05.10.2007 · IWW-Abrufnummer 072553
Finanzgericht Münster: Urteil vom 01.06.2007 – 11 V 1382/07 E
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
FINANZGERICHT MÜNSTER
In dem Rechtsstreit XXX
wegen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (Einkommensteuer 2004)
hat der 11. Senat des Finanzgerichts Münster unter Mitwirkung des Richters am Finanzgericht XXX als Vorsitzender, des Richters am Finanzgericht XXX und der Richterin am Finanzgericht XXX am 01.06.2007 beschlossen:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens werden den Antragstellern auferlegt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
G r ü n d e :
I.
Zu entscheiden ist, ob ein gegenüber den Antragstellern (Ast.) für das Streitjahr 2004 ergangener Einkommensteuer- (ESt-) Bescheid ab Fälligkeit von der Vollziehung auszusetzen ist.
Die Ast. sind verheiratet und wurden von dem Antragsgegner (Ag.) für das Streitjahr zusammen zur ESt veranlagt.
Der Ast. ist selbständiger Versicherungskaufmann und erzielte aus seiner Tätigkeit im Streitjahr Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die er im Wege des Bestandsvergleichs mit ........... EUR ermittelte. Dabei berücksichtigte er gewinnmindernd u.a. eine von ihm erstmals in seiner Bilanz zum 31.12.2004 gebildete Rückstellung für Bestandspflege i.H.v. .......... EUR, die er wie folgt ermittelt hatte:
Bestandskosten ........... EUR
abzgl. Bestandsprovision ......... EUR
Differenz ......... EUR
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die von den Ast. als Anlage 5 zu ihrem Schriftsatz vom 29.03.2007 eingereichten Unterlagen verwiesen.
Ausweislich des von den Ast. ihrer ESt-Erklärung beigefügten Jahresabschlusses für den Betrieb des Ast. beliefen sich die von diesem im Streitjahr erzielten Provisionserlöse auf insgesamt .......... EUR und dessen Aufwendungen für Personal (......... EUR), Abschreibungen (........ EUR) und Sonstiges (......... EUR) auf insgesamt ......... EUR.
Mit Bescheid vom 16.02.2007 setzte der Ag. die ESt für das Streitjahr auf ......... EUR fest. Dabei ging er davon aus, dass zum einen die gebildete Rückstellung für Bestandspflege i.H.v. ......... EUR nicht anzuerkennen und zum anderen wegen Auflösung einer Rücklage nach § 7 g Einkommensteuergesetz (EStG) ein Gewinnzuschlag i.H.v. ........ EUR zu berücksichtigen sei, mithin der Einkommensbesteuerung der Ast. gewerbliche Einkünfte des Ast. i.H.v. insgesamt ......... EUR zugrunde zu legen seien.
Gegen den Bescheid vom 16.02.2007 haben die Ast. mit Schreiben vom 23.02.2007 Einspruch eingelegt und beantragt, die vom Ast. in seiner Bilanz zum 31.12.2004 gebildete Rückstellung für Bestandspflege anzuerkennen und gewinnmindernd zu berücksichtigen. Über diesen Einspruch hat der Ag. noch nicht entschieden.
In ihrer Einspruchsschrift beantragten die Ast. zudem, den angefochtenen Bescheid von der Vollziehung auszusetzen. Diesen Antrag hat der Ag. mit Bescheid vom 26.02.2007 abgelehnt.
Mit ihrem daraufhin bei Gericht gestellten Antrag nach § 69 Finanzgerichtsordnung (FGO) verfolgen die Ast. ihr Aussetzungsbegehren weiter.
Die Ast. sind der Auffassung, dass der Ast., der in dem von ihm mit der ....... ................. ...VVaG in L. geschlossenen Vertretervertrag ausdrücklich u.a. auch die Aufgabe übernommen habe, den ihm zugeordneten und von ihm selbst vermittelten Bestand zu pflegen, im Hinblick auf die Ausführungen des BFH in seiner Entscheidung vom 28.07.2004 – XI R 63/03 (BStBl II 2006, 866) verpflichtet gewesen sei, eine Rückstellung für Bestandspflege zu bilden.
Dem stehe insbesondere nicht entgegen, dass der Ast. anders als in dem vom Bundesfinanzhof (BFH) entschiedenen Fall nicht nur eine Abschlussprovision erhalte, sondern ihm auch Bestandsprovisionen gezahlt würden. Denn zum einen erhalte er nicht für jede Vermittlungstätigkeit neben einer Abschlussprovision auch Folgeprovisionen, zum anderen seien die gezahlten Folgeprovisionen tatsächlich nicht kostendeckend. Es sei zudem branchenüblich, dass selbständige Versicherungskaufleute ihren Gewinn letztlich im Wesentlichen aus Abschlussprovisionen erzielten und damit den Betreuungsaufwand subventionierten.
Auch der Höhe nach sei die von dem Ast. gebildete Rückstellung zur Bestandspflege nicht zu beanstanden. Der Ast. habe vielmehr zu Recht auf der Basis von Erfahrungswerten den erforderlichen Aufwand für die Bestandsbetreuung durch Mitarbeiter den gezahlten Bestandsprovisionen gegenübergestellt und in Höhe der Differenz die Rückstellung gebildet.
Dem stehe auch nicht entgegen, dass die gesamten Personalaufwendungen im Streitjahr lediglich ......... EUR betragen hätten. Denn die gebildete Rückstellung sei nicht nur in Relation zum Personalaufwand, sondern zur Summe aus dem Personalaufwand, den Abschreibungen und den sonstigen betrieblichen Aufwendungen i.H.v. insgesamt ......... EUR zu sehen.
Die Ast. beantragen sinngemäß, den ESt-Bescheid vom 16.02.2007 in vollem Umfang ab Fälligkeit von der Vollziehung auszusetzen.
Der Ag. beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er ist der Auffassung, dass die vom Ast. gebildete Rückstellung bereits deshalb nicht anerkannt werden könne, da der Ast. im Streitfall anders als der Kl. in dem vom BFH mit Urteil vom 28.07.2004 entschiedenen Fall nicht nur eine einmalige Abschlussprovision, sondern zusätzlich laufende Provisionen für die Erhaltung und Betreuung seines Kundenstammes erhalte. Abgesehen davon sei zudem nicht nachvollziehbar, warum die an den Ast. gezahlten Bestandspflegeprovisionen nicht ausreichten, um etwaige Erfüllungsrückstände auszugleichen. In jedem Fall aber habe der Ast. – wie ein Vergleich mit den tatsächlich im Streitjahr angefallenen Personalkosten zeige – die bilanzierte Rückstellung für Bestandspflege in unzutreffender Höhe gebildet.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die vom Ag. vorgelegten Steuerakten verwiesen.
II.
Der Antrag ist nicht begründet.
Nach § 69 Abs. 3 S. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines Verwaltungsaktes ganz oder teilweise gem. § 69 Abs. 2 S. 2 bis 6 FGO aussetzen. Nach § 69 Abs. 2 S. 2 FGO soll ein Verwaltungsakt – abgesehen von dem hier nicht gegebenen Fall, dass seine Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte – von der Vollziehung ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestehen.
Ernstliche Zweifel i.S.d. Vorschrift sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes aufgrund der präsenten Beweismittel neben den für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zu Tage treten, die Unentschiedenheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken. Dabei ist nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen (vgl. u.a. Beschluss des BFH vom 13.12.1999 – III B 15/99, BFH/NV 2000, 827).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist dem Begehren der Ast., den Bescheid vom 16.02.2007 von der Vollziehung auszusetzen, nicht zu entsprechen.
Die Nichtanerkennung der von den Ast. gebildeten Rückstellung für Bestandspflege durch den Ag. stellt sich bei summarischer Prüfung als rechtmäßig dar.
Nach § 5 Abs. 1 EStG i.V.m. § 249 Abs. 1 S. 1 HGB sind für ungewisse Verbindlichkeiten Rückstellungen zu bilden. Bei sog. schwebenden Geschäften scheidet allerdings der einseitige bilanzielle Ausweis von ungewissen Verbindlichkeiten grundsätzlich aus, da sich im Rahmen schwebender Geschäfte Forderungen und Leistungen regelmäßig ausgleichend gegenüberstehen (vgl. Urteil des BFH vom 05.04.2006 – I R 43/05, BStBl II 2006, 593).
Schwebende Geschäfte sind Vertragsverhältnisse, die am jeweiligen Bilanzstichtag (prospektiv) noch auf einen gegenseitigen Leistungsaustausch gerichtet sind. Zu den schwebenden Geschäften zählen auch Vertragsverhältnisse, die auf eine (ratierliche) Leistungserbringung auf Dauer gerichtet sind (vgl. Urteil des BFH vom 05.04.2006 – I R 43/05, a.a.O.).
Ausnahmsweise dürfen sowohl Ansprüche als auch Verbindlichkeiten aus einem schwebenden Geschäft aber dann in der Bilanz ausgewiesen werden, wenn das Gleichgewicht der Vertragsbeziehungen durch Vorleistungen oder Erfüllungsrückstände eines Vertragspartners gestört ist (vgl. Urteil des BFH vom 28.07.2004 – XI R 63/03, BStBl II 2006, 866). In jedem Fall nicht zulässig ist es jedoch gem. § 5 Abs. 4 a EStG bei einem schwebenden Geschäft eine Rückstellung wegen drohender Verluste zu bilden.
Ein Erfüllungsrückstand liegt vor, wenn der Verpflichtete sich mit seinen Leistungen gegenüber seinem Vertragspartner im Rückstand befindet, also weniger geleistet hat, als er nach dem Vertrag für die bis dahin vom Vertragspartner erbrachte Leistung insgesamt zu leisten hätte (vgl. Urteil des BFH vom 28.07.2004 – XI R 63/03, a.a.O.). Dabei setzt das Vorliegen eines Erfüllungsrückstands jedoch zumindest voraus, dass mit der nach dem Vertrag geschuldeten zukünftigen Leistung nicht nur an Vergangenes angeknüpft, sondern Vergangenes abgegolten wird (vgl. Urteil des BFH vom 05.04.2006 – I R 43/05, a.a.O.).
In Anwendung dieser Grundsätze ist die Weigerung des Ag. die vom Ast. gebildete Rückstellung für Bestandspflege anzuerkennen, nicht zu beanstanden.
Bei der Vermittlung von Versicherungsverträgen und anderen Produkten und der weiteren Betreuung der vermittelten Vertragsverhältnisse durch den Ast. handelt es sich jeweils um ein schwebendes Geschäft (vgl. Urteil des BFH vom 28.07.2004 – XI R 63/03, a.a.O.). Insoweit besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit.
Der erkennende Senat vermag jedoch bei summarischer Prüfung unter Berücksichtigung der präsenten Beweismittel nicht festzustellen, dass der Ast. sich am Bilanzstichtag 31.12.2004 in einem Erfüllungsrückstand befunden hat.
Soweit der Ast. für seine Tätigkeit nicht nur eine Abschlussprovision, sondern darüber hinaus auch eine Bestandsprovision erhält, scheitert die Annahme eines Erfüllungsrückstandes bereits daran, dass in diesen Fällen mit der Abschlussprovision nicht zugleich auch künftige Betreuungsleistungen des Ast. abgegolten werden sollten.
In diesem Zusammenhang können sich die Ast. auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die voraussichtlichen Betreuungsaufwendungen die gezahlten Bestandsprovisionen übersteigen werden. Denn für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften ist durch § 5 Abs. 4 a EStG die Bildung einer Rückstellung ausdrücklich ausgeschlossen.
Aber auch soweit der Ast. für einzelne Vermittlungstätigkeiten tatsächlich lediglich nur eine Abschlussprovision erhalten hat, gleichwohl aber am Bilanzstichtag 31.12.2004 zu weiteren Betreuungsleistungen verpflichtet gewesen sein sollte, kommt im Streitfall die Bildung einer Rückstellung für Bestandspflege nicht in Betracht, da die Ast. weder konkret dargelegt noch durch präsente Beweismittel glaubhaft gemacht haben, dass und – wenn ja – in welchem Umfang der Ast. am Bilanzstichtag 31.12.2004 noch Betreuungsleistungen aufgrund bereits erhaltener Provisionen zu erbringen hatte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.