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Urteil vom 31.07.2023 · IWW-Abrufnummer 237142

Landesarbeitsgericht Sachsen - Aktenzeichen 2 Sa 277/18

1. Die Aufnahme eines Kündigungsrechtsstreits nach Unterbrechung durch Insolvenz ( § 240 ZPO ) erfolgt regelmäßig nach § 86 Abs. 1 Nr. 3 InsO , weil bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses neben den Insolvenzforderungen auch Masseverbindlichkeiten begründet werden.

2. Fallen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und die Betriebsveräußerung zeitlich zusammen und widerspricht der Arbeitnehmer dem Übergang seines gekündigten Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber nicht, entstehen keine Masseverbindlichkeiten. Es gilt dann § 87 InsO . Eine Vorschrift, nach welcher der unterbrochene Kündigungsrechtsstreit als solcher aufgenommen werden könnte, besteht nicht. Die Aufnahme ist hier nach § 180 Abs. 2 InsO analog möglich. Dabei ist der Kündigungsschutzantrag nicht auf Feststellung der Insolvenzforderungen zur Tabelle umzustellen. Vielmehr ist die Forderungsaufstellung daneben zu betreiben.


In dem Rechtsstreit
...
...
- Berufungskläger / Kläger -
Prozessbevollm.:
Rechtsanwälte ...
...
gegen
Rechtsanwalt ...
als Insolvenzverw. über das Vermögen d. ... GmbH (ehemals ......
...
- Berufungsbeklagter / Beklagter -
Prozessbevollm.:
Rechtsanwälte ...
...
hat das Sächsische Landesarbeitsgericht - Kammer 2 - durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzende und die ehrenamtlichen Richter Herr ... und Herr ... auf die mündliche Verhandlung vom 31. Juli 2023
für Recht erkannt:

Tenor: 1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 21.06.20148 - Az. 1 Ca 317/18 - wird zurückgewiesen. 2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Beendigung eines Vertragsverhältnisses durch außerordentliche und hilfsweise ordentliche Kündigung sowie um dessen Einordnung als Arbeitsverhältnis.

Der Beklagte wurde mit Beschluss des Amtsgerichts ... vom 2.9.2019, 8.00 Uhr, mit dem zugleich das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, als Insolvenzverwalter über das Vermögen der ursprünglich beklagten GmbH (im Weiteren: Schuldnerin) bestimmt. Unmittelbar nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat der Beklagte mittels eines notariellen Unternehmenskaufvertrages sämtliche materiellen und immateriellen Vermögensgegenstände der Schuldnerin veräußert. Der Betriebsübergang nach § 613a BGB hat am 2.9.2019 um 8:01 Uhr stattgefunden, die Erwerberin ist in alle bestehenden Arbeitsverhältnisse eingetreten. Der Kläger hat dem Übergang seines behaupteten Arbeitsverhältnisses nicht widersprochen.

Er war seit 2009 als Geschäftsführer der Schuldnerin tätig. Er war einzelvertretungsberechtigt mit der Befugnis, im Namen der Gesellschaft mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten Rechtsgeschäfte abzuschließen. Mit Wirkung zum 1.9.2016 wurde er als Geschäftsführer abberufen. Mit Eintrag im Handelsregister unter dem 20.10.2016 wurde er als Prokurist mit Einzelprokura bestellt. Auf den mit Schriftsatz der Beklagten vom 2.8.2018 vorgelegten Handelsregisterauszug (Bl. 21 ff. d.A.) wird wegen des Inhalts Bezug genommen. Der Kläger war in weiteren Gesellschaften der Unternehmensgruppe, welcher auch die Schuldnerin angehörte, als Geschäftsführer tätig, unter anderem für die "... GmbH". Von dieser hat er ein Gehalt zur Abgeltung jedenfalls aller Tätigkeiten als Geschäftsführer der verschiedenen Gesellschaften bezogen. Dieses Gehalt ist ihm nach Abberufung als Geschäftsführer für die Schuldnerin in gleicher Höhe weitergezahlt worden.

Mit der Klageschrift hat der Kläger die Kopie eines als Arbeitsvertrag bezeichneten Schriftstücks vorgelegt, welches er sowohl auf Arbeitgeberseite als auch auf Arbeitnehmerseite unterschrieben hat. Die Kopie weist als Datum für beide Unterschriften den 1.3.2010 aus. Als Vertragsparteien sind die Schuldnerin als Arbeitgeber und der Kläger als Arbeitnehmer genannt. Der Inhalt lautet auszugsweise wie folgt:

§ 1

Beginn des Arbeitsverhältnisses

I. Das Arbeitsverhältnis beginnt am 1.3.2010.

II. ...

§ 2

Arbeitsort und Art der Tätigkeit

I. ...

II. Der Arbeitnehmer wird als Leiter des kaufmännischen Bereiches eingestellt.

III. ...

§ 3

Vergütung

I. Für die Tätigkeit nach diesem Vertrag wird ein Bruttolohn i.H.v. 4000 € gezahlt.

II. ...

§ 4

Arbeitszeit

I. Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt 10 Stunden wöchentlich.

II. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen richten sich nach den abgeschlossenen betrieblichen Vereinbarungen des Betriebes.

..."

Auf den weiteren Inhalt der Kopie wird Bezug genommen (Anl. K2, Bl. 8 ff. d.A.).

Mit außergerichtlichem anwaltlichen Schreiben vom 27.10.2017 (Anl. K4, Bl. 56 ff. d.A.) reagierte die Schuldnerin auf eine E-Mail des Klägers vom 25.10.2017. Deren Text wird im genannten Schreiben wie folgt wiedergegeben:

"...

An: ...

Cc: ...

Betreff: Kündigung Prokurist ...

...

Hiermit kündige ich meine Stelle als Prokurist der ... Da laut eurer Aussage ich mir über meinen Nachfolger keine Sorgen machen muss, kündige ich fristlos. ..."

Das anwaltliche Schreiben selbst enthält als Betreff "arbeitsvertragliche Verpflichtung Prokura". Es lautet auszugsweise weiter wie folgt:

"Hinsichtlich einer etwaigen Kündigung des nach Ihren Angaben ohne schriftlichen aber doch faktisch geschlossenen Arbeitsverhältnisses zwischen Ihnen und der ... weisen wir darauf hin, dass eine Kündigung von Arbeitsverhältnissen gemäß § 623 BGB der Schriftform bedarf. ... Soweit Sie eine Kündigung aussprechen möchten, regen wir an, dies mittels Brief zu tun. Weiter ist diese Kündigung an die Gesellschaft zu richten, mit der sie das Arbeitsverhältnis kündigen möchten.

... Fordern wir Sie auf, Ihren arbeitsvertraglichen, gesetzlichen, organschaftlichen und gesellschaftsrechtlichen Verpflichtungen im vollen Umfang nachzukommen."

Unter dem 1.11.2017 schickte der Kläger eine an den zu diesem Zeitpunkt bestellten Geschäftsführer der Schuldnerin, Herrn ..., gerichtete E-Mail an die Adresse der "... GmbH" mit folgendem Inhalt:

"...

beiliegend zur Information mein alter Vertrag mit der... Werde den Lohn ab sofort wieder auszahlen."

In den Monaten November und Dezember 2017 wurden dem Kläger von der Schuldnerin erstmals jeweils 4.000,00 € brutto abgerechnet und ausgezahlt.

Mit Schreiben vom 2.2.2018, dem Kläger am selben Tag zugegangen (vgl. Bl. 113 RS d.A.) sprach die Schuldnerin eine Kündigung wie folgt aus:

"...

Mit Beschluss vom 21.1.2018 haben die Gesellschafter der ... GmbH den Widerruf/den Entzug der Ihnen erteilten Prokura und die Kündigung Ihres Anstellungsvertrages aus wichtigem Grund, hilfsweise zum nächst zulässigen Zeitpunkt beschlossen und den Unterzeichneten ermächtigt, Ihnen dies im Namen der Gesellschaft mitzuteilen.

...

Namens und im Auftrag der ... GmbH, ..., kündige ich das zwischen Ihnen und der Gesellschaft bestehende faktische Anstellungsverhältnis fristlos, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt, zum 31.5.2018.

Der Grund für diese Entscheidung liegt in der tief greifenden Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses zwischen den Gesellschaftern und Ihnen als Geschäftsführer. ..."

Bei der Schuldnerin waren zu diesem Zeitpunkt regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer (wohl Vollzeit) beschäftigt. Die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes unter dem Gesichtspunkt der Anzahl der Beschäftigten ist jedenfalls weder von der Schuldnerin noch vom Beklagten in Abrede gestellt. Bei der Schuldnerin bestand außerdem zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung ein Betriebsrat.

Mit der am 21.2.2018 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Schuldnerin am 24.2.2018 zugestellten Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der Kündigung des von ihm angenommenen Arbeitsverhältnisses geltend gemacht.

Der Kläger hat erstinstanzlich geltend gemacht,

zwischen ihm und der Schuldnerin bestehe ein Arbeitsverhältnis. Davon gehe Letztere im anwaltlichen Schreiben vom 27.10.2017 selbst aus. Aus den dort auf S. 3 aufgeführten Punkten ergebe sich, dass er vornehmlich im kaufmännischen leitenden Bereich tätig gewesen sei. Dem Abschluss des Vertrages im Jahr 2010 habe zugrunde gelegen, dass er zwar zunächst der nach Geschäftsgründung aufbauende Geschäftsführer für die Schuldnerin habe sein sollen. Es sei aber ursprünglich beabsichtigt gewesen, dass er nach kurzer Zeit als Geschäftsführer wieder ausscheide und lediglich die Position eines kaufmännischen Leiters übernehme. Gegenstand der Tätigkeit als kaufmännischer Leiter habe die betriebswirtschaftliche Betreuung der Gesellschaft und insbesondere die Übernahme von Vertriebstätigkeiten sein sollen. Dies, weil der Kläger - insoweit unstreitig - über sehr gute Kontakte zu den potentiellen Geschäftspartnern und ein großes Netzwerk verfügte. Aus diesem Grund sei bereits im Jahr 2010 noch während der Geschäftsführertätigkeit des Klägers ein Anstellungsverhältnis geschlossen worden, welches solange geruht habe, wie der Kläger noch Geschäftsführer gewesen sei. Dass es dann - auch insoweit unstreitig - nicht zeitnah zur Beendigung der Geschäftsführertätigkeit kam, sei für die Wirksamkeit des Vertrages unmaßgeblich. Nachdem der ursprüngliche Plan im Jahr 2016 dann doch noch umgesetzt worden sei, sei der Vertrag aus März 2010 wie von Anfang an beabsichtigt tatsächlich durchgeführt und gelebt worden. Die von der Schuldnerin vorgetragenen Kündigungsgründe bestreitet der Kläger und macht geltend, dass diese die Tätigkeit bei der Schuldnerin gar nicht beträfen, sondern z.B. die Tätigkeit bei der ... GmbH. Der Kläger hat erstinstanzlich die fehlende Anhörung des Betriebsrats vor Ausspruch der Kündigung gerügt.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers weder durch die außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten (Schuldnerin) vom 2.2.2018 beendet worden ist noch aufgrund der hilfsweise ordentlichen Kündigung enden wird, sondern weiter fortbesteht.

Die erstinstanzlich noch beklagte Schuldnerin hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat erstinstanzlich bestritten,

dass das als Arbeitsvertrag bezeichnete Schriftstück aus dem Jahr 2010 stamme. Es sei erst deutlich später aufgesetzt und von der klägerischen Partei zweifach gegengezeichnet. Ihr selbst sei es bis zur Vorlage im Prozess nicht bekannt gewesen. Im Jahr 2010 habe kein Anlass für einen solchen Vertragsschluss bestanden, die hierfür erforderliche Genehmigung einer Nebenbeschäftigung durch die ... GmbH liege nicht vor. Der Kläger wolle sich hiermit lediglich in eine bessere Beweisposition bringen. Er habe sich in einer unstreitig stattgefundenen Besprechung am 25.10.2017 auf Nachfrage mehrfach dahingehend geäußert, dass es einen schriftlichen Arbeitsvertrag nicht gebe. Ein Arbeitsverhältnis liege auch nicht vor. Der Kläger habe entgegen der Anmeldung beim Handelsregister faktisch weiter die Rolle eines Geschäftsführers bei der Beklagten ausgeübt. Durch die Bestellung zum Prokuristen habe sich der Kläger lediglich auf eigenen Wunsch formal der Organstellung eines Geschäftsführers und der damit verbundenen Haftung entzogen. Hintergrund der Berufung im Jahr 2016 sei ein Zerwürfnis mit dem damaligen weiteren Geschäftsführer der Schuldnerin gewesen. Auch die Tätigkeit des Prokuristen sollte mit der sonstigen Vergütung innerhalb der Unternehmensgruppe abgegolten sein. Bei der Einordnung des Vertragsverhältnisses sei zu berücksichtigen, dass der Kläger über Einzelprokura verfügte, während der ihm vermeintlich übergeordnete Geschäftsführer für die Gesellschaft nicht allein zeichnen durfte. Der Rückzug auf eine Prokuristenstelle sei innerhalb des Betriebes an die Belegschaft nicht transportiert worden. Der Kläger sei dort durchgehend als Chef aufgetreten und habe diesbezüglich auch keinen Widerspruch geduldet. Er habe allein entschieden, ob, wann, wie viel und wie lange er arbeitete und dabei im Betrieb der Schuldnerin nach eigenem Gutdünken frei und ungebunden gehandelt. Im Jahr 2016 sei keinerlei vertragliche Regelung über ein Dienstverhältnis zwischen den Parteien begründet worden. Die gleichwohl ausgesprochene Kündigung sei lediglich vorsorglich erfolgt. Soweit doch ein Anstellungsvertrag im Jahr 2010 zustande gekommen sein sollte, sei dieser gemäß § 117 BGB nichtig. Weder der Kläger noch die Schuldnerin haben insoweit Rechtswirkungen aus diesem Vertragsverhältnis ableiten wollen.

Die Kündigung gründe sich auf erhebliche Pflichtverstöße des Klägers in seinen verschiedenen Funktionen. Hinsichtlich der Ausführungen zu den Kündigungsgründen wird auf den diesbezüglichen Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen sowohl der Schuldnerin als auch des Beklagten Bezug genommen. Die 2-wöchige Kündigungserklärungsfrist sei eingehalten, weil hier auf die Kenntnisnahme der Gesellschafter in einer Gesellschafterversammlung abzustellen sei. Dies sei vorliegend am 26.1.2018 der Fall gewesen.

Das Arbeitsgericht hat mit dem angefochtenen Urteil den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen unter dem Gesichtspunkt eines sogenannten sic-non-Falles bejaht und die Klage abgewiesen. Es sei mangels Vortrag des insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Klägers insbesondere zur Weisungsgebundenheit nicht feststellbar, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen sei. Er mache dies für die Zeit vor seiner Bestellung als Geschäftsführer selbst nicht geltend. Für die Dauer seiner Geschäftsführertätigkeit stehe § 5 Abs. 1 Satz 3 AGG der Annahme eines Arbeitsverhältnisses entgegen. Im Jahr 2010 habe der Kläger als Geschäftsführer der Schuldnerin einen Arbeitsvertrag mit sich selbst wegen der Bestimmung in § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht wirksam schließen können, weil er nicht Geschäftsführer und zeitgleich abhängig Beschäftigter gewesen sein könne. Die Eigenschaft als Arbeitnehmer lasse sich mit der Organstellung nicht vereinbaren. Soweit der Kläger in der Zeit ab Oktober 2016 Dienstleistungen für die Schuldnerin erbracht habe, sei nicht erkennbar, dass er dies als Arbeitnehmer getan habe. Vortrag hinsichtlich Inhalt, Ort und Zeit seiner Arbeitserbringung sei nicht erfolgt. Vielmehr sei aufgrund der von ihm selbst gewählten Formulierung, wonach er sich ca. 4 Stunden am Tag in den Büroräumen aufgehalten habe, davon auszugehen, dass er sowohl den Zeitpunkt als auch die Dauer seiner Anwesenheit vor Ort selbst und frei bestimmte. Vorgaben hinsichtlich der Aufnahme der Arbeit und der Verweildauer oder gar eine Pflicht zur Nachweisführung hierüber mache er nicht geltend. Die Lohnzahlung im November 2017 habe der Kläger aufgrund eigener Entscheidung selbst an sich veranlasst. Er mache letztlich auch nicht geltend, welche Tätigkeiten ihm inhaltlich von der Schuldnerin übertragen worden seien. Soweit die Schuldnerin ihn mit anwaltlichem Schreiben vom 27.10.2017 aufgefordert habe, seine "arbeitsvertraglichen Verpflichtungen" zu erfüllen, sei die bloße Verwendung dieser Begriffe für die Feststellung des Vorliegens eines Arbeitsvertrages ebenso wenig ausreichend, wie die bloße Kennzeichnung eines Vertrages als Arbeitsvertrag eine Arbeitnehmerstellung begründen könne, wenn der Vertrag tatsächlich die Voraussetzung des § 611a Abs. 1 BGB nicht erfülle. Da die Entscheidung über den erhobenen Kündigungsschutzantrag nebst Schleppnetzantrag das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses voraussetze, sei dieser unbegründet und schon deswegen abzuweisen.

Gegen das dort am 05.07.2018 zugestellte Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt, welche am 02.08.2018 beim Sächsischen Landesarbeitsgericht eingegangen ist und mit Eingang am 04.10.2018 am letzten Tag der gemäß Antrag vom 05.09.2018 verlängerten Frist begründet wurde.

Der Kläger führt dazu aus,

er habe sehr wohl erstinstanzlich zu seiner Tätigkeit vorgetragen. Die Schuldnerin habe dies unzulässig nur pauschal bestritten. Das Arbeitsgericht habe mit Verfügung vom 12.04.2018 die Beklagte darauf hingewiesen, dass sie eine Arbeitnehmerstellung nicht substantiiert bestritten habe. Der Kläger habe aus diesem Hinweis geschlossen, dass das Gericht von einem substantiierten und schlüssigen klägerischen Vortrag zur Arbeitnehmerstellung ausgegangen sei. Dass es nun im Urteil den Vortrag des Klägers als unsubstantiiert ansehe, verletze ihn in seinem rechtlichen Gehör. Er sei seiner Darlegungslast zur Arbeitnehmerstellung nachgekommen. Zum Bestehen einer Weisungsgebundenheit/einer Arbeitnehmerstellung sei Beweis durch Zeugnis des Geschäftsführers ... angeboten worden. Dem sei das Gericht ohne Hinweis nicht nachgekommen. Es habe bei der rechtlichen Einordnung der unstreitig erbrachten Tätigkeiten zu Unrecht keine Gesamtschau aller Umstände vorgenommen. Insbesondere liege hier eine Weisungsgebundenheit vor. Abhängig davon, ob der schriftliche Vertrag wirksam zustande gekommen sei, habe es jedenfalls mindestens einen konkludenten privatrechtlichen Vertragsschluss gegeben, der eine Vergütungspflicht nach § 612 BGB nach sich ziehe. Der Geschäftsführer ... habe von den Gehaltszahlungen im 3. Quartal 2017 gewusst und diese ausdrücklich gewollt und gebilligt. Seit dem 1.10.2016 sei der Kläger den Weisungen dieses Geschäftsführers unterworfen gewesen. Dies sei auch so gelebt worden. Der Kläger sei weiterhin durch Herrn ... regelmäßig kontrolliert worden. Dazu habe der Kläger wöchentlich die Verkaufszahlen und monatliche BWA vorzulegen gehabt. Die Zahlen seien dann telefonisch und oder regelmäßig auch in Teamsitzungen ausgewertet worden. Dort habe sich der Kläger gegenüber Herrn ... unter anderem in Betreff seines Betriebserfolges verantworten müssen. Seine Tätigkeit sei im Vergleich zu vorher ab dem 1.10.2016 inhaltlich eingeschränkt worden wie folgt: Er habe keine Bewerbungsgespräche mehr führen dürfen und keine Einstellung/Entlassungen von Mitarbeitern vorgenommen. Den Ein- und Verkauf von Verbrauchsmaterialien habe er an den Mitarbeiter ... abgegeben. Die Verhandlungen bezüglich der Maschinenlieferanten habe er an Herrn ... übergeben/übergeben müssen. Bezüglich der zu vereinbarenden Preise, insbesondere der ...preise, sei er zur Rücksprache mit Herrn ... verpflichtet gewesen. Als Kerninhalt seiner Tätigkeit habe er ab dem 1.10.2016 die Buchhaltung unterstützt. Er habe die monatlichen BWA sowie den Jahresabschluss vorbereitet. Er sei Ansprechpartner der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer gewesen. Er habe im Auftrag und für die Geschäftsführung die Erstellung und Planung von Kostenbudgets übernommen. Er sei für das Controlling betriebswirtschaftlicher Zahlen sowie für die Zusammenstellung wöchentlicher Verkaufszahlen von Produkten zuständig gewesen. Ihm habe die Zuarbeit für die bestellte Unternehmensberatung sowie die "Durchführung des Betriebes" oblegen. Hier habe er insbesondere die Geschäftsverbindung zum deutschen Einzelhandel übernommen. Er habe auch Neugeschäft zu akquirieren gehabt. Für den Umfang und Erfolg seiner Tätigkeit habe er regelmäßig Bericht erstatten und sich gegenüber Herrn ... verantworten müssen, welche Kunden er angefahren habe und wie erfolgreich dies gewesen sei. Zutreffend sei allerdings, dass er hinsichtlich der Gestaltung seiner Arbeitszeiten frei gewesen sei. Dies, weil er daran gebunden gewesen sei, wann die Vertriebspartner für ihn Zeit hatten. Bezüglich der Frage, wann er arbeite, habe er sich nicht rechtfertigen müssen, wohl aber bezüglich der Tatsache, dass er seine Tätigkeit erbracht habe. Auch für den Erfolg habe er sich verantworten müssen. Zu berücksichtigen sei auch, dass er ab dem 1.10.2016 kein Unternehmerrisiko mehr getragen habe sowie, dass er nicht frei war zu beurteilen, ob er seine Tätigkeiten erbringe. Bezüglich unternehmerischer Entscheidungen sei er weisungsgebunden gewesen bzw. habe er solche unternehmerischen Entscheidungen im Ergebnis überhaupt nicht getroffen. Verträge mit Kunden und/oder Lieferanten habe er nicht final ausgehandelt. Die von der Schuldnerin zur Begründung der Kündigung vorgebrachten Pflichtverletzungen bestreitet der Kläger auch zweitinstanzlich.

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch das Amtsgericht ... hat der vormalige Vorsitzende der 5. Kammer des Sächsischen Landesarbeitsgerichts als damals zuständiger Richter mit Beschluss vom 12.9.2019 darauf hingewiesen, dass das Verfahren wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochen ist, bis es nach den für die Insolvenz geltenden Vorschriften wieder aufgenommen wird. Mit Schriftsatz vom 15.6.2020 beantragte der Kläger, den unterbrochenen Rechtsstreit gemäß § 86 Abs. 1 Ziff. 3 InsO aufzunehmen. Der Beklagte teilte daraufhin mit Schriftsatz vom 14.7.2020 mit, dass aufgrund des zeitgleich mit der Insolvenzeröffnung erfolgten Betriebsüberganges Masseverbindlichkeiten gerade nicht gegeben seien, sodass nach seiner Ansicht eine Aufnahme des Rechtsstreits nach § 86 InsO ausscheide. Nach aufgrund Änderung der Geschäftsverteilung erfolgtem Übergang des Verfahrens auf die hiesige 2. Kammer hat diese mit Zwischenurteil vom 27.8.2021 rechtskräftig entschieden, dass das Verfahren weiterhin unterbrochen sei. Auf die Urteilsbegründung (Bl. 646 ff d.A.) wird Bezug genommen. Mit Schriftsatz vom 10.8.2022 beantragte der Kläger die Aufnahme des Verfahrens gegen die Schuldnerin, welche sich inzwischen in Liquidation befindet. Auch diesem Antrag ist der Beklagten entgegengetreten. Auf die Ausführungen im Schriftsatz vom 16.9.2022 (Bl. 692 ff d.A.) wird Bezug genommen. Mit Hinweisbeschluss der nunmehr befassten Vorsitzenden der 2. Kammer vom 17.1.2023 wurde die Rechtslage bezüglich einer Wiederaufnahme ausführlich dargestellt. Auf den Inhalt des Hinweisbeschlusses wird Bezug genommen (Bl. 711 ff. d.A.). Den Hinweisen folgend beantragte der Kläger mit Schriftsatz vom 2.3.2023 die Aufnahme des Verfahrens gegen den Beklagten und lediglich hilfsweise gegen die Schuldnerin. Zugleich erweiterte er die Klage um einen Forderungsfeststellungsantrag (Feststellung zur Tabelle). Hierzu trägt er vor, dass er am 1.10.2019 Ansprüche i.H.v. insgesamt 72.000,00 € zur Insolvenztabelle angemeldet habe, nämlich für 18 Monate vom 1.1.2018 bis 30.6.2019 das monatliche Gehalt i.H.v. 4.000,00 €. Diesen Anspruch macht der Kläger teilweise geltend, weil die Parteien in einem weiteren erstinstanzlichen Verfahren (Az. 11 Ca 1103/18 des Arbeitsgerichts Chemnitz) über die Wirksamkeit einer Kündigungserklärung vom 5.6.2018 streiten. Der hier geltend gemachte Teil umfasst den Zeitraum vom 1.1. bis 6.6.2018. Der Beklagte ist weder der nunmehr beantragten Aufnahme des Verfahrens noch der Klageerweiterung entgegengetreten.

Der Kläger beantragt zweitinstanzlich zuletzt,

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 21.6.2018 abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers weder durch die außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten (Schuldnerin) vom 2.2.2018 beendet worden ist, noch aufgrund der hilfsweise ordentlichen Kündigung enden wird, sondern weiter fortbesteht.

2. die Forderung des Klägers in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der ... GmbH, Az. des AG Chemnitz: 422 IN 1280/19, wird zur Insolvenztabelle unter laufender Tabellen-Nr. 86 (Rangklasse § 38 InsO) in Höhe eines Teilbetrages von € 20.800 festgestellt.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hat sich den Ausführungen des Erstgerichts im Urteil angeschlossen und Letzteres verteidigt. Dabei hat er sich das Vorbringen der Schuldnerin zu eigen gemacht. Diese hatte mit der Berufungserwiderung ergänzend geltend gemacht, dass ein konkludenter Vertrag mit ihr nicht geschlossen worden sei. Ein entsprechender Vertragsschluss mit einem vom Kläger vorgetragenen Vergütung i.H.v. 4.000,00 € sei zu keinem Zeitpunkt, auch nicht bei Erteilung der Einzelprokura, beabsichtigt gewesen und mit dem Kläger auch nie kommuniziert worden. Entgegen der Ansicht des Klägers habe die Schuldnerin erstinstanzlich den Vortrag des Klägers zur Weisungsgebundenheit auch substantiiert bestritten und vorgetragen, dass er nach seiner Abberufung als Geschäftsführer im Betrieb weiterhin als solcher aufgetreten sei. Letzteres ergebe sich beispielsweise aus der E-Mail des Klägers vom 01.11.2017 (Anlage K5, Bl. 59 d.A.). Auf deren Inhalt wird Bezug genommen. Die vom Kläger geltend gemachte Gehörsverletzung liege nicht vor, das Erstgericht habe bereits im Gütetermin am 7.3.2018 den Hinweis an den Kläger erteilt, dass er aufgrund der Beweislast zur Tätigkeit als Prokurist weitergehend vorzutragen habe. Der nun zweitinstanzlich erfolgte Vortrag zur Arbeitstätigkeit sei verspätet, nach wie vor pauschal und werde bestritten. Wegen der Einzelheiten des Bestreitens sowie wegen der weiteren Ausführungen der Schuldnerin zu den Kündigungsgründen im Schriftsatz vom 3.12.2018 wird auf diesen (dort ab S. 5, Bl. 258 ff d.A.) sowie auch auf den Schriftsatz vom 22.7.2019 (Bl. 510 ff. d.A.) jeweils nebst Anlagen Bezug genommen. Die Klageerweiterung sei unbegründet, da ein Arbeitsverhältnis nicht bestanden habe und somit auch kein Anspruch auf die Gehaltszahlung bestehe.

Mit Schriftsatz vom 21.7.2023 trägt der Kläger weiter zur Sache vor und macht neben rechtlichen Ausführungen geltend, der Geschäftsführeranstellungsvertrag mit der ... GmbH enthalte bereits in der Präambel den Hinweis, dass das Dienstverhältnis zur Regelung (nur) dieser Geschäftsführertätigkeit abgeschlossen werde. Der Vergütungsregelung in § 4 lasse sich nicht entnehmen, dass hierdurch die Tätigkeit für andere Gesellschaften abgegolten gewesen sein sollte. Der Kläger bestreitet letzteres im Prozessverlauf nun zum ersten Mal. Der Kläger meint, die Schuldnerin habe selbst vorgetragen, dass bis Juni 2016 sozialversicherungspflichtige Vergütungsleistungen von ihr an den Kläger gewährt worden seien. Im Rahmen der Leistungsfähigkeit der Schuldnerin seien Zahlungen aufgenommen worden, wenngleich noch nicht in Höhe des vollen Gehalts. Diese Zahlungen seien später aufgrund im Geschäftsbetrieb eingetretener Verluste wieder eingestellt worden. Der Kläger habe gemeinsam mit dem neuen Geschäftsführer Herrn ... den im Jahr 2010 von ihm allein unterzeichneten Arbeitsvertrag nochmals neu gefasst. Er legt hierzu die Kopie eines Schriftstücks als Anlage BK 4 vor (Bl. 757 ff. d.A.). Auf den Inhalt der Kopie wird Bezug genommen. Die Kopie weist als Datum für die Unterschrift den 18.8. bzw. 19.8.2016 aus. Auf den Inhalt des Schriftsatzes nebst Anlagen wird ergänzend Bezug genommen (Bl. 740 ff d.A.).

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird Bezug genommen auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung am 31.07.2023.

Entscheidungsgründe

Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte und gemäß den §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i. V. m. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegte und begründete, damit zulässige Berufung hat - soweit nach Trennung und Verweisung hier noch über den Antrag zu 1. zu entscheiden war - in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die zulässige Klage zu Recht abgewiesen, denn sie ist unbegründet.

1.

Das Verfahren ist mit der Klageerweiterung vom Kläger wirksam gegen den Beklagten als Insolvenzverwalter aufgenommen.

Die Aufnahme des Rechtsstreits nach § 86 Abs. 1 Nr. 3 InsO scheidet hier aus, weil durch die nur eine Minute nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgte Veräußerung des Betriebes der Schuldnerin das Arbeitsverhältnis nicht mehr zu dieser besteht. Unstreitig hat der Kläger dem Übergang auf den Erwerber nicht widersprochen. Es stehen daher trotz des möglichen Fortbestands des Arbeitsverhältnisses keine Masseverbindlichkeiten in Rede, vielmehr beschränken sich die möglichen Forderungen auf Insolvenzforderungen. Es gilt daher § 87 InsO. Der Kläger kann seine möglicherweise aus dem behaupteten Arbeitsverhältnis folgenden Vergütungsansprüche nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen. Er hat unstreitig eine Feststellung zur Tabelle auch beantragt. Nachdem ebenfalls unstreitig der Forderungsanmeldung nicht nachgekommen wurde, ist gemäß §§ 179 Abs. 1, 180 InsO der Weg zur Klage auf Feststellung zur Tabelle eröffnet. Ein über die Forderung rechtshängiger Streit ist aufzunehmen, § 180 Abs. 2 InsO. Die Aufnahme setzt voraus, dass die zur Tabelle angemeldete Forderung mit der Forderung, die in dem anhängigen Rechtsstreit geltend gemacht wurde, identisch ist (BGH 27.9.2001 - IX ZR 71/00, WM 2001, 2180; K/P/B/Pape/Schaltke § 180 Rn 11; BerlKo-Breutigam § 180 Rn 8; zu Einzelheiten s.u. § 181 Rn 3 ff, 13; zitiert nach Uhlenbruck/Sinz, 15. Aufl. 2019, InsO § 180 Rn. 26; beck online).

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 23.06.1988 (IX ZR 172/87, AP KO § 146 Nr. 4, beck-online) zur vergleichbaren Rechtslage nach der Konkursordnung im Zusammenhang mit der Frage anderweitiger Rechtshängigkeit wie folgt entschieden:

"War zwischen dem späteren Gemeinschuldner und einem Gläubiger beim Arbeitsgericht ein Rechtsstreit auf Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses rechtshängig, der durch die Konkurseröffnung unterbrochen worden ist, so muß nicht dieses Verfahren unter Änderung des Antrags aufgenommen werden, wenn der Gläubiger zeitlich befristete Lohnansprüche zur Tabelle angemeldet und der Verwalter diese Forderung bestritten hat; denn der Streitgegenstand der Feststellungsklage einer Lohnforderung zur Tabelle ist nicht mit demjenigen der Klage auf Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses identisch (Abgrenzung zu RAG, JW 1933, 1551)."

Dem ist zuzustimmen, u.a. auch deshalb, weil grundsätzlich mit der Aufnahme des Rechtsstreits durch den Gläubiger der Klageantrag auf Feststellung der angemeldeten Forderung zur Insolvenztabelle umzustellen ist (K. Schmidt InsO/Jungmann, 20. Aufl. 2023, InsO § 180 Rn. 20 unter Hinweis auf BGH LM § 146 KO Nr. 4). Im Kündigungsrechtsstreit würde eine solche Umstellung aber dazu führen, dass die ursprünglich rechtzeitig im Klageweg erfolgte Geltendmachung der Unwirksamkeit der Kündigung ihre Wirkung verlieren würde, mit der weiteren Folge, dass die Kündigung nach §§ 4, 7 KSchG, ggfls. auch § 13 KSchG, materiell-rechtlich als wirksam anzusehen wäre. Dass dies nicht richtig sein kann, liegt auf der Hand.

Unter diesem Gesichtspunkt ist die Formulierung in der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 25.05.2022 (Az. 6 AZR 224/21; juris Rn. 22) mit Vorsicht zu betrachten. Es heißt dort:

"Handelt es sich dagegen um eine Insolvenzforderung, kann der Insolvenzgläubiger den Rechtsstreit gemäß §§ 87, 174 ff InsO erst aufnehmen, wenn die Forderung wirksam zur Tabelle angemeldet, geprüft und bestritten worden ist, also das insolvenzrechtliche Feststellungsverfahren durchgeführt worden ist. Im wirksam aufgenommenen Rechtsstreit kann er dann nur noch das Ziel verfolgen, die Forderung zur Tabelle festzustellen (BAG 15. Mai 2013 - 5 AZR 252/12 (A) - Rn. 10 f; BGH 25. Juni 2020 - IX ZR 47/19 Rn. 10 f.; 3. Juli 2014 IX ZR 261/12 Rn.9)."

Nach Verständnis der hier befassten Kammer wollte das Bundesarbeitsgericht damit nicht zum Ausdruck bringen, dass der Kündigungsschutzantrag in einen Forderungsfeststellungsantrag umgestellt werden müsse. Das ergibt sich insbesondere nicht aus der vom Bundesarbeitsgericht selbst dort zitierten Entscheidung vom 15. Mai 2013, denn diese beinhaltet schon keinen Kündigungs- sondern einen Zahlungsstreit. Gleiches gilt für die vom Bundesarbeitsgericht zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (25.06.2020: Zahlung aus dem Verkauf von Solarmodulen, 03.07.2014: Erstattung von Kaufpreisraten). Das Bundesarbeitsgericht hat somit lediglich für einen von vorneherein auf Zahlung gerichteten, dann unterbrochenen Rechtsstreit klargestellt, dass der Antrag von Zahlung auf Feststellung zur Tabelle umzustellen ist.

Entsprechende Vorsicht gilt für die Kommentierung in MüKoInsO/Schumacher (4. Aufl. 2019, InsO § 180 Rn. 17). Sie lautet wie folgt:

"Hat ein Arbeitnehmer vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers die Feststellung des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses beantragt und meldet er nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Entgeltforderung zur Tabelle an, die der Verwalter bestreitet, so kann der Gläubiger den anhängigen Prozess mit dem Antrag aufnehmen, die bestrittene Entgeltforderung zur Tabelle festzustellen, oder aber selbständige Klage gemäß Abs. 1 erheben."

Die Passage "kann ... mit dem Antrag aufnehmen ..." ist nach hier vertretener Ansicht nicht dahin zu verstehen, dass der ursprüngliche Kündigungsschutzantrag zu ändern wäre. Das ergibt sich aus der weiteren Formulierung, wonach auch selbständig Klage gemäß Absatz 1 erhoben werden könne. Es wird also die zutreffende Ansicht vertreten, dass die Kündigungsschutzklage und die Klage nach §§ 179, 180 InsO auf Forderungsfeststellung nebeneinander bestehen können. In diese Ansicht fügt sich die Auffassung von K. Schmidt (InsO/Jungmann, 20. Aufl. 2023, InsO § 180 Rn. 18 unter Hinweis auf OLG Brandenburg NZI 2010, 684, 685 f. [OLG Brandenburg 10.06.2010 - 12 U 198/09] ), nach der es genügt, dass die für die Aufnahme erforderliche Identität zwischen der angemeldeten Forderung und der im unterbrochenen Rechtsstreit verfolgten durch simultane Aufnahme und Klageänderung (hier im Sinne der Klageerweiterung) herbeigeführt wird.

Es geht also nicht darum, "statt" des Kündigungsschutzverfahrens das Feststellungsverfahren gemäß § 180 InsO zu betreiben, sondern es geht um ein "auch". Wie ausgeführt, betrifft der Kündigungsrechtsstreit gerade wegen der daraus möglicherweise folgenden Vergütungsansprüche mittelbar die Insolvenzmasse. Nur dies führt überhaupt zur Unterbrechung. Die bestrittenen Insolvenzforderungen hängen damit (jedenfalls auch) vom Ausgang dieses Streits ab. Er kann somit entweder in direkter Anwendung des § 180 Abs. 2 InsO aufgenommen werden oder jedenfalls in analoger. Eine gesonderte Möglichkeit zur Aufnahme des Kündigungsrechtsstreits ist in Fällen, in denen lediglich Insolvenzforderungen bestehen, gesetzlich nicht geregelt. Es besteht somit eine unbewusste Regelungslücke (für gesetzgeberische Absicht ist nichts ersichtlich) bei bestehendem Regelungsbedarf, was den Weg für eine Analogie öffnet.

Die hilfsweise geltend gemachte Aufnahme gegen die Schuldnerin fällt daher nicht zur Entscheidung an.

2.

Die in zweiter Instanz vorgenommene Klageerweiterung ist zulässig. Der Beklagte hat jedenfalls gemäß §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 533 Nr. 1 Alt. 1, 525, 263, 267 ZPO im Wege der rügelosen Einlassung eingewilligt. Die Frage der Sachdienlichkeit wurde vor dem Hintergrund des insoweit nicht eröffneten Rechtswegs im Termin der mündlichen Berufungsverhandlung kurz erörtert. Der Beklagte hat sich dahin eingelassen, dass die Klageerweiterung auch von dort als sachdienlich angesehen werde. Ob die Erweiterung hier trotz fehlender Rechtswegzuständigkeit tatsächlich als sachdienlich angesehen werden kann, bedarf daher keiner Entscheidung.

Die Zulässigkeit der Klageerweiterung scheitert auch nicht an §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 533 Nr. 2 ZPO. Die Feststellung der Entgeltforderungen zur Tabelle hängt ausschließlich von der Frage des Bestehens eines Vertragsverhältnisses zu den vom Kläger behaupteten Konstellationen ab und stützt sich somit auf dieselben Tatsachen, die der Verhandlung und Entscheidung ohnehin zugrunde zu legen sind.

3.

Für die mit der Erweiterung geltend gemachte Feststellung zur Insolvenztabelle ist aber der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht eröffnet, so dass das Verfahren mit Beschluss vom 31.07.2023 getrennt und der Antrag zu 2. an das Landgericht verwiesen wurde. Auf die Begründung des Beschlusses wird ergänzend Bezug genommen.

A.

Die Klage ist mit Blick auf den allgemeinen Feststellungsantrag nicht bereits unzulässig. Er richtet sich auf die Feststellung, dass im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ein Arbeitsverhältnis mit der Schuldnerin fortbesteht. Das nach § 254 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse erwächst hier aus dem unstreitigen Betriebsübergang (dem der Kläger allerdings unstreitig nicht entgegengetreten ist, siehe dazu noch unten).

Damit sind insgesamt keine Gründe erkennbar (und auch nicht geltend gemacht), die zur Unzulässigkeit der Klage führen könnten.

B.

Die Klage ist aber unbegründet, denn es kann nicht festgestellt werden, dass zwischen dem Kläger und der Schuldnerin ein Arbeitsverhältnis begründet wurde. Für den allgemeinen Feststellungsantrag sind aufgrund des Betriebsübergangs weder der jetzt Beklagte noch die Schuldnerin passivlegitimiert.

I.

Auf Grundlage des Vortrags des Klägers kann ein Vertragsverhältnis zur Schuldnerin, welches als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren wäre, nicht bejaht werden. Die Frage, ob überhaupt ein Dienstleistungsvertrag zwischen ihr und dem Kläger zustande gekommen ist, bedarf hier keiner Entscheidung.

1.

Gemäß § 611a Abs. 1 BGB ist Arbeitnehmer, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Dementsprechend ist ein Arbeitsverhältnis anzunehmen, wenn die Leistung von Diensten nach Weisung des Dienstberechtigten und gegen Zahlung von Entgelt Schwerpunkt des Rechtsverhältnisses ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist daher derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (BAG, Urteil vom 18. März 2014, Az. 9 AZR 694/12, juris; BAG Urteil vom 20. Mai 2009 - 5 AZR 31/08, AP Nr. 16 zu § 611 BGB Arbeitnehmerähnlichkeit = EzA § 611 BGB 2002 Arbeitnehmerbegriff Nr. 15a, m.w.N.). Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls in Betracht zu ziehen und in ihrer Gesamtheit zu würdigen. Der jeweilige Vertragstyp ergibt sich aus dem wirklichen Geschäftsinhalt (vgl. BAG 22. August 2001 - 5 AZR 502/99 - AP Nr. 109 zu § 611 BGB Anhängigkeit = EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 86; BAG 12. September 1996 - 5 AZR 1066/94 - BAGE 84, 108). Der objektive Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrags zu entnehmen. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist Letztere maßgebend (BAG 20. Mai 2009 - 5 AZR 31/08, a.a.O., m.w.N.). Denn durch eine Parteivereinbarung kann der Geltungsbereich der zwingenden Arbeitnehmerschutzbestimmungen nicht eingeschränkt werden, so dass die Wünsche und Vorstellungen der Parteien für die Beurteilung der Rechtsnatur eines Vertragsverhältnisses unbeachtlich sind, sofern dadurch der zwingende Charakter des Arbeitnehmerschutzrechts umgangen werden könnte. Die objektiven Umstände der Vertragsdurchführung sind demnach nur dann für die Beurteilung der Rechtsnatur eines Vertragsverhältnisses maßgeblich, wenn nach dem Willen oder Vorstellungen der Parteien kein Arbeitsverhältnis begründet werden sollte. Soll dagegen nach dem Willen oder Vorstellungen der Parteien das Vertragsverhältnis ein Arbeitsverhältnis sein, so ist es jedenfalls regelmäßig auch als ein solches einzuordnen mit der Folge, dass für Streitigkeiten daraus der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten zulässig ist (vgl. BAG, Beschluss vom 08. September 2015, Az. 9 AZB 21/15, a.a.O.; Urteil vom 18.03.2014 a.a.O.; Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen), Beschluss vom 07. Juni 2016 - 2 Ta 492/15, juris).

Der Geschäftsführer einer GmbH wird für diese in aller Regel auf der Grundlage eines freien Dienstvertrages tätig. Ein Arbeitsverhältnis setzt in diesen Fällen voraus, dass die Gesellschaft eine über ihr gesellschaftsrechtliches Weisungsrecht hinausgehende Weisungsbefugnis auch bezüglich der Umstände hat, unter denen der Geschäftsführer seine Leistung zu erbringen hat und die konkreten Modalitäten der Leistungserbringung durch arbeitsbegleitende und verfahrensorientierte Weisungen bestimmen kann (vgl. BAG Beschluss vom 21.01.2019 - Az. 9 AZB 23/18, a.a.O.). Das Bundesarbeitsgericht geht in der eben genannten Entscheidung davon aus, dass eine Weisungsgebundenheit des GmbH-Geschäftsführers, die so stark ist, dass sie darüber hinaus auf einen Status als Arbeitnehmer schließen lässt, allenfalls in extremen Ausnahmefällen in Betracht kommen kann.

2.

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der darlegungs- und beweisbelastete Kläger auch zweitinstanzlich nicht ausreichend dargelegt, dass er Arbeitnehmer der Schuldnerin war. Der Kläger macht hier zu Unrecht geltend, das Arbeitsgericht habe ihn in seinem rechtlichen Gehör verletzt. Die Verfügung vom 12.04.2018 enthält den von ihm bemühten Hinweis, die Beklagte habe eine Arbeitnehmerstellung nicht substantiiert bestritten, nicht. Vielmehr wurde dort mitgeteilt, dass das Arbeitsgericht (bis auf weiteres) davon ausgehe, die Arbeitnehmereigenschaft werde für die Zeit ab Abberufung als Geschäftsführer nicht mehr bestritten. Dabei handelt es sich um eine Vermutung des Arbeitsgerichts, welcher die Schuldnerin mit Schriftsatz vom 18.05.2018 sofort entgegengetreten ist. Jedenfalls hat das Arbeitsgericht im Urteil auf die fehlenden Darlegungen insbesondere zu einer Weisungsgebundenheit hingewiesen (Seite 12 oben). Aus seiner Sicht konsequent war der vom Kläger benannte Zeuge ... nicht zu hören, weil dies eine unzulässige Ausforschung dargestellt hätte. Daran hat sich zweitinstanzlich nichts geändert, denn es fehlt nach wie vor jeglicher konkrete Vortrag zu erteilten Weisungen.

Dabei kann aus den nachstehenden Gründen zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass die "Arbeitsverträge" in 2010 und 2016 so geschlossen wurden, wie von ihm behauptet.

2.1.

Entgegen der Ansicht des Klägers ergibt sich aus den im anwaltlichen Schreiben vom 27.10.2017 (Anlage K4, Bl. 56 d.A.) verwendeten Formulierungen nicht, dass die Schuldnerin selbst davon ausgegangen sei, ein Arbeitsverhältnis vereinbart zu haben.

Eine Gesamtbetrachtung der vorhandenen Begriffe macht vielmehr deutlich, dass beide Parteien diese Begrifflichkeiten undifferenziert und nicht immer im juristischen Sinn verwenden. Das beginnt damit, dass der Kläger selbst nicht etwa sein Arbeitsverhältnis als "Leiter des kaufmännischen Bereichs" kündigt, sondern die Tätigkeit als "Prokurist" (siehe die Betreffzeile der klägerischen E-Mail, wie sie im anwaltlichen Schreiben auf Seite 1 zitiert ist). Er richtet diese Kündigung auch nicht an die Schuldnerin als seine Arbeitgeberin, sondern an drei als E-Mail-Empfänger genannte natürliche Personen, die ausweislich der vorgelegten Handelsregisterauszüge für die Schuldnerin sämtlich nicht vertretungsberechtigt waren. Bei der unter "Cc" aufgeführten ... GmbH handelt es sich ebenfalls nicht um die Schuldnerin als (vermeintliche) Arbeitgeberin. Auch die Formulierungen der Gegenseite im genannten Schreiben lassen nicht im vom Kläger bemühten Sinn erkennen, dass dort von einem Arbeitsverhältnis ausgegangen wurde. Ausdrücklich wird dort nämlich auf ein "nach Ihren Angaben ohne schriftlichen aber doch faktisch abgeschlossenen" Arbeitsvertrag abgestellt. Daraus wird klar, dass die Schuldnerin selbst sich hier ausschließlich auf die Angaben des Klägers bezogen hat und der Hinweis auf die Schriftform vorsorglich erfolgt für den Fall, dass tatsächlich ein Arbeitsverhältnis bestehe.

Es kann auch dem Kündigungsschreiben nicht mit hinreichender Deutlichkeit entnommen werden, dass die Schuldnerin selbst von einem Arbeitsverhältnis ausging. Denn dort wird der Begriff "Anstellungsverhältnis" verwendet, der sowohl ein Arbeitsverhältnis als auch einen freien Dienstvertrag beinhalten kann.

2.2.

Zu der Frage, ob schon seine Tätigkeit für die Schuldnerin als Geschäftsführer auf Grundlage des in Kopie vorgelegten "Arbeitsvertrages" von 2010 in der Form eines Arbeitsverhältnisses erbracht wurde, trägt der Kläger widersprüchlich vor. Unstreitig hat er die Tätigkeit als Geschäftsführer für die Schuldnerin Mitte 2009 (Handelsregistereintrag am 22.07.2009) aufgenommen. Er erklärt dazu schriftsätzlich, die Gründung der Schuldnerin sei durch ihn selbst im Auftrag von Herrn ... erfolgt. Er habe zunächst aufbauender Geschäftsführer sein sollen, aber möglichst nur für kurze Zeit. Dann habe er als Geschäftsführer ausscheiden und als kaufmännischer Leiter tätig werden sollen. Dies sei so nicht eingetreten, es sei aber noch während der Geschäftsführertätigkeit im Jahr 2010 ein "Anstellungsverhältnis" geschlossen worden (dazu die Anlage K2), welches solange geruht habe, wie der Kläger noch Geschäftsführer war (vgl. die Ausführungen im klägerischen Schriftsatz vom 03.05.2018, dort Seite 6). Der Sache nach macht der Kläger hier also geltend, er sei - auf welcher mit wem geschlossenen vertraglichen Grundlage auch immer - als Geschäftsführer nicht auf der Grundlage des Vertrags von 2010 tätig gewesen, weil dieser Vertrag geruht hat und also nicht durchgeführt wurde. Im Widerspruch dazu hat der Kläger persönlich im Termin der mündlichen Berufungsverhandlung erklärt, er habe insgesamt für die Schuldnerin die in den vorgelegten Vertragskopien angegebenen 10 Stunden wöchentlich etwa gearbeitet und Tätigkeiten eines kaufmännischen Leiters ausgeführt. Er weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass ab 2012 oder 2013 ein zweiter Geschäftsführer eingesetzt gewesen sei, weil die Leitung der Gesellschaft mit nur 10 Stunden in der Woche gar nicht möglich gewesen sei. Der Kläger macht also nun der Sache nach geltend, der - zuvor als ruhend angegebene Vertrag - sei doch bereits zu Zeiten seiner Bestellung als Geschäftsführer jedenfalls ab 2012/2013 gelebt worden. Dies verstärkt er mit der nach einer Verfahrensdauer von rund 5 Jahren erstmals vorgebrachten unsubstantiierten Behauptung, es seien von der Schuldnerin auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages Zahlungen an ihn geflossen. Zur "Bestätigung" dieses Arbeitsverhältnisses aus 2010 sei 2016 der Vertrag nochmals unterschrieben worden. Die hierzu vorgelegte Kopie sieht den Beginn eines Arbeitsverhältnisses zum 01.10.2016 vor. Wollte man der Argumentation des Klägers folgen, schon der Vertrag von 2010 habe ein Arbeitsverhältnis begründet, wäre die Aufnahme dieses Datums nicht nachvollziehbar. Auch hiermit ist vielmehr zum Ausdruck gebracht, dass die beteiligten Personen gerade nicht davon ausgingen, dass die Geschäftsführertätigkeit seit 2010 im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses zur Schuldnerin erbracht wurde. Bei Betrachtung des gesamten Vortrags kann die Kammer trotz der vorgelegten Vertragskopie nicht feststellen, dass der Kläger seine Dienstleistungen für die Schuldnerin während der Zeit seiner Bestellung als Geschäftsführer überhaupt auf der Grundlage eines Vertrags mit der Schuldnerin, schon gar nicht eines Arbeitsvertrages, erbracht hat. Der Kläger hat für den Zeitraum seiner Geschäftsführertätigkeit nicht einmal behauptet, dass er arbeitsrechtlichen Weisungen unterlegen wäre. Er geht - obwohl zuletzt auch auf den "Arbeitsvertrag" aus 2010 gestützt - vielmehr selbst davon aus, dass jedenfalls während der Geschäftsführertätigkeit keine Weisungsabhängigkeit bestand und behauptet, dass diese (erst) nach Abberufung gegeben gewesen sei. Die Kammer muss daher davon ausgehen, dass die Geschäftsführertätigkeit auf einem im Jahr 2009 - mit wem auch immer geschlossenen - freien Dienstvertrag beruhte.

2.3.

Vor dem Hintergrund, dass ein freies Dienstverhältnis bestand, sind für die Feststellung eines daneben oder danach begründeten Arbeitsverhältnisses Tatsachen erforderlich, die eine Abgrenzung (falls daneben) oder eine entsprechende Änderung (falls danach) deutlich erkennen lassen.

2.3.1.

Für die Zeit der Bestellung des Klägers als Geschäftsführer ist klarzustellen, dass es entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts grundsätzlich möglich ist, neben einem freien (Teilzeit-)Dienstverhältnis auch ein (Teilzeit-)Arbeitsverhältnis zu begründen. Es können zwischen der Person des Geschäftsführers und der Gesellschaft zwei Rechtsverhältnisse bestehen, von denen eines ein dienstlich abgrenzbares Arbeitsverhältnis ist (MAH ArbR, § 6 Der Arbeitnehmerbegriff: Abgrenzungsmerkmale Rn. 86, beck-online; zur Verdeutlichung dient das dort genannte Beispiel: ein Geschäftsführer ist aufgrund eines freien Dienstvertrags bei einer Baugesellschaft beschäftigt und zugleich bei dieser aufgrund eines Arbeitsvertrags als Architekt angestellt. Dabei hat er jeweils völlig unterschiedliche Tätigkeiten auszuführen, diejenigen als Geschäftsführer weisungsfrei, diejenigen als Architekt weisungsgebunden). Der Kläger macht aber - jedenfalls zuletzt - nicht (mehr) geltend, dass während seiner Zeit als Geschäftsführer neben einem dafür bestehenden Dienstverhältnis ein Arbeitsverhältnis bestanden habe. Vielmehr hat er sich in der mündlichen Berufungsverhandlung dahingehend eingelassen, dass die Geschäftsführertätigkeit auf Grundlage des Vertrages aus 2010 erfolgt sei (im Wesentlich die vereinbarten 10 Stunden erbracht, Entgelt jedenfalls teilweise ausgezahlt) und nicht etwa aufgrund des zur weiteren Gesellschaft der Unternehmensgruppe bestehenden Geschäftsführer-Anstellungsvertrags. Darüber hinaus fehlt es auch an einer klaren Abgrenzbarkeit der Tätigkeiten, da diejenigen als "Leiter des kaufmännischen Bereichs" sich mit den Tätigkeiten als Geschäftsführer mindestens überschneiden. Der Kläger hat hier zu einer möglichen Abgrenzung nichts vorgetragen. Die Kammer kann daher nicht davon ausgehen, dass der Kläger neben dem freien Dienstverhältnis als Geschäftsführer in einem Arbeitsverhältnis zur Schuldnerin stand.

2.3.2.

Aber auch für die Zeit nach der Bestellung als Geschäftsführer lässt sich ein Arbeitsverhältnis nicht feststellen. Das freie Dienstverhältnis ist in seinem Bestand unabhängig von der formalen Organstellung und endet also nicht automatisch mit der Abberufung als Geschäftsführer (ErfK/Preis, 23. Aufl. 2023, § 611a BGB Rn. 96). Wird es weiterhin gelebt, d.h. wird insbesondere weisungsfreie Tätigkeit ohne persönliche Abhängigkeit erbracht, entsteht weder konkludent ein Arbeitsverhältnis noch kann ein schriftlich als solcher bezeichneter "Arbeitsvertrag" ohne Weiteres eines begründen. Diese Besonderheit ist hier zu berücksichtigen. Dem Kläger kann in seiner Argumentation nicht gefolgt werden, wonach schon die von ihm behaupteten schriftlichen "Arbeitsverträge" zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses führen, allein deswegen, weil sie so bezeichnet sind und für Arbeitsverhältnisse übliche Regelungen enthalten. Im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts führt dies - wenn auch "regelmäßig" - hier aufgrund der Umstände des Einzelfalls ausnahmsweise nicht zur Annahme eines Arbeitsverhältnisses.

Die Vorsitzende hatte in diesem Zusammenhang in der mündlichen Berufungsverhandlung auf den Rechtsgrundsatz "falsa demonstratio non nocet" hingewiesen. Nach diesem Grundsatz gilt das von den Parteien übereinstimmend Gewollte, auch wenn sie dafür eine falsche Bezeichnung verwenden (BAG, Urteil vom 28. April 2021 - 7 AZR 212/20 -, Rn. 24, juris unter Hinweis auf die grundlegende Entscheidung des RG vom 8. Juni 1920 - II 549/19 - RGZ 99, 147 - [Haakjöringsköd]; siehe auch BAG 22. Oktober 1969 - 3 AZR 53/69 - zu I 2 a der Gründe, BAGE 22, 169). Das übereinstimmend Gewollte hat den Vorrang vor einer irrtümlichen oder absichtlichen Falschbezeichnung (BGH 18. Januar 2008 - V ZR 174/06 - Rn. 12 mwN). Auf den ersten Blick zutreffend ist der Klägervertreter dem entgegengetreten mit der Argumentation, der Kläger habe bei Abschluss des (zulässig nach § 181 BGB mit sich selbst) geschlossenen Arbeitsvertrages genau dies - also ein Arbeitsverhältnis - gewollt, so dass eine Falschbezeichnung im vorstehenden Sinn nicht vorgelegen habe. Ein entsprechender Wille des bei Vertragsschluss sowohl als Arbeitgeber als auch als Arbeitnehmer handelnden Klägers lässt sich aber - auf den zweiten Blick - nicht ausreichend erkennen. Dabei ist zunächst auf die oben bereits begründete Ansicht der Kammer zu verweisen, wonach der Kläger sich über die rechtlichen Einordnungen und Folgen selbst gar nicht bewusst war, was einem klaren Willen zum Abschluss eines Arbeitsverhältnisses entgegensteht. Es kann bei dem Vertragsschluss auch darum gegangen sein, überhaupt erstmals ein Vertragsverhältnis zur Schuldnerin zu begründen (der Beklagte macht insoweit geltend, es habe lediglich ein Vertragsverhältnis zur anderen GmbH der Unternehmensgruppe bestanden). Vor allem ist nicht erkennbar, dass der Kläger den Willen hatte, seine im Wesentlichen unveränderte Tätigkeit aus der Zeit als Geschäftsführer nunmehr weisungsgebunden auszuüben. Die Kammer muss mangels Vortrag zu einzelnen konkreten Weisungen davon ausgehen, dass solche nicht erfolgt sind und auch bei Abschluss des Vertrags im Jahr 2016 (nach wie vor: den Vortrag des Klägers dazu als zutreffend unterstellt) nicht beabsichtigt waren. Der Beklagte hat in diesem Zusammenhang geltend gemacht, der Kläger habe als (unstreitig dann bestellter) einzelvertretungsberechtigter Prokurist für die Gesellschaft weiterhin wie ein Geschäftsführer handeln können und dies auch getan. Letzteres ergibt sich beispielsweise aus der E-Mail des Klägers vom 01.11.2017 (Anlage K5, Bl. 59 d.A.). Der Kläger hat hier durch die Formulierung, er "werde den Lohn ab sofort wieder auszahlen" (Anmerkung: gemeint ist eine Auszahlung an sich selbst, und zwar die 4.000 Euro aus dem Vertrag von 2010, einen Vertrag aus 2016 erwähnt der Kläger hier - nur ein Jahr später in 2017 - nicht), klar zu erkennen gegeben, dass er eine Arbeitgeberstellung innehatte. Der Beklagte hat weiterhin behauptet, der Kläger sei den Angestellten der Schuldnerin gegenüber durchgehend als "Chef" gegenübergetreten. Das stellt der Kläger nicht in Abrede. Vor allem aber trägt er nichts dazu vor, welche Vorstellungen bezüglich eines Weisungsrechts bei Abschluss des Vertrages von 2016 bestanden haben sollen und inwieweit diese umgesetzt worden seien. Der Vortrag im Berufungsbegründungsschriftsatz vom 04.10.2018, dort ab Seite 8, enthält lediglich pauschale Beschreibungen "regelmäßiger" Kontrollen (auch einmal im Jahr ist "regelmäßig"), der Notwendigkeit, sich "in Betreff seines Betriebserfolges verantworten zu müssen" (das muss auch ein Dienstnehmer im freien Vertragsverhältnis), der Einschränkung seiner Befugnis, Bewerbungsgespräche zu führen sowie einige andere Einschränkungen seiner Tätigkeiten und einer nunmehr begründeten Rückspracheverpflichtung im Zusammenhang mit den ...preisen. Diese Änderungen und Einschränkungen können auch im Rahmen eines bestehenden freien Dienstverhältnisses erfolgt sein, ohne dass dieses damit zum Arbeitsverhältnis wird. Eine Rückspracheverpflichtung beinhaltet nicht die Pflicht, einer im Rahmen der Rücksprache erteilten Weisung Folge zu leisten, sondern kann auch nur eine Pflicht zur Beratung beinhalten. Dazu, wer die Entscheidungen getroffen hat, trägt der Kläger ebenso wenig vor, wie dazu, dass er an fremde Entscheidungen gebunden gewesen sei.

Konkrete Vorgaben der Schuldnerin etwa zur Arbeitszeit behauptet der Kläger schon nicht. Er erklärt vielmehr selbst, dass es solche nicht gab. Er war auch keine Rechenschaft darüber schuldig, wann bzw. ob überhaupt er die vereinbarten 10 Stunden wöchentlich erbrachte. Soweit der Kläger vorbringt, er habe sich bezüglich der Tatsache, dass er seine Tätigkeit erbracht habe, "rechtfertigen" müssen, fehlt jegliche Schilderung eines tatsächlich stattgefundenen Lebenssachverhalts (wer hat was wann wo zu wem gesagt?). Da der Kläger dieses Vorbringen mit dem Erfolg seiner Tätigkeit verknüpft, geht die Kammer davon aus, dass es insgesamt um eine Erfolgskontrolle ging, nicht um eine Arbeitszeitkontrolle. Der Erfolgskontrolle unterliegt aber auch der freie Dienstnehmer.

Auch zu einem etwaigen Erfordernis, Urlaub beantragen zu müssen und insoweit von einer Genehmigung des Urlaubs durch die Schuldnerin abhängig gewesen zu sein, trägt der Kläger nicht vor. Das Erfordernis einer Abstimmung bzw. Rücksprache vor Urlaubsantritt steht dem nicht gleich.

3.

Da ein Arbeitsverhältnis nicht feststellbar ist, unterliegt der Kündigungsschutzantrag der Abweisung. Dies hat das Ausgangsgericht mit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20.09.2000 (Az. 5 AZR 271/99, BB 2001, 48, 49, zitiert nach juris) zu Recht angenommen, die Berufung wendet sich hiergegen nicht. Der Auffassung ist zuzustimmen, weil die vom Kläger begehrte Feststellung das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses im Zeitpunkt der Kündigung schon dem Wortlaut nach erfordert. Darauf, dass auch die Kündigung eines freien Dienstverhältnisses einen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB erfordert, kommt es hier somit nicht an - ebenso wenig, wie auf die streitige Einhaltung der Kündigungserklärungsfrist.

Klarstellend wird darauf hingewiesen, dass die Kammer weder über die Frage entschieden hat, ob ein Vertragsverhältnis überhaupt zur Schuldnerin begründet wurde (der Beklagte stellt dies unter Hinweis auf die Tätigkeit für die weitere GmbH der Unternehmensgruppe in Abrede) noch, ob ein solches, falls gegeben, durch die Kündigung vom 02.02.2018 beendet wurde. Diese Fragen sind vielmehr als Vorfragen zur Entscheidung über den abgetrennten Antrag zu 2. ggfls. noch zu klären.

II.

Der allgemeine Feststellungsantrag ist schon deswegen unbegründet, weil unstreitig das Arbeitsverhältnis aufgrund des Betriebsüberganges seit Insolvenzeröffnung nicht mehr zur Schuldnerin besteht. Da bei Entscheidung über diesen Antrag auf den Zeitpunkt des Schlusses der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen ist, war der Antrag abzuweisen. Selbst wenn das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses unterstellt wird, hätte ein solches zur Schuldnerin jedenfalls mit Übergang auf den Betriebserwerber geendet. Für die Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses zum Betriebserwerber sind weder der jetzt Beklagte noch die Schuldnerin passivlegitimiert.

III.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, da die Berufung zurückgewiesen wurde. Darüber hinaus hat der Kläger in entsprechender Anwendung des § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten aus dem Einzelstreitwert des getrennten Antrags zu 2. zu tragen, weil er damit vor dem Landesarbeitsgericht ebenfalls ohne Erfolg blieb (dazu, dass bei Trennung im Ausgangsverfahren und im dann getrennten Prozess zwei voneinander unabhängige Kostengrundentscheidungen ergehen: OLG Brandenburg, Beschluss vom 03.01.2011, Az. 6 W 176/10; KG Berlin, Beschluss vom 10.05.2010, Az. 1 W 443/09; beide juris).

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG sind weder erkennbar noch vorgebracht. Es liegt insbesondere keine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vor, die Kammer hat vielmehr einen Einzelfall unter Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Rechtsprechung entschieden.

Auf die Möglichkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde (§ 72 a ArbGG) wird hingewiesen.

Verkündet am 31.07.2023

Vorschriften§ 613a BGB, § 623 BGB, § 117 BGB, § 5 Abs. 1 Satz 3 AGG, § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG, § 611a Abs. 1 BGB, § 612 BGB, § 86 Abs. 1 Ziff. 3 InsO, § 86 InsO, § 38 InsO, § 64 Abs. 1, 2 ArbGG, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO, § 86 Abs. 1 Nr. 3 InsO, § 87 InsO, §§ 179 Abs. 1, 180 InsO, § 180 Abs. 2 InsO, §§ 4, 7 KSchG, § 13 KSchG, §§ 87, 174 ff InsO, §§ 179, § 180 InsO, §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 533 Nr. 1 Alt. 1, 525, 263, 267 ZPO, §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 533 Nr. 2 ZPO, § 254 ZPO, § 611 BGB, § 181 BGB, § 626 Abs. 1 BGB, § 97 Abs. 1 ZPO, § 91 Abs. 1 ZPO, § 72 Abs. 2 ArbGG, § 72 a ArbGG