17.08.2006 · IWW-Abrufnummer 062400
Kammergericht Berlin: Urteil vom 25.08.2005 – 8 U 56/05
Der Steuerberater kann grundsätzlich nicht davon ausgehen, dass die vom Mandanten eingereichten Rechnungen über von ihm durchgeführte Arbeiten auch tatsächlich in vollem Umfang beglichen sind.
Kammergericht
Im Namen des Volkes
Geschäftsnummer:
8 U 56/05
verkündet am:
25.08.2005
In dem Rechtsstreit
hat der 8. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 25. August 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Bieber, die Richterin am Kammergericht Dr. Henkel und die Richterin am Kammergericht Spiegel
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 22. Februar 2005 verkündete Urteil der Zivilkammer 30 des Landgerichts Berlin wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
Die Berufung der Beklagten ist unbegründet.
Die Kläger haben gegen die Beklagte gemäß §§ 675, 611 BGB i.V.m. Positiver Vertragsverletzung einen Anspruch auf Zahlung von 7.984,56 ¤.
Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt, dass die Beklagte ihre gegenüber den Klägern obliegende Beratungspflicht verletzt hat. Im Rahmen seines Auftrages hat der steuerliche Berater seinen Mandanten umfassend zu beraten und ungefragt über alle bedeutsamen steuerlichen Einzelheiten einschließlich insoweit bestehender zivilrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten und deren Folgen zu unterrichten; dabei hat er von der Belehrungsbedürftigkeit seines Mandanten auszugehen (OLG Düsseldorf, OLGR Düsseldorf 2003, 106; BGH NJW 2001, 3477 ). Die Beklagte wäre verpflichtet gewesen, die Kläger darauf hinzuweisen, dass nur tatsächliche Einnahmen zu versteuern sind. Dies hat sie unstreitig nicht getan. Das Wissen, dass nur tatsächliches Einkommen zu versteuern ist, mag zwar für die Beklagte selbstverständlich sein. Sie durfte aber nicht davon ausgehen, dass auch die Kläger davon Kenntnis hatten, zumal die Kläger beide bis 1999 nicht selbständig, sondern als Angestellte tätig waren. Die Beklagte hat aber die Kläger weder darauf hingewiesen, dass nur tatsächliches Einkommen zu versteuern ist, noch hat sie die Kläger aufgefordert, ihr einen Nachweis dafür, dass die vorgelegten Rechnungen von den Rechnungsadressaten auch in voller Höhe bezahlt worden sind, vorzulegen. Die Beklagte durfte als Steuerberaterin weder davon ausgehen, dass die Kläger ihr nur bezahlte Rechnungen vorlegen würden - auch wenn dies in der Vergangenheit möglicherweise so gewesen sein mag - , noch durfte sie davon ausgehen, dass sämtliche Rechnungen in vollem Umfang bezahlt werden würden. Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung zutreffend darauf hingewiesen, dass Sicherheitseinbehalte branchentypisch sind. Im Übrigen muss in heutiger Zeit immer damit gerechnet werden, dass Schuldner ihrer Zahlungspflicht entweder ganz oder teilweise nicht nachkommen.
In keinem der von den Parteien vorgelegten Schreiben hat die Beklagte die Kläger darum gebeten, ihr Belege zur Verfügung zu stellen, aus denen sich ergibt, ob und in welchem Umfang die vorgelegten Rechnungen bezahlt worden sind. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen werden. Gerade auch im Hinblick darauf, dass sich die Kläger offensichtlich scheuten, der Beklagten zusätzliche Bankunterlagen zur Verfügung zustellen, wie sich etwa aus dem an die Beklagte gerichteten Schreiben der Kläger vom 25. Oktober 2002 ergibt, wäre die Beklagte verpflichtet gewesen, die Kläger darauf hinzuweisen, wie wichtig es ist, dass ihr sämtliche für die Anfertigung einer Steuererklärung erforderlichen Unterlagen - auch die erst mühevoll Anzufordernden - zur Verfügung gestellt werden, damit sie ihren Verpflichtungen aus dem Vertragsverhältnis nachkommen und Schaden von den Klägern abwenden kann.
Keinesfalls aber durfte sich die Beklagte bei der Anfertigung der Einkommenssteuererklärung lediglich auf die ihr von den Klägern vorgelegten Rechnungen stützen und die darin ausgewiesenen Beträge als tatsächliche Einnahmen zugrunde legen.
Soweit die Beklagte in erster Instanz vorgetragen hat, die Kläger hätten sich von Anbeginn des Mandatsverhältnisses an geweigert, die erforderlichen Kontoauszüge vorzulegen oder andere Zahlungsnachweise zu erbringen, war ihr Vortrag nicht ausreichend substantiiert. Als zur Aufklärung und Beratung Verpflichtete oblag es ihr, im Einzelnen darzulegen, in welcher Weise sie ihren Pflichten nachgekommen sein will (Palandt/Heinrichs, 61. Auflage, § 282, Rdnr. 11). Dies bedeutet, dass sie im Detail hätte darlegen müssen, wann sie die Kläger mündlich oder schriftlich darüber aufgeklärt haben will, dass sie allein anhand der Rechnungen keine zutreffende Einkommenssteuererklärung anfertigen kann, da lediglich die tatsächlichen Einnahmen, die aus der Rechnung allein nicht zu ersehen sind, zu versteuern sind. Soweit die Beklagte erstmals in der Berufungsinstanz vorträgt, die Mitarbeiterin Snnn habe die Klägerin in einer Vielzahl von Telefonaten darauf hingewiesen, dass sie ohne Angabe von konkreten Zahlungsdaten kaum eine ordentliche Buchführung machen könne und dass sie insbesondere auch für die Zahlungseingänge entsprechende Belege benötige, ist dieser Vortrag nach wie vor nicht geeignet, darzulegen, dass die Beklagte ihrer Beratungs- und Aufklärungspflicht in ausreichendem Maße nachgekommen ist. Insbesondere hat die Beklagte nicht vorgetragen, dass sie die Kläger ausreichend darüber aufgeklärt hat, dass ihnen ein Schaden entstehen könnte, sofern sie, die Beklagte, mangels konkreten Nachweises von Zahlungseingängen auf die Rechnungen zurückgreifen und die darin ausgewiesenen Beträge als bezahlt unterstellen müsse.
