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22.02.2001 · IWW-Abrufnummer 010217

Finanzgericht Münster: Beschluss vom 18.01.2001 – 4 V 6735/00 E

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


FINANZGERICHT MÜNSTER
BESCHLUSS
4. Senat

4 V 6735/00 E

In dem Rechtsstreit

wegen Aussetzung der Vollziehung (Einkommensteuer 1999)

hat der 4. Senat des Finanzgerichts Münster unter Mitwirkung des Präsidenten des Finanzgerichts und des Richters am Finanzgericht und der Richterin am Finanzgericht am 18. Januar 2001 beschlossen:

Tenor:

Die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 1999 vom 29.05.2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06.09.2000 wird bis einen Monat nach Bekanntgabe einer das Verfahren 4 K 6103/00 E abschließenden Entscheidung ab Fälligkeit ohne Sicherheitsleistung insoweit ausgesetzt, als der Besteuerung Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften zugrunde gelegt wurden. Die Berechnung des auszusetzenden Betrags wird dem Antragsgegner übertragen. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Antragsgegner und die Antragsteller zu 1/2.

Die Beschwerde wird zugelassen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen den Beschluß ist die Beschwerde an den Bundesfinanzhof gegeben (§ 128 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Bei der Einlegung und Begründung der Beschwerde muß sich jeder Beteiligte durch einen Steuerberater, einen Steuerbevollmächtigten, einen Rechtsanwalt, einen niedergelassenen europäischen Rechtsanwalt, einen Wirtschaftsprüfer oder einen vereidigten Buchprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen. Zur Vertretung berechtigt sind auch Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie Partnerschaftsgesellschaften, die durch einen der in dem vorherigen Satz aufgeführten Berufsangehörigen tätig werden. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie durch Diplomjuristen im höheren Dienst vertreten lassen.

Die Beschwerde ist beim Finanzgericht Münster schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle innerhalb von 2 Wochen nach Bekanntgabe des Beschlusses einzulegen (§ 129 Abs. 1 FGO). Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Beschwerdefrist beim Bundesfinanzhof eingeht.

Anschrift: a) Postfach:
Finanzgericht Münster
Postfach 2769
48014 Münster

b) Hausanschrift:
Finanzgericht Münster
Warendorfer Straße 70
48145 Münster

c) Telefon, Telefax;
Telefon-Nr.: (0251) 3784-0
Telefax-Nr.: (0251) 3784100

Gründe:

I.

Im Hauptsacheverfahren 4 K 6103/00 E ist streitig, ob der Antragsgegner (Ag.) Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft, dem Verkauf eines Hausgrundstücks, der Besteuerung zu Recht zugrunde gelegt hat.

Der Antragsteller (Ast.) ist bei der Bundesforstverwaltung beschäftigt. Im Jahr 1990 wurde er nach N versetzt. Da dem Ast. keine Dienstwohnung zur Verfügung gestellt wurde, kauften die Antragsteller (Ast.) dort am 01.08.1990 ein mit einem Reihenhaus bebautes Grundstück. Im Jahr 1994 erfolgte eine Versetzung des Ast. an das Bundesforstamt L, Dort bewohnten die Ast, eine Dienstwohnung. Das Haus in N vermieteten sie. Im Jahr 1999 wurde der Ast. an das Bundesforstamt S versetzt. Eine Dienstwohnung wurde dem Ast, hier nicht zur Verfügung gestellt. Die Ast. verkauften das Haus in N am 05.03.1999 und erwarben im April 1999 ein Haus in B. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärten die Ast. im Hinblick auf den Verkauf des Hauses Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften, beantragten jedoch zugleich, diese Einkünfte von der Besteuerung auszunehmen. Zur Begründung führten sie aus, eine Besteuerung bedeute eine unangemessene Härte, weil die Veräußerung des Grundstückes in N zur Finanzierung des Grundstückserwerbs in B erforderlich gewesen und die durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 (StEntlG 99/00/02) herbeigeführte Änderung des § 23 Einkommensteuergesetz (EStG) nicht vorhersehbar gewesen sei. Der Ag. legte der Besteuerung gleichwohl Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften zugrunde. Der Einspruch der Ast, hatte hinsichtlich der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften keinen Erfolg. In der Einspruchsentscheidung heißt es hierzu, der Gewinn aus der privaten Grundstücksveräußerung sei entsprechend der ab 1999 geltenden Rechtslage zutreffend ermittelt und der Versteuerung unterworfen worden. Mit der Neufassung des § 23 EStG habe der Gesetzgeber private Veräußerungsgeschäfte in größerem Umfang als bisher der Besteuerung unterwerfen wollen. Eine unbillige Härte im Sinne des § 163 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) sei nicht gegeben. Die Voraussetzungen einer niedrigeren Steuerfestsetzung aus persönlichen Billigkeitsgründen lägen nicht vor. Ein Erlaß aus persönlichen Billigkeitsgründen komme ebenfalls nicht in Betracht. So hätten die Ast. frei darüber entscheiden können, ob sie den Erwerb des Hauses in B durch den Verkauf des Hauses in N oder durch Mieteinnahmen aus der Vermietung dieses Objekts sicherstellen wollten. Zudem ergebe sich aus der Steuerfestsetzung keine finanzielle Belastung, die die Ast. in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährde.

Die Ast. haben gegen den Einkommensteuerbescheid 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung Klage erhoben, über die der Senat noch nicht entschieden hat. Nachdem der Ag. die Vollziehung des Einkommensteuerbescheids für das Einspruchsverfahren ausgesetzt hatte, hat er einen für das Klageverfahren gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abgelehnt. Zur Begründung ihres Antrags machen die Ast. geltend, es bestünden insoweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Einkommensteuerbescheides, als der Ag. Einkünfte aus der Veräußerung des Grundstücks in N zugrunde gelegt habe, Insbesondere sei § 23 EStG in der Fassung des StEntlG 99/00/02 insoweit verfassungswidrig, als bereits abgeschlossene Sachverhalte erfaßt würden. Es liege eine echte Rückwirkung vor, die verfassungswidrig sei. Das StEntlG 99/00/02 sei am 24.03.1999 beschlossen worden. § 23 EStG sei jedoch auf Veräußerungsgeschäfte anzuwenden, bei denen die Veräußerung auf einem nach dem 31.12.1998 rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrag beruhe. Sie, die Ast., hätten das Haus in N am 05.03.1999 verkauft. Unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes sei daher § 23 EStG in seiner Fassung vor Erlaß des StEntlG 99/00102 (EStG alte Fassung - a.F.) anzuwenden. Die Vorgehensweise des Ag. verstoße gegen das Rechtsstaatsprinzip. Sie, die Ast., seien zudem wesentlich in ihren Grundrechten beeinträchtigt. § 23 EStG greife übermäßig in ihre planerische Gestaltungsfreiheit ein. Es werde eine unverhältnismäßig lange Spekulationsfrist festgelegt. Diese würde zudem auf zurückliegende Sachverhalte erstreckt, so daß für den Steuerpflichtigen eine sachgerechte Planung nicht möglich gewesen sei. Jedenfalls sei eine Besteuerung des Veräußerungsgewinns aber unbillig. Der Ag. habe die Besonderheiten ihres, der Ast., Falles nicht hinreichend berücksichtigt. So sei der Kauf des Hauses in N durch Bundesmittel mitfinanziert worden. Aus diesem Grunde habe der Bund dem Verkauf des Grundstücks zustimmen müssen. Diese Zustimmung sei erst im Februar 1999 erteilt worden. Ein Verkauf des Hauses noch im Jahre 1998 sei ihnen, den Ast., nicht möglich gewesen. Darüber hinaus hätten sie, die Ast., bei Erwerb des Hauses in N nicht damit gerechnet, daß der Ast. noch einmal versetzt werden würde. Das Haus in N habe als Altersruhesitz dienen sollen. Allerdings sei dem Ast. in B keine Dienstwohnung zur Verfügung gestellt worden, so daß sie, die Ast,, sich zum Kauf eines Hauses entschlossen hätten. Um diesen Kauf finanzieren zu können, sei es zwingend erforderlich gewesen, das Haus in N zu veräußern. Die Veräußerung dieses Hauses stelle daher kein klassisches Spekulationsgeschäft dar. Zu berücksichtigen sei weiterhin, daß sie, die Ast., das Haus in N vor dem Verkauf aus rein tatsächlichen Gründen nicht hätten bewohnen können, Der Ast. sei nämlich verpflichtet gewesen, in der ihm zugewiesenen Dienstwohnung zu wohnen. Soweit der Ag. in der Einspruchsentscheidung ausgeführt habe, die Finanzierung des Hauses in B hätte durch die weitere Vermietung des Hauses in N finanziert werden können, so sei dies nicht zutreffend, Bei dem derzeitigen Wohnungsmarkt sei das Risiko der Unvermietbarkeit zu hoch, als das dadurch der Kauf eines Hauses finanziert werden könne, Hinzu komme ihr, der Ast., relativ hohes Alter. Sie Seien beide im Jahr 1943 geboren. Bei einem Fehlschlagen der Finanzierung durch Vermietung wäre ihnen, den Ast,, eine Neufinanzierung voraussichtlich nicht möglich gewesen. Nach alledem sei der Ag. verpflichtet gewesen, die Steuerschuld gem. § 163 AO niedriger festzusetzen.

Die Ast. beantragen sinngemäß,

die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 1999 vorn 29.05.2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06.09.2000 ab Fälligkeit der Steuer bis einen Monat nach Bekanntgabe einer das Verfahren 4 K 6103/00 F abschließenden Entscheidung auszusetzen, soweit die Steuer höher als 0,- DM festgesetzt wurde.

Der Ag, beantragt sinngemäß,

den Antrag abzuweisen.

Er macht geltend, die gesetzliche Regelung des § 23 EStG sei eindeutig.

II.

Der Antrag ist zulässig und teilweise begründet. Die Voraussetzungen des § 69 Abs. 3 i.V.m. § 69 Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) liegen vor. Es bestehen im Hinblick auf verfassungsrechtliche Fragen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts. Darüber hinaus liegt auch das - in solchen Fällen erforderliche - berechtigte Interesse an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vor.

Gem. § 22 Nr. 7 EStG gehören zu den sonstigen Einkünften Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften im Sinne des § 23 EStG. Nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG sind private Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken solche Veräußerungsgeschäfte, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Gem. § 52 Abs. 39 EStG ist § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG unter anderem auf solche Veräußerungsgeschäfte anzuwenden, bei denen die Veräußerung auf einem nach dem 31.12.1998 rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrag beruht. Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Ast. haben das Grundstück im Jahr 1990 angeschafft und aufgrund eines am 05.03.1999 abgeschlossenen Kaufvertrags veräußert. Der Senat muß nicht entscheiden, ob eine Verfassungswidrigkeit der genannten Vorschriften schon deshalb in Betracht kommt, weil auch solche Grundstücke erfaßt werden, die am 31.12, 1998 nicht mehr "steuerverstrickt" waren, die also vor Ablauf des 31.12.1998 hätten veräußert werden können, ohne daß dies zu einem Spekulationsgeschäft (im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG a.F.) geführt hätte (die Verfassungswidrigkeit unter diesem Gesichtspunkt bejahend z.B. Birk/Kulosa, FR 1999, 433, 438; Schmidt/Heinicke, EStG § 23 Rz. 2 a; Pleyer, NJW 1999, 3156; a.A. FG Baden-Württemberg, Beschluß vom 26.06.2000 2 V 13/00, EFG 2000, 1004; Glenk in Blümich, EStG, § 23 Rn. 3), Denn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Einkommensteuerbescheids ergeben sich nach Auffassung des Senats jedenfalls daraus, daß § 23 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 39 EStG insoweit gegen den aus dem Rechtsstaatsprinzip hergeleiteten Grundsatz des Vertrauensschutzes verstoßen dürfte, als - wie hier - Grundstücksveräußerungen erfaßt werden, die vor dem Gesetzesbeschluß durch den Bundestag am 24.03.1999 getätigt wurden (im Ergebnis ebenso Offerhaus, DStZ 2000, 9, 13).

Der Senat schließt sich zur Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Rückwirkung von Gesetzen (ebenso wie der Bundesfinanzhof, vgl. z.B. BFH, Urteil vom 11.02.1998 I R 81/97, BFHE 185, 393, BStBl. II 1998, 485) der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an. Hiernach dürfte ein Fall verfassungsrechtlich grundsätzlich unzulässiger sog. echter Rückwirkung (Rückbewirkung von Rechtsfolgen) wohl nicht vorliegen. Eine Rechtsnorm entfaltet echte Rückwirkung in diesem Sinne, wenn der Beginn ihres zeitlichen Anwendungsbereichs auf einen Zeitpunkt festgelegt ist, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Norm gültig geworden ist. Verfassungsrechtlich erlaubt ist grundsätzlich nur ein belastendes Gesetz, dessen Rechtsfolgen für einen frühestens mit der Verkündung beginnenden Zeitraum eintreten. Die Anordnung, eine Rechtsfolge solle schon für einen vor dem Zeitpunkt der Verkündung der Norm liegenden Zeitraum eintreten, ist grundsätzlich unzulässig (vgl. BVerfG, Beschluß vom 14.05,1986 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200, 24.1; BVerfG, Beschluß vom 03.12.1997 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67, 78). Für den Bereich des Einkommensteuerrechts ist dabei zu, beachten, daß die Einkommensteuer in der Regel mit Ablauf des Kalenderjahres als Veranlagungszeitraum entsteht (§ 36 Abs. 1 i.V.m. § 25 Abs. 1 EStG). Daraus folgt, daß die Rechtsfolgen einkommensteuerlicher Vorschriften, die die Steuerpflichtigkeit bestimmter Einkünfte regeln, in Bezug auf die veranlagte Einkommensteuer stets erst mit dem Ablauf des Veranlagungszeitraums, in der Regel des Kalenderjahres eintreten. Erst wenn eine nach Ablauf des Veranlagungszeitraums verkündete Norm mit Wirkung für diesen Veranlagungszeitraum eine ursprünglich geltende Rechtsfolgenlage nachträglich ändert, liegt ein Fall der echten Rückwirkung vor. In allen anderen Fällen, in denen die Änderung noch während des Laufs des Veranlagungszeitraums verkündet wird, handelt es sich lediglich um eine Neubestimmung einer bislang noch nicht eingetretenen Rechtsfolge (vgl. BVerfG, Beschluß vom 14.05,1986 2 BvL 2/83, aaO, 252 f.). Hieraus ergibt sich, daß keine echte Rückwirkung vorliegen dürfte. Das StEntlG 99/00/02 wurde im Laufe des Kalenderjahres 1999 beschlossen und verkündet und erfaßt alle Grundstücksveräußerungen, die nach dem 31.12.1998 vorgenommen wurden. Die §§ 23 Abs. 1 Nr. 1, 52 Abs. 39 EStG knüpfen - soweit Grundstücksveräußerungen, die zeitlich vor der Verkündung des StEntlG 99/00/02 lagen, betroffen sind - an der Vergangenheit zugehörige Tatbestandsmerkmale an und ordnen für diese (künftige) Rechtsfolgen an. Hierin liegt eine tatbestandliche Rückanknüpfung, ("unechte" Rückwirkung), die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an den Grundrechten des Steuerpflichtigen zu messen ist, wobei den rechtsstaatlichen Grundsätzen des Vertrauensschutzes, der Rechtssicherheit und auch der Verhältnismäßigkeit (unter dem Gesichtspunkt der Vergangenheitsanknüpfung) besondere Bedeutung zukommen. Der Steuerpflichtige muß im Rechtsstaat bis zur Verkündung einer steuerlichen Neuregelung darauf vertrauen können, daß Einkünfte, die ihm bis dahin zugeflossen sind nicht nachträglich einer schärferen steuerlichen Belastung unterworfen werden, als sie bis dahin galt. Andererseits ist der Gesetzgeber grundsätzlich nicht gehindert, ist, für die Zukunft die steuerlichen Folgen eines in der Vergangenheit liegenden Verhaltens zu verschärfen. Denn dem Gesetzgeber muß es möglich sein, auf veränderte soziale Gegebenheiten zu reagieren oder soziale Gegebenheiten in einem bestimmten Sinne zu beeinflussen. Etwas anderes ergibt sich aber dann, wenn die Neuregelung ausnahmsweise hinter ein überwiegendes schutzwürdiges Vertrauen des Steuerpflichtigen zurücktreten muß (vgl. BVerfG, Beschluß vom 14,05,1986 2 BvL 2/83, aaO, 242, 254 f.). Nach Auffassung des Senats dürfte in Fällen wie dem vorliegenden ein überwiegendes schutzwürdiges Vertrauen des Steuerpflichtigen zu bejahen sein, Zu berücksichtigen ist hierbei insbesondere, daß bei der Veräußerung eines im Privatvermögen befindlichen Grundstücks kein Dauersachverhalt vorliegt, der sich über einen längeren Zeitraum erstreckt und dessen Verwirklichung daher gleichsam zwangsläufig mit dem Risiko einer sich verschlechternden steuerlichen Rechtslage verknüpft Ist. Vielmehr handelt es sich um einen einmaligen Vorgang, um eine einmalige Disposition. Auch wenn die Einkommensteuer erst mit Ablauf des Kalenderjahres entsteht, ist der zu besteuernde Sachverhalt im Zeitpunkt der Veräußerung verwirklicht. In solchen Fällen spricht vieles dafür, das Vertrauen des Steuerpflichtigen in die zu diesem Zeitpunkt bestehende Rechtslage für schutzwürdiger zu erachten als das Interesse des Gesetzgebers daran, auch solche Sachverhalte in die Neuregelung einzubeziehen, die bei der Beschlußfassung durch den Gesetzgeber bereits verwirklicht waren (im Ansatz ähnlich Offerhaus, aaO; vgl. auch BVerfG, Beschluß vom 03.12.1997 2 BvR 882/97, aaO, 80).

Die weiteren Voraussetzungen für eine Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Bescheids liegen ebenfalls vor. Wird die Aussetzung der Vollziehung mit der Begründung begehrt, eine der angewendeten Vorschriften sei verfassungswidrig, so ist ein besonderes Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes erforderlich. Der Anspruch des Steuerpflichtigen auf Rechtsschutz und die öffentlichen Belange sind gegeneinander abzuwägen (vgl. BFH, Beschuß vom 19.08.1994 X B 318, 319/93 BFH/NV 1995, 143). Mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG ist dabei von einem Regel-Ausnahme-Verhältnis auszugehen: Der Anspruch des Antragstellers auf effektiven Rechtsschutz erfordert, daß die Aussetzung die Regel, der sofortige Vollzug des Verwaltungsakts hingegen die Ausnahme bleibt (vgl. BVerfG, Beschluß vom 06.04.1988 1 BvR 146/88, StRK FGO § 69 R. 283). Überwiegende öffentliche Interessen sind vorliegend nicht erkennbar. Insbesondere steht einer Aussetzung der Vollziehung das öffentliche Interesse an einer geordneten Haushaltsführung nicht entgegen. Denn es ist nicht zu erwarten, daß eine Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuerbescheide, bei denen vor Beschluß des StEntlG 99/00/02 getätigte private Veräußerungsgeschäfte erfaßt wurden, zu gravierenden Einnahmeausfällen in den öffentlichen Haushalten führen würde.

Dem weitergehenden Antrag der Ast. kann nicht entsprochen werden. Die Nichtbesteuerung der Einkünfte aus der Veräußerung des Grundstücks würde - wegen der weiteren Einkünfte des Ast. - nicht zu einer Steuerfestsetzung auf 0,- DM führen. Zudem steht § 69 Abs. 2 Satz 8, 1. Halbsatz FGO einer (vorläufigen) Auszahlung der einbehaltenen Lohnsteuer entgegen. Gründe, die die Annahme rechtfertigen, eine Aufhebung der Vollziehung sei zur Abwendung wesentlicher Nachteile erforderlich (§ 69 Abs. 2 Satz 8, 2. Halbsatz FGO) haben die Ast. nicht vorgetragen.

Dafür, die Aussetzung der Vollziehung von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen, besteht kein Anlaß.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 FGO. Der Senat läßt die Beschwerde gem. § 128 Abs. 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zu.

RechtsgebieteEStG, AO, FGOVorschriftenEStG § 23 EStG § 22 Nr. 7 EStG § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG § 52 Abs. 39 AO § 163 Abs. 1 AO § 163 FGO § 69 Abs. 3 FGO § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO § 69 Abs. 2 Satz 8, 1. Halbsatz FGO § 136 Abs. 1 FGO § 128 Abs. 3 FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1

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