und somit damit bewirkt, dass dieses nicht mehr liefert (vgl. dazu Streyl, a.a.O.). Nach allgemeiner Ansicht liegt im Falle des Unterlassens eine verbotene Eigenmacht aber nur vor, soweit tatsächlich eine Pflicht zum Tun bestanden hat. Eine solche Pflicht zur weiteren Versorgung bestand jedenfalls mit dem Ende des Mietverhältnisses nicht weiter fort. Ein Fortbestehen im Hinblick auf die rechtliche Regelung des § 546a BGB kann deshalb nicht festgestellt werden, weil die Verfügungskläger bereits seit Mai 2005 keinerlei Miet- und Betriebskostenzahlungen, das waren bis zur Unterbrechung der Wasserversorgung Mitte Juni 2006 14 Monate lang keinerlei Miete und Betriebskosten an die Verfügungsbeklagten mehr gezahlt hatten. Es wird zwar allgemein davon ausgegangen, dass der Vermieter die vertraglich geschuldeten Leistungen auch noch nach Ende des Mietverhältnisses zu erbringen hat und der Mieter die entsprechende Nutzungsentschädigung. Diese nachverträglichen Schutz- und Treuepflichten bestehen aber bei einem so krassen Verstoß gegen die Zahlungspflichten aus dem Mietverhältnis nicht. Die Verfügungskläger konnten deshalb angesichts ihrer mehr als ein Jahr ausstehenden Zahlungen von den Verfügungsbeklagten keine Wiederherstellung der Wasserversorgung verlangen, weil das zu der den Verfügungsbeklagten nicht mehr zumutbaren Folge geführt hätte, dass noch weitere Verbindlichkeiten entstehen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1 und 708 Nr. 10 und 6 ZPO.

Die Revision findet gegen dieses Urteil nicht statt, § 542 Abs. 2 ZPO.

RechtsgebietMietrechtVorschriften§§ 935, 940 ZPO

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