Die Pflichtverletzung der Beklagten war auch kausal. Zu Gunsten der Kläger streitet, wie das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt hat, die Vermutung des aufklärungsrichtigen Verhaltens. Diese Vermutung hat die Beklagte nicht widerlegt.
Den Klägern ist auch ein Schaden in der dargelegten Höhe entstanden.
Die Beklagte will in ihrer Berufungsbegründung glauben machen, es sei in erster Instanz streitig gewesen, dass der Differenzbetrag zwischen den tatsächlichen und den in der Einnahmen-Überschussrechnung ausgewiesenen Einnahmen im Jahr 2000 28.010,12 DM betragen habe. Dem stehen schon die Feststellungen im Urteil des Landgerichts auf Seite 4 entgegen.
Tatsächlich hat die Beklagte aber auch in erster Instanz nicht wirksam bestritten, dass sich die tatsächlichen Einnahmen im Jahr 2000 gegenüber den in der von ihr gefertigten Einnahmen-Überschussrechnung ausgewiesenen Einnahmen in Höhe von 114.287,86 DM, nur auf 86.277,74 DM beliefen. Der Differenzbetrag zwischen den versteuerten und den tatsächlichen Einnahmen im Jahr 2000 betrug nach Angaben der Kläger 28.010,12 DM. In Höhe von 20.393,20 DM ist dieser Differenzbetrag nach Angaben der Kläger darauf zurückzuführen, dass Rechnungen überhaupt nicht bezahlt worden sind. Die Beklagte hat weder bestritten, dass ein Teil der von ihr als Einkommen versteuerten Rechnungsbeträge überhaupt nicht bezahlt worden sind, noch hat sie die Höhe des von den Klägern insoweit angegebenen Betrages in Abrede gestellt. Sie hat zu den von den Klägern vorgetragenen Zahlen nur insoweit Stellung genommen, als sie das tatsächliche Vorliegen von Sicherheitseinbehalten mit Nichtwissen bestritten hat, ohne im Einzelnen auf die von den Klägern im Detail vorgetragenen Zahlen zum Sicherheitseinbehalt in Höhe von insgesamt 7.616,92 DM einzugehen. Gemäß § 138 Abs.4 ZPO ist aber eine Erklärung mit Nichtwissen nur über Tatsachen zulässig, die eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind. Vorgänge im eigenen Geschäfts- und Verantwortungsbereich stellt die Rechtsprechung eigenen Handlungen und Wahrnehmungen i.S.v. § 138 Abs. 4 ZPO gleich (Zöller, ZPO, 23. Auflage, § 138, Rdnr.16). Die Beklagte durfte sich als Steuerberaterin der Kläger, der es oblag, das tatsächliche Einkommen der Kläger in einer entsprechenden Einkommenssteuererklärung in Ansatz zu bringen, nicht darauf beschränken, mit Nichtwissen zu bestreiten, das die von ihr als tatsächliches Einkommen in Ansatz gebrachten Beträge gar nicht in dieser Höhe als Einkommen angefallen sind. Sie hätte vielmehr im Detail darlegen müssen, weshalb ihrer Auffassung nach die von den Klägern vorgetragenen Sicherheitseinbehalte tatsächlich nicht gemacht worden sein sollen. Hierzu fehlt jeder Vortrag. Soweit die Beklagte in der Berufungsinstanz den diesbezüglichen erstinstanzlichen Vortrag erweitert und präzisiert, ist sie mit diesem Vortrag gemäß § 531, Abs. 2 Ziffer 3 ZPO präkludiert. Ebenso ist die Beklagte mit ihrem erstmals in der Berufungsinstanz gestellten Antrag gemäß § 142 ZPO auf Vorlage der Privat- und Geschäftskonten für die Jahre, 2000, 2001 und 2002 gemäß § 531 Abs. 2 Ziffer 3 ZPO präkludiert.
Soweit die Beklagte meint, ein Schaden in der geltend gemachten Höhe sei den Klägern deshalb nicht entstanden, weil die Kläger noch die Möglichkeit gehabt hätten, durch einen Antrag gemäß § 174 AO eine doppelte Besteuerung zu verhindern, kann auf die insoweit in vollem Umfang zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen werden. Ein Antrag gemäß § 174 AO setzte voraus, dass die im Jahr 2000 von der Beklagten fälschlicherweise als Einkommen in der Steuererklärung in Ansatz gebrachten und im Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2000 berücksichtigten Beträge, tatsächlich später geleistet worden wären. Hierfür fehlt es aber einem ausreichend substantiierten Vortrag seitens der Beklagten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Absatz 1 ZPO. Die weiteren prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Absatz 2 Satz 1 ZPO.