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Urteil vom 08.06.2022 · IWW-Abrufnummer 230657

Landesarbeitsgericht Düsseldorf - Aktenzeichen 12 Sa 8/22

Bestimmung des Anwendungsbereichs des Tarifvertrags über die Errichtung einer Zusatzversorgungskasse für die Beschäftigten der Brot- und Backwarenindustrie für eine Vertriebsgesellschaft.


Tenor:
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 10.11.2021 - 15 Ca 3268/21 - abgeändert und die Klage abgewiesen.


2. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.


3. Die Revision wird zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin Beiträge zur Zusatzversorgung für die Beschäftigten der Brot- und Backwarenindustrie zu zahlen.



Die Klägerin ist eine gemeinsame Einrichtung des Verbandes der Deutschen Brot- und Backwarenindustrie und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (im Folgenden: NGG) aufgrund des zwischen diesen Parteien abgeschlossenen Tarifvertrages über die Errichtung einer Zusatzversorgungskasse für die Beschäftigten der Brot- und Backwarenindustrie (im Folgenden: ZVK-TV). In dem ZVK-TV hieß es u.a.:

"§ 1 Geltungsbereich a) Räumlich: Für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin-West im Geltungsbereich des Grundgesetzes vor dem 3. Oktober 1990. b) Fachlich: 1. Für Betriebe der Brot- und Backwarenindustrie sowie Betriebe, die Brot- und Backwaren vertreiben und verkaufen (Verkaufsstellen), insbesondere für Mitglieder der Industrie- und Handelskammern mit Ausnahme der dem Revisionsverband Deutscher Konsumgenossenschaften angeschlossenen Unternehmen mit Bäckereien. 2. Erfasst werden auch solche Betriebe, die im Rahmen eines mit den unter Nr. 1 erfassten Betrieben bestehenden Zusammenschlusses - unbeschadet der gewählten Rechtsform - ausschließlich oder überwiegend für die angeschlossenen Betriebe nach Nr. 1 die kaufmännische Verwaltung, den Vertrieb, Planungsarbeiten, Laborarbeiten oder Prüfarbeiten übernehmen, soweit diese Betriebe nicht von einem speziellen Tarifvertrag erfasst werden. 3. ... c) Persönlich: Für alle Arbeitnehmer der vom fachlichen Geltungsbereich erfassten Betriebe - ausgenommen sind Arbeitnehmer, die unterhalb der sozialversicherungsrechtlichen Geringfügigkeitsgrenze (§ 8 SGB IV) beschäftigt werden. ... § 3 Zweck der Zusatzversorgungskasse Zweck der "Zusatzversorgungskasse" ist es, aus den ihr gemäß § 4 zufließenden Mitteln Beihilfen zur vollen Erwerbsminderungsrente oder zur Altersrente im Sinne der sozialen Rentenversicherung zu zahlen.§ 4 Aufbringung der Mittel Der Arbeitgeber ist verpflichtet, in jedem Kalenderjahr 0,66 % der Entgeltsummen des Vorjahres, die von den dem Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften angeschlossenen Berufsgenossenschaften für die Berechnung des Beitrages zur gesetzlichen Unfallversicherung zugrunde gelegt werden, an die "Zusatzversorgungskasse" zu zahlen. Schuldner ist der einzelne Arbeitgeber. Die "Zusatzversorgungskasse" erwirbt das Recht, diese Beiträge unmittelbar von dem einzelnen Arbeitgeber zu fordern. Der Anspruch der "Zusatzversorgungskasse" gegenüber dem einzelnen Arbeitgeber (Absatz 1) auf Zahlung der vollen Jahresbeiträge entsteht mit dem Inkrafttreten der Allgemeinverbindlichkeit dieses Tarifvertrages. Fälligkeitstermin für die Beitragszahlung ist spätestens jeweils der 30.06. eines Kalenderjahres. Der Einzug der Beiträge wird in einem besonderen Verfahrenstarifvertrag geregelt, der Bestandteil dieses Tarifvertrages ist. .... § 10 Betriebliche Unterstützungseinrichtungen Betriebliche Unterstützungseinrichtungen können die Leistungen der "Zusatzversorgungskasse" auf ihre gleichartigen Leistungen anrechnen. ..."



Der hinsichtlich des Geltungsbereichs gleichlautende Verfahrenstarifvertrag (im Folgenden ZVK-VTV) bestimmte in § 3 Nrn. 2 und 3 ZVK-VTV, dass für Beiträge, die nach dem 31.12. eines Geschäftsjahres bei der Zusatzversorgungskasse eingehen, Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe erhoben werden.



Die Beklagte, welche insgesamt 330 Mitarbeiter beschäftigte, ist ein Unternehmen mit Sitz in G. und nicht Mitglied des Deutsche Großbäckereien e.V. Sie ist die Schwestergesellschaft der B. C. Deutschland GmbH mit Sitz in der M. (Amtsgericht Stendal zu HRB 23052) in Sachsen-Anhalt, die tiefgefrorene Backspezialitäten unterschiedlichster Art in industrieller Fertigung herstellte. Die Beklagte übernahm den Vertrieb dieser Backwaren für ihre Schwestergesellschaft an ca. 15.000 gewerbliche Kunden durch unterschiedliche Marken und Kanäle, u.a. durch Außendienstmitarbeiter. Darüber hinaus betrieb sie einen Onlineshop, über den die Produkte ebenfalls ausschließlich an gewerbliche Kunden veräußert wurden. Dies wurde dadurch sichergestellt, dass der Zugang erst nach erfolgter Verifizierung freigegeben wurde. Abnehmer der Produkte waren der Einzelhandel, die Systemgastronomie, Cateringunternehmen, Backshops, Bäckereien, Hotellerie, Gastronomie sowie Tankstellen. Die Beklagte unterhielt keine stationären Verkaufsfilialen. Die B. C. Deutschland GmbH unterhielt selbst keinen eigenständigen Vertrieb.



Die Beklagte zahlte für die Betriebsnummer 2119-08330 im Jahr 2020 einen Betrag in Höhe von 16.364.371,00 Euro und im Jahr 2021 einen Betrag in Höhe von 13.100.796,00 Euro an die zuständige Berufsgenossenschaft.



Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hatte am 07.12.2011 mit der NGG - Landesbezirk Südwest - einen Tarifvertrag zur betrieblichen Altersversorgung (im Folgenden HTV-BAV) abgeschlossen, der rückwirkend ab dem 01.01.2011 in Kraft trat. In diesem hieß es u.a.:

"Präambel Durch diesen Tarifvertrag leisten die Tarifvertragsparteien einen Beitrag zur Zukunftssicherung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, indem ein tariflicher Altersvorsorgebeitrag vereinbart und die Möglichkeit geboten wird, sich durch eigene Leistung mittels Entgeltumwandlung eine zusätzliche Altersvorsorge aufzubauen. § 1 Geltungsbereich 1. räumlich: für alle Niederlassungen 2. persönlich: Für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einschließlich der Auszubildenden, die Mitglied der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten sind. § 2 Durchführungsweg Als Durchführungsweg wird die Pensionskasse der Signal Iduna Versicherung vereinbart. Zwischen den Tarifvertragsparteien und der Pensionskasse Signal Iduna werden entsprechende Rahmenbedingungen und Regelwerke vereinbart. Die Betriebsparteien prüfen, ob bereits bestehende Verträge in die gem. Satz 1 vereinbarte Pensionskasse überführt werden können. Ist dies ohne finanzielle Verluste und Aufwendungen möglich, so sollen diese auf Antrag des Arbeitnehmers überführt werden. ... § 7 Bestehende Anwartschaften Bestehende Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung (z.B. Direktversicherungen) bleiben von dieser tariflichen Altersvorsorgeregelung unberührt...."



Mit Schreiben vom 21.01.2021 forderte die Klägerin die Beklagte erfolglos zur Zahlung der Beiträge für die Jahre 2020 in Höhe von 108.004,84 Euro und für 2021 in Höhe von 86.465,25 Euro auf.



Die Klägerin hat gemeint, bei dem Betrieb der Beklagten handele es sich aufgrund des eigenen Onlineshops im gewerblichen Bereich um einen Betrieb im Sinne des § 1 b Nr. 1 ZVK-TV, der Brot- und Backwaren vertreibt und verkauft. Entscheidend sei nicht der Kundenkreis, sondern das Sortiment, nämlich industriell gefertigte Brot- und Backwaren jeder Art und Fertigungsstufe. Sie hat gemeint, dass es für die Anwendung des ZVK-TV nicht darauf ankomme, dass die Beklagte keine eigenen Verkaufsfilialen unterhielt. Bei den in § 1 b Nr. 1 ZVK-TV enthaltenen Begriffen handele es sich nicht um Voraussetzungen, die kumulativ vorliegen müssten. Vielmehr sei "Vertrieb" der Oberbegriff von "verkaufen", weil der Verkauf auf den Absatz des Produktes abziele. Der Vertrieb umfasse darüber hinaus jedoch auch Marketing und Logistik. Der Vertrieb erfolge - wie auch bei der Beklagten - klassischerweise im Außendienst oder über Onlineshops. Der ZVK-TV wolle diese Betriebe daher auch umfassen. Dies ergebe sich auch daraus, dass die beiden existierenden Versorgungskassen für das Bäckereihandwerk und für die Industriebetriebe, eine flächendeckende Zusatzversorgung schaffen und Betriebe der gesamten Branche abdecken sollten. Für Industrieunternehmen sei es in Abgrenzung zum Handwerk im Übrigen geradezu typisch, dass der Absatz der eigenen Produkte nicht mittels Direktverkauf an lokale Endverbraucher erfolge. Nur wenige Unternehmen der Brot- und Backwarenindustrie unterhielten ein eigenes Filialnetz für den Verkauf an den Endverbraucher. Für § 1 b Nr. 1 ZVK-TV komme es auf den HTV-BAV nicht an. Unabhängig davon sei er aufgrund der gesetzlichen Geltungsanordnung in § 31 Abs. 1 SoKaSiG2 und § 5 Abs. 4 Satz 2 TVG unbeachtlich.



Jedenfalls handele es sich bei dem Betrieb der Beklagten um einen Betrieb im Sinne des § 1 b Nr. 2 ZVK-TV, der im Rahmen eines mit den unter Nr. 1 erfassten Betrieben bestehenden Zusammenschlusses ausschließlich oder überwiegend den Vertrieb übernehme, weil die Beklagte unstreitig den Vertrieb für ihre Schwestergesellschaft B. C. Deutschland GmbH übernehme, die selbst ein Betrieb im Sinne des § 1 b Nr. 1 ZVK-TV sei, für den lediglich der räumliche Geltungsbereich nicht eröffnet sei. § 1 b Nr. 2 ZVK-TV wolle reine Dienstleistungsunternehmen des Vertriebs wie z.B. Logistikunternehmen erfassen. Unabhängig davon habe die Beklagte nicht substantiiert vorgetragen, an einen spezielleren Tarifvertrag gebunden zu sein. Die Klägerin hat mit Nichtwissen bestritten, dass der HTV-BAV bei der Beklagten ungekündigt fortbestehe. Sei dies der Fall, ändere dies am Ergebnis nichts. Der Geltungsbereich des HTV-BAV beschränke sich nur auf die Mitglieder der NGG, die bei der Beklagten als Vertriebsgesellschaft aber kaum vorhanden sein dürften. Auf von der Beklagten behauptete arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel komme es nicht an.



Die Klägerin ist der Ansicht gewesen, dass sich die Tarifbindung der Beklagten aufgrund der Allgemeinverbindlicherklärung gemäß § 5 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 TVG und unabhängig davon aufgrund gesetzlicher Geltungsanordnung gemäß §§ 31, 32 SokaSiG2 ergebe.



Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, für das Jahr 2020 an sie einen Betrag in Höhe von 108.004,84 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;2. die Beklagte zu verurteilen, für das Jahr 2021 an sie einen Betrag in Höhe von 86.465,25 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.



Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.



Sie hat gemeint, ihr Betrieb falle nicht unter den fachlichen Geltungsbereich des ZVK-TV. Sie betreibe keine - wie von § 1 b Nr. 1 ZVK-TV gefordert - Verkaufsstellen im Tarifsinne. Mit dem Begriff "Verkaufsstellen" seien stationäre Verkaufseinrichtungen des Einzelhandels, beispielsweise Einzelhandelsgeschäfte, Läden oder Stände, zu verstehen, d.h. Orte, an denen etwas an das allgemeine Publikum verkauft werde. Dies treffe auf sie nicht zu, weil ihr Onlineshop nur von gewerblichen Kunden genutzt wurde. Tatbestandlich würden zudem Vertrieb und Verkauf kumulativ vorausgesetzt. Der ZVK-TV müsse auch nicht, anders als die Klägerin meint, vor dem Hintergrund einer flächendeckenden Versorgung sämtlicher Betriebe der Branche auf sie angewendet werden. Die flächendeckende Versorgung sei ohnehin nicht möglich, weil der ZVK-TV nur auf die "alten" Bundesländer Anwendung findet. Darauf, dass in der Brot- und Backwarenindustrie heute ggfs. nur wenige produzierende Unternehmen ein eigenes Filialnetz unterhielten, komme es für die Auslegung von § 1 Nr. b 1 ZVK-TV nicht an.



Die Beklagte hat gemeint, ihr Betrieb falle auch nicht unter § 1 b Nr. 2 ZVK-TV, weil bereits der Betriebssitz ihrer Schwestergesellschaft nicht im räumlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages liege und diese daher kein Betrieb im Sinne des § 1 b Nr. 1 ZVK-TV sei. Jedenfalls greife für sie die in § 1 b Nr. 2 ZVK-TV enthaltene Ausnahme für Betriebe, die von einem spezielleren Tarifvertrag erfasst werden. U.a. das SoKaSiG2 ändere daran nichts, weil die Ausnahme in dem ZVK-TV, den das SoKaSiG2 zur Geltung bringen wolle, selbst enthalten sei. Die Beklagte hat behauptet, dass der HTV-BAV bei ihr ungekündigt weiter fortbestehe. Der HTV-BAV finde bei ihr auch tatsächlich auf alle Mitarbeiter - hiervon ausgenommen nur zwei außertarifliche Mitarbeiter - Anwendung und zwar entweder aufgrund der Gewerkschaftsmitgliedschaft oder aufgrund einer entsprechenden Bezugnahmeklausel im jeweiligen Arbeitsvertrag.



Die Beklagte hat bestritten, dass die Herren L. und T. der NGG zur Unterzeichnung der ZVK-TV und der ZVK-VTV seitens der Hauptverwaltung befugt gewesen seien. Die Beklagte hat mit Nichtwissen bestritten, dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und die obersten Arbeitsbehörden der Länder die Allgemeinverbindlicherklärung des ZVK-TV unter Beachtung der gesetzlichen Anforderungen vorgenommen haben. Sie hat bestritten, dass dazu Anträge des Verbandes Deutscher Großbäckereien und der NGG vorgelegen hätten. Die Beklagte hat mit Nichtwissen bestritten, dass die Erstreckung des ZVK-TV und des ZVK-VTV auf Außenseiter zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der Klägerin erforderlich sei. Dazu hat sie behauptet, dass Mitglieder der Klägerin u.a. die N. gruppe, die I.-GmbH, die X. Feinbäckerei und die F. Backwaren GmbH seien. Diese seien als wirtschaftlich nicht unbedeutende Unternehmen in der Lage die Funktionsfähigkeit der Klägerin zu sichern. Überdies halte sie § 31 Abs. 1 SokaSiG 2 für verfassungswidrig. Jedenfalls bezogen auf diesen Fall liege Tarifkonkurrenz vor, die zum Vorrang des HTV-BAV führe. Dies verhinderten das SokaSiG2 als auch § 5 Abs. 4 TVG unter Verstoß gegen Art. 9 Abs. 3 GG. Es lägen außerdem Verstöße gegen Art. 14 Abs. 1 GG als auch gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor.



Außerdem begegne die Ausgestaltung von § 31 Abs. 1 SoKaSiG2 i.V.m. Anlage 77 erheblichen Bedenken. So stimme z.B. § 12 ZVK-TV betreffend das In-Kraft-Treten nicht mit der vorgelegten Unterlage überein.



Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 10.11.2021 stattgegeben. Es hat dies damit begründet, dass der Anwendungsbereich des ZVK-TV gemäß § 1 b Nr. 1 ZVK-TV eröffnet sei. Die Beklagte vertreibe und verkaufe Brot- und Backwaren in diesem Sinne. Bei dem Begriff der Verkaufsstellen im Klammerzusatz handele es sich um eine Definition des vorher beschriebenen Betriebs und nicht um eine Voraussetzung. Gegen das ihr am 10.12.2021 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 29.12.2021 Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 03.03.2022 - am 03.03.2022 begründet.



Die Beklagte ist der Ansicht, dass sie keinen Betrieb i.S.v. § 1 b Nr. 1 ZVK-TV unterhalte. Das Vorhalten von Ladengeschäften sei zwingende Voraussetzung dieser Tarifnorm. Ein Onlineshop genüge nicht. Der unpersönliche Verkauf sei dem Begriff der Verkaufsstelle weder historisch, grammatikalisch noch telelogisch zu entnehmen. Im allgemeinen Sprachgebrauch sei Verkaufsstelle eine Filiale oder eine andere ortsfeste Einrichtung. Wieso enthalte § 1 b Nr. 2 ZVK-TV eine Regelung zum Vertrieb, wenn dieser bei der Auslegung des Arbeitsgerichts bereits umfassend von § 1 b Nr. 1 ZVK-TV erfasst sei? Unternehmen, die den Vertrieb von Backwaren übernehmen, sollten gerade nicht automatisch und immer in den Geltungsbereich des ZVK-TV fallen. Dies spreche gegen den weiten Anwendungsbereich von § 1 b Nr. 1 ZVK-TV. Betrachte man diesen Zusammenhang, erwerbe der Klammerzusatz der Verkaufsstellen entscheidende Bedeutung. Neben Vertrieb und Verkauf als kumulative Voraussetzungen müssten Verkaufsstellen vorliegen. Das Wort Verkaufsstelle werde im weiteren Tariftext nicht verwandt. Die weiten Begriffe des Vertriebs und Verkaufs seien konkretisierungsbedürftig. Es könne auch nicht einfach einem Onlineshop die Bedeutung einer Verkaufsstelle beigemessen werden. Nichts anderes gelte für Außendienstmitarbeiter. Es sei allenfalls an den Tarifvertragsparteien die tarifliche Definition im Laufe der Zeit zu erweitern, nicht aber an den Gerichten. Auf eine etwaige Konkurrenz der Beklagten bzw. ihrer Schwestergesellschaft zum Bäckerhandwerk komme es nicht an. Folge man der Argumentation des Arbeitsgerichts, sei der Klammerzusatz mit dem Begriff Verkaufsstelle vollkommen unnötig. Nichts anderes gelte für die Aufnahme des Vertriebs in § 1 b Nr. 2 ZVK-TV. Außerdem gebe es den ZVK-TV bereits seit 1972 und bereits damals habe er den Begriff der Verkaufsstellen enthalten. Onlineshops habe es bei der Aufstellung der Tarifnormen überhaupt noch nicht gegeben. Der sachliche Anwendungsbereich der tariflichen Normen habe sich seit damals nicht geändert. Er sei auch nicht "aus der Luft gegriffen". Im Jahre 1972 und auch in den folgenden Jahrzehnten habe es eine Vielzahl von Betrieben der Brot- und Backwarenindustrie gegeben, die eigene Verkaufsstellen in dem von ihr angenommenen Sinne unterhalten hätten. Und auch im Jahre 2009 sei das World Wide Web nicht bereits so wie jetzt entwickelt gewesen.



Mit einem Unternehmen i.S.v. § 1 b Nr. 2 ZVK-TV sei sie nicht verbunden, weil ihre Schwestergesellschaft ihren Sitz außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des ZKV-TV habe.



Ihre Rügen betreffend die Allgemeinverbindlicherklärung als auch zur Verfassungswidrigkeit von §§ 31, 32 SoKaSiG2 halte sie aufrecht.



Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 10.11.2021 - 15 Ca 3268/21 - abzuändern und die Klage abzuweisen.



Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.



Sie verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts. Zutreffend habe das Arbeitsgericht darauf abgestellt, dass der Begriff der Verkaufsstelle eine Definition sei, die eine einheitliche Verwendung in der Folge sicherstellen wolle. Ob davon dann tatsächlich Gebrauch gemacht werde, sei unerheblich. Physische Verkaufsstellen seien damit für § 1 b Nr. 1 ZVK-TV nicht erforderlich. Warum nur Betriebe, die Brot- und Backwaren in solchen ortsfesten Stellen verkauften, der Altersversorgung der ZVK unterliegen sollten, erschließe sich nicht. Zwischen dem Vertrieb und dem Verkauf bestehe letztlich kein relevanter Unterschied. Im Übrigen erfolge der Verkauf ja nicht nur über den Webshop, sondern z.B. auch über die Außendienstmitarbeiter. Es ergebe sich auch kein Wertungswiderspruch zu § 1 b Nr. 2 ZVK-TV. E gehe dabei um Unternehmen, die einen völlig branchenfremden Zweck verfolgten und demnach unter Zusatzversorgungstarifverträge anderer Branchen fallen könnten. Im Übrigen gehe es darum, für den Bereich der Brot- und Backwarenherstellung eine flächendeckende Zusatzversorgung zu schaffen.



Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle in beiden Instanzen Bezug genommen.



Entscheidungsgründe



A. Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet, weil die zulässigen Klageanträge unbegründet sind. Die Klägerin kann von der Beklagten für die Jahre 2020 und 2021 keine Zahlung von - der Höhe nach unstreitigen - Beiträgen gemäß § 4 ZVK-TV i.V.m. 31 Abs. 1 SoKaSiG2 verlangen, weil für die Beklagte der Geltungsbereich des ZVK-TV weder gemäß § 1 b Nr. 1 ZVK-TV noch gemäß § 1 b Nr. 2 ZVK-TV gegeben ist. Dies ergibt die Auslegung der maßgeblichen Tarifbestimmungen. Dabei kommt es - weil insoweit inhaltsgleich - nicht darauf an, ob als maßgebliche Fassung des ZVK-TV die Anlage 77 zu § 31 SoKaSiG2 oder diejenige, welche die Klägerin zu den Akten gereicht hat, zu Grunde gelegt wird.



I. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften. Dabei sind der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (BAG 11.11.2020 - 4 AZR 210/20, juris Rn. 20; BAG 30.03.2022 - 10 AZR 194/20, juris Rn. 30). Diese Grundsätze gelten auch für die Bestimmung des Geltungsbereichs eines Tarifvertrags (BAG 14.11.2001 - 10 AZR 76/01, juris Rn. 14 für den Geltungsbereich des hier maßgeblichen ZVK-TV in Angrenzung zum Konditorenhandwerk).



II. In Anwendung dieser Grundsätze fällt die Beklagte nicht unter § 1 b Nr. 1 ZVK-TV. Unstreitig ist sie selbst kein Betrieb der Brot- und Backwarenindustrie. Sie ist aber auch kein Betrieb, der im Tarifsinne Backwaren vertreibt und verkauft, weil sie die Brot- und Bachwaren der B. C. Deutschland GmbH nicht über den stationären Einzelhandel an die Endverbraucher verkauft. Der gegenteiligen Auslegung des Arbeitsgerichts und der Rechtsansicht der Klägerin stimmt die erkennende Kammer nicht zu.



1. Sie geht für die Auslegung zunächst von der Wortbedeutung der beiden genannten Tätigkeiten, dem Vertreiben und dem Verkaufen aus. Dabei ist der Begriff des Vertriebs der umfassendere und weitere, der auch den Verkauf von Waren umfasst. Vertrieb ist dabei Vorbereitung und Durchführung betrieblicher Arbeiten und Maßnahmen, die darauf abzielen, dass die gefertigten Produkte (oder auch Dienstleistungen) auf den entsprechenden Markt gelangen, dort angeboten werden können (Duden, Wortbedeutung, im Internet abrufbar unter https://www.duden.de/rechtschreibung/Vertrieb#bedeutungen). Weiter hat die Klägerin zutreffend auf ein Vertriebslexikon Bezug genommen, das sich zur Abgrenzung von Vertrieb und Verkauf verhält. Vertrieb werde danach im allgemeinen deutschen Sprachgebrauch mit dem Begriff des Verkaufs im weiteren Sinne gleichgesetzt. Beim Vertrieb gehe es um die Gestaltung des Absatzes der Produkte auf den Märkten. Die akquisitorische Komponente steht für die Anbahnung von Verkäufen, die physische Komponente für die logistische Abwicklung der Verteilung der Produkte. Oftmals übernehme der Vertrieb in mittelständischen Unternehmen auch die Aufgaben des Marketing. Der Verkauf (im engeren Sinne) sei eine Grundfunktion des Vertriebs. Er umfasse die direkt auf den Verkaufsabschluss gerichtete Kundenbetreuung und könne persönlich oder unpersönlich erfolgen (Vertriebslexikon der Firma C. Business Consulting & Training, im Internet abrufbar unter https://www.vertriebslexikon.de/Vertrieb-Verkauf.html). Dem entspricht, dass dem Vertrieb die beiden Bedeutungen (a) Verkauf (von Waren im Großen) und (b) Abteilung eines Betriebes, einer Firma, die die Bestellung und Auslieferung der Waren besorgt, zugemessen wird (so DWDS, Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute, hrsg. von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache, im Internet abrufbar unter https://www.dwds.de/wb/Vertrieb).



2. Berücksichtigt man diese umfassenden Wortbedeutungen, so wird ersichtlich, dass durch die kumulative Verwendung der beiden Begriffe verbunden durch die Konjunktion "und" nicht der gesamte Aspekt des Vertriebs erfasst ist, sondern nur ein bestimmter Unteraspekt, der zugleich gegeben sein muss, nämlich der Verkauf. Dies wird außerdem dadurch deutlich, dass der Vertrieb in seiner umfassenden Form - ggfs. sogar als ausschließlicher Betriebszweck - in § 1 b Nr. 2 ZVK-TV erfasst ist, ohne dass zusätzlich der Begriff des Verkaufs angeführt ist. Dies wäre überflüssig, wenn der gesamte und umfassende Vertrieb bereits in § 1 b Nr. 1 ZVK-TV erfasst wäre. Dort ist in Abgrenzung zu § 1 b Nr. 2 ZVK-TV nur eine bestimmte - engere - Vertriebsform erfasst, nämlich diejenige des Verkaufs, die zudem noch über Verkaufsstellen erfolgen muss. Gerade weil der Begriff des Vertriebs allgemein weit zu verstehen ist und in § 1 b Nr. 1 ZVK-TV durch den kumulativ erforderlichen "Verkauf" anders als in § 1 b Nr. 2 ZVK-TV eine engere Bedeutung hat, gewinnt der Klammerzusatz "Verkaufsstelle" an Bedeutung. Dieser beschreibt, welcher genaue Vertriebsweg hier gemeint ist. Andernfalls, darauf hat die Beklagte zutreffend hingewiesen, wäre der Klammerzusatz bedeutungslos. Nur dieser Vertriebsweg über Verkaufsstellen ist in § 1 b Nr. 1 ZVK-TV gemeint. Die Fassung dieser Tarifbestimmung ist gerade enger als die Satzungsbestimmung des Bundesverbands der Brot- und Backwarenindustrie (vgl. dazu BAG 14.11.2001 - 10 AZR 76/01, juris Rn. 16).



3. Es handelt sich auch bei der Verwendung des Begriffs der Verkaufsstelle auch um einen den Tarifvertragsparteien aus dem damaligen Ladenschlussgesetz bekannten Begriff, der eine bestimmte Vertriebsform auch für die Brot- und Backwarenindustrie beschreibt. Es handelt sich um ein Ladengeschäft des stationären Handels, wobei zudem der Verkauf an den Endverbraucher erfolgt. Dafür spricht bereits die allgemeine Wortbedeutung. Es handelt sich bei der Verkaufsstelle um eine Stelle (Laden, Stand o. Ä.), wo etwas verkauft wird (so Duden, Wortbedeutung, im Internet abrufbar unter https://www.duden.de/rechtschreibung/Verkaufsstelle#bedeutung) bzw. um eine stationäre Verkaufseinrichtung des Einzelhandels, Einzelhandelsgeschäft (so DWDS, Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute, hrsg. von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache, im Internet abrufbar unter https://www.dwds.de/wb/Verkaufsstelle). Dies entspricht der gesetzlichen Definition der Verkaufsstelle in § 1 LadSchlG bereits in der seit 1964 geltenden Fassung (abrufbar über juris). Es handelte sich danach um Ladengeschäfte aller Art und sonstige Verkaufsstände und -buden, Kioske, Basare und ähnliche Einrichtungen, falls von diesen ebenfalls von einer festen Stelle aus ständig Waren zum Verkauf an jedermann feilgehalten wurden. Erforderlich ist mithin eine Verbindung des Ladengeschäfts bzw. der sonstigen Verkaufsstände mit dem Grund und Boden (vgl. z.B. Neumann in Landmann/Rohmer, 86. EL, Stand 02/2021 GewO, § 1 LadSchlG Ziffern 2, 5). Großhändler, die nicht an den Endverbraucher verkaufen, unterfallen dem Begriff nicht, so dass für sie der Ladenschluss nicht gilt (grundlegend BGH 22.12.1965 - Ib ZR 119/63, juris Rn. 10; Neumann a.a.O. § 1 LadSchlG Ziffer 4). Der Vertriebsweg über diese sog. Verkaufsstellen kam jedenfalls unstreitig auch um Bereich der Brot- und Backwaren vor. Ob und in welchem Umfang dies der Fall war und ist - was zwischen den Parteien streitig ist - ist letztlich unerheblich, weil dies nicht dagegen spricht, dass die Tarifvertragsparteien mit dem Begriff der Verkaufsstellen an einen bestimmten ganz allgemein im Einzelhandel typischen Vertriebsweg angeknüpft und nur diesen geregelt haben. Der Begriff der Verkaufsstelle wird auch heute weitgehend weiterhin auf den stationären Einzelhandel bezogen, der gerade gegenüber dem Onlinehandel abgegrenzt wird. So bezieht sich z.B. der Begriff der Verkaufsstelle in § 1 Nrn. 1, 2 LÖG NRW weiterhin auf den stationären an jedermann gerichteten Einzelhandel. Im Zusammenhang mit der Freigabe verkaufsoffener Sonntage und der Öffnung von Verkaufsstellen i.S.v. § 6 LÖG NRW grenzt das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen diese zu den nicht erfassten zu Online-Shops ab (OVG NRW 10.06.2016 - 4 B 504/16, juris Rn. 44). Ausweislich einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf wurde im Zusammenhang mit einem Vergabeverfahren zwischen dem Fahrkartenvertrieb über stationäre personenbediente Verkaufsstellen und Fahrkartenautomaten, e-Ticket, Online-Shop und Mobile Ticketing unterschieden (OLG Düsseldorf 01.06.2016 - Verg 6/16, VII Verg 6/16, juris Rn. 44). Und auch die Coronaschutzverordnungen bezogen sich auf Verkaufsstellen in Abgrenzung zum Online-Handel (vgl. z.B. OVG Berlin-Brandenburg 03.03.2021 - 11 S 19/21, juris Rn. 3, 25, 28, OVG Schleswig-Holstein 07.04.2021 - 1 B 41/21, juris Rn. 30, 31). Soweit das Landesarbeitsgericht Köln den Begriff der "Arbeit in Verkaufsstellen" im MTV Einzelhandel NRW weit versteht, ist zum einen anzumerken, dass es um die Arbeit "in" der Verkaufsstelle ging, der den Begriff "im Verkauf" erweitere. Zum anderen sei Verkaufsstelle eine Stelle, das heißt die räumliche oder organisatorische Einheit, die dem Verkauf von Waren an Einzelhandelskunden (Endverbraucher) diene (LAG Köln 25.03.2021 - 6 Sa 574/20). Gerade an letzterem fehlt es hier in Bezug auf die Beklagte. Auch wenn es zutreffend ist, dass der Begriff der Verkaufsstelle in § 1 b Nr. 1 ZVK-TV eigenständig auszulegen ist, so ergibt doch der Gesamtzusammenhang mit § 1 b Nr. 2 ZVK-TV und die im ZVK-ZV angelegte Unterscheidung zwischen Vertrieb und Verkauf, dass die Verkaufsstelle hier als eigenständiges und notwendig vorliegendes Merkmal i.S. des engen Vertriebswegs über den stationären an den Endverbraucher gerichteten Vertrieb zu verstehen ist.



4. Entgegen der Ansicht der Klägerin steht dem auch nicht der Sinn und Zweck entgegen, die Zusatzversorgungskassen im Bereich der Brot- und Backwarenindustrie umfassend zu verankern. Dieser Zweck trifft zwar als solcher zu. Dies ändert aber nichts an dem differenziert von den Tarifvertragsparteien angeordneten fachlichen Geltungsbereich des ZVK-TV. Die Tarifvertragsparteien haben in § 1 b Nrn. 1 und 2 ZVK-TV gerade eine Differenzierung in Bezug auf den fachlichen Geltungsbereich vorgenommen. § 1 b Nr. 1 ZVK-ZV erfasst letztlich die originäre Wertschöpfung im Bereich der Brot- und Backwarenindustrie, d.h. die Herstellung von Brot- und Backwaren, wobei die in § 1 b Nr. 2 ZVK-TV genannten Hilfsfunktionen des eigenständigen Herstellungs- bzw. Industriebetriebs i.S.v. § 1 b Nr. 1 1. Fall ZVK-TV ebenfalls erfasst sind, wenn er diese selbst erbringt. Anders ist dies dann, wenn die Hilfsfunktion - wie hier - eigenständiger und alleiniger oder im Übrigen (Neben-)Zweck des Betriebs ist. Dann findet nur § 1b Nr. 2 ZVK-TV Anwendung, der ausdrücklich auch Betriebe erfasst, die "ausschließlich" den Vertrieb als Hilfsfunktion für einen Betrieb i.S.v. § 1 b Nr. 1 ZVK-ZV übernehmen. Als eigenständige und alleinige Vertriebsform ist von § 1 b Nr. 1 ZVK-TV nur der Verkauf an den Endverbraucher auf einem bestimmten Vertriebsweg, nämlich über Verkaufsstellen erfasst. § 1 b Nr. 2 ZVK-TV hingegen will damit sicherstellen, dass dann, wenn - wie hier - bestimmte Hilfsfunktionen auf andere Unternehmen ausgelagert werden, diese auch erfasst werden. Dies ist aber nur unter den zusätzlichen tatbestandlichen Voraussetzungen von § 1 b Nr. 2 ZVK-TV der Fall.



III. Dies ist nicht der Fall. Die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 1 b Nr. 2 ZVK-TV sind nicht gegeben.



1. Die Kammer lässt zunächst offen, ob der Betrieb der Beklagten von einem spezielleren Tarifvertrag i.S.v. § 1 b Nr. 2 ZVK-TV erfasst wird. Es bleibt offen, ob der HTV-BV bei der Beklagten ungekündigt fortbesteht und zur Anwendung kommt. Es bleibt auch offen, ob es sich bei dem HTV-TV überhaupt um einen Tarifvertrag handelt, der gemäß § 1 b Nr. 2 ZVK-TV zur Nichtanwendung dieser Bestimmung führt. Immerhin sollen von diesem gemäß § 7 HTV-BV bestehende Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung unberührt bleiben, wobei in dem Klammerzusatz die Direktversicherung nur als Beispiel genannt ist. Zudem sollen gemäß § 2 Abs. 2 HVT-BV bestehende Verträge, wenn möglich in den Durchführungsweg des HTV-BV überführt werden. Dies könnte dafür sprechen, dass der HTV-BV ohnehin konkurrierende und neben ihm geltende Zusatzversorgungsregelungen zulässt. Letztlich kommt es darauf nicht an.



2. Zur Überzeugung der Kammer handelt es sich bei der Beklagten nicht um einen Betrieb, der gemäß § 1 b Nr. 2 ZVK-TV einen Zusammenschluss mit einem von § 1 b Nr. 1 ZVK-TV erfassten Betrieb bildet. Er erbringt nicht für einen Betrieb gemäß § 1 b Nr. 1 ZVK-TV den Vertrieb. Richtig ist, dass sich dieses Ergebnis ergeben würde, stellte man alleine auf den fachlichen Geltungsbereich ab, denn die B. C. Deutschland GmbH ist unstreitig ein Betrieb der Brot- und Backwarenindustrie i.S.v. § 1 b Nr. 1 ZVK-TV. Für diese erbringt die Beklagte die zusätzliche Leistung des Vertriebs ihrer Backwaren als Zwischenschritt, d.h. gerade nicht an die Endverbraucher. Es handelt sich dabei um die typische von § 1 b Nr. 2 ZVK-TV verlangte Hilfsfunktion für einen Betrieb der Brot- und Backwarenindustrie. Maßgeblich muss dabei zur Überzeugung der Kammer indes eine an Sinn und Zweck dieser Bestimmung ausgerichtete Betrachtungsweise sein. Es soll dem Betrieb der Brot- und Backwarenbetrieb nicht ermöglicht werden, durch Fremdvergabe die Hilfsfunktionen außerhalb des ZVK-TV anzusiedeln. Dieses Argument greift aber dann nicht, wenn der Betrieb der Brot- und Bachwarenindustrie selbst gar nicht in den Anwendungsbereich des ZVK-ZV fällt, weil der räumliche Geltungsbereich nicht eröffnet ist. Dies ist hier der Fall, weil die B. C. Deutschland GmbH mit Sitz in der M. vom räumlichen Geltungsbereich des § 1 a ZVK-TV nicht erfasst wird. Ein selbst der Beitragspflicht zur Klägerin nicht unterliegender Betrieb der Brot- und Backwarenindustrie kann keine Teilbereiche durch Auslagerung von Hilfsfunktionen, wie z.B. den Vertrieb, dem eigentlich gegebenen Geltungsbereich des ZVK-TV entziehen. Es handelt sich bei teleologischer Betrachtungsweise bei der B. C. Deutschland GmbH nicht um einen Betrieb i.S.v. § 1 b Nr. 1 ZVK-TV, auf den § 1 b Nr. 2 ZVK-TV verweist. Es wäre ein Wertungswiederspruch, wenn diejenigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die originär die Wertschöpfung erzielen, indem sie die Brot- und Backwaren herstellen, keine Zusatzversorgung erhielten, wohl aber diejenigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die für diesen Betrieb in Form eines Zusammenschlusses i.S.v. § 1 b Nr. 2 ZVK-TV Hilfsfunktionen ausüben. Der Umstand, ob der "Haupt"-betrieb von der Zusatzversorgungspflicht nicht erfasst ist, strahlt mithin auf den Hilfsbetrieb i.S.v. § 1 b Nr. 2 ZVK-TV aus. Nichts anderes gilt z.B., wenn der "Haupt"-Betrieb sich im Ausland befindet und deshalb keiner Zusatzversorgungspflicht unterliegt. § 1 b Nr. 2 ZVK-TV findet dann ebenfalls keine Anwendung. Anders ist es hingegen, wenn sich der "Haupt"-Betrieb in Westdeutschland befindet, die Hilfsfunktion hingegen in den ehemaligen fünf neuen Ländern oder im Ausland. Dann besteht dieser Wertungswiderspruch nicht. Vielmehr wird dann von einer zulässigen Gestaltungsform Gebrauch gemacht, die Hilfsfunktionen außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des ZVK-TV anzusiedeln.



B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.



C. Die Kammer hat die Revision gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.

Dr. Gotthardt
vom Brocke
Roggenkamp

Vorschriften§ 5 Abs. 4 Satz 2 TVG, § 5 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 TVG, §§ 31, 32 SokaSiG2, § 31 Abs. 1 SokaSiG 2, § 5 Abs. 4 TVG, Art. 9 Abs. 3 GG, Art. 14 Abs. 1 GG, Art. 3 Abs. 1 GG, § 1 LadSchlG, GewO, § 1 Nrn. 1, 2 LÖG NRW, § 6 LÖG NRW, § 97 Abs. 1 ZPO, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG