27.01.2012
Landesarbeitsgericht Köln: Urteil vom 19.05.2011 – 7 Sa 892/10
1.) Auch Beamte der Deutschen Bundespost, die Sonderurlaub ohne Bezüge in Anspruch genommen haben, um ein privatrechtliches Arbeitsverhältnis mit einem Drittunternehmen aufzunehmen und durchzuführen, haben bei Beendigung des privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses gegen das Drittunternehmen als Arbeitgeberin einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung aus diesem Arbeitsverhältnis.
2.) Das gilt auch dann, wenn zeitgleich mit der Beendigung des privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses das ruhende Beamtenverhältnis zur Deutschen Bundespost in Form eines Ruhestandsverhältnisses wieder auflebt.
3.) Der Umstand, dass ein Arbeitnehmer aufgrund tarifvertraglicher Vorschriften auch im Fall lang andauernder krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit einen Anspruch auf nahezu ungekürzte Entgeltfortzahlung hat, hat auf die Frage, ob und inwieweit die Grundsätze der Entscheidung des EuGH in Sachen Sch-H auf einen Urlaubsabgeltungsanspruch Anwendung finden, keinen Einfluss.
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 13.01.2010 in Sachen 3 Ca 6375/09 abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 12.315,-- € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.06.2009 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um einen Anspruch der Klägerin auf Urlaubsabgeltung aus einem beendeten Arbeitsverhältnis.
Die am ... .1958 geborene Klägerin war zunächst als Beamtin bei der D beschäftigt. Mit Schreiben vom 17.11.1992 (Bl. 129 f. d. A.) wurde die Klägerin auf der Grundlage des § 13 Abs. 1 der Sonderurlaubsverordnung und eines Erlasses der Generaldirektion D Postdienst vom 30.07.1992 (Bl. 125 ff. d. A.) unter Wegfall ihrer Beamtenbesoldung für eine Tätigkeit beim P K, einem Rechtsvorgänger der Beklagten des hiesigen Rechtsstreits, für die Zeit ab 01.10.1992 beurlaubt. In der Folgezeit verlängerte sich die Beurlaubung, wie bereits in dem Schreiben vom 17.11.1992 vorgesehen, automatisch und kontinuierlich, bis die Klägerin am 19.12.2008 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt wurde (vgl. Bl. 36 d. A.).
Dem Zwecke der Beurlaubung im Beamtenverhältnis entsprechend hatte die Klägerin zum 01.10.1992 mit dem P K als Rechtsvorgänger der Beklagten ein Arbeitsverhältnis begründet (vgl. Anstellungsvertrag vom 09.09.1992, Bl. 131 ff. d. A.).
Grundlage des Arbeitsverhältnisses der Klägerin zur Beklagten war sodann bis zuletzt der Arbeitsvertrag für Angestellte vom 20.12.1993, geschlossen zwischen der Klägerin und dem P K als Arbeitgeber und Rechtsvorgänger der Beklagten. Auf den vollständigen Inhalt dieses Arbeitsvertrages (Bl. 5 - 7 d. A.) wird Bezug genommen.
Auszugsweise enthält der Arbeitsvertrag insbesondere folgende Bestimmungen:
"§ 1 Aufgabenbereich
Der Arbeitnehmer wird mit Wirkung vom 01.01.1994 auf der Grundlage der jeweils gültigen Tarifverträge der Tarifgemeinschaft der P eingestellt.
...
§ 7 Urlaub
Der Urlaubsanspruch richtet sich nach dem Manteltarifvertrag für die Tarifgemeinschaft der P . Er beträgt zur Zeit 30 Arbeitstage pro Beschäftigungsjahr.
...
§ 13 Tarifvertragliche Regelung
Im Übrigen gelten die Bestimmungen der jeweils gültigen Tarifverträge der Tarifgemeinschaft der P .
..."
§ 1 Nr. 1 c) des für die Beklagte gültigen Manteltarifvertrages in der Fassung vom 01.10.2004 bestimmt, dass für die von der D für eine Tätigkeit als Arbeitnehmer bei den P ohne Bezüge beurlaubten Beamten vorrangig die Sonderregelungen zu dem Manteltarifvertrag gelten, solange und soweit die Beurlaubung besteht. § 14 der Sonderregelungen I für beurlaubtes Personal enthält eine ausführliche Sonderregelung zu den Themen "Krankenvergütung, Krankenversicherung". § 16 der Sonderregelung I zum Thema "Erholungsurlaub" lautet vollständig wie folgt:
"Ab der Überleitung in UoB [Urlaub ohne Bezüge] gilt das Kalenderjahr als Urlaubsjahr. Für ein Rumpfurlaubsjahr anlässlich der Überleitung entsteht für volle Kalendermonate ein Urlaubsanspruch nach § 16 MTV auf entsprechende Urlaubsanteile (Zwölftel); Bruchteile von Tagen werden aufgerundet. Von der D oder dem Ministerium für P gewährter oder abgegoltener Erholungsurlaub ist anzurechnen (Ausschluss von Doppelansprüchen)".
Ferner enthält § 19 der Sonderregelungen I auszugsweise folgende Bestimmung:
"(1.1) Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen Gewährung der Versorgungsbezüge
Wird durch Feststellung des Postbetriebs- oder Amtsarztes die Dienstunfähigkeit bei einem Arbeitnehmer, der aus einem Beamtenverhältnis zum P beurlaubt ist, im Sinne von § 42 Beamtengesetz festgestellt, endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats, der dem Monat vorangeht, in dem die Zurruhesetzung eintritt und Versorgungsbezüge nach dem Beamtenversorgungs-gesetz bezahlt werden."
Die für die Beklagte maßgebliche tarifliche Urlaubsregelung findet sich im Übrigen in § 16 des Manteltarifvertrages vom 01.10.2004, auf dessen vollständigen Wortlaut Bezug genommen wird. § 16 Nr. 6 MTV lautet:
"Kann der Erholungsurlaub nicht mehr vor dem Ausscheiden gewährt werden, so ist er durch Zahlung eines entsprechenden Gehaltsteils (1/21 des Monatsgehalts für jeden Arbeitstag) abzugelten."
Die Klägerin war seit dem 19.01.2007 bis zum Zeitpunkt der aus § 13 Arbeitsvertrag i. V. m. § 19 (1.1) der Sonderregelungen I für beurlaubtes Personal zum MTV vom 01.10.2004 folgenden Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien durchgehend arbeitsunfähig erkrankt.
Im Januar 2009 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten vergeblich einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung für die Jahre 2007 und 2008 geltend. Diesen Anspruch verfolgt die Klägerin mit der vorliegenden, am 25.05.2009 beim Arbeitsgericht Köln erhobenen Klage weiter.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass ihr gemäß § 16 Ziff. 6 MTV i. V. m. § 13 des Arbeitsvertrages der Parteien ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung für je 30 Urlaubstage der Urlaubsjahre 2007 und 2008 zustehe. Diese Urlaubsansprüche seien aufgrund ihrer fortdauernden Arbeitsunfähigkeit auch nicht verfallen. Dies ergebe sich aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 20.01.2009, C-350/06, C-520/06, in Sachen S sowie aus der diese EUGH-Rechtsprechung umsetzenden Entscheidung des BAG vom 24.03.2009, 9 AZR 983/07. Die Klägerin hat erstinstanzlich bei der Berechnung ihrer Urlaubsabgeltungsforderung ein monatliches Gesamt-Brutto-Einkommen in Höhe von 5.175,39 € zugrunde gelegt.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 14.786,82 € brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, weil mit der beamtenrechtlichen Versetzung der Klägerin in den Ruhestand ihr Arbeitsverhältnis mit der Beklagten geendet habe und ihr Beamtenstatus wieder aufgelebt sei, könne sie nunmehr keine Urlaubsabgeltung beanspruchen; denn Beamten käme ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung nicht zu.
Darüber hinaus hat die Beklagte die Auffassung vertreten, dass die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Urlaubsabgeltung nach langandauernder Krankheitszeit ihrem Sinn und Zweck nach auch deshalb nicht auf die Klägerin angewendet werden könnte, weil diese als beurlaubte Beamtin während ihrer Krankheitszeit wirtschaftlich wesentlich besser gestellt gewesen sei als sonstige Arbeitnehmer; sie habe nämlich während der Gesamtdauer ihrer Arbeitsunfähigkeit einen Anspruch auf ihre vollen Dienstbezüge gehabt, während andere Arbeitnehmer nach Ablauf des sechswöchigen Entgeltfortzahlungszeitraumes auf Krankengeldzahlung angewiesen seien. Würde der Klägerin gleichwohl auch noch eine Urlaubsabgeltung zugestanden, käme es insoweit quasi zu einer Doppelzahlung.
Schließlich, so hat die Beklagte ausgeführt, gelte die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ohnehin nur für den gesetzlichen Mindesturlaub im Umfang von 20 Arbeitstagen jährlich. Auch sei nicht nachvollziehbar, warum die Klägerin ein Gesamtbrutto in Höhe von 5.175,39 € monatlich ihrer Berechnung zugrunde lege.
Die 3. Kammer des Arbeitsgerichts Köln hat mit Urteil vom 13.01.2010 die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils wird Bezug genommen.
Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde der Klägerin am 10.06.2010 zugestellt. Die Klägerin hat hiergegen am Montag, dem 12.07.2010 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 10.09.2010 am 09.09.2010 begründet.
Die Klägerin führt aus, dass ihr zunächst ruhendes und dann mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Beklagten als Ruhestandsverhältnis wieder aufgelebtes Beamtenverhältnis ihrem Anspruch auf Urlaubsabgeltung gegen die Beklagte nicht entgegenstehe. Dies folge schon daraus, dass richtigerweise auch Beamte Urlaubsabgeltung beanspruchen könnten. Die Klägerin verweist insoweit auf einen Vorlagebeschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt/Main vom 25.06.2010, Az. 9 K 836/10.F, an den Europäischen Gerichtshof. Richtigerweise seien auch Beamte als Arbeitnehmer im Sinne der einschlägigen EG-Richtlinien anzusehen.
Richtig sei allerdings, dass der Berechnung des Urlaubsabgeltungsanspruchs gemäß § 16 Ziff. 6 MTV nur das Grundgehalt zugrunde zu legen sei, welches - unstreitig - 4.310,26 € brutto monatlich betrage.
Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt nunmehr,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 13.01.2010, Az. 3 Ca 6375/09, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 12.315,00 € brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz zu zahlen.
Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das arbeitsgerichtliche Urteil für richtig und verteidigt dessen Entscheidungsgründe. Die Beklagte wiederholt ihre erstinstanzliche Argumentation und hält der Klägerin entgegen, dass Beamte richtigerweise keinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung geltend machen könnten und auch nicht als Arbeitnehmer im Sinne der einschlägigen EG-Richtlinie anzusehen seien. Die Gewährung des Urlaubsabgeltungsanspruchs würde vielmehr zu einer zusätzlichen Begünstigung der Klägerin führen, für die eine sachliche Rechtfertigung nicht erkennbar sei, da sie während der gesamten Dauer ihrer Erkrankung ihre vollen Bezüge weiter erhalten habe.
Entscheidungsgründe
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 13.01.2010 ist zulässig. Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft. Sie wurde auch innerhalb der in § 66 Abs. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen eingelegt und begründet.
II. Die Berufung der Klägerin musste auch Erfolg haben. Die 3. Kammer des Arbeitsgerichts Köln hat die Klage zu Unrecht in vollem Umfang abgewiesen.
1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte als ihre ehemalige Arbeitgeberin aus dem zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnis aus Anlass von dessen Beendigung zum 31.12.2008 einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung von je 30 Urlaubstagen für die Urlaubsjahre 2007 und 2008. Der Anspruch der Klägerin folgt aus § 16 Ziff. 6 MTV i. V. m. § 7 Abs. 4 BUrlG.
a. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand gemäß § 1 Abs. 1 und § 13 des Arbeitsvertrages vom 20.12.1993 der jeweils für die Beklagte gültige Manteltarifvertrag, zuletzt also derjenige vom 01.10.2004, Anwendung.
b. Gemäß § 16 Ziff. 6 MTV ist der Erholungsurlaub, welcher nach § 16 Ziff. 1 MTV 30 Arbeitstage im laufenden Kalenderjahr beträgt, durch Zahlung eines entsprechenden Gehaltsteiles im Umfang von 1/21 des Monatsgehalts für jeden Arbeitstag abzugelten, wenn er nicht mehr vor dem Ausscheiden gewährt werden kann.
c. Das die Parteien des hiesigen Rechtsstreits verbindende Arbeitsvertragsverhältnis hat zum 31.12.2008 sein Ende gefunden.
aa. Bestandteil des auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbaren Manteltarifvertrages sind auch die Sonderregelungen I für beurlaubtes Personal. Gemäß § 19 Ziff. 1.1 dieser Sonderregelungen endet das Arbeitsverhältnis eines beurlaubten Beamten mit Ablauf des Monats, der dem Monat vorangeht, in dem die Zurruhesetzung eintritt und Versorgungsbezüge nach dem Beamtenversorgungsgesetz bezahlt werden.
bb. Gemäß § 47 Abs. 4 BBG beginnt der Ruhestand bei Dienstunfähigkeit mit dem Ende desjenigen Monats, in dem die Versetzung in den Ruhestand der Beamtin bekannt gegeben worden ist. Geht man davon aus, dass der Klägerin die am 19.12.2008 verfügte Versetzung in den Ruhestand noch im Laufe des Monats Dezember 2008 bekannt gegeben wurde, trat die Zurruhesetzung mit dem Ende des Monats Dezember 2008, mit anderen Worten also zum Beginn des Monats Januar 2009 ein. Ruhestandsbezüge waren ihr somit erstmals im Januar 2009 zu zahlen. Damit stimmt die erstinstanzlich zur Akte gereichte Verdienstabrechnung für den Monat Dezember 2008 (Bl. 39 d. A.) überein, aus der hervorgeht, dass die Klägerin im Monat Dezember 2008 noch ihr bisheriges arbeitsvertraglich maßgebliches Gehalt von der Beklagten bezogen hat.
d. Bis zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.12.2008 hatte die Klägerin weder ihren Jahresurlaub 2007 noch ihren Jahresurlaub 2008 in Anspruch genommen. Er hat ihr auch nicht gewährt werden können, da sie durchgehend arbeitsunfähig erkrankt gewesen war. Nach bisheriger ganz herrschender Auffassung (neuerdings a. A.: LAG Köln vom 07.02.2011, 5 Sa 891/10) schließen sich nämlich krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit und Erholungsurlaub gegenseitig aus; denn der Urlaubsanspruch ist auf bezahlte Freistellung von der vertraglichen Arbeitspflicht gerichtet, ein arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer ist aber schon aufgrund seiner Arbeitsunfähigkeit von der Arbeitspflicht befreit.
2. Der Urlaubsanspruch für das Kalenderjahr 2008 in der aus § 7 S. 2 des Arbeitsvertrages i. V. m. § 16 Ziff. 1 Abs. 1 MTV folgenden Höhe von 30 Arbeitstagen war im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.12.2008 auch noch nicht verfallen.
a. § 16 des auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbaren Manteltarifvertrags enthält keine eigenständigen Regelungen über den Verfall oder die Übertragung des Jahresurlaubs.
b. Es bleibt daher bei den Grundregeln aus § 7 Abs. 3 BUrlG. Gemäß § 7 Abs. 3 S. 2 BUrlG hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Übertragung seines Jahresurlaubs auf das erste Quartal des Folgejahres, wenn in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Das Hauptbeispiel für derartige in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe bildet die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit. Hatte die Klägerin somit einen Anspruch auf Übertragung ihres Erholungsurlaubs für 2008 auf die Zeit bis zum 31.03.2009 aus § 7 Abs. 3 S. 2 BUrlG, so war ihr Urlaubsanspruch 2008 am 31.12.2008 noch nicht verfallen.
c. Ginge man - zur Überzeugung des Berufungsgerichts fälschlicherweise - davon aus, dass § 16 MTV deshalb keine Regeln über die Übertragung des Urlaubsanspruchs in das folgende Kalenderjahr enthält, weil die Tarifvertragsparteien jede Urlaubsübertragung in das Folgejahr hätten ausschließen wollen, so handelte es sich bei § 7 Abs. 3 S. 2 BUrlG zumindest um eine "günstigere gesetzliche Regelung" im Sinne von § 16 Ziff. 9 MTV.
d. Für den aus § 16 Ziff. 6 MTV i. V. m. §§ 7 Abs. 3 und 4 BUrlG folgenden Urlaubsabgeltungsanspruch der Klägerin für das Kalenderjahr 2008 kommt es somit auf die Grundsätze der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 20.01.2009 in Sachen S von vornherein nicht an.
3. Warum dem Urlaubsabgeltungsanspruch der Klägerin der Umstand entgegenstehen soll, dass mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin zur Beklagten zugleich das bis dahin ruhende Beamtenverhältnis der Klägerin zur D bzw. deren öffentlich-rechtlichen Rechtsnachfolgern in Form eines Ruhestandsverhältnisses wieder aufgelebt ist, erschließt sich dem Berufungsgericht nicht.
a. Für den Anspruch eines Arbeitnehmers auf Abgeltung des im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsvertragsverhältnisses nicht in Anspruch genommenen und noch nicht verfallenen Erholungsurlaubs kommt es weder auf die Art und Weise der Beendigung des Arbeitsverhältnisses an (BAG vom 18.10.1990, AP Nr.56 zu § 7 BUrlG Abgeltung; BAG vom 18.06.1980, AP Nr.6 zu § 13 BUrlG Unabdingbarkeit; Erf-K/Dörner/Gallner, § 7 BUrlG Rdnr. 52 m.w.N.), noch darauf, welchen beschäftigungsrechtlichen Status der bisherige Arbeitnehmer nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses gegenüber Dritten einnimmt. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung entsteht nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses ebenso wie nach Abschluss eines Aufhebungsvertrages, nach Ablauf einer Befristung oder nach Eintritt einer Bedingung, ebenso nach erfolgreicher Anfechtung des Arbeitsvertrages (ErfK-Dörner/Gallner, § 7 BUrlG Rdnr. 52 m. w. N.). Einzige Voraussetzung für den Urlaubsabgeltungsanspruch ist insofern, dass der Arbeitnehmer das Ende des Arbeitsverhältnisses noch erlebt. Nur wenn der Tod des Arbeitnehmers Grund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist, scheidet ein Urlaubsabgeltungsanspruch aus (BAG vom 26.04.1990, AP Nr. 53 zu § 7 BUrlG Abgeltung; BAG vom 23.06.1992, AP Nr. 59 zu § 7 BUrlG).
b. Vorliegend endete das Arbeitsverhältnis durch Eintritt der in § 19 Ziff. 1.1 der Sonderregelungen I für beurlaubtes Personal zum Manteltarifvertrag niedergelegten Bedingung.
c. Ebenso ist es für den Urlaubsabgeltungsanspruch ohne Belang, ob der Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses arbeitslos wird, ob er nahtlos oder mit einer gewissen Übergangszeit ein neues Arbeitsverhältnis aufnimmt, ob er die gesetzliche Alters- oder Erwerbsunfähigkeitsrente in Anspruch nimmt oder auch, ob er ein aktives Beamtenverhältnis eingeht oder ein bis dahin ruhendes Beamtenverhältnis aktiv wieder aufnimmt oder ob wie hier ein bis dahin ruhendes Beamtenverhältnis in Form eines beamtenrechtlichen Ruhestandsverhältnisses wieder auflebt.
d. Die Klägerin war mit ihrer Arbeitgeberin, der Beklagten des hiesigen Prozesses, niemals durch ein Beamtenverhältnis verbunden. Die Klägerin macht auch keine Urlaubsansprüche geltend, die ihr aus einem Beamtenverhältnis entstanden sind. Es geht vielmehr ausschließlich um arbeitsvertraglich begründete Urlaubsansprüche gegenüber der Beklagten als Arbeitgeberin, die die Beklagte als Arbeitgeberin auch in natura hätte erfüllen müssen, wenn die Klägerin zum 31.12.2008 nicht aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden wäre, sondern z. B. ihre Arbeits- und Dienstfähigkeit wiedererlangt hätte.
e. Aus den genannten Gründen ist es für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits zur Überzeugung des Berufungsgerichts auch ohne jeden Belang, ob ein Beamter als solcher aus seinem Beamtenverhältnis einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung geltend machen kann, ob ein Beamter als solcher als "Arbeitnehmer" im Sinne der einschlägigen EG-Richtlinien anzusehen wäre und ob die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 20.01.2009 in Sachen S auch für Beamte im Rahmen von deren beamtenrechtlichen Status Bedeutung hätte.
4. Die Klägerin kann aber auch Abgeltung ihrer 30 aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten resultierenden, jedoch nicht in natura in Anspruch genommenen Urlaubstage für das Urlaubsjahr 2007 verlangen.
a. Nach dem Wortlaut von § 7 Abs. 3 S. 3 BUrlG wäre der Urlaubsanspruch der Klägerin für das Urlaubsjahr 2007 an sich am 31.03.2008 verfallen.
b. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 20.01.2009 in Sachen S verstößt es aber bekanntlich gegen europarechtliche Vorgaben, wenn eine nationale Urlaubsregelung den Verfall gesetzlicher Urlaubsansprüche vorsieht, obwohl es dem betroffenen Arbeitnehmer bis zum angeordneten Zeitpunkt des Urlaubsverfalls aus von ihm nicht verschuldeten Gründen objektiv unmöglich war, den ihm zustehenden Erholungsurlaub in Anspruch zu nehmen, was insbesondere bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit der Fall ist.
c. Das Bundesarbeitsgericht hat diese EuGH-Rechtsprechung erstmals mit seiner Entscheidung vom 24.03.2009, NZA 2009, 538 in das deutsche Urlaubsrecht umgesetzt. Dies hat zur Folge, dass entgegen dem Wortlaut von
§ 7 Abs. 3 S. 3 BUrlG nicht in Anspruch genommene Urlaubstage eines Arbeitnehmers nicht mehr am 31.03. des Folgejahres verfallen, wenn sie wegen fortdauernder krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht in Anspruch genommen werden konnten.
d. Die aus dem Arbeitsvertragsverhältnis mit der Beklagten resultierenden Urlaubsansprüche der Klägerin im Umfang von 30 Arbeitstagen für das Urlaubsjahr 2007 sind somit zum 31.03.2008 nicht verfallen und bestanden auch im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.12.2008 noch. Dementsprechend waren auch sie abzugelten.
e. Die Auffassung der Beklagten, dass die Rechtsprechung des EuGH in Sachen S und ihr folgend die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts seit dessen Urteil vom 24.03.2009 nicht auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin anwendbar sei, weil die Klägerin anders als andere Arbeitnehmer während der Gesamtdauer ihrer langfristigen Arbeitsunfähigkeit ihre volle Vergütung weitergezahlt erhalten habe, erscheint zur Überzeugung des Berufungsgerichts aus diversen Gründen rechtsirrig:
aa. Unzutreffend erscheint bereits der Ausgangspunkt der Überlegung der Beklagten, dass die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs dazu dienen solle, einem langfristig erkrankten Arbeitnehmer mit der Zubilligung eines Urlaubsabgeltungsanspruchs einen Ausgleich dafür verschaffen zu wollen, dass sich dieser Arbeitnehmer aufgrund seiner verminderten Krankenbezüge einen Erholungsurlaub wirtschaftlich nicht hätte leisten können. Jedenfalls nach der bisherigen ganz herrschenden Sichtweise des nationalen Arbeitsrechts schließen sich krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit und Erholungsurlaub gegenseitig aus, vgl. z. B. § 9 BUrlG. Die Frage, ob sich ein arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer während seiner Krankheit einen Erholungsurlaub wirtschaftlich leisten kann, stellt sich somit von vornherein überhaupt nicht.
bb. Maßgeblich erscheint vielmehr, dass es zu den Charakteristika eines Arbeitsvertragsverhältnisses gehört, dass dem Arbeitnehmer jedes Jahr ein zeitlich befristeter Anspruch auf bezahlte Freistellung von der Arbeitsleistung zusteht, der aber nur dann zum Tragen kommen kann, wenn der Arbeitnehmer nicht krankheitsbedingt arbeitsunfähig ist. Dieser typische Arbeitnehmeranspruch soll nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht allein deshalb durch Zeitablauf verloren gehen, wenn der Arbeitnehmer unverschuldet während des Urlaubsjahres und des ggf. vorgesehenen Urlaubsübertragungszeitraums arbeitsunfähig erkrankt war. Mit der Frage, wie der Arbeitnehmer während der bestehenden Arbeitsunfähigkeit wirtschaftlich gestellt ist, hat dies nichts zu tun.
cc. Dies belegt auch die Sichtweise der für das Arbeitsverhältnis der Parteien zuständigen Tarifvertragsparteien.
(1) Der Umstand, dass die Klägerin als beurlaubte Beamtin während der Dauer ihrer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit ohne die in § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG enthaltene zeitliche Beschränkung auf sechs Wochen in den Genuss einer weitgehend ungeschmälerten Vergütungsfortzahlung kommen konnte, beruht auf § 14 der Sonderregelungen I für beurlaubtes Personal zum für die Beklagte geltenden Manteltarifvertrag.
(2) Die Tarifvertragsparteien haben jedoch gleichzeitig in § 16 derselben Sonderregelungen keinerlei Einschränkungen zu dem aus § 16 Ziff. 6 des Manteltarifvertrages folgenden Urlaubsabgeltungsanspruch vorgenommen. Zu solchen Einschränkungen wären sie im Zweifel gemäß § 13 Abs.1 und Abs.3 BUrlG auch nicht befugt gewesen. Die Tarifvertragsparteien haben die im Arbeitsverhältnis stehenden beurlaubten Beamten vielmehr hinsichtlich der Krankenvergütung bewusst privilegiert, ohne gleichzeitig die tarifvertraglich allen Arbeitnehmern der Beklagten zustehenden Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche anzutasten. Der Grund hierfür dürfte nicht zuletzt darin zu sehen sein, dass die privilegierte Krankenvergütungsregelung auch dem Gesichtspunkt einer Besitzstandswahrung zugunsten der freiwillig aus einem aktiven Beamtenverhältnis in ein Arbeitsverhältnis übergewechselten Beschäftigten geschuldet war.
(3) Die Argumentation der Beklagten übersieht des Weiteren, dass auch die bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer, bei denen es sich nicht um beurlaubte Beamte handelt, im Falle der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit Entgeltfortzahlungsleistungen beanspruchen können, die weit über das im Entgeltfortzahlungsgesetz vorgeschriebene Mindestniveau hinausgehen. So erhalten gemäß § 14 MTV Arbeitnehmer, auch wenn sie nicht beurlaubte Beamte sind, nach Ablauf des gesetzlichen sechswöchigen Entgeltfortzahlungszeitraums einen sog. Krankengeldzuschuss in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen ihrem Nettogehalt und dem Bruttokrankengeld aus der gesetzlichen Krankenversicherung, gestaffelt nach Betriebszugehörigkeit, für die Dauer von bis zu 72 Wochen gezahlt. Auch diesen Arbeitnehmern steht dennoch der in § 16 Ziff.6 MTV vorgesehene Urlaubsabgeltungsanspruch zu, was, soweit ersichtlich, auch die Beklagte nicht bezweifelt.
5. Die Höhe des Urlaubsabgeltungsanspruchs der Klägerin für das Urlaubsjahr 2007 ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht auf den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch von 20 Urlaubstagen begrenzt.
a. Zutreffend erscheint der Ausgangspunkt der Überlegung der Beklagten, wonach die Grundsätze der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in Sachen S nur für die gesetzlichen Urlaubsregelungen gelten.
b. Wenn dagegen Tarifvertragsparteien für den Geltungsbereich ihrer Tarifverträge über das gesetzlich festgelegte Mindestniveau hinausgehende Urlaubsansprüche begründen, steht es ihnen frei, für diese übergesetzlichen Urlaubsansprüche eigenständige Verfallsregelungen in Kraft zu setzen, ohne an den europarechtlich vorgeschriebenen Mindeststandard gebunden zu sein.
c. Ob tarifvertragliche Vorschriften im Einzelfall solche eigenständigen Verfallsregelungen vorsehen, ist eine Frage der Auslegung. Nur wenn eindeutige Anhaltspunkte dafür vorliegen, ist davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien für den übergesetzlichen Teil der von ihnen begründeten Urlaubsansprüche eine eigenständige, sich von den Regeln des Bundesurlaubsgesetzes unterscheidende Verfallsregelung in Kraft setzen wollten. Im Regelfall, d. h. wenn derartige eindeutige Anhaltspunkte nicht feststellbar sind, verbleibt es jedoch auch für den übergesetzlichen Teil der Urlaubsansprüche bei dem Regime des § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG und damit auch bei der Anwendbarkeit der Rechtsprechung des EuGH in Sachen Schultz-Hoff (BAG vom 04.05.2010, 9 AZR 183/09).
d. Die Regelungen in § 16 MTV über den Erholungsurlaub enthalten keinerlei eigenständige Aussagen über den Verfall oder die Übertragung des Urlaubs. § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG gelten somit uneingeschränkt auch für den übergesetzlichen Teil des in § 16 Ziff. 1 MTV vorgesehenen Tarifurlaubs im Umfang von 30 Arbeitstagen pro Kalenderjahr. Hinsichtlich der Frage des Verfalls des Jahresurlaubs 2007 ist somit keine Unterscheidung zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaub und dem tariflichen Gesamturlaub vorzunehmen.
e. Die in der Berufungsinstanz auf der Grundlage des Grundgehalts der Klägerin in Höhe von 4.310,26 € brutto monatlich vorgenommene Berechnung des Urlaubsabgeltungsanspruchs für insgesamt 60 offenstehende Urlaubstage ist rechnerisch nicht zu beanstanden.
6. Der Zinsanspruch der Klägerin folgt aus dem Gesichtspunkt des Verzuges.
III. Die Kosten des Rechtsstreits waren gemäß § 91 Abs. 1, 92 Abs.2 Nr.1 ZPO der Beklagten aufzuerlegen.
Aufgrund der Regelung des § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG hielt das Berufungsgericht die Zulassung der Revision für geboten.
Dr. Czinczoll
Risse
Hanke