02.08.2007 · IWW-Abrufnummer 072406
Bundesfinanzhof: Urteil vom 17.01.2007 – X R 10/06
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
X R 10/06
Gründe:
I. Die als Ehegatten zur Einkommensteuer zusammenveranlagten Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielten im Streitjahr (2001) jeweils Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Der Kläger war als Geschäftsführer für eine GmbH tätig, an der er im Streitjahr mit 40 v.H. der Geschäftsanteile als (Minderheits-)Gesellschafter beteiligt war. Zu Beginn des Jahres 1993 hatte die GmbH dem Kläger wie auch ihrem einzigen weiteren, ebenfalls zum Geschäftsführer bestellten Gesellschafter für deren Geschäftsführertätigkeit eine Pensionszusage erteilt. Sowohl im Falle des Klägers als auch im Falle des Mehrheits-Gesellschafters belief sich der zugesagte Anspruch auf Altersrente auf einen Betrag von 3 000 DM je Monat ab Vollendung des 65. Lebensjahres zuzüglich einer Hinterbliebenenversorgung zugunsten des überlebenden Ehegatten in Höhe von 60 v.H. dieser Altersrente. Der Kläger erzielte im Streitjahr einen Bruttoarbeitslohn von 141 600 DM. Der Bruttoarbeitslohn der als ... tätigen Klägerin betrug 38 298 DM.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berechnete den Kürzungsbetrag beim Vorwegabzug für Vorsorgeaufwendungen (§ 10 Abs. 3 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes --EStG-- in der bis zum Veranlagungszeitraum 2004 geltenden Fassung --a.F.--) auf der Grundlage des zusammengerechneten Arbeitslohns beider Kläger. Aufgrund der Kürzung entfiel der Vorwegabzug in voller Höhe. Die Abziehbarkeit der von den Klägern als Sonderausgaben geltend gemachten Vorsorgeaufwendungen verminderte sich entsprechend.
Die Klage, mit der die Kläger das Ziel verfolgten, bei der Berechnung des Kürzungsbetrages die Geschäftsführerbezüge des Klägers außer Ansatz zu lassen, blieb ohne Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 1407 abgedruckt.
Ihre hiergegen eingelegte Revision begründen die Kläger mit der Verletzung materiellen Rechts. Sie meinen, die den beiden Geschäftsführern zugesagte Pension stelle sich als Aufbau einer Altersversorgung dar, die ausschließlich durch Verzicht auf gesellschaftsrechtliche Ansprüche erbracht worden sei und damit auf eigener Beitragsleistung beruhe. Da sich fremde Dritte nichts zu schenken pflegten, sei der Umstand, dass die Pensionszusagen ungeachtet der unterschiedlichen Beteiligungsquoten in gleicher Höhe erteilt worden seien, nicht entscheidend. Denn dabei handele es sich um eine im Belieben der beiden Gesellschafter-Geschäftsführer stehende Verteilung ihrer untereinander vereinbarten Entlohnung.
Die Kläger beantragen sinngemäß, das angegriffene Urteil und die Einspruchsentscheidung des FA aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr dahingehend abzuändern, dass die Einkommensteuer um 2 184 DM herabgesetzt wird.
Das FA tritt der Revision entgegen.
II. Die Revision der Kläger ist nicht begründet; sie war daher gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat zutreffend entschieden, dass in die Bemessungsgrundlage für die Kürzung des Vorwegabzugs auch der als Gesellschafter-Geschäftsführer bezogene Arbeitslohn des Klägers einzubeziehen war.
1. Nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG a.F. steht zusammenveranlagten Ehegatten für sog. Vorsorgeaufwendungen (§ 10 Abs. 2 Satz 1 EStG) als Höchstbetrag ein Vorwegabzug von 12 000 DM (im Streitjahr; später: 6 136 ¤) zu. Der Vorwegabzug ist nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 EStG a.F. i.V.m. § 10c Abs. 3 Nr. 2 EStG unter anderem dann um 16 v.H. der Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit i.S. des § 19 EStG --ohne Versorgungsbezüge i.S. des § 19 Abs. 2 EStG-- zu kürzen, wenn der Steuerpflichtige während des ganzen oder eines Teils des Kalenderjahres nicht der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht unterliegt, eine Berufstätigkeit ausgeübt und im Zusammenhang damit aufgrund vertraglicher Vereinbarungen Anwartschaftsrechte auf eine Altersversorgung ganz oder teilweise ohne eigene Beitragsleistung erworben hat.
