Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

Zurück

Urteil vom 22.08.2023 · IWW-Abrufnummer 238692

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz - Aktenzeichen 8 Sa 342/22

Eine Krankenschwester, die Tätigkeiten in Gruppen von behinderten Menschen im Sinne des § 2 SGB IX oder von Personen, die Hilfen nach § 67 SGB XII erhalten, ausübt und damit in Einrichtungen für behinderte Menschen im Sinne des § 2 SGB IX über 18jährige Personen betreut, erfüllt die Eingruppierungsvoraussetzungen der Entgeltgruppe S 8b Nr. 1 Anhang B zu Anlage 33 der AVR Caritas auch dann, wenn sie nicht überwiegend ausbildungsspezifische pflegerische Tätigkeiten erbringt.


Tenor: 1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 09.11.2022, Az. 12 Ca 1454/22, wird kostenpflichtig mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Erledigung der Hauptsache festgestellt wird, soweit die Klage auf Vergütung nach Entgeltgruppe S 8b Stufe 6 der Anlage 33 AVR ab dem 01.06.2023 gerichtet ist. 2. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die zutreffende Eingruppierung der Klägerin.

Die Klägerin, ausgebildete Krankenschwester, ist bei der Beklagten seit dem 01.02.2004 beschäftigt, zunächst als Gruppenhelferin und zuletzt seit gut elf Jahren als Leiterin der Montage- und Verpackungsgruppe in einer Werkstatt für behinderte Menschen, welche Hilfen nach § 67 SGB XII erhalten. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft arbeitsvertraglicher Inbezugnahme die Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) in der jeweils geltenden Fassung Anwendung. Eingruppiert war die Klägerin in Entgeltgruppe S 7 Stufe 6 Anhang B der Anlage 33 (Besondere Regelungen für Mitarbeiter im Sozial- und Erziehungsdienst) zu den AVR. Am 27.01.2022 bat sie die Beklagte um Überprüfung ihrer Eingruppierung, da sie die Voraussetzungen der Entgeltgruppe S 8b erfülle. Am 03.02.2022 erwiderte die Beklagte, die Klägerin sei tatsächlich falsch eingruppiert, "allerdings nicht zu niedrig, sondern zu hoch". Richtigerweise sei sie in Entgeltgruppe S 4 eingruppiert, eine Korrektur der Eingruppierung behalte man sich vor. Das nach den AVR vorgesehene Schlichtungsverfahren endete mit dem Vorschlag des Schlichtungsausschusses vom 03.05.2022, die Klägerin in Entgeltgruppe S 8b einzuordnen. Die Beklagte lehnte dies ab. Daraufhin wurde das Schlichtungsverfahren für gescheitert erklärt. Im Anhang B der Anlage 33 zu den AVR heißt es zu den Eingruppierungsvoraussetzungen unter anderem:

"S 7 4. Mitarbeiter mit abgeschlossener Berufsausbildung als Handwerker oder Facharbeiter oder entsprechender abgeschlossener Berufsausbildung und mit sonderpädagogischer Zusatzqualifikation als Gruppenleiter in einer Werkstatt für behinderte Menschen S 8a Erzieher, Heilerziehungspfleger, Heilerzieher mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Mitarbeiter, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben S 8b 1. Erzieher, Heilerziehungspfleger, Heilerzieher mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Mitarbeiter, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben, mit besonders schwierigen fachlichen Tätigkeiten"

Unter Entgeltgruppe S 8a wird auf Nr. 3 und 5, unter Entgeltgruppe S 8b auf Nr. 3, 5 und 6 der "Anmerkungen zu den Tätigkeitsmerkmalen der Entgeltgruppen S 2 bis S 18 (Anhang B zur Anlage 33)" verwiesen. Dort heißt es:

"Nr. 3: Als entsprechende Tätigkeit von Erziehern gilt auch ... die Betreuung von über 18jährigen Personen (z.B. in Einrichtungen für behinderte Menschen im Sinne des § 2 SGB IX ... Nr. 5: Nach diesem Tätigkeitsmerkmal sind auch ... c) Krankenschwestern/-pfleger ... in Einrichtungen der Behindertenhilfe ... eingruppiert Nr. 6: Besonders schwierige fachliche Tätigkeiten sind z. B. die ... b) Tätigkeiten in Gruppen von behinderten Menschen im Sinne des § 2 SGB IX, von Personen, die Hilfen nach § 67 SGB XII erhalten oder von ..."

Die Klägerin hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, sie erfülle die Tatbestandsvoraussetzungen der Entgeltgruppe S 8b Nr. 1. Hierzu hat sie vorgetragen, aus Anmerkung Nr. 5 ergebe sich, dass sie als Krankenschwester in den persönlichen Anwendungsbereich der Entgeltgruppe S 8b Nr. 1 falle. Auch wenn sie keine Erzieherin sei, übe sie doch "entsprechende Tätigkeiten" aus, da Anmerkung Nr. 3 als "entsprechende Tätigkeit von Erziehern" ausdrücklich "die Betreuung von über 18jährigen Personen in Einrichtungen für behinderte Menschen im Sinne von § 2 SGB IX" anerkenne. Genau dies entspreche ihrer täglichen Arbeit als Gruppenleiterin in der Werkstatt für behinderte Menschen. Dabei handle es sich auch um "besonders schwierige fachliche Tätigkeiten", wie sich aus Anmerkung Nr. 6 ergebe. Dort würden als Beispiel "Tätigkeiten in Gruppen von behinderten Menschen im Sinne des § 2 SGB IX" oder von "Personen, die Hilfen nach § 67 SGB XII erhalten", genannt. Beides treffe auf sie zu.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sie mit Wirkung vom 01.07.2021 nach der Entgeltgruppe S 8b Stufe 6 zu vergüten.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, der Klägerin stehe keine Vergütung nach Entgeltgruppe S 8b Nr. 1 zu. Hierzu hat sie vorgetragen, die Klägerin sei weder Erzieherin noch Heilerziehungspflegerin noch Heilerzieherin mit staatlicher Anerkennung, sondern Krankenpflegerin. Allerdings übe sie nicht zu mindestens 50% "entsprechende Tätigkeiten" als Krankenpflegerin aus. Dies sei indes Voraussetzung für eine Eingruppierung, wenn sie sich darauf berufen wolle, als Krankenschwester Entgeltgruppe S 8b Nr. 1 zu unterfallen. Tatsächlich sei sie in der Montage- und Verpackungsgruppe der Werkstatt tätig, wo von behinderten Menschen einfachste Arbeiten wie z. B. das Abpacken von Holzdübeln in Plastiktüten ausgeführt würden. Andere Gruppenleiter dieser Montage- und Verpackungsgruppe verfügten etwa über eine Berufsausbildung als Schreiner, Industriemechaniker, Landschaftsgärtner, Kaufmann oder Schlosser. Dies belege, dass für die dortige Tätigkeit keine fachspezifische Ausbildung erforderlich sei. Damit übe die Klägerin auch keine besonders schwierigen fachlichen Tätigkeiten aus. Zudem unterfalle sie durch ihren Einsatz in der Werkstatt dem handwerklichen Erziehungsdienst, der in Entgeltgruppe S 7 verortet sei und Mitarbeiter mit abgeschlossener Berufsausbildung und sonderpädagogischer Zusatzqualifikation als Gruppenleiter in einer Werkstatt für behinderte Menschen erfasse. Es handle sich nicht um eine Tätigkeit des originären Erziehungsdienstes, sondern um eine speziellere Regelung, die der allgemeineren in S 8b Nr. 1 vorgehe. Eine dortige Eingruppierung lasse sich auch nicht aus der Arbeit der Klägerin mit behinderten Menschen herleiten, da diese der Tätigkeit immanent sei.

Die Klägerin hat dem entgegengehalten, auf eine ausbildungsspezifische Tätigkeit als Krankenschwester oder eine sonstige pflegerische Tätigkeit zu mindestens 50% komme es nicht an, da die Beklagte - was unstreitig ist - in der Werkstatt mehrere Gruppenleiter mit Qualifikation als Heilerziehungspfleger beschäftige und nach Entgeltgruppe S 8b Nr. 1 vergüte, obwohl auch sie keine überwiegend ausbildungsspezifische Tätigkeit als Heilerziehungspfleger leisteten.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 09.11.2022 stattgegeben und dies im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Klägerin erfülle als ausgebildete Krankenpflegerin/Krankenschwester gemäß Anmerkung Nr. 5c die subjektiven Voraussetzungen der Entgeltgruppe S 8b Nr. 1, da sie einem Erzieher insoweit gleichgestellt sei. Nicht erforderlich sei, dass zumindest zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfielen, für die eine Ausbildung als Erzieher oder Krankenpflegerin benötigt würden. Bereits aus der sprachlichen Fassung der Regelung in S 8b Nr. 1 ergebe sich, dass bei Erziehern, anders als bei Heilerziehern mit staatlicher Anerkennung und sonstigen Mitarbeitern, keine Ableistung "entsprechender Tätigkeiten" verlangt werde. Was für Erzieher gelte, gelte gemäß Anmerkung Nr. 5c auch für Krankenschwestern, die in der Anmerkung rein personenbezogen benannt würden, ohne tätigkeitsbezogenen Zusatz. Die Systematik der Entgeltgruppen S 4, S 7 und S 8b lege nahe, dass die Vergütungshöhe nicht nur von der ausgeübten Tätigkeit, sondern auch von der Qualifikation abhängen solle, da bei unveränderter Tätigkeit die Qualifikation zu einer höheren Eingruppierung führe (S 4: abgeschlossene Berufsausbildung als Handwerker oder Facharbeiter mit entsprechender Berufsausbildung; S 7: zusätzlich sonderpädagogische Zusatzqualifikation; S 8b: Meisterprüfung statt abgeschlossener Berufsausbildung oder Facharbeiter und zusätzlich sonderpädagogische Zusatzqualifikation). Dies sei im Rahmen kirchlicher Arbeitsrechtsregelungen wie der AVR zulässig. Die Klägerin übe als Gruppenleitung in einer Werkstatt für behinderte Menschen auch besonders schwierige fachliche Tätigkeiten aus, da hierunter nach Anmerkung Nr. 6b u. a. Tätigkeiten in Gruppen von behinderten Menschen im Sinne des § 2 SGB IX fielen. Wegen der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils (Bl. 137 ff. d.A.) Bezug genommen.

Gegen dieses ihr am 17.11.2022 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit beim Landesarbeitsgericht am 15.12.2022 eingegangenem Schriftsatz vom selben Tage Berufung eingelegt und diese mit beim Landesarbeitsgericht am 17.01.2023 eingegangenem Schriftsatz vom selben Tage begründet. Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Beklagte nach Maßgabe ihrer Schriftsätze vom 17.01.2023 (Bl. 162 ff. d.A.), 29.06.2023 (Bl. 200 ff. d.A.), 26.07.2023 (Bl. 207 ff. d.A.) und 16.08.2023 (Bl. 214 ff. d.A.), auf die ergänzend Bezug genommen wird, vor, die Klägerin sei nicht in Entgeltgruppe S 8b Nr. 1 eingruppiert. Krankenschwestern seien Erziehern keineswegs gleichgestellt. Anmerkung Nr. 5c besage nur, dass auch Krankenschwestern "nach diesem Tätigkeitsmerkmal" eingruppiert würden. Die Ausübung "entsprechender Tätigkeiten" werde auch bei Erziehern verlangt, wie sich aus der sprachlichen Fassung in S 8b Nr. 1 ergebe. Dort handle es sich um eine Aufzählung der drei genannten Berufe (Erzieher, Heilerziehungspfleger, Heilerzieher). Für alle von ihnen beanspruchten die Merkmale "mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit" Geltung. Der Passus "mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit" beziehe sich nicht nur auf die letzte, unmittelbar zuvor genannte Gruppe der Heilerzieher, da dies zu dem sinnwidrigen Ergebnis führen würde, dass Erzieher keine staatliche Anerkennung benötigten. Bei den weiter genannten "sonstigen Mitarbeitern" seien die zu erbringenden "entsprechenden Tätigkeiten" ausdrücklich erwähnt, ebenso, dass diese "aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten" ausgeübt werden müssten. Daran fehle es bei der Klägerin, denn diese übe weder die Tätigkeiten einer Erzieherin noch einer Krankenschwester zu mindestens der Hälfte ihrer Arbeitszeit aus. Das Gericht habe die Spezialität der Regelungen für eine Gruppenleitertätigkeit in der Werkstatt verkannt. Diese Spezialität verbiete den Rückgriff auf allgemeine Merkmale. Die Spezialmerkmale für Aufgaben in einer Werkstatt für behinderte Menschen fingen in Entgeltgruppe S 4 Fallgruppe 4 an (Mitarbeiter mit abgeschlossener Berufsausbildung als Handwerker oder Facharbeiter oder entsprechende abgeschlossene Berufsausbildung als Gruppenleiter in einer Werkstatt für behinderte Menschen), steigerten sich nach Entgeltgruppe S 7 Fallgruppe 4 (Mitarbeiter mit abgeschlossener Berufsausbildung als Handwerker oder Facharbeiter oder entsprechender abgeschlossener Berufsausbildung und mit sonderpädagogischer Zusatzqualifikation als Gruppenleiter in einer Werkstatt für behinderte Menschen) bis hin zu Entgeltgruppe S 8a Fallgruppe 5 (Mitarbeiter mit Meisterprüfung/Techniker als Gruppenleiter in einer Werkstatt für behinderte Menschen). Maßgeblich sei die Tätigkeit "Gruppenleitung in einer Werkstatt für behinderte Menschen", die nur in den genannten Entgeltgruppen angeführt sei und damit einen Rückgriff auf andere Entgeltgruppen sperre. Die Klägerin erfülle sämtliche Voraussetzungen der Entgeltgruppe S 7 Fallgruppe 4 und sei daher dort zutreffend eingruppiert.

Die Klägerin verteidigt das angegriffene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderungsschriftsätze vom 17.02.2023 (Bl. 175 ff. d.A.), 24.02.2023 (Bl. 180 d.A.), 15.06.2023 (Bl. 191 ff. d.A.) und 15.08.2023 (Bl. 218 ff. d.A.), auf die ergänzend Bezug genommen wird. Sie führt aus, bei ihrer Tätigkeit als Gruppenleiterin in der Werkstatt für behinderte Menschen handle es sich um die Tätigkeit eines Erziehers. Jedenfalls sei sie "sonstige Mitarbeiterin", die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrung entsprechende Tätigkeiten ausübe. So sei sie in der Werkstatt für behinderte Menschen seit rund 18 Jahren tätig, davon seit gut 11 Jahren als Gruppenleiterin, und verfüge über langjährige Erfahrung. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass sie nicht mit mindestens der Hälfte ihrer Arbeitskraft als Krankenschwester tätig sei, da Werkstätten für behinderte Menschen regelmäßig keine Krankenstationen unterhielten. Anmerkung Nr. 5c ersetze die Subsumtion, ob sie eine Mitarbeiterin sei, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen einem Erzieher, Heilerziehungspfleger oder Heilerzieher mit staatlicher Anerkennung entsprechende Tätigkeiten ausübe, indem sie schlicht feststelle, dass Krankenschwestern in Einrichtungen der Behindertenhilfe nach diesem Tätigkeitsmerkmal vergütet würden. Insoweit eröffne die Regelung keinen Wertungsspielraum. Das Vergütungssystem stelle nicht primär auf eine Gruppenleitung ab. Dies sei lediglich bei Handwerkern ein weiteres Kriterium für deren Eingruppierung.

Nachdem die Parteien am 24.05.2023 einen "Nachtrag zum Dienstvertrag" geschlossen haben, in dem es heißt:

"Der ... geschlossene Dienstvertrag nebst allen Nachträgen wird wie folgt geändert/ergänzt: § 4 Die Mitarbeiterin wird in Anwendung von § 11 der Anlage 33 zu den AVR ab dem 01.06.2023 in die Entgeltgruppe S 8b eingruppiert. Die auszuübende Tätigkeit entspricht dem Tätigkeitsmerkmal der Ziffer 1 der obigen Vergütungsgruppe in Anlage 33 zu den AVR. § 10 Ab dem 01.06.2023 übernimmt Frau A. Aufgaben einer Pflegefachkraft. Dazu gehören: - im Bedarfsfall Durchführung von Grund- und Behandlungspflege - Unterweisung der KollegInnen entsprechend der Pflegematrix LIBD-139 und den Pflegestandards der M.-Werkstätten ... Alle anderen Vertragsbestandteile bleiben unverändert bestehen.",

und die Klägerin vor diesem Hintergrund seit 01.06.2023 nach Entgeltgruppe S 8b vergütet wird, hat sie den Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 15.06.2023 für die Zeit ab 01.06.2023 für erledigt erklärt.

Die Beklagte hat der Erledigungserklärung mit Schriftsätzen vom 29.06.2023 und 16.08.2023 widersprochen und zur Begründung vorgetragen, eine Erledigung sei schon deshalb nicht eingetreten, weil der Antrag der Klägerin von vornherein insgesamt unbegründet gewesen sei. Zudem habe sie mit dem Nachtrag zum Dienstvertrag keineswegs anerkannt, dass die Klägerin entsprechend der Tarifautomatik in Entgeltgruppe S 8b Nr. 1 eingruppiert sei. Vielmehr habe sie ihr im Zusammenhang mit der Übernahme der zusätzlichen Aufgabe einer Pflegefachkraft eine entsprechende Vereinbarung bzgl. einer Vergütung nach der entsprechenden Entgeltgruppe angeboten, die die Klägerin angenommen habe.

Die Klägerin trägt demgegenüber vor, die einzige nunmehr hinzugefügte Aufgabe der Durchführung von Grund- und Behandlungspflege sowie der Unterweisung der Kolleginnen entsprechend Pflegematrix und Pflegestandards der Beklagten sei in zeitlicher Hinsicht von untergeordneter Bedeutung und ändere ihre Tätigkeit in tatsächlicher Hinsicht nicht, sondern beschreibe lediglich die schon bislang geübte Praxis, dass sie als examinierte Krankenschwester stets Ansprechpartnerin ihrer Kollegen in Pflegefragen gewesen sei. Daher ergebe sich auch nicht erst durch diese formelle, marginale Änderung eine Tätigkeit von zumindest zur Hälfte der Entgeltgruppe S 8b unterfallenden Aufgaben.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 09.11.2022, Az. 12 Ca 1454/22, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten kostenpflichtig mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass Erledigung der Hauptsache festgestellt wird, soweit die Klage auf Vergütung nach Entgeltgruppe S 8b Stufe 6 der Anlage 33 AVR ab dem 01.06.2023 gerichtet ist, hilfsweise, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

1. Die nach § 64 Abs. 1 und 2 lit. b) statthafte Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und ordnungsgemäß begründet worden. Sie erweist sich auch sonst als zulässig.

2. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Daher war sie - sofern nicht Erledigung der Hauptsache festzustellen war - zurückzuweisen. Die Klägerin ist in Entgeltgruppe S 8b Nr. 1 Anhang B der Anlage 33 zu den AVR eingruppiert und von der Beklagten seit 01.07.2021 dementsprechend zu vergüten. Die Tatbestandsvoraussetzungen der genannten Regelung erfüllt sie.

a) Als Krankenschwester unterfällt sie den in Entgeltgruppe S 8b Nr. 1 ausdrücklich genannten Berufsgruppen Erzieher/Heilerziehungspfleger/Heilerzieher zwar nicht. Sie ist aber "sonstige Mitarbeiterin" im Sinne der Regelung.

b) Als solche übt sie auch "entsprechende Tätigkeiten" aus.

aa) Dies ergibt sich zunächst aus Anmerkung Nr. 3, nach der "die Betreuung von über 18jährigen Personen (z. B. in Einrichtungen für behinderte Menschen im Sinne des § 2 SGB IX)" als "entsprechende Tätigkeit von Erziehern" gilt. Die Tätigkeit der Klägerin als Gruppenleiterin in einer Werkstatt für behinderte Menschen beinhaltet derlei Betreuungsleistungen unstreitig. Ebenso unstreitig handelt es sich bei der von der Beklagten unterhaltenen Einrichtung um eine solche im Sinne von § 2 Abs. 1 SGB IX. Ob die von ihr bestrittene Behauptung der Klägerin, bei ihrer Tätigkeit handle es sich sogar um die Tätigkeit eines Erziehers, zutrifft, kann offenbleiben.

bb) Nicht erforderlich ist, dass die Klägerin gerade eine krankenschwesterspezifische Pflegetätigkeit ausübt. Dies ergibt eine Auslegung der einschlägigen Eingruppierungsregelungen.

aaa) Die AVR sind auf dem sog. Dritten Weg zustande gekommene kirchliche Arbeitsrechtsregelungen (vgl. BAG 27.02.2014 - 6 AZR 988/11 - Rn. 21; 24.06.2014 - 1 AZR 1044/12 - Rn. 12; 16.12.2021 - 6 AZR 377/20 - Rn. 24, juris). Bei kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, welchen mangels normativer Wirkung in privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen nur über Bezugnahmeklauseln in Arbeitsverträgen Wirkung verschafft werden kann. Sie unterliegen der Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB (BAG 22.07.2010 - 6 AZR 847/07 - Rn. 24; 16.12.2021 - 6 AZR 377/20 - Rn. 24, juris). Bei dieser Kontrolle ist als im Arbeitsrecht geltende Besonderheit (§ 310 Abs. 4 S. 2 BGB) jedoch angemessen zu berücksichtigen, dass das Verfahren des Dritten Wegs mit paritätischer Besetzung der Arbeitsrechtlichen Kommission und Weisungsungebundenheit ihrer Mitglieder gewährleistet, dass die Arbeitgeberseite nicht einseitig ihre Interessen durchsetzen kann. Die Berücksichtigung dieser Besonderheit bewirkt, dass so zustande gekommene kirchliche Arbeitsrechtsregelungen grundsätzlich nur daraufhin zu überprüfen sind, ob sie gegen die Verfassung, gegen anderes höherrangiges zwingendes Recht oder die guten Sitten verstoßen (BAG 30.10.2019 - 6 AZR 465/18 - Rn. 22, 33; 08.09.2021 - 10 AZR 322/19 - Rn. 34, 68; 16.12.2021 - 6 AZR 377/20 - Rn. 24, juris). Auch die Auslegung kirchlicher Arbeitsrechtsregelungen erfolgt wegen dieser Besonderheit nicht nach einem abstrakt-generellen Maßstab wie bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen, sondern nach den gleichen Grundsätzen, wie sie für die Gesetzesauslegung maßgeblich sind. Danach ist vom Wortlaut der Regelung auszugehen und dabei deren maßgeblicher Sinn zu erforschen, ohne am Wortlaut zu haften. Der wirkliche Wille der Richtliniengeber und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Bestimmungen ist mit zu berücksichtigen, soweit sie in den Richtlinien ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den systematischen Zusammenhang der Regelungen ist abzustellen (BAG 04.08.2016 - 6 AZR 129/15 - Rn. 27; 16.12.2021 - 6 AZR 377/20 - Rn. 24; vgl. auch BAG 14.03.2019 - 6 AZR 90/18 - Rn. 21 ff., juris).

bbb) Ausgehend von diesen Grundsätzen erfordert eine Eingruppierung der Klägerin in Entgeltgruppe S 8b Nr. 1 nicht, dass sie mit zumindest 50 % krankenschwesterspezifische oder pflegerische Tätigkeiten ausübt.

(1) Dies ergibt sich bereits aus Anmerkung Nr. 5c. Diese nimmt Krankenschwestern in den Anwendungsbereich der Entgeltgruppe S 8b Nr. 1 auf und erklärt sie ausdrücklich für dort "eingruppiert". Tätigkeitsbezogen ist dabei allein der Zusatz "in Einrichtungen der Behindertenhilfe". Diese Voraussetzung liegt hier vor. Eine speziell pflegerische Tätigkeit wird in der Eingruppierungsregelung bzw. den Anmerkungen zu dieser nicht verlangt. Daher genügt es, wenn die Klägerin Krankenschwester ist, in der Behindertenhilfe arbeitet und in diesem Rahmen unstreitig Tätigkeiten erbringt, die nach Anmerkung Nr. 3 ausdrücklich als "entsprechende Tätigkeit" (von Erziehern) anerkannt werden.

(2) Sofern man eine bloße Tätigkeit als Krankenschwester in der Behindertenhilfe nicht genügen lassen wollte, ergibt sich aus dem Regelungstext in Verbindung mit den Anmerkungen Nr. 3, 5 und 6 jedenfalls die Zulässigkeit einer "Überkreuzlösung", dass also die Klägerin der unter Nr. 5c genannten Berufsgruppe zugehört und eine zwar nicht für diese spezifische Tätigkeit, dafür aber eine nach Nr. 3 entsprechende Tätigkeit von Erziehern ausübt. Die Betreuung behinderter Menschen in entsprechenden Einrichtungen wird als "entsprechende" Tätigkeit nach Nr. 3 anerkannt und nach Nr. 5c mit dem dort genannten Berufsbild der Krankenschwester verknüpft.

(3) Damit wird deutlich, dass Krankenschwestern bei Erbringung anerkannter "entsprechender" Betreuungstätigkeiten gemäß Anmerkung Nr. 5c "nach diesem Tätigkeitsmerkmal" eingruppiert sind.

(4) Weder stellt Anmerkung Nr. 3 heraus, dass Betreuungstätigkeiten eine erzieherspezifische Prägung aufweisen müssten, noch lässt sich aus Anmerkung Nr. 5c herleiten, dass Krankenschwestern mit einem prägenden pflegerischen Anteil tätig werden müssten. Aus Anmerkung Nr. 6b folgt vielmehr das Gegenteil. Dort genügen für die in Entgeltgruppe S 8b Nr. 1 geforderten besonders schwierigen fachlichen Tätigkeiten solche "in Gruppen von behinderten Menschen im Sinne des § 2 SGB IX (oder) von Personen, die Hilfen nach § 67 SGB XII erhalten". Weitere Konkretisierungen, Spezifizierungen oder ausbildungstypische Anforderungen werden an diese Tätigkeiten nicht gestellt.

(5) Zudem postuliert Anmerkung Nr. 5d für Arbeitserzieher die Anforderung, dass diesen "die im Tätigkeitsmerkmal beschriebenen Aufgaben" übertragen sein müssen. Dies zeigt - unabhängig vom Erfordernis der Übertragung -, dass es maßgeblich auf die "im Tätigkeitsmerkmal beschriebenen Aufgaben" ankommt. Solche übt die Klägerin aus, zum einen durch ihre Betreuung von über 18jährigen Personen in einer Einrichtung für behinderte Menschen im Sinne des § 2 SGB IX (nach Anmerkung Nr. 3), zum anderen dadurch, dass sie als Krankenschwester in der Behindertenhilfe im Sinne von Anmerkung Nr. 6b tätig ist und ihre Arbeit in den dort genannten "Gruppen von behinderten Menschen im Sinne des § 2 SGB IX" bzw. "von Personen, die Hilfen nach § 67 SGB XII erhalten", ausübt, was sogar als besonders schwierige fachliche Tätigkeit für Entgeltgruppe S 8b Nr. 1 anerkannt wird.

c) Daraus folgt zugleich, dass die Klägerin ihre Tätigkeit "aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen" im Sinne der Entgeltgruppe S 8b Nr. 1 ausübt. Das Berufsbild der Krankenschwester bzw. die Ausbildung zur Krankenschwester, verbunden mit einer Tätigkeit in der Behindertenhilfe im Sinne der Anmerkungen Nr. 3, 5c und 6b, genügen hierfür.

d) Damit erfüllt die Klägerin sämtliche Voraussetzungen für eine Eingruppierung nach Entgeltgruppe S 8b Nr. 1. Die von der Beklagten bemühte Spezialität der Entgeltgruppe S 7 Nr. 4 und der von ihr daraus abgeleitete Vorrang gegenüber einer Eingruppierung in Entgeltgruppe S 8b Nr. 1 sind nicht gegeben.

aa) Es ist bereits nicht ersichtlich, wie die Beklagte dazu kommt, aus in manchen Entgeltgruppen genannten Tatbestandsmerkmalen eine Spezialität gegenüber anderen Entgeltgruppen herzuleiten, die ihrerseits bestimmte, nicht lediglich allgemeine Tatbestandsmerkmale beinhalten, die die Klägerin gleichfalls erfüllt. Ebenso wie die Beklagte aus den in Entgeltgruppe S 7 Nr. 4 genannten Merkmalen der sonderpädagogischen Zusatzausbildung und der Gruppenleitung in einer Werkstatt für behinderte Menschen eine Spezialität ableiten will, könnte man umgekehrt eine solche Spezialität für Entgeltgruppe S 8b Nr. 1 mit der Begründung annehmen, diese erfasse ausweislich der Anmerkungen Nr. 3, 5c und 6b gerade in Einrichtungen der Behindertenhilfe tätige Krankenschwestern.

bb) Der von der Beklagten für den handwerklichen Bereich angeführte Stufenaufbau von Entgeltgruppe S 4 Nr. 4 über Entgeltgruppe S 7 Nr. 4 bis hin zu Entgeltgruppe S 8a Nr. 5 (gemeint wohl S 8b Nr. 3) existiert nicht nur dort. So finden sich etwa für den erzieherischen Bereich Heilerziehungshelfer in den Entgeltgruppen S 2, S 3 und S 4 Nr. 1, Erzieher, Heilerziehungspfleger und Heilerzieher in den Entgeltgruppen S 4 Nr. 2, S 8a, S 8b Nr. 1 und S 9 Nr. 1, Sozialarbeiter/Sozialpädagogen in den Entgeltgruppen S 8b Nr. 2, S 11b, S 12 Nr. 1, S 14 und S 15 und Mitarbeiter mit abgeschlossener Berufsausbildung in der beruflichen Ausbildung/Anleitung in Einrichtungen der Erziehungs-, Behinderten-, Suchtkranken-, Wohnungslosen- oder Straffälligenhilfe in den Entgeltgruppen S 4 Nr. 3, S 7 Nr. 3/5, S 8b Nr. 4 und S 10 Nr. 6. Dies zeigt, dass die Entgeltgruppen für Mitarbeiter im Sozial- und Erziehungsdienst nach Anhang B der Anlage 33 nicht nur an eine bestimmte Ausbildung/Qualifikation und auch nicht nur an eine bestimmte ausgeübte Tätigkeit anknüpfen, sondern bestimmte Entgeltgruppen gerade die Kombination von einer gewissen Ausbildung/Qualifikation mit einer gewissen ausgeübten Tätigkeit verlangen. Dass die Klägerin als Gruppenleiterin in einer Werkstatt für behinderte Menschen tätig ist und die tätigkeitsbezogenen Anforderungen der Entgeltgruppe S 7 Nr. 4 erfüllt, bedeutet daher nicht, dass ihre Tätigkeit nicht auch einer anderen Entgeltgruppe wie etwa der S 8b Nr. 1 unterfallen könnte, was nicht zuletzt die Anmerkungen Nr. 3, 5 und 6, die in Entgeltgruppe S 8b Nr. 1 ausdrücklich zitiert werden, nahelegen. Wenn Anmerkung Nr. 5c explizit Krankenschwestern in den Anwendungsbereich der Entgeltgruppe S 8b Nr. 1 aufnimmt, ist nicht ersichtlich, warum die Klägerin unter die insoweit viel allgemeinere, in Entgeltgruppe S 7 Nr. 4 genannte Gruppe der "Mitarbeiter mit ... entsprechender abgeschlossener Berufsausbildung" fallen sollte, und zwar im Sinne einer Sperrwirkung für die (erfüllten) Tatbestandsvoraussetzungen der Entgeltgruppe S 8b Nr. 1. Dass Entgeltgruppe S 7 Nr. 4 Mitarbeiter mit abgeschlossener Berufsausbildung als Handwerker oder Facharbeiter oder "entsprechender" abgeschlossener Berufsausbildung aufführt, deutet darauf hin, dass eine solche "entsprechende" Ausbildung einen dem Handwerk vergleichbaren Inhalt haben soll, was auf eine Krankenschwester wie die Klägerin offenkundig nicht zutrifft. Genau dies hat der Beklagtenvertreter erstinstanzlich mit Schriftsatz vom 20.09.2022 (dort S. 2 unter Ziff. 3) vorgetragen. Warum er in der Berufungsinstanz das exakte Gegenteil vorträgt (Schriftsatz vom 26.07.2023 S. 5 oben), erschließt sich nicht.

e) Aus den genannten Gründen ist die Klägerin in Entgeltgruppe S 8b Nr. 1 eingruppiert und seit dem 01.07.2021 nach dieser zu vergüten.

3. Ihre Klage (ihr Eingruppierungsfeststellungsantrag) ist vollumfänglich zulässig und begründet gewesen. Indes hat sich der Klageantrag für die Zeit ab 01.06.2023 erledigt, da die Beklagte sie ausweislich des zu den Akten gereichten Nachtrags zum Dienstvertrag (Bl. 193 d.A.) seit diesem Zeitpunkt nach Entgeltgruppe S 8b Nr. 1 vergütet und in diesem Nachtrag ausdrücklich zugesteht, dass die Tätigkeit der Klägerin die Tatbestandsvoraussetzungen der Entgeltgruppe S 8b Nr. 1 erfüllt.

a) Die Klägerin konnte den Rechtsstreit insoweit ohne Einlegung einer Anschlussberufung (§ 524 ZPO) einseitig für erledigt erklären. Die einseitige Erledigungserklärung bildet eine gemäß § 264 Nr. 2 ZPO privilegierte Klageänderung, mit der von einem Leistungsantrag auf einen Feststellungsantrag übergegangen wird. Eine solche einseitige (Teil-)Erledigungserklärung ist im Berufungsverfahren jedenfalls dann zulässig, wenn das Ereignis, welches die Hauptsache erledigt haben soll, als solches außer Streit steht. Zu prüfen ist dann, ob die Klage bis zum geltend gemachten erledigenden Ereignis zulässig und begründet war und - wenn das der Fall ist - ob sie durch dieses Ereignis unzulässig oder unbegründet geworden ist. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist die Erledigung der Hauptsache festzustellen (zum Vorstehenden BGH 19.06.2008 - IX ZR 84/07 - Rn. 8, 10; 01.06.2017 - VII ZR 277/15 - Rn. 30; 24.07.2018 - VI ZR 330 /17 - Rn. 57, juris). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

b) Als Ereignis, welches nach Ansicht der Klägerin die Hauptsache für die Zeit ab 01.06.2023 erledigt haben soll, ist der Abschluss des Nachtrags zu ihrem Dienstvertrag vom 24.05.2023 zu sehen, der ihr nunmehr die geltend gemachte Vergütung nach Entgeltgruppe S 8b Nr. 1 zusagt. Dieses Ereignis ist zwischen den Parteien unstreitig.

c) Bis zu diesem Ereignis war die Klage zulässig und begründet. Infolge des Vertragsschlusses ist sie für die Zeit ab 01.06.2023 unzulässig geworden, da es insoweit am erforderlichen besonderen Feststellungsinteresse fehlt. Die Klägerin begehrt Vergütung nach Entgeltgruppe S 8b Nr. 1. Diese wird ihr im Nachtrag zum Dienstvertrag zugesagt und unstreitig seit 01.06.2023 zur Auszahlung gebracht. Ob ihr die Vergütung infolge einer - von der Beklagten bzw. zumindest ihrem Prozessvertreter weiterhin ausdrücklich abgelehnten - Tarifautomatik oder aufgrund arbeitsvertraglicher Zusage gezahlt wird, ist ohne Belang. Ihr Ziel - eine Vergütung nach Entgeltgruppe S 8b Nr. 1 - hat die Klägerin seit 01.06.2023 erreicht. Einer Klage, die auf Feststellung gerichtet ist, dass die Beklagte ihr die entsprechende Vergütung zu zahlen hat, läge kein Feststellungsinteresse mehr zu Grunde. Daher ist mit dem Abschluss des Nachtrags zum Dienstvertrag und dessen Umsetzung ein erledigendes Ereignis mit Wirkung ab 01.06.2023 eingetreten.

d) Da die Beklagte der Erledigungserklärung der Klägerin widersprochen hat, war auf deren in der Berufungsverhandlung angepassten Antrag hin Erledigung der Hauptsache ab 01.06.2023 festzustellen. Die Tenorierung erfolgte dabei gemäß der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Urteil vom 01.05.2017 - VII ZR 277/15, juris) dahingehend, dass die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückzuweisen war, dass die Erledigung der Hauptsache festgestellt wird, soweit die Klage auf die begehrte Vergütung für die Zeit ab 01.06.2023 gerichtet ist.

4. Der von der Klägerin vorsorglich hilfsweise aufrecht erhaltene Antrag auf Zurückweisung der Berufung insgesamt (zu dessen Zulässigkeit BGH 19.11.2014 - VIII ZR 191/13 - Rn. 22; 24.07.2018 - VI ZR 330/17 - Rn. 62, juris; Zöller/Althammer, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 91a Rn. 35; MüKo-ZPO/Schulz, 6. Aufl. 2020, § 91a Rn. 81; Musielak/Voit/Flockenhaus, ZPO, 20. Aufl. 2023, § 91a Rn. 31) fiel damit nicht zur Entscheidung an.

B.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, § 91 ZPO.

C.

Die Revision war gem. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG im Hinblick auf die Auslegung der streitgegenständlichen Regelungen aus Anhang B der Anlage 33 zu den AVR zuzulassen.

Verkündet am 22.08.2023

Vorschriften§ 67 SGB XII, § 2 SGB IX, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO, § 2 Abs. 1 SGB IX, §§ 305 ff. BGB, § 310 Abs. 4 S. 2 BGB, § 524 ZPO, § 264 Nr. 2 ZPO, § 97 Abs. 1, § 91 ZPO, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG