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30.01.2003 · IWW-Abrufnummer 021808

Finanzgericht Köln: Urteil vom 30.10.2002 – 5 K 4592/94

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Finanzgericht Köln
Urteil des 5. Senates
vom 30.10.2002
5 K 4592/94

Tatbestand

Streitig ist die Frage, ob im Streitjahr 1988 Zinsen aus einer Kapitalanlage i. H. von 20.725 DM den Klägern als zugeflossen zu behandeln sind.

Die Kläger sind im Streitjahr 1988 zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Der Kläger bezog als Elektrotechniker Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i. S. des § 19 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Mit der Firma I-GmbH (I),der Fa. H.-GmbH (H) und der Fa. J-Unternehmensgruppe K ? schloss er folgende Darlehensverträge ab:

Vertragspartner Datum Kapital in DM Zinssatz in %
I 16.05.1984 30.000 12
H 12.09.1983 40.000 12
J 07.02.1984 30.000 12
J 22.04.1985 50.000 10
J 23.12.1984 20.000 10
J 23.12.1983 20.000 18
J 01.10.1984 10.000 12

Gemäß Nr. 2 der Darlehensverträge betrug die Laufzeit der Darlehen 24 Monate. Sie verlängerte sich automatisch um die gleiche Zeit mit gleichem Zins, wenn nicht innerhalb von zwei Monaten vor Ablauf der vereinbarten Laufzeit gekündigt wurde. Gemäß Nr. 3 war das Zinsguthaben jährlich zu vergüten. Betreffend das Darlehen vom 16.5.1984 über 30.000 DM wurde einer Nebenabrede vereinbart, dass der Anlagebetrag zuzüglich Zinsen (erst) nach Ablauf der Laufzeit in einer Summe zurückgezahlt wird.

Über das Vermögen des Kaufmannes K, des Inhabers der oben genannten Unternehmen, wurde auf Antrag vom 30.11.1990 mit Beschluss des Amtsgerichts E vom 14.10.1991 in dem Verfahren ... das Konkursverfahren eröffnet. Dieses Konkursverfahren wurde nach Abhaltung des Schlusstermins mit Beschluss des Amtsgerichts E vom 31.1.1995 aufgehoben.

In ihrer am 5.10.1989 beim Beklagten eingegangenen Einkommensteuererklärung für das Jahr 1988 erklärten die Kläger Zinsen aus sonstigen Kapitalforderungen i. H. v. 33.855 DM [nicht wie schriftlich vorgetragen 33.951 DM]. Der Beklagte setzte die Einkommensteuer für das Streitjahr mit Bescheid vom 11.12.1989 erklärungsgemäß fest. Bei einem versteuernden Einkommen von 102.837 DM ergab sich eine nach der Splittingtabelle festgesetzte Einkommensteuer von 27.762 DM.

Gegen diesen Einkommensteuerbescheid 1988 vom 11.12.1989 legten die Kläger mit Schreiben vom 19.12.1989 Einspruch ein und beantragten, die Einkünfte aus Kapitalvermögen um die erklärten Zinsen aus sonstigen Kapitalforderungen zu vermindern. Zur Begründung führten die Kläger ? nunmehr steuerlich vertreten ? mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 9.2.1990 Folgendes aus:

1. Von den erklärten Zinserträge i. H. von insgesamt 33.855 DM sei ein Betrag i. H. v. 13.130,- DM wegen einer bestehenden Treuhandschaft nicht dem Kläger, sondern seinen beiden Nichten in der DDR, Frau L und Frau U, als Treugeber steuerlich zuzurechnen. Da die abweichende Zurechnung nach § 159 der Abgabenordnung (AO) davon abhänge, dass die Treuhandschaft nachgewiesen werde, hätten die Kläger sich bisher mangels Nachweisbarkeit nicht darauf berufen. Zwischenzeitlich lägen aber entsprechende Erklärungen der beiden Treuegeberinnen vor.

2. Die restlichen Zinsverträge i. H. v. 20.725,- DM seien dem Kläger nicht im Sinne des § 11 EStG zugeflossen, da vereinbarungsgemäß ? aufgrund einer im voraus mit den Darlehensschuldnern (den o. a. Unternehmen der Unternehmsgruppe K) getroffenen Vereinbarung ? gutgeschriebene Zinsen jeweils dem Kapital zugeschlagen und erneut verzinst werden sollten. Aus dieser Gutschrift in den Büchern der Darlehensschuldner könne jedoch kein steuerlicher Zufluss beim Kläger abgeleitet werden, da die Zinserträge nicht zu ihrer Verwendung zur Verfügung gestanden hätten. Da in 1990 über das Vermögen der Darlehensschuldner das Konkursverfahren eröffnet worden sei, könne nach dem derzeitigen Sachstand mit einer Realisierung der Forderungen nicht mehr gerechnet werden. Dies belegten die Berichte des zunächst zum Sequester und sodann zum Konkursverwalter bestellten Rechtsbeistands T vom 12.11.1990 und vom 3.12.1990

Mit Einspruchsentscheidung vom 20.6.1994 half der Beklagte hinsichtlich der Zinserträge i. H. v. 13.130 DM aus den bestehenden Treuhandschaften dem Einspruch ab. Im übrigen wies er den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er Folgendes aus:

Gemäß § 11 Abs. 1 EStG seien Einnahmen innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen seien. Nach ständiger Rechtssprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) seien Einnahmen im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG zugeflossen, sobald der Steuerpflichtige über sie wirtschaftlich verfügen können oder verfügt habe. Zugeflossen seien auch Einnahmen, die der Schuldner dem Gläubiger am Fälligkeitstag in seinen Büchern gutschreiben. Eine Gutschrift bewirke ein Zufließen im Rechtssinne, wenn mit ihr nicht nur eine Schuldverpflichtung buchmäßig festgehalten werden, sondern wenn sie darüber hinaus zum Ausdruck bringe, dass der Betrag dem Berechtigten von nun an zur Verwendung zur Verfügung stehen solle. Ein Zufluss könne grundsätzlich auch durch eine gesonderte Vereinbarung zwischen Schuldner und Gläubiger bewirkt werden. Es sei hierbei gedanklich davon auszugehen, dass der Schuldner die Zinsen bezahle und der Gläubiger dem Schuldner den gezahlten Zinsbetrag wieder als verzinsliches Darlehen zur Verfügung stelle. Durch diese schuldrechtliche Vereinbarung, die zivilrechtlich einen Schuldabänderungsvertrag darstelle, werde der Umweg vermieden, dass sich der Gläubiger zunächst den Zinsbetrag auszahlen lasse und ihn anschließend als Darlehen dem Schuldner wieder aushändige. Würden Darlehenszinsen daher einverständlich der Darlehensschuld hinzugerechnet, finde im Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarung ein Zufluss der Darlehenszinsen beim Gläubiger statt.
Ferner sei in diesem Fällen nach der Rechtsprechung des BFH darauf abzustellen, ob diese sog. Schuldumschaffung im Interesse des Schuldners oder des Gläubigers liege. Bleibe die Schuld im Interesse des Schuldners bestehen, z. B. wegen Zahlungsunfähigkeit, liege wirtschaftlich gesehen trotz der Schuldumschaffung lediglich eine Stundung der ursprünglichen Schuld vor, mit der Folge, dass dem Gläubiger, dem eher an einer Auszahlung gelegen wäre, die Zinsen nicht zugeflossen seien. Werde aber die ursprüngliche Schuld im Interesse des Gläubigers auf eine neue Rechtsgrundlage gestellt, verfüge dieser über seine Zinsforderungen mit der Folge, dass bei ihm Zufluss gegeben sei. Ein solcher Fall liege dann vor, wenn der Gläubiger von sich aus eine Anlage im Betrieb des Schuldners suche und auch vorab verfüge, dass der Zinsbetrag als Darlehen stehen bleiben solle. Im Streitfall hätten die Kläger offensichtlich keine Stundung gewollt, sondern eine Erhöhung der Darlehenshauptschuld, mit der Folge, dass der Schuldner von der fälligen Zinsschuld befreit worden sei und sich die später fällige Darlehensschuld erhöhe. Dementsprechend sei im Streitfall von einem Zufluss der Zinserträge im Sinne des § 11 Abs. 1 EStG auszugehen.

Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer am 21.7.1994 fristgerecht bei Gericht eingegangenen Klage, mit der sie weiterhin die Herabsetzung der Kapitaleinkünfte um die Zinserträge begehren, die aus den der J angelegten Beträge (20.725 DM) resultieren. Es sei zwar richtig, dass nach ihren Wünschen die ihnen zustehenden Zinsbeträge gleich wieder angelegt werden sollten. Dem Beklagten sei auch zuzugeben, dass in solchen Fällen der steuerliche Zufluss der Zinsen unstreitig sei. Voraussetzung für den Zufluss sei jedoch, dass dem Verfügungswillen des Steuerpflichtigen eine reale Verfügungsmöglichkeit zugrunde liege. Gerade daran fehle es jedoch im vorliegenden Fall. Bei den ?Zinsgutschriften? handele es sich nach heutigem Erkenntnisstand um reine Scheinerklärungen. Bereits 1988 sei der Darlehensgeber nicht mehr in der Lage und auch nicht mehr willens gewesen, Zinsansprüche der Anleger zu erfüllen. Unstreitig seien die Kläger einem betrügerischen Kapitalanlegersystem zum Opfer gefallen. Sie hätten nicht nur die vereinbarten Zinsen, sondern ihr gesamtes eingesetztes Kapital verloren. Aus der BFH-Rechtsprechung zu derartigen Fällen (?Ambros?-Entscheidungen) sei zu entnehmen, dass unter bestimmten Voraussetzungen ein Zufluss im Sinne des § 11 Abs. 1 EStG angenommen werden könne. Voraussetzung sei jedoch immer die Prüfung,
1. ob eine Gutschrift der Zinsen erfolgt sei,
2. ob die Anleger über die Zinsen dispositionsbefugt gewesen seien,
3. ob die Anlagegesellschaft zur Auszahlung der gutgeschriebenen Beträge bereit und fähig gewesen sei.

Abgesehen davon, dass die BFH-Rechtsprechung in der Literatur weitgehend auf Ablehnung und erhebliche Kritik gestoßen sei, könnte im Streitfall auch bei Anwendung der Rechtsprechung des BFH ein Zufluss der Zinsen bei ihnen ? den Klägern ? nicht angenommen werden. Das hierzu beweispflichtige Finanzamt habe weder eine Gutschrift der Zinsen, noch die Zahlungsfähigkeit und auch nicht die Zahlungsbereitschaft der Firma J dargelegt. Es habe bisher noch nicht einmal nachgewiesen, dass eine Gutschrift in den Büchern der J tatsächlich erfolgt sei. Zwar sei in den Darlehensverträgen eine Verzinsung vereinbart worden. Ob die J das Darlehenskonto fortgeführt und die vereinbarten Darlehenszinsen zumindest in ihren Büchern dem Kläger gutgeschrieben habe, sei bislang nicht festgestellt worden. Dies sei jedoch Grundvoraussetzung für die Annahme eines Einnahmezuflusses im Sinne des § 11 EStG. Der Hinweis des Beklagten auf das Schreiben der J vom 22.8.1989 sei insoweit nicht ausreichend.

Zumindest aber scheide hinsichtlich des Darlehensvertrages über 30.000 DM vom 16.05.1984 ein Zufluss deshalb aus, weil ausweislich der Nebenabrede zu Ziffer 5 des Anlagebetrag zzgl. Zinsen erst nach Ablauf der Laufzeit in einer Summe zurückgezahlt werden sollte, da die Laufzeit mangels Kündigung über das 1988 hinausgegangen sei, habe im Streitjahr bereits vertraglich keine Verfügungsberechtigung des Klägers über die fiktiven Darlehenszinsen bestanden.

Was die Zahlungsfähigkeit der J angehe, so könne ihrer Ansicht nach aus dem Schreiben des Zeugen T hinreichender Sicherheit auf deren Zahlungsunfähigkeit im Streitjahr gefolgert werden. Nach Auskunft des Zeugen habe die Darlehensnehmerin im Streitjahr nicht annähernd kostendeckend gearbeitet, was der Zeuge selbst als starkes Indiz für eine Zahlungsunfähigkeit ansehe. Der Zeuge halte die Zahlen des Streitjahres für eindeutig. Sie seien, so der Zeuge, mehr als deutlich ein Zeichen dafür, dass bereits 1988 ?mehr oder weniger? Zahlungsunfähigkeit vorgelegen habe. In jedem Fall jedoch Überschuldung. Für die Zahlungsunfähigkeit der J seien mithin hinreichende Indizien dargetan. Rein vorsorglich werde jedoch
1. die Beiziehung der Konkursakten der Firmengruppe K,
2. die Beiziehung der Strafakten im Verfahren gegen Herrn K,
3. die Beiziehung sämtlicher Buchführungsunterlagen der Firmengruppe K,
4. ein Sachverständigengutachten
beantragt.

Letztlich könne jedoch offen bleiben, ob durch das Schreiben des Zeugen T die Zahlungsunfähigkeit der Darlehensnehmerin abschließend erwiesen sei. Denn die Kläger trügen hierfür nicht die Beweislast. Das Finanzamt behaupte Einkünfte aus Kapitalvermögen. Es sei für den Zufluss solcher Einkünfte und damit für die Zahlungsfähigkeit der Anlagegesellschaft als steuerbegründende Tatsachen beweispflichtig. An der Zahlungsfähigkeit der J seien durch die Auskünfte des Zeugen T zumindest erheblich Zweifel begründet. Das Finanzamt habe den ihm obliegenden Nachweis der Zahlungsfähigkeit bislang nicht erbracht.

Die Interpretation des BFH-Urteils vom 7.10.1997 VIII R 40/97, BFH/NV 1998 durch die (seinerzeitige) Berichterstatterin im Schriftsatz vom 17.9.1999 (Bl. 161 d. A.) könnten die Kläger sich nicht anschließen. Nach Ansicht des BFH komme es für die Beurteilung der Zahlungsfähigkeit des Schuldners nicht darauf an, ob dieser zum maßgeblichen Zeitpunkt sämtliche bestehenden Verbindlichkeiten, also auch die noch nicht fälligen, hätte begleichen können. Hieraus könne jedoch nicht gefolgert werden, die Fähigkeit zur Auszahlung allein des Klägerguthabens nebst Zinsen wäre für die Bejahung der Zahlungsfähigkeit ausreichend. Vielmehr habe der BFH die Zahlungsfähigkeit im Falle der Schuldnovation definiert als das auf dem Mangel an Zahlungsmitteln beruhende dauernde Unvermögen des Schuldners, seine sofort zu erfüllenden Geldschulden noch im Wesentlichen zu berichtigen.

Ob die J im Jahre 1988 in der Lage gewesen sei, ihre aktuellen Verbindlichkeiten zu begleichen, bedürfe der Feststellung. Nach den Ausführungen des Zeugen T sprächen die weit überwiegenden Indizien dafür, dass dies nicht der Fall gewesen sei. Der BFH habe in den von ihm entschiedenen sog. Ambros-Fällen die Zahlungsfähigkeit der Kapitalanlagegesellschaft aus der Tatsache geschlossen, dass diesem im zu beurteilenden Zeitraum allen Auszahlungsverlangen von Anlegern nachgekommen sei. Hinsichtlich der J lägen solche Erkenntnisse, soweit bekannt, nicht vor.

Doch selbst wenn man unzutreffenderweise die Fähigkeit zur Auszahlung an den Kläger ausreichen ließe, wäre ein Zinszufluss zu verneinen. Das Finanzamt bleibe auch hierfür den ihm obliegenden Beweis schuldig. Rein vorsorglich würden auch für die Tatsache, dass die J im Jahre 1988 nicht in der Lage gewesen sei, die Zinsen des Klägers auszuzahlen, die bereits oben angeführten Beweisanträge gestellt.

Neben der Zahlungsfähigkeit sei die Zahlungsbereitschaft der J weitere Voraussetzung für die Annahme eines Zufluss es im Falle der Schuldnovation. In den vom BFH entschiedenden sog. Ambros-Fällen sei die Zahlungsbereitschaft insbesondere deshalb bejaht worden, weil die Anlagegesellschaft dem Auszahlungsverlangen einzelner Anleger nachgekommen sei. Dies sei jedoch seitens der J nicht bekannt. Diese Unkenntnis könne jedoch nicht zu ihren Lasten gehen. Das für den Zufluss beweispflichtige Finanzamt habe auch die Zahlungsbereitschaft darzulegen. Seien keine Fälle bekannt, in denen Anleger die Auszahlung verlangt hätten, könne dieser Nachweis nicht geführt und könnten Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht angesetzt werden.

Die Geschäftsaktivitäten der J seien nicht darauf angelegt gewesen, den Anlegern irgendwelche Beträge zurückzuzahlen. Dies könne auch aus dem Bericht des Konkursverwalters T vom 25.10.1990 entnommen werden. Hieraus ergebe sich, dass die Geschäfte der Firmengruppe darauf angelegt gewesen seien, durch Darlehensaufnahmen der Gesellschaft Kapital zuzuführen, um dieses der Gesellschaft dann durch Entnahmen wieder zu entziehen. Laut diesem Bericht habe der hinter der Firmengruppe stehende K ihm gegenüber die vereinbarten Zinsbeträge selbst als ?Wucherzinsen? bezeichnet, die offenkundig nicht hätten zurückgezahlt werden können. Insbesondere werde auf die letzte Seite des Berichtes verwiesen, nachdem der Gemeinschuldner vermutlich Beträge in Millionenhöhe ins Ausland gebracht habe, das Verhältnis von Fremddarlehen zu erzielten Umsätzen exorbitant und der Verbleib von Darlehen über fast 12 Mio. DM ungeklärt sei. Die Firmengruppe K habe offensichtlich zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt, den Anlegern ihr Kapital, geschweige denn Zinsen auszuzahlen. Das Finanzamt habe gegenteilige Indizien nicht vorgelegt. Rein vorsorglich würden für die Tatsache, dass die J zumindest im Streitjahr 1988 nicht bereit gewesen sei, den Klägern die vereinbarten Darlehenszinsen auszuzahlen, die vorbezeichneten Beweisanträgen gestellt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Kläger im Einzelnen wird auf die Schriftsätze Bezug genommen.

Die Kläger beantragen,

unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 1988 vom 11.12.1989 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.09.1994 die Einkommensteuer 1988 neu festzusetzen mit der Maßgabe, dass die Zinseinkünfte um 20.725,- DM niedriger angesetzt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Schriftsatz vom 27.3.2000 (Bl. 183 ff.) trägt er Folgendes vor:
Es sei richtig, dass ein Zinszufluss dann nicht gegeben sei, wenn der Schuldner von vornherein nicht in der Lage gewesen sei, irgendwelche Zinsen zu zahlen. Diesen Nachweis seien die Kläger jedoch bisher schuldig geblieben. Aus dem Umstand, dass die Kläger ihr Darlehen Ende 1989 gekündigt hätten und die Firmengruppe 1990 in Konkurs gegangen sei, könne nicht geschlossen werden, dass die J bereits zu dem Zinszahlungstermin 1988 zahlungsunfähig gewesen sei. Für die gewährten Darlehen hätten die Kläger bereits bei Abschluss der Darlehensverträge die Wiederanlage der Zinsen vereinbart. Durch die Möglichkeit, zwischen der Auszahlung der fälligen Zinsen und ihrer Wiederanlage zu wählen, hätten die Kläger die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Zinsen erhalten. Die bei Abschluss des Vertrages von dem Kläger getroffene Wahl zur Novation wirke als Vorausverfügung auf die Zeitpunkte der späteren Wiederanlagen fort. Dem Zufluss im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG stünde nicht entgegen, dass die Kläger die Wahl zwischen Auszahlungsverlangen und Wiederanlage der Zinsen nicht mehr zu den Zeitpunkten hätten treffen können, in denen ihnen die jeweiligen Zinsen gutgeschrieben und diese fällig geworden seien bzw., dass die wieder angelegten Zinsen zu einem späteren Zeitpunkt uneinbringlich geworden seien.

Entgegen der Ansicht der Kläger gebe es im finanzgerichtlichen Verfahren keine subjektive Beweislast. Die objektive Beweislast lasse sich aus den streitentscheidenden materiellrechtlichen Normen bzw. den hinter ihnen stehenden Wertungen entnehmen. Das Finanzamt trage die Beweislast für die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes einer steuerbegründenden Norm, der in Anspruch genommene Steuerpflichtige hingegen für Tatsachen die den Steueranspruch aufhöben oder einschränkten. Die J habe mit Schreiben vom 22.08.1989 die Gutschrift der Zinsen 1988 auf dem Darlehenskonto des Klägers bestätigt. Die Kläger hätten die Zinsgutschriften in der gemeinsamen Steuererklärung 1988 als Einkünfte aus Kapitalvermögen erklärt. Wenn sie später behaupten, die Zinsen seien nicht gutgeschrieben worden und die Anlagegesellschaft sei bereits zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in der Lage gewesen, die Zinsen auszuzahlen, trügen sie hierfür die Beweislast. Der Kläger habe erst im Dezember 1989 die Darlehensverträge gekündigt und die Auszahlung der Zinsen verlangt. Der Konkursantrag sei am 30.11.1990 gestellt worden. Nach Aussage des Konkursverwalters T hätten die I und die J in den Jahren 1988 und 1989 nicht annähernd kostendeckend gearbeitet. Dies sei zwar ein Indiz für eine Zahlungsunfähigkeit, sage aber nichts darüber aus, ob die Zinsen 1988 bei Verlangen ausgezahlt worden wären.

Die Zinsen aus den Darlehen vom 12.09.1983 (40.000 DM) und vom 16.05.1984 (30.000 DM) i. H. v. insgesamt 13.129,76 DM bei der I seien bereits im Einspruchsverfahren nicht als Einkünfte aus Kapitalvermögen angesetzt worden, da sie den Nichten der Kläger zuzurechnen gewesen.

Mit Beschluss des erkennenden Senates vom 10.07.1995 wurde Beweis erhoben über die Frage, ob die Firmengruppe K im Jahre 1988 zahlungsunfähig war, durch Beiziehung der Konkursakten des Amtsgerichts E. Mit weiterem Beschluss des erkennenden Senates vom 18.11.1996 wurde auf Antrag der Kläger über das oben bezeichnete Beweisthema weiterer Beweis erhoben durch Vernehmung des Rechtsbeistandes T sowie des Rechtsanwalts A, des von der Gläubigerversammlung am 17.12.1991 gewählten neuen Konkursverwalters. Die Beweisaufnahme erfolgte auf schriftlichem Wege. Wegen des Ergebnisses wird auf die Schreiben des Rechtsbeistands T vom 09.12.1996 (Bl. 80 ff. d. A.) sowie des Rechtsanwalts A vom 17.12.1996 (Bl. 151 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Die von der J dem Kläger in dem Streitjahr angeblich gutgeschriebenen Zinsen sind mangels Zufluss i. S. des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht als Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. von § 20 Abs. 1 EStG zu erfassen. Der Einkommensteuerbescheid 1988 verletzt daher die Kläger ihren Rechten und ist demzufolge gemäß § 100 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ändern.

1. Zwischen dem Kläger und der J ? sowie weiteren Unternehmen der Unternehmen der Unternehmensgruppe K ? wurden, das ist zwischen den Beteiligten unstreitig, Darlehensverträge i. S. der §§ 607, 608 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geschlossen. Die aufgrund der Darlehensverträge vereinbarten Zinsen stellen ertragsteuerlich dem Grunde nach Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG dar. Bereits in diesem Punkt unterscheidet sich der Streitfall von den sog. vom BFH entschiedenen ?Ambros-Fällen?(Urteile vom 22. Juli 1997 VIII R 57/95, BStBl II 1997, 755 und vom 22. Juli 1997 VIII R 12/96, BStBl II 1997, 761, BFH-Urteile vom 7.Oktober 1997 VIII R 40/97, BFH/NV 1998, 958 und vom 22. Juli 1997 VIII R 73/95, BFH/NV 1998, 300 und BFH-Beschluss vom 31. Mai 2000 IV B 3/99, BFH/NV 2000, 1459). Denn der BFH wertete die sog. ?Ambros-Anlagen? als stille Gesellschaftsbeteiligungen i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG und nicht als Kapitalanlagen i. S. von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, da weder die Rückzahlung des Kapitals noch eine Rendite zugesagt worden war (Schmidke/Heinicke, EStG § 20 Rz. 15)

2. Zu Unrecht hat der Beklagte dem Kläger Zinsen i. H. von 20.725 DM zugerechnet. Diese Zinsen können mangels Vorliegens von Einnahmen i. S. von § 8 Abs. 1 EStG i. V. m. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG und mangels deren Zuflusses i. S. von § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht der Einkommensbesteuerung unterworfen werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH, der der erkennende Senat folgt, sind Einnahmen (vgl. § 8 Abs. 1 EStG) i. S. von § 11 Abs. 1 EStG innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Der Begriff ?Zufließen? in § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG ist wirtschaftlich auszulegen (BFH-Urteil vom 1. Oktober 1993 III R 32/92, BStBl II 1994, 179, 181). Danach liegt ein Zufluss erst mit tatsächlichen Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über ein Geld oder Geldeswert bestehendes Wirtschaftsgut vor. Das ist in der Regel der Zeitpunkt des Eintritts des Leistungserfolgs oder der Möglichkeit, den Leistungserfolg herbeizuführen (BFH-Urteil in BStBl II 1994, 179). Ob im Einzelfall die wirtschaftliche Verfügungsmacht übergegangen ist, richtet sich nach den Umständen des jeweiligen Falles.

Geldbeträge fließen dem Steuerpflichtigen in der Regel dadurch zu, dass sie bar ausgezahlt oder einem Konto des Empfängers bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben werden. Von einem Zufluss in dieser Form kann im Streitfall nicht ausgegangen werden.

Jedoch kann auch eine Gutschrift in den Büchern des Verpflichteten (Schuldners der Zinsen) einen Zufluss bewirken, wenn in der Gutschrift nicht nur das buchmäßige Festhalten einer Zahlungsverpflichtung zu sehen ist, sondern darüber hinaus zum Ausdruck gebracht wird, dass der Betrag dem Berechtigten von nun an zur Verwendung zur Verfügung stehe (BFH-Urteil vom 10. Juli 2001 VIII R 35/00, BStBl II 2001, 646 und vom 14. Februar 1984 VIII R 221/80, BFHE 140, 542, BStBl II 1984, 480, unter 2. a der Gründe, m. w. N.). Allerdings muss der Gläubiger in diesem Fall in der Lage sein, den Leistungserfolg ohne weiteres Zutun des im Übrigen leistungsbereiten und leistungsfähigen Schuldners herbeizuführen (BFH-Urteile vom 30. Oktober 1980 IV R 97/78, BFHE 132, 410, BStBl II 1981, 305, und in BStBl II 2001, 646).

Ein Zufluss kann zudem durch eine gesonderte Vereinbarung zwischen Schuldner und Gläubiger bewirkt werden, dass der Betrag fortan aus einem anderen Rechtsgrund geschuldet werden soll. In dieser Schuldumschaffung (Novation) kann eine Verfügung des Gläubigers über seine bisherige Forderung liegen, die einkommensteuerrechtlich so zu werten ist, als ob der Schuldner die Altschuld durch tatsächliche Zahlung beglichen hätte (= Zufluss beim Gläubiger) und der Gläubiger den vereinnahmten Betrag infolge des neu geschaffenen Verpflichtungsgrundes dem Schuldner sofort wieder zur Verfügung gestellt hätte (= Wiederabfluss des Geldbetrages beim Gläubiger; vgl. z. B. BFH-Urteile in BFHE 140, 542, BStBl II 1984, 480, unter 2. c der Gründe, und vom 24. März 1993 X R 55/91, BFHE 171, 191, BStBl II 1993, 499, unter 3. c, aa der Gründe). Der zuletzt beschriebene lange Leistungsweg wird durch die Novationsvereinbarung lediglich verkürzt, indem auf den überflüssigen Umweg der Aus- und Rückzahlung des Geldbetrages verzichtet wird.

Von einem Zufluss der Altforderung i. S. von § 11 Abs.1 EStG kann in derartigen Fällen der Schuldumschaffung nach der Rechtsprechung des BFH allerdings nur dann ausgegangen werden, wenn sich die Novation als Folge der Ausübung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht des Gläubigers (Steuerpflichtigen) über den Gegenstand der Altforderung darstellt, also auf einem freien Entschluss des Gläubigers beruht (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 17. Juli 1984 VIII R 69/84, BFHE 142, 215, BStBl II 1986, 48, unter 2. d der Gründe; und in BFHE 171, 191, BStBl II 1993, 499, unter 3. c, aa der Gründe). Für die Beantwortung der Frage, ob des zutrifft, kommt den Umstand eine wichtige Bedeutung zu, im wessen Interesse die Novation lag. Lag sie im alleinigen oder überwiegenden Interesse des Gläubigers, indiziert dies dessen Verfügungsmacht über den Gegenstand der Altforderung (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 14. Mai 1982 VI R 124/77 BFHE 135, 542, BStBl II 1982, 469, unter III. 2. c, dd der Gründe; und in BFHE 171, 191, BStBl II 1993, 499, unter 3. c, aa der Gründe).

3. Bei Anwendung dieser Grundsätze sind die streitigen Zinsen dem Kläger im Jahre 1988 nicht zugeflossen i. S. des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG.

a) Es ist bereits nicht erwiesen, dass die Darlehensschuldner die hier in Rede stehenden Zinsen tatsächlich auf einem Darlehenskonto des Klägers gutgeschrieben haben. Zwar hat die J in ihrem Schreiben vom 22.8.1989 an den Kläger Gutschriften von Zinsen i. H. von insgesamt 20.724,94 DM zum 31.12.1988 auf den Darlehenskonten des Klägers bestätigt. Im Gegensatz zu den sog ?Ambros-Fällen? (z. B. zuletzt BFH in BStBl II 2001, 646) steht im Streitfall die Gutschrift der Zinsen auf dem Darlehenskonto des Klägers jedoch nicht fest. Bei dem Schreiben der J vom 22.8.1989 kann es sich ebensogut um eine schriftliche Lüge handeln.

b) Im Gegensatz zu den sog. ?Ambros-Fällen? steht es im Streitfall auch nicht fest, dass der Darlehensschuldner ? hätte der Kläger statt der Wiederanlage der Zinsen deren jährliche Auszahlung gewählt ? zum Fälligkeitszeitpunkt im Jahre 1988 zu den entsprechenden Zahlungen fähig (aa) und bereit (bb) gewesen wäre.

aa) Gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Freiheit der Überzeugungsbildung bedeutet, dass das Gericht die Würdigung und Abwägung des Prozessstoffes auf seinen Aussage- und Beweiswert für die Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen nur nach der inneren Überzeugungskraft der in Betracht kommenden Gesichtspunkte vorzunehmen hat (Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 96 FGO Rz. 70 [Juni 2001] unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. Januar 1989, 9 C 54.88, Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 213). Nach diesem Maßstab steht es zur Überzeugung des erkennenden Senats fest, dass der Darlehensschuldner zum Fälligkeitszeitpunkt zur Zahlung nicht mehr fähig gewesen ist. Hierfür spricht Folgendes:

Als Zahlungsunfähigkeit in diesem Sinne ist das auf dem Mangel an Zahlungsmitteln beruhende dauernde Unvermögen des Schuldners anzusehen, seine sofort zu erfüllenden Geldschulden noch im Wesentlichen zu berichtigen (vgl. BFH-Urteile vom 22. Mai 1973 VIII 1973 R 97/70, BFHE 109, 573, BStBl II 1973, 815 und in BStBl II 2001, 646). Ob er gegenüber einem einzelnen Gläubiger noch seine Verbindlichkeiten begleichen kann, ist insoweit unerheblich. Für die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit folgt der Senat der Bekundung des Konkursverwalters und Zeugen T im Schreiben vom 9.12.1996 (Bl. 80 f.) an den erkennenden Senat und aus seinem Schreiben vom 25.10.1990 an das Amtsgericht E in dem Konkursverfahren ... . Danach ergibt sich aus den Jahresabschlüssen für 1987 und 1988 der J, dass diese in 1987 nicht einmal in der Lage war, die Personalkosten i. H. von 162.686,91 DM zu decken. In 1988 war der Zinsaufwand doppelt so hoch wie die Gesamterlöse.

Die zivilprozessualen Grundsätze über den Beweis des ersten Anschein finden seit jeher auch in finanzgerichtlichen Verfahren im Rahmen der Überzeugungsbildung nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO Anwendung (vgl. BFH-Urteil vom 14. März 1989 VII R 75/85, BStBl II 1989, 534 und BFH-Beschluss vom 28. März 1994 I B 160/93, BFH/NV 1995, 221). Es stellt daher zumindest einen Beweis des ersten Anscheins für eine mangelnde Zahlungsfähigkeit dar, wenn ein Unternehmen noch nicht einmal in der Lage ist, die Kosten des operativen Geschäfts zu decken. Entsprechend gilt für das Unternehmen I. Zwar lag dem Zeugen T nur der Jahresabschluss für 1989 vor. Dieser enthält jedoch zugleich die Zahlen für das Vorjahr (Streitjahr). Die Analyse dieser Zahlen durch den Zeugen T ergab, dass die I bereits im Jahre 1988 ?mehr oder weniger? zahlungsunfähig war, dass auf jeden Fall Überschuldung vorgelegen hat. Eine Überschuldung liegt gemäß § 19 Abs. 2 der Insolvenzordnung (InsO) vor, wenn das Vermögen des Schuldners dessen bestehende Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Bei juristischen Personen ? also auch bei einer GmbH ? ist auch die Überschuldung (neben der Zahlungsunfähigkeit) Grund zur Eröffnung des Insolvenzverfahren (§ 63 Abs. 1 des GmbH-Gesetzes [GmbHG]; §§ 19 Abs. 1 und 3, 320 InsO). Liegt aber ein Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens vor, so kann nicht mehr davon ausgegangen werden, dass der Gemeinschuldner auf Anforderung zur Zahlung fähig sein soll.

Auch der Beklagte räumt in seinem Schriftsatz vom 27.3.2000 (Bl. 183 ff. d. A.) ein, dass es in der Tat ein Indiz für fehlende Zahlungsfähigkeit eines Darlehensschuldners sei, wenn dieser nicht kostendeckend arbeite.

Bei der vom erkennenden Senat angenommenen Zahlungsunfähigkeit war auch zu berücksichtigen, dass das Geschäftsgebahren der Unternehmen der Unternehmensgruppe K betrügerisch angelegt war und dass der Unternehmenschef K die den Kunden zugesagten Darlehenszinsen gegenüber dem Konkursverwalter selbst als ?Wucherzinsen? bezeichnet hat. Wie sich aus dem Vermögensstatus des Konkursverwalters ergibt, hätten die Darlehensschuldner auf Anforderung der Auszahlung der Zinsen durch den Kläger diese nicht aus ihrem Vermögen zahlen können. Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass sie angesichts der dann vorzulegenden Jahresabschlüsse ggf. in der Lage gewesen wären, durch Kreditaufnahme diesem Auszahlungsverlangen nachzukommen.

Im Übrigen hält es der Senat für angezeigt, nicht allein auf Zahlungsunfähigkeit i. e. S., sondern auf die Insolvenzreife (früher Konkursreife) des Darlehensnehmers abzustellen. Auch der BFH hat in der zitierten Entscheidung in BStBl II 1973, 815 für die Verneinung eines Zuflusses i. S. des § 11 EStG darauf abgestellt, dass der Darlehensschuldner im Fälligkeitszeitpunkt infolge Zahlungsunfähigkeit konkursreif war. Da ? wie bereits ausgeführt ? bei einer GmbH für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Überschuldung der Zahlungsunfähigkeit gleichsteht (§ 63 Abs. 1 GmbH; §§ 19 Abs. 1 und 3, 320 InsO), erscheint es gerechtfertigt, diese Gleichstellung auch für die Frage eines fiktiven Zuflusses i. S. des § 11 Abs. 1 EStG vorzunehmen.

bb) Ferner fehlt es für die Annahme eines Zuflusses der Zinsen im Streitjahr an der vom BFH in den sog. ?Ambros-Urteilen? geforderten Zahlungsbereitschaft der Darlehensschuldner (BFH-Urteil vom 7. Oktober 1997 VIII R 40/97, BFH/NV 1998, 958; vom 22. Juli 1997 VIII R 73/95, BFH/NV 1998, 300 und vom 22. Juli 1997 VIII R 57/95, BStBl II 1997, 755). Die Zahlungsbereitschaft ist neben der Zahlungsfähigkeit weitere Voraussetzung für Annahme des Zuflusses im Fall der Schuldnovation. Die Zahlungsbereitschaft des Darlehensschuldners ist eine innere Tatsache, deren Vorhandensein sich nur anhand äußerer Umstände verifizieren lässt. Solche äußeren Umstände sind im Streitfall jedoch nicht erkennbar. Auch der Beklagte kann solche auf die Zahlungsbereitschaft schließende Umstände nicht angeben. Der Streitfall unterscheidet sich auch in diesem Punkt von den sog. Ambros-Fällen, in denen die Anlagegesellschaft dem Auszahlungsverlangen einer Vielzahl von Anlegern nachgekommen war.

c) Schließlich fehlt es an der für die Annahme eines Zuflusses von Einnahmen i. S. der §§ 8 Abs. 1 und 11 Abs. 1 Satz 1 EStG beim Steuerpflichtigen an der vom BFH geforderten Vermögensmehrung i. S. einer objektiven Bereicherung (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 21. Juli 1987 VIII R 211/82, BFH/NV 1988, 224, 225, m. w. N.).

Auch bezüglich dieses Kriteriums unterscheidet sich der Streitfall von den sog. ?Ambros-Fällen?. In jenen Fällen ging der BFH von einer Vermögensmehrung bei dem Steuerpflichtigen aus. Zur Begründung führte er aus, dass diese in den maßgebenden Zeitpunkten der Gutschriften und Wiederanlagen der ?Renditen? gegeben war, weil die ?Ambros? in diesen Momenten, hätte dortige Kläger statt der Wiederanlage der ?Renditen? deren Auszahlungen begehrt, diesem Auszahlungsverlangen hätte entsprechen können und auch tatsächlich entsprochen hatte. Hierbei war es nach Ansicht des BFH für die zunächst eingetretene Bereicherung des Steuerpflichtigen in Höhe der gutgeschriebenen ?Renditen? ohne Belang, dass die ursprünglich realisierbaren ?Renditeforderungen? wie auch die übrigen Kapitaleinlagen zu einen späteren, nach Ablauf des Streitzeitraums eingetretenen Zeitpunkt uneinbringlich wurden (vgl. auch unten 3.). Demgegenüber ist im Streitfall nach den oben unter b) aa) und bb) gemachten Ausführungen davon auszugehen, dass die Darlehensschuldnerin ? hätte der Kläger bereits im Jahr 1988 die Auszahlung der vereinbarten Zinsen verlangt ? hierzu weder bereit noch fähig gewesen wäre.

Das Fehlen einer objektiven Bereicherung (Vermögensmehrung) beim Kläger folgt auch daraus, dass der Kläger die betrügerischen ? zudem bisher nicht belegten ? Zinsgutschriften der J nicht hätte realisieren können, da ein von ihm geltend gemachter zivilrechtlicher Anspruch auf Auszahlung der Zinsen angesichts der Wertlosigkeit dieser Zinsforderung keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte.

3. Selbst wenn man zugunsten des Beklagten davon ausginge, dass die Zahlungsbereitschaft und Zahlungsfähigkeit der J im Streitjahr nicht erwiesen sei, ist der Klage stattzugeben.

a) Sind entscheidungserhebliche Tatsachen nach den für die Feststellung eines steuerrelevanten Sachverhalts geltenden Grundsätzen nicht feststellbar (Unaufklärbarkeit), so richtet sich die Entscheidung danach, zu wessen Lasten die Unaufklärbarkeit geht (vgl. Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 88 AO Rz. 157 [Oktober 1990]). Die Nichtfeststellbarkeit von Tatsachen, die ein Recht begründen, trifft denjenigen, der dieses Recht für sich in Anspruch nimmt (Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 96 FGO Rz. 154 [Juni 2001]). Für das finanzgerichtliche Verfahren bedeutet dies, dass die Unerweislichkeit entscheidungserheblicher, steuerbegründender und ?erhöhender Tatsachen zu Lasten der Finanzbehörde geht, dass anderseits die Unerweislichkeit steuerbefreiender, mindernder, hindernder, - vernichtender und ?hemmender Tatsachen zu Lasten des Steuerpflichtigen geht (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. zuletzt Urteil vom 25. Juli 2000 IX R 93/97, BFHE 190, 478).

Zu dem vom Beklagten angenommenen Zufluss der hier in Rede stehenden Zinsen bei dem Kläger und damit zur Steuerpflicht dieser Zinsen kommt es nur, wenn die Zahlungsfähigkeit und die Zahlungsbereitschaft des Darlehensschuldners feststeht. Damit stellen diese Kriterien steuerbegründende Tatsachen dar, für deren Vorliegen der Beklagte die objektive Beweislast (Feststellungslast) trägt. Die Unerweislichkeit dieser Tatsachen geht daher zu seinen Lasten.

b) Dem gegenüber greift der Hinweis des Beklagten nicht durch, die J habe in ihrem Schreiben vom 22.8.1989 an den Kläger die Gutschrift der Zinsen auf dessen Darlehenskonto bestätigt und der Kläger habe die Zinsen in der gemeinsamen Einkommensteuererklärung zur Besteuerung erklärt. Denn die Angaben in einer Steuererklärung besagen noch nichts darüber, ob die angegebenen Einkünfte auch tatsächlich steuerpflichtig sind. Über die Steuerpflichtigkeit von Einkünften kann der Steuerpflichtige auch irren. Zum Zeitpunkt der Abgabe der Steuererklärung beim Beklagten (5.10.1989) waren die Kläger zum einen noch nicht steuerlich beraten. Zum anderen hatten sie zu diesem Zeitpunkt noch keine Erkenntnisse über das Schicksal ihres Kapitals und der Zinsen. Diese Erkenntnis haben sie vielmehr erst zu einem späteren Zeitpunkt erlangt, was sie u. a. zur Einlegung des Einspruches veranlasst hat. Dass sie die angenommenen Zinsen ihrer Steuererklärung angegeben haben, war zum Zeitpunkt der Abfassung der Steuererklärung naheliegend und spricht für die Steuerehrlichkeit der Kläger. Der Beklagte kann diese Steuerehrlichkeit der Kläger nicht zum Argument für den angeblichen Zufluss der Zinsen bei dem Kläger machen. Maßgeblich ist vielmehr, ob objektiv Einnahmen durch die Kläger erzielt worden sind und nicht eine ? zudem rechtlich irrige ? Annahme der Kläger.

4. Nach alledem war der Klage mit Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 FGO stattzugeben.

RechtsgebietEinkommensteuerVorschriften§ 11 EStG, § 20 EStG

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