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31.07.2003 · IWW-Abrufnummer 031655

Amtsgericht Köln: Urteil vom 30.06.2003 – 116 C 110/02

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


116 C 110/02
verkündet am 30.06.2003

Amtsgericht Köln
Im Namen des Volkes

In dem Rechtsstreit XXX
hat das Amtsgericht Köln, Abt. 116, auf die mündliche Verhandlung vom 18.06.2003 durch die Richterin am Amtsgericht Zeppenfeld für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.845,95 Euro nebst 7,5 % Zinsen seit dem 5.05.2001 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 14 %, die Beklagte 86 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages.
Die Klägerin mag die Zwangsvollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:
Die Klägerin unterhielt bei der Beklagten im streitgegenständlichen Zeitraum eine private Krankheitskostenversicherung, die im Zahnbereich den Tarif Z100 S beinhaltete. Dem Vertragsverhältnis liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten zugrunde. Hinsichtlich der Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarungen wird auf die zur Akte gereichten Vertragsunterlagen (Bl. 97 ff. d.A.) verwiesen.

Die Parteien streiten um die Leistungspflicht der Beklagten für eine zahnärztliche Behandlung der Klägerin, welche vom 12.02.1998 bis zum 22.12.1999 durch den behandelnden Zahnarzt in Friedberg ausgeführt wurde.

Auf die Liquidationen des Herrn .... vom 14.12.1998, 16.08.1999, 2.11.1999 und 28.12.1999 über insgesamt 75.591,34 DM erstattete die Beklagte insgesamt 45.441,13 DM. Wegen der Einzelheiten der erfolgten Behandlung wird auf die Rechnungen vom 14.12.1998 (Bl. 8-13 d.A.), 16.08.1999 (Bl. 14-23 d.A.), 2.11.1999 (Bl. 24-28 d.A.) und 28.12.1999 (Bl. 29-36 d.A.), hinsichtlich der beklagtenseits erfolgten Kürzungen auf die Schreiben der Beklagten vom 1.03.1999 (Bl. 37f. d.A.), 24.09.1999 (Bl. 39-41 d.A.), 17.12.1999 (Bl. 42f. d.A.) und 17.01.2000 (Bl. 43-45 d.A.) verwiesen.

Die Klägerin ist der Auffassung, die von der Beklagten vorgenommenen Leistungskürzungen seien ungerechtfertigt. Soweit sich die Beklagte an ihrer Sachkostenliste orientiere, sei dies unzulässig, da die Sachkostenliste nicht Vertragsbestandteil im Verhältnis zur Klägerin geworden sei. Die Klägerin behauptet dazu, die abgerechneten zahntechnischen Laborkosten seien sämtlich angemessen. Sie behauptet ferner, die zahnärztliche Leistung entsprechend Gebührenziffer 710 GOZ sei insgesamt 16 x, nicht nur 11 x erbracht worden.

Die Klägerin ist der Ansicht, die erbrachten Kunststoff-Mehrschichtfüllungen seien nach Gebührenziffer 216, 217 GOZ analog abzurechnen, da sie mit der Leistung Aufbaufüllung gemäß Ziffer 218 GOZ nicht vergleichbar sei. Die Ziffer 2442 GOÄ sei ansatzfähig, da die von der Beklagten angesetzte Gebührenziffer 411 GOZ einen anderen Leistungsinhalt habe. Die Ziffer 229 GOZ umfasse auch das Entfernen des noch nicht endgültig eingesetzten Zahnersatzes.

Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 8.712,74 DM (= 4.454,75 Euro) nebst 7,5 % Zinsen seit dem 5.05.2001 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die in den streitgegenständlichen Rechnungen enthaltenen Labor und Materialkosten auf die Sätze ihrer Sachkostenliste vom 1.07.1998 kürzen zu können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zur Akte gereichten wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 16.08.2002 (Bl. 201 f. d.A.) durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten der Sachverständigen Dr. Roswitha Ricken vom 17.03.2003 (Bl. 247 ff. d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:
Die Klage ist teilweise begründet, im übrigen ist sie unbegründet.
Die Klägerin hat einen weiteren Erstattungsanspruch gegen die Beklagte bezüglich der Rechnungen des Herrn Dr. Klose vom 14.12.1998, 16.08.1999, 2.11.1999 und 28.12.1999 aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Krankheitskostenversicherungsvertrag in Höhe von 3.845,95 Euro (= DM 7.522,02). Die von der Beklagten vorgenommenen Kürzungen der Rechnung sind in dieser Höhe unberechtigt, im übrigen jedoch berechtigt. Im einzelnen:

1). Bezüglich der Labor- und Materialkosten hat die Beklagte zu Unrecht einen Betrag von 6.264,26 DM (= 80 % der gekürzten 7.830,32 DM) nicht erstattet.

Die Erstattungsfähigkeit zahntechnischer Laborleistungen und Materialien ist nach den AVB in Verbindung mit den Tarifen Z100 S zu bejahen, soweit diese im Rahmen der üblichen Preise berechnet sind. Die mit der Sachkostenliste vom 1.07.1998 eingeführte Beschränkung auf die dort vorgegebenen Preise, welche sich am BEL nebst einem ca. 20%igen Zuschlag orientieren, ist im Verhältnis zur Klägerin nicht Vertragsinhalt geworden. Die Voraussetzungen einer einseitig wirksamen Vertragsänderung sind von der Klägerin bestritten worden, ohne dass die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte dazu Stellung genommen hätte. Vertragsinhalt sind daher die AVB in der Fassung des Jahres 1991.

Vorliegend sind die angefallenen Labor- und Materialkosten im Rahmen der üblichen Preise berechnet worden. Insoweit war die Beklagte dazu berechtigt, die Erstattung auf die nach der Sachkostenliste festgelegten Sätze zu reduzieren.
Die Üblichkeit nach den Tarifen Z100 S richtet sich in erster Linie nach § 9 GOZ. Danach erstreckt sich der Ersatz auf die dem Zahnarzt tatsächlich entstandenen angemessenen Kosten für zahntechnische Leistungen. Die in Rechnung gestellten Kosten für Laborleistungen sind dem Zahnarzt Dr. Klose tatsächlich entstanden. Sie sind auch angemessen. Die Angemessenheit kann entgegen der Auffassung der Beklagten nicht anhand der Sachkostenliste und damit mittelbar anhand des BEL ermittelt werden. Dieses Leistungsverzeichnis ist nach § 88 SGB V für die gesetzliche Krankenversicherung geschaffen worden. Dementsprechend beruht es auf Gesichtspunkten, die mit den Maßstäben der Privatversicherung nicht einschränkungslos vereinbar sind.

In der amtlichen Begründung zu § 9 GOZ wird zwar ausgeführt, dass davon auszugehen sei, dass auch bei Privatpatienten die in der gesetzlichen Krankenversicherung für gewerbliche Labors und Praxislabors unterschiedlich vereinbarten Höchstpreise für zahntechnische Leistungen nicht überschritten werden dürften, da dies nicht angemessen sei. Doch entfaltet diese vereinzelte Auffassung keine Bindungswirkung; sie bezeichnet lediglich eine Meinung von vielen. Sie hat zudem in dem Text des § 9 GOZ keinen Niederschlag gefunden.

Ebenso wenig findet sie in den vereinbarten Tarifbedingungen einen Ansatz. Dort ist von den üblichen Preisen die Rede. Daraus kann ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer einer Privatversicherung nicht ohne weiteres ableiten, dass lediglich das bei gesetzlichen Krankenversicherungen geltende Qualitätsniveau von Laborleistungen im Sinne des BEL gelten soll. Dies gilt umso mehr, als Privatversicherungen, wie auch die Beklagte, in der Öffentlichkeit damit werben, dass sie eine bessere Versorgung als die der gesetzlichen Krankenversicherung ermöglichen wollen.

Die Auffassung, dass sich die Üblichkeit nach den Maßstäben des BEL ausrichten müsse, ist schließlich nicht sachgerecht. Sie verkennt die Unterschiede zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung. Die Beiträge und Leistungen werden in der gesetzlichen und in der privaten Krankenversicherung nach jeweils unterschiedlichen Gesichtspunkten errechnet und erbracht. Das BEL gilt zudem bundeseinheitlich, so dass örtliche Abweichungen aufgrund kalkulatorischer Besonderheiten der Zahnlabors nicht berücksichtigt werden können.

Soweit die Beklagte meint, die Üblichkeit der Vergütung sei aus dem BEL deshalb abzuleiten, weil 90 % aller zahntechnischen Leistungen im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht und nach diesem Leistungsverzeichnis abgerechnet werden, verkennt sie, dass die Üblichkeit auf die jeweilige Leistung und Qualität des Produkts bezogen ist, und dass der Privatversicherte eine höhere Qualität der Leistung erwarten darf als der Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung.

Eine Leistungseinschränkung bei den Labor- und Materialkosten kommt schließlich nicht unter dem Gesichtspunkt des § 5 Abs. 2 AVB in Betracht. Hier hätte es der Beklagten oblegen, im Einzelnen darzulegen, welche konkrete Abweichung von den Listenpreisen des BEL nicht mehr vertretbar und damit unangemessen sein soll. Die lediglich aufgestellte pauschale Behauptung bzw. einfaches Bestreiten reicht insoweit nicht aus.

Nach alledem sind der Klägerin weitere 3.202,87 Euro (= DM 6.264,26) zu erstatten.

2). Hinsichtlich der Kunststoff-Mehrschicht-Füllung in Zahn 16 ist entgegen der Auffassung der Beklagten die Gebührenziffer 216 GOZ analog berechenbar.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die erbrachte Mehrschichtrekonstruktion zunächst einer definitiven konservierenden Versorgung diente und daher entsprechend einer Empfehlung der Bundeszahnärztekammer analog Ziffer 216 GOZ berechnet werden durfte .
Die Beklagte hat daher zu Unrecht einen Betrag von 162,69 DM gekürzt; zu erstatten sind daraus 80 % = 130,15 DM = 66,54 Euro.

3). Die Gebührenziffer 2442 GOÄ ist im vorliegenden Fall abrechenbar.
Nach den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen ging der Verordnungsgeber im Jahre 1988 entsprechend dem damaligen Stand der Wissenschaft von einem relativ geringen operativen Aufwand aus, der mit der Ziffer 411 GOZ abgegolten sein sollte. Wenn jedoch, wie vorliegend, durch volumenerhaltende Implantation alloplastischen Materials ein enormer Operationsaufwand gegeben ist, ist eine Abrechnung desselben mit der Gebührenziffer 2442 GOÄ möglich.
Die Beklagte hat zu Unrecht einen Betrag von 245,70 DM gekürzt; der Klägerin sind davon 80 % = 196,56 DM = 100,50 Euro zu erstatten.

4). Die Gebührenziffer 229 GOZ ist vorliegend ansatzfähig.
Die Sachverständige Dr. Ricken hat hierzu überzeugend ausgeführt, dass die Gebühr 229 GOZ im Zusammenhang mit Langzeitprovisorien anfallen kann, wenn diese für eine notwendige längere Tragedauer wie eine definitive Versorgung fest einzementiert werden. Dies ist vorliegend geschehen, so dass die Entfernung des Interimszahnersatzes einer Leistung nach 229 GOZ entspricht.
Der Klägerin sind weitere 80 % aus 910,80 DM = 728,64 DM = 372,55 Euro zu erstatten.

5). Die Gebührenziffer 710 GOZ ist entgegen der Auffassung der Beklagten 16 x ansatzfähig.
Nach den Ausführungen der Sachverständigen, an denen das Gericht keinen Anlass zu zweifeln hat und die es sich insoweit zu eigen macht, sind auch die durchgeführten Bruchreparaturen, die Verlängerung eines Kronenrandes sowie Veränderungen am occlusalen Relief Maßnahmen der Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit eines Interimszahnersatzes, die nach 710 GOZ zu vergüten sind.
Die Beklagte hat damit weitere 253 DM zu Unrecht gekürzt; der Klägerin sind davon 80 % = 202,40 DM = 103,49 Euro zu erstatten.

6). Demgegenüber hat die Klägerin keinen Anspruch auf Erstattung der Gebührenziffern 216, 217 analog im Zusammenhang mit den Mehrschichtrekonstruktionen an den Zähnen 37, 34, 47 (GOZ 217) und 44, 45 (GOZ 216). Da es sich nach den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen bei diesen Tätigkeiten nur um eine Vorbehandlung zur Prothetik handelt, sind diese lediglich nach Ziffer 218 GOZ abrechenbar. Die diesbezügliche Kürzung der Beklagten war berechtigt.

7). Schließlich hat die Beklagte zurecht ein in Rechnung gestelltes Dental-Set nicht erstattet. Es ist nicht schlüssig vorgetragen worden, dass es sich dabei um ein solches gehandelt hätte, welches der Liste der berechnungsfähigen Auslagen der Bundeszahnärztekammer zuzuordnen und damit gemäß § 3 GOZ erstattungsfähig wäre.

Nach alledem war wie tenoriert zu entscheiden.

8). Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 709 S. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Streitwert: 4.454,75 Euro

RechtsgebieteGOÄ, GOZ, SGB VVorschriftenAVB, ZPO

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