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09.08.2007 · IWW-Abrufnummer 072560

Bundesfinanzhof: Urteil vom 05.07.2007 – VI R 58/05

Der Verlust des durch eine Direktversicherung eingeräumten Bezugsrechts bei Insolvenz des Arbeitgebers löst keine lohnsteuerrechtlichen Folgen aus. Das folgt aus den Besonderheiten der Insolvenzsicherung gemäß § 7 BetrAVG.


VI R 58/05

Gründe:

I.

Über das Vermögen der Firma G wurde am 1. November 2001 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurde zum Insolvenzverwalter bestellt. G hatte ihren Mitarbeitern eine betriebliche Altersversorgung durch Abschluss von Direktversicherungen gewährt und dazu am 5. Januar 1977 einen Gruppen-Direktversicherungsvertrag mit der C abgeschlossen. Nach den Vereinbarungen handelte es sich um eine Versicherung mit widerruflichem Bezugsrecht. Im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hatten fast sämtliche Mitarbeiter bereits einen unverfallbaren Versicherungsanspruch erworben. G hatte von den Beitragsleistungen gemäß § 40b des Einkommensteuergesetzes (EStG) pauschal Lohnsteuer abgeführt.

Nachdem der Kläger das Bezugsrecht widerrufen hatte, zahlte C 776 778 ¤ an den Kläger aus. Davon entfielen 30 420 ¤ auf verfallbare Ansprüche. Im Hinblick auf diese Rückzahlung machte der Kläger in der Lohnsteuer-Anmeldung für März 2002 einen Lohnsteuer-Erstattungsanspruch in Höhe von 155 355 ¤ geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte in dem angefochtenen Bescheid einen Erstattungsanspruch nur insoweit, als verfallbare Ansprüche betroffen waren. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 495 veröffentlichten Gründen ab.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Lohnsteuer für März 2002 auf 145 137 ¤ festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Dem Kläger steht kein Lohnsteuer-Erstattungsanspruch zu.

1. Gemäß § 40b Abs. 1 EStG in der im Streitfall maßgeblichen Fassung kann ein Arbeitgeber die Lohnsteuer von Beiträgen für eine Direktversicherung der Arbeitnehmer mit einem Pauschsteuersatz der Beiträge erheben. Davon hat G, wie zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist, zu Recht Gebrauch gemacht. Soweit C für die Arbeitnehmer mit unverfallbaren Anwartschaften den Rückkaufswert an den Kläger ausgezahlt hat und dieser in die Masse fiel, steht diesem kein Steuererstattungsanspruch zu. Entgegen der Auffassung des Klägers führt dieser Vorgang nicht zur Rückzahlung von Arbeitslohn.

a) Zahlt ein Arbeitnehmer Arbeitslohn zurück, der dem Lohnsteuerabzug unterlegen hat, so bleibt der früher gezahlte Arbeitslohn zugeflossen (§ 11 Abs. 1 EStG; Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7. November 2006 VI R 2/05, BStBl II 2007, 315, m.w.N.). Die zurückgezahlten Beträge sind vielmehr im Zeitpunkt der Rückzahlung als negative Einnahmen oder Werbungskosten zu berücksichtigen (vgl. dazu BFH-Urteil vom 4. Mai 2006 VI R 33/03, BFHE 214, 92, BStBl II 2006, 911). Es kann im Streitfall dahinstehen, ob eine Rückzahlung von Arbeitslohn anzunehmen ist, wenn der Arbeitnehmer sein Bezugsrecht aus einer Direktversicherung ganz oder teilweise ersatzlos verliert (so zum Verlust vor Unverfallbarkeit Pflüger in Herrmann/Heuer/Raupach, § 19 EStG Rz 431; Blomeyer/Rolfs/Otto, Betriebsrentengesetz, 4. Aufl., StR D, Rz 10 ff.; Höfer, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, Bd. II, Abschnitt III Rz 1833 f.). Ebenso kann offenbleiben, welche steuerlichen Auswirkungen der Verlust des Bezugsrechts auf die vom Arbeitgeber geschuldete und gezahlte pauschale Lohnsteuer hat (vgl. dazu einerseits das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 9. Februar 1993, BStBl I 1993, 248, Tz. 2.4, 4.2; R 129 Abs. 14, 15 der Lohnsteuer-Richtlinien --LStR-- 2002; Höfer, a.a.O., Rz 1834; andererseits Blomeyer/Rolfs/Otto, a.a.O., Rz 50; Schmidt/Drenseck, EStG, 26. Aufl., § 40b Rz 6). Denn der Verlust des Bezugsrechts bei Insolvenz des Arbeitgebers infolge Widerrufs löst keine lohnsteuerlichen Folgen aus (Höfer, a.a.O., Rz 1837). Dies ergibt sich aus den Besonderheiten der Insolvenzsicherung gemäß § 7 des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG).

b) Durch §§ 7 bis 15 BetrAVG werden die Versorgungsrechte der durch eine Versorgungszusage des Arbeitgebers begünstigten Arbeitnehmer bei einer insolvenzbedingten Zahlungsunfähigkeit geschützt. Der Pensions-Sicherungs-Verein (PSV) als Träger der Insolvenzsicherung (§ 14 BetrAVG) wird gesetzlicher Schuldner einer Ausfallhaftung (Höfer, a.a.O., Bd. I, § 7 Rz 4297).

Nach dem hier einschlägigen § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BetrAVG in der im Streitjahr geltenden Fassung haben Arbeitnehmer, die bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine nach § 1b des Gesetzes unverfallbare Versorgungsanwartschaft haben, einen Anspruch gegen den Träger der Insolvenzsicherung, wenn die Anwartschaft auf einer Direktversicherung beruht und der Arbeitnehmer hinsichtlich der Leistungen des Versicherers widerruflich bezugsberechtigt ist. Das bedeutet, dass für den Versorgungsanwärter mit dem Eintritt des Sicherungsfalls eine gesetzliche Versicherungsanwartschaft in Form eines auf den Eintritt des Versorgungsfalls aufschiebend bedingten Anspruchs entsteht (Blomeyer/Rolfs/Otto, a.a.O., § 7 Rz 187). Auf diese Weise bleibt im Ergebnis der Versicherungsschutz für die von der Insolvenz betroffenen Arbeitnehmer erhalten. Zwar werden aufgrund des Widerrufs der Bezugsrechte durch den Insolvenzverwalter die Deckungsmittel aus der Versicherung zur Masse gezogen und gehen den Arbeitnehmern insofern verloren. Dieser Verlust wird jedoch durch den gemäß § 7 Abs. 2 BetrAVG gewährleisteten gesetzlichen Insolvenzschutz kompensiert (Höfer, a.a.O., Bd. II, Abschnitt III Rz 1837). Der Anspruch gegen den PSV tritt an die Stelle des ursprünglichen Versorgungsanspruchs. Da sich der Umfang der gesicherten Leistungsanwartschaften prinzipiell nach der Versorgungszusage des Arbeitgebers richtet (vgl. im Einzelnen Blomeyer/Rolfs/Otto, a.a.O., § 7 Rz 217, 225; Höfer, a.a.O., Bd. I, § 7 Rz 4297 ff., 4478 ff.), ist wirtschaftlich kein Verlust der Versorgungsanwartschaften gegeben. Im Hinblick darauf sind auch die als Arbeitslohn versteuerten Versicherungsbeiträge nicht verloren, so dass für die Annahme einer Lohnrückzahlung kein Raum ist.

2. Der beantragte Erstattungsanspruch ergibt sich auch nicht aus R 129 Abs. 14 i.V.m. Abs. 15 LStR 2002 bzw. Tz. 2.4 i.V.m. 4.2 des BMF-Schreibens in BStBl I 1993, 248. Zwar werden danach, soweit Arbeitslohnrückzahlungen aus pauschal versteuerten Beitragsleistungen anzunehmen sind, die im selben Kalenderjahr anfallenden pauschalbesteuerungsfähigen Beitragsleistungen des Arbeitgebers entsprechend gemindert. Auch soll eine Arbeitslohnrückzahlung u.a. dann anzunehmen sein, wenn der Arbeitnehmer sein Bezugsrecht aus einer Direktversicherung ganz oder teilweise ersatzlos verliert. Es ist jedoch schon fraglich, ob nach dem Verständnis der Verwaltung diese Anweisung auf den vorliegenden Sachverhalt anzuwenden ist. Denn die unverfallbaren Versorgungsanwartschaften sind, wie dargestellt, insolvenzgeschützt. Der Arbeitnehmer verliert sein Bezugsrecht daher nicht ersatzlos. Im Übrigen besteht für den Senat keine Bindung an norminterpretierende Regelungen der Verwaltung (BFH-Urteil vom 23. Oktober 2003 V R 48/01, BFHE 203, 531, BStBl II 2004, 196).

RechtsgebieteEStG, BetrAVGVorschriftenEStG § 11 Abs. 1 EStG § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG § 40b BetrAVG § 7 Abs. 2

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