2. Diese Voraussetzungen waren im Streitfall erfüllt, da die dem --hinsichtlich seiner Geschäftsführertätigkeit nicht sozialversicherungspflichtigen-- Kläger erteilte Pensionszusage jedenfalls nicht vollständig auf dessen eigener Beitragsleistung beruht. Nach den Feststellungen des FG stand dem Kläger --obwohl er Minderheitsgesellschafter war-- gegen die GmbH in gleicher Höhe ein Anspruch auf Altersversorgung zu wie dem Mehrheitsgesellschafter. Damit ist die Pensionsanwartschaft des Klägers zumindest zu einem Teil zu Lasten des dem Mehrheitsgesellschafter wegen seiner größeren Beteiligungsquote zustehenden höheren Gewinnverwendungsanspruchs erwirtschaftet worden.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist unter dem Begriff der "Beitragsleistung" für den Erwerb von Anwartschaftsrechten auf eine (eigene) Altersversorgung nicht nur eine Geldzahlung, sondern jede Minderung eines Vermögensanspruchs gegen eine Versorgungszusage zu verstehen (Senatsurteil vom 25. März 1992 X R 121/90, BFH/NV 1992, 596; BFH-Urteil vom 16. Oktober 2002 XI R 25/01, BFHE 200, 554, BStBl II 2004, 546). Der XI. Senat des BFH hat --ausgehend von diesem Grundsatz-- mit seinen Urteilen in BFHE 200, 554, BStBl II 2004, 546 und vom 28. Juli 2004 XI R 9/04 (BFH/NV 2005, 196) entschieden, dass dem Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH der Vorwegabzug für Vorsorgeaufwendungen ungekürzt zu belassen ist, weil dieser --wirtschaftlich betrachtet-- eine ihm von der GmbH zugesagte Altersversorgung durch Verzicht auf entsprechende gesellschaftsrechtliche Ansprüche (§§ 29, 72 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung --GmbHG--) und damit letztlich ausschließlich durch eigene Beitragsleistungen erwirbt. Das Gleiche gilt nach der Rechtsprechung des XI. Senats des BFH, wenn eine GmbH mehreren Gesellschafter-Geschäftführern eine Altersversorgung zugesagt hat und der einzelne Gesellschafter-Geschäftsführer bei typisierender und wirtschaftlicher Betrachtung sein Anwartschaftsrecht auf Altersversorgung auf Dauer gesehen ausschließlich durch einen seiner Beteiligungsquote entsprechenden Verzicht auf gesellschaftsrechtliche Ansprüche erwirbt (BFH-Urteile vom 23. Februar 2005 XI R 29/03, BFHE 209, 256, BStBl II 2005, 634, und vom 15. Dezember 2004 XI R 45/03, BFH/NV 2005, 1509).
b) Bei Anwendung dieser Maßstäbe (kritisch dazu insbesondere Briese, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2005, 1087, m.w.N.; dagegen wiederum Ahmann, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2005, 959) wäre der von dem Geschäftsführer einer GmbH bezogene Arbeitslohn allerdings nur dann aus der Bemessungsgrundlage für die Kürzung des Vorwegabzugs auszunehmen, wenn die gegen die Gesellschaft erworbenen Ansprüche auf eine eigene Altersversorgung vollständig mit dem (gegebenenfalls wechselseitigen) Verzicht auf die dem Steuerpflichtigen in seiner Eigenschaft als (Mit-)Gesellschafter zustehenden Ansprüche in Verbindung gebracht werden können. Wegen der Begründung im Einzelnen verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf sein Urteil vom 26. September 2006 X R 3/05 (DStR 2007, 102, BFH/NV 2007, 323, zur Veröffentlichung bestimmt).
Bei mehreren Gesellschafter-Geschäftsführern beantwortet sich die Frage nach der vollständig eigenen Beitragsleistung daher maßgeblich nach ihren im streitigen Veranlagungszeitraum bestehenden Beteiligungsverhältnissen und nach der ihnen jeweils zugesagten Altersversorgung. Sie bestimmt sich damit letztlich danach, ob der Aufwand der GmbH für die Altersversorgung des jeweiligen Gesellschafter-Geschäftsführers dessen quotaler Beteiligung an der GmbH entspricht (BFH-Urteile in BFHE 209, 256, BStBl II 2005, 634, und in BFH/NV 2005, 1509; ebenso Siebenhüter in Herrmann/Heuer/Raupach, § 10c EStG Anm. 54, m.w.N.).
Wie das FG zutreffend erkannt hat, führt dieses Erfordernis des wechselseitigen quotalen Verzichts in Fällen, in denen eine GmbH sämtlichen Gesellschafter-Geschäftsführern eine Pensionszusage in gleicher Höhe erteilt, ohne dass zugleich auch sämtliche Gesellschafter an der GmbH mit gleichen Geschäftsanteilen beteiligt sind, zu einer vorwegabzugschädlichen Besserstellung der nur in unterdurchschnittlicher Höhe beteiligten Gesellschafter bzw. --bei nur zwei Gesellschafter-Geschäftsführern-- des jeweiligen Minderheitsgesellschafters. Denn der Minderheitsgesellschafter erwirbt --wie auch jeder andere in unterdurchschnittlicher Höhe beteiligte Gesellschafter-- insoweit seinen Anspruch auf Altersversorgung als Geschäftsführer zum Teil zu Lasten der gesellschaftsrechtlichen Ansprüche des Mehrheitsgesellschafters bzw. --allgemeiner gesprochen-- derjenigen Gesellschafter, die an der GmbH in überdurchschnittlicher H öhe beteiligt sind.
c) Im Streitfall hat der an der GmbH nur zu 40 v.H. beteiligte Kläger seine Anwartschaft auf Alterssicherung daher zumindest zu dem Teil, der rechnerisch auf die seinen Geschäftsanteil übersteigende Beteiligungsquote des Mehrheitsgesellschafters entfällt, durch Minderung der Vermögensansprüche eines Dritten und damit nicht durch eigene Beitragsleistung erworben.
Zu Unrecht berufen sich die Kläger demgegenüber auf einen Erfahrungssatz, dass fremde Dritte typischerweise nicht bereit sein werden, zugunsten von Mitgesellschaftern ohne Gegenleistung an anderer Stelle auf ihre Gewinnansprüche zu verzichten. Namentlich komme --so führen die Kläger sinngemäß aus-- die Möglichkeit in Betracht, dass der durch die überquotale Pensionszusage begünstigte Minderheitsgesellschafter im Gegenzug auch eine höhere Arbeitsleistung für die Gesellschaft erbringen müsse als der im Hinblick auf die Altersversorgung benachteiligte Mehrheitsgesellschafter.
aa) Selbst wenn sich eine solche Vereinbarung zwischen den Gesellschaftern für den Streitfall feststellen ließe, so änderte dies nichts daran, dass der Anspruch des Klägers auf Altersversorgung zum Teil auf einen Verzicht des Mehrheitsgesellschafters auf dessen gesellschaftsrechtliche Ansprüche zurückzuführen ist. Dieser Verzicht könnte dem Kläger nicht als eigener Verzicht zugerechnet werden (vgl. im Einzelnen Senatsurteil in DStR 2007, 102, BFH/NV 2007, 323). Den erhöhten Arbeitseinsatz hätte der Kläger zudem gegenüber der Gesellschaft und nicht gegenüber dem anderen Gesellschafter erbracht.
bb) Vor allem aber beträfe die genannte "Gegenleistung" lediglich die Frage nach der gerechten Entlohnung der als Geschäftsführer geschuldeten Dienstleistungen. Dieser Umstand aber wäre schuldrechtlicher und nicht gesellschaftsrechtlicher Natur. Zu einem Verzicht auf eigene gesellschaftsrechtliche Ansprüche als Voraussetzung für die Anerkennung als eigene Beitragsleistung hätte eine unvergütet höhere Arbeitsleistung des Klägers folglich nicht führen können.
Demgegenüber läuft die Rechtsauffassung der Kläger darauf hinaus, auch den (teilweisen) Gehaltsverzicht des (Gesellschafter-)Geschäftsführers den eigenen Beitragsleistungen zur Alterssicherung zuzuordnen. Dem kann sich der erkennende Senat nicht anschließen. Als Folge dieser Betrachtungsweise würde für § 10c Abs. 3 Nr. 2 EStG (i.V.m. § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a EStG a.F.) in der Praxis keinerlei Anwendungsbereich mehr verbleiben. Denn letztlich erarbeitet sich jeder Arbeitnehmer seine Anwartschaft auf Altersversorgung in der Weise selbst, dass er im Gegenzug gegenüber seinem Arbeitgeber auf die Einforderung und Durchsetzung eines höheren laufenden Arbeitslohns verzichtet. Allein deswegen den ungekürzten Vorwegabzug anzusetzen, entspräche nicht dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung. Denn der Vorwegabzug soll in erster Linie solchen Steuerpflichtigen zugute kommen, die ihre Vorsorgeaufwendungen in vollem Umfang aus eigenem Einkommen bestreiten müssen (BTDrucks 11/2157, S. 144).
cc) Maßgebend für die Beantwortung der Rechtsfrage, ob ein Steuerpflichtiger i.S. von § 10c Abs. 3 Nr. 2 EStG im einzelnen Streitjahr sein Anwartschaftsrecht auf Altersversorgung ganz oder teilweise ohne eigene Beitragsleistung erworben hat, ist allein, ob die hierdurch seinem Arbeitgeber entstehenden Verpflichtungen auf Dauer gesehen die dem Steuerpflichtigen als Gesellschafter seines Arbeitgebers sonst zustehenden Vermögensrechte mindern. Dem können zur Kompensation eingeräumte Rechtsansprüche wie --im Verhältnis zur Arbeitsleistung-- höhere Aktivbezüge anderer nicht entsprechend ihrer Beteiligungsquote pensionsberechtigter Gesellschafter-Geschäftsführer --darauf liefe auch der einseitige Gehaltsverzicht des bei der Altersversorgung überquotal begünstigten Minderheitsgesellschafters hinaus-- nicht gleichgestellt werden.
Die Frage, in welcher Höhe einem bei der Kapitalgesellschaft als Arbeitnehmer beschäftigten Gesellschafter Arbeitslohn zusteht und ob dieser gegebenenfalls unter Einbeziehung von Ansprüchen aus einer ihm von der Gesellschaft erteilten Pensionszusage angemessen ist (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 27. Februar 2003 I R 46/01, BFHE 202, 241, BStBl II 2004, 132), betrifft allein die Rechtsbeziehung zwischen der Kapitalgesellschaft und diesem Gesellschafter. Dies gilt ungeachtet dessen, dass ein Anstellungsvertrag zwischen dem (Gesellschafter-)Geschäftsführer und der GmbH ebenso wie die Änderung eines solchen Vertrages in der Regel durch die Gesellschafterversammlung (vgl. § 46 Nr. 5 GmbHG) abgeschlossen wird (Senatsurteil in DStR 2007, 102, BFH/NV 2007, 323, m.w.N. aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs; Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, B. 3, 2. Aufl., § 43 GmbHG Rz 12). Denn die Kapitalgesellschaft ist in Bezug auf ihre Gesellschafter ein eigenständiger Rechtsträger (vgl. hierzu auch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juni 2006 2 BvL 2/99, DStR 2006, 1316, Der Betrieb 2006, 1817, zu C.III.1.b der Gründe). Die Vermögenssphäre der Kapitalgesellschaft ist demgemäß gegenüber derjenigen ihrer Anteilseigner abgeschirmt. Die mittelbaren Folgen solcher nicht unmittelbar die Vereinbarung von Pensionszusagen berührender Vereinbarungen zwischen der Kapitalgesellschaft und ihrem Gesellschafter sind deshalb für die Frage unerheblich, ob andere Gesellschafter ihre Anwartschaft auf Altersversorgung i.S. des § 10c Abs. 3 Nr. 2 EStG ganz oder teilweise ohne eigene Beitragsleistungen erhalten haben.