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Beschluss vom 24.09.2021 · IWW-Abrufnummer 225092

Landesarbeitsgericht Hamm - Aktenzeichen 14 Ta 178/21

Die Anordnung einer Ratenzahlung im Nachprüfungsverfahren des § 120a ZPO ist im Falle der Insolvenz einer Partei wieder möglich, wenn das Insolvenzverfahren nach Vollzug der Schlussverteilung gemäß § 200 InsO aufgehoben wurde.


Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hagen vom 20. Januar 2021 (5 Ca 338/18) wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.



Gründe



Der Beklagte wendet sich gegen die Anordnung einer Ratenzahlung im Nachprüfungsverfahren des § 120a ZPO.



I. Der Kläger erhob unter dem 22. Februar 2018 eine dem Beklagten am 27. Februar 2018 zugestellte Klage, mit welcher er die Zahlung von Lohn für den Monat Januar 2018 sowie einer Urlaubs- und Überstundenabgeltung, die Erteilung diverser Arbeitspapiere und die Erstellung von Abrechnungen für verschiedene Monate verlangte. Er war in dem vom Beklagten betriebenen Restaurant "A" als Koch beschäftigt gewesen. Mit der am 3. März 2018 zugestellten Klageerweiterung vom 1. März 2018 verlangte der Kläger zudem die Erteilung eines Zwischenzeugnisses. Mit Schriftsatz vom 3. April 2018 zeigten die Prozessbevollmächtigten des Beklagten dessen Vertretung an und beantragten zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ihren Mandanten. Der Gütetermin vom 13. April 2018 endete mit der Anordnung des Ruhens des Verfahrens.



In einem bei dem Amtsgericht Essen unter dem Aktenzeichen 160 IN 5/16 über das Vermögen des Beklagten anhängigen Insolvenzverfahren war durch Beschluss vom 1. April 2016 der Antrag des Beklagten auf Erteilung der Restschuldbefreiung für zulässig erklärt und deren Erlangung bei Erfüllung bestimmter gesetzlicher Voraussetzungen angekündigt worden. Die Fortführung seines Restaurants wurde dem Beklagten samt dem damit verbundenen Vermögen gemäß § 35 InsO freigegeben. Auf Antrag eines Gläubigers vom 19. Januar 2018 wurde über das Vermögen des Beklagten, "handelnd unter der gemäß § 35 InsO freigegebenen Tätigkeit Restaurant "A'", am 27. April 2018 wegen Zahlungsunfähigkeit ein weiteres Insolvenzverfahren bei dem Amtsgericht Essen (160 IN 20/18) eröffnet.



Diesen Beschluss übersandte der Beklagte mit Schriftsatz vom 18. Juni 2018 dem Arbeitsgericht. Mit dem am 13. September 2018 eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag nahm der Kläger seine Klage zurück. Mit Beschluss vom 14. September 2018 bewilligte das Arbeitsgericht dem Beklagten für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsanordnung unter Beiordnung seiner Bevollmächtigten in vollem Umfang mit Wirkung vom 3. April 2018. Auf deren Kostenerstattungsantrag hin erfolgte unter dem 21. November 2018 die Vergütungsfestsetzung und Zahlung derselben.



Am 29. Juni 2020 wurde nach Vollzug der Schlussverteilung das Insolvenzverfahren 160 IN 20/18 aufgehoben. Mit einem weiteren Beschluss des Amtsgerichts Essen vom 28. August 2020 in dem Verfahren 160 IN 5/16 wurde ein Treuhänder bestellt.



Im Rahmen des durch ein am 15. Oktober 2020 den Prozessbevollmächtigten des Beklagten zugestellten Aufforderungsschreibens vom selben Tage eingeleiteten Nachprüfungsverfahrens gemäß § 120a ZPO änderte das Arbeitsgericht durch seinen Beschluss vom 20. Januar 2021 die ursprüngliche Bewilligung von Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsanordnung ab und setzte eine monatliche Ratenzahlung von 156,00 Euro fest. Hiergegen richtet sich die fristgemäß erhobene sofortige Beschwerde des Beklagten vom 12. Februar 2021.



II. Die gemäß § 11 Abs. 1 RPflG, § 46 Abs. 2 Satz 3, § 78 Satz 1 ArbGG, § 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, §§ 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Beklagten ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat nach ordnungsgemäßer Einleitung des Nachprüfungsverfahrens des § 120a Abs. 1 Satz 3 ZPO zu Recht eine Ratenzahlung vom 156,00 Euro angeordnet.



1. Die Änderung der durch Beschluss vom 14. September 2018 bewilligten Prozesskostenhilfe durch die hier angefochtene Entscheidung vom 20. Januar 2021 ist nach formal ordnungsgemäßer Beteiligung des Beklagten erfolgt.



a) Die Aufforderung des Arbeitsgerichts vom 15. Oktober 2020, sich über eine Änderung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bis zum 26. November 2020 zu erklären, wurde den Prozessbevollmächtigten des Beklagten, welche diesen bereits im Bewilligungsverfahren vertreten hatten, am selben Tag zugestellt. Mit der Zustellung des Schreibens war das Nachprüfungsverfahren ordnungsgemäß eingeleitet worden (vgl. LAG Hamm, 5. Juli 2013 - 5 Ta 254/13; 20. September 2013 - 14 Ta 160/13 - jeweils m. w. N.).



b) Das Schreiben des Arbeitsgerichts vom 15. Oktober 2020 mit der darin enthaltenen Fristsetzung wurde zudem von dem hierfür zuständigen Rechtspfleger verfügt. Fristsetzungen im Nachprüfungsverfahren haben durch Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger, jedoch nicht durch Beamtinnen und Beamte des mittleren Dienstes oder Regierungsbeschäftigte zu erfolgen (vgl. LAG Hamm, 25. Januar 2016 - 14 Ta 228/15; 25. Januar 2016 - 14 Ta 252/15).



c) Die Anforderungen, die an ein ordnungsgemäßes Verfahren, das zur Aufhebung der bewilligten Prozesskostenhilfe führen soll, zu stellen sind, waren damit vor Erlass der angefochtenen Entscheidung erfüllt.



2. Der Beklagte hat mit auf die vorgenannte Aufforderung hin eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen eingereicht. Auf der Basis der darin enthaltenen Angaben hat das Arbeitsgericht zutreffend das einzusetzende Einkommen ermittelt und eine monatliche Ratenzahlung von 156,00 Euro angeordnet.



Insbesondere hat das Arbeitsgericht die monatlich an den Treuhänder in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten zu leistenden Zahlungen bereits berücksichtigt, weil es seiner Berechnung des einzusetzenden Einkommens lediglich den Nettobetrag zugrunde gelegt hat, der nach Abzug dieser Zahlungen in Höhe des pfändbaren Betrages dem Beklagten verbleibt. Soweit er darüber hinaus auf Verhandlungen mit Krankenkassen und Finanzamt über die Höhe weiterer Ratenzahlungen verweist, liegt keine berücksichtigungsfähige Zahlungsverpflichtung vor, welche das einzusetzende Einkommen mindert (vgl. LAG Hamm 23. März 2018 - 5 Ta 135/17 - juris, Rn. 21, 30).



Inwieweit nachträgliche Vereinbarungen die aus der angefochtenen Entscheidung folgende Ratenzahlungspflicht mindern oder entfallen lassen können, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Dazu wäre ein erneutes Abänderungsverfahren nach § 120a ZPO auf Antrag des Beklagten erforderlich, in dem über diese Frage zu entscheiden wäre, wobei hier die allgemeinen Voraussetzungen vorliegen müssen, um nachträglich entstandene Verbindlichkeiten berücksichtigen zu können (vgl. dazu LAG Hamm 31. Mai 2010 - 14 Ta 98/10 - juris; 30. April 2012 - 4 Ta 662/11 - juris; 25. April 2018 - 5 Ta 101/18 - juris).



3. Der Umstand, dass sich der Beklagte in der Insolvenz befindet, steht der Anordnung einer Ratenzahlung nicht entgegen.



a) Die bei einer bedürftigen Partei unterhalb der Pfändungsfreigrenzen liegenden Beträge können, soweit sie nicht nach § 115 ZPO absetzbar sind, bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 120a ZPO zu einer nachträglichen Zahlungsanordnung aufgrund eines einsetzbaren Einkommens führen (vgl. BGH 28. August 2020 - XII ZB 119/19 - juris, Rn. 21, 23).



Das gilt grundsätzlich unabhängig davon, ob sich die Partei in einem Insolvenzverfahren befindet oder nicht. Dieses steht nur dann der Anordnung einer Ratenzahlung im Nachprüfungsverfahren entgegen, wenn es sich um Gerichtskosten handelt, die bereits bei Insolvenzeröffnung angefallenen sind. Hier ist die Staatskasse ebenso Insolvenzgläubigerin wie für auf sie gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 RVG übergegangene, vor Insolvenzeröffnung entstandene Rechtsanwaltsgebühren. Solche Insolvenzforderungen können nur im Rahmen des Insolvenzverfahrens und damit nicht im Wege einer verfahrenskostenhilferechtlichen Zahlungsanordnung geltend gemacht werden, so dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens der nachträglichen Anordnung von Zahlungen im Änderungsverfahren nach § 120a ZPO entgegensteht (vgl. BGH 28. August 2020 - XII ZB 119/19 - juris, Rn. 15 f.).



b) Diese Voraussetzungen sind jedoch im vorliegenden Fall nicht erfüllt.



aa) Das Insolvenzverfahren 160 IN 5/16, in dem derzeit die Wohlverhaltensphase des Beklagten für eine Restschuldbefreiung noch läuft, steht der Anordnung der Ratenzahlung nicht entgegen. Es handelt sich um ein Insolvenzverfahren, dass bereits im Jahr 2016 gegen den Beklagten auf eigenen Antrag - wie der weitere Antrag auf Restschuldbefreiung zeigt - eröffnet wurde. Nur in diesem Rahmen kann nach § 287 InsO ein Antrag auf Restschuldbefreiung unter Beachtung bestimmter Formalien und materieller Voraussetzungen gestellt werden. Wird die Restschuldbefreiung erteilt, wirkt sie gegen alle Insolvenzgläubiger. Dies gilt auch für Gläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben (§ 301 Abs. 1 InsO).



Die Staatskasse ist in diesem Verfahren keine Insolvenzgläubigerin. Ihre Forderung ist erst im Jahr 2018 nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens 160 IN 5/16 entstanden Die Erteilung einer Restschuldbefreiung, welche frühestens im Jahr 2022 ansteht, würde ihr gegenüber hinsichtlich der Geltendmachung eines Anspruchs auf Erstattung von verauslagten Rechtsanwaltskosten und sonstige Prozesskosten für ein Verfahren aus dem Jahr 2018 keine Wirkung entfalten. Die Restschuldbefreiung gilt nicht für Neugläubiger.



bb) Bezogen auf das Insolvenzverfahren 160 IN 20/18 steht dieses einer Anordnung der Ratenzahlung nicht mehr entgegen.



(1) Der den von der Staatskasse verauslagten Kosten für die beigeordneten Bevollmächtigten zugrundeliegende, übergegangene Anspruch war vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens 160 IN 20/18, welche erst am 27. April 2018 erfolgte, bereits entstanden. Rechtsanwaltsgebühren entstehen mit der Beauftragung der Prozessbevollmächtigten, im Falle des Beklagten spätestens mit deren Meldung im Verfahren am 3. April 2018. Der erst mit dem Bewilligungsbeschluss vom 14. September 2018 erfolgte Übergang nach § 59 Abs. 1 Satz 1 RVG ändert daran nichts. Damit war die Staatskasse mit ihrer Forderung lediglich Insolvenzgläubigerin.



(2) Das Insolvenzverfahren 160 IN 20/18 wurde am