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09.08.2006 · IWW-Abrufnummer 062027

Landgericht Mannheim: Urteil vom 20.01.2006 – 1 S 176/05

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Geschäftsnummer: 1 S 176/05
11 C 175/05 Amtsgericht Mannheim

Verkündet am 20. Januar 2006

Landgericht Mannheim
1. Zivilkammer

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit XXX

wegen Feststellung
hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Mannheim auf die mündliche Verhandlung vom 20. Januar 2006 unter Mitwirkung von XXX

für Recht erkannt:

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Mannheim vom 07.09.2005 - 11 C 175/02 - im Kostenpunkt aufgehoben und im übrigen wie folgt geändert:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger wegen des Schadensfalles vom 23.11.2004 (Hundebiss Schadens-Nr. XXX) Haftpflichtversicherungsschutz aus der zwischen den Parteien bestehenden Jagd-Haftpflichtversicherung (Vertrags-Nr.: XXX) zu gewähren.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

(Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.)

I.

Die zulässige Berufung ist begründet.

Die gesetzliche Haftpflicht des Klägers wegen des streitgegenständlichen Hundebisses ist im zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsverhältnis mitversichert.

Nach den unstreitig vereinbarten "Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen (BBR) zur Jagd-Haftpflichtversicherung" vom 1.12.2001 ist die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers aus dem "...Halten ... von ... Hunden ... zu eigenen privaten Zwecken..." mitversichert, sofern "...die Hunde '" nachweislich jagdlich brauchbar [sind] oder sich in jagdlicher Ausbildung befinden ...? Der am 23.12.1989 geworfene Dackel hat den Kläger nach erfolgreicher Ausbildung zum Jagdhund über 12 Jahre ständig im Revier begleitet und die anfallenden Arbeiten wie Stöbern und Nachsuchen gut ausgeführt. Seit seinem 13. Lebensjahr konnte er wegen einer fortschreitenden Lähmung der Hinterhand nicht mehr jagdlich geführt werden. Am 23.11.2004 verletzte der Hund einen Nachbarn, wofür der Kläger Deckungsschutz beantragt hat.

Das streitgegenständliche Schadensereignis ist von der Jagdhaftpflichtversicherung umfasst, weil der Hund des Klägers bei Eintritt des Versicherungsfalls "jagdlich brauchbar" im Sinne der Versicherungsbedingungen war.

Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach gefestigter Rechtsprechung unabhängig von der Gestaltung des Einzelfalles sowie dem Willen und den Belangen der jeweils konkreten Vertragspartner, also nach ihrem typischen Sinn auszulegen. Es kommt darauf an, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise an solchen Geschäften beteiligten Kreise verstanden werden. Ansatzpunkt für die bei einem Formularvertrag gebotene objektive, nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung ist in erster Linie der Vertragswortlaut. lst der Wortlaut eines Formularvertrages nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss.
Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten. Bleiben nach Erwägung dieser Umstände Zweifel, geht dies gemäß § 5 AGBG (in der hier anwendbaren Fassung, jetzt § 305 c Abs. 2 BGB) zu Lasten des Verwenders; in solchen Fällen setzt sich also die kundenfreundlichere Lösung durch (BGH NJW 2005, 1183ff m.w.N.).

Der Begriff der jagdlichen Brauchbarkeit als Voraussetzung für die Erstreckung der Haftpflicht auf die private Hundehaltung außerhalb der Jagd ist nicht eindeutig. Er umfasst charakterliche Eigenschaften des Hundes, die weitgehend unabhängig von seiner körperlichen Leistungsfähigkeit zu beurteilen sind. Jagdverstand, Härte am Raubwild, Unerschrockenheit, dazu seine hervorragende Feinnasigkeit, Spurlaut, Schussfestigkeit, Fährten- und Finderwille sind Eigenschaften, die teils angeboren, teils erworben den Rauhhaardackel als Jagdhund auszeichnen und auch bei einer Lähmung der Hinterhand weiter bestehen.

Zwar ist ein Hund, der wegen einer solchen Beeinträchtigung dauerhaft nicht mehr jagdlich geführt werden kann, in seiner jagdlichen Brauchbarkeit eingeschränkt, auch wenn er seine Charaktereigenschaften nicht verloren hat. Die Versicherungsbestimmungen knüpfen jedoch nicht an die tatsächliche Verwendung bei der Jagd sondern an die generelle Brauchbarkeit an. Nach der gebotenen kundenfreundlichen Auslegung ist an die Charaktereigenschaften anzuknüpfen, die auch bei einem altersschwachen oder dauerhaft erkrankten Hund in der Regel nicht verschwinden. Nur dadurch können Abgrenzungsprobleme vermieden werden, die dem Versicherungsnehmer eine Ungewissheit über das Ende des Versicherungsschutzes zumuten. Ein Jäger wird seinen alten Hund immer als Jagdhund bezeichnen, auch wenn er ihn nicht mehr bei der Jagd verwendet.
Die oben dargelegten Grundsätze gebieten eine Auslegung der Versicherungsbedingungen, die den Versicherungsnehmer nicht durch die Erkrankung des Hundes in eine Deckungslücke mit der Gefahr von ganz erheblichen Haftpflichten geraten lassen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

RechtsgebietBesondere Bedingungen und Beschreibungen (BBR) zur Jagdhaftpflichtversicherung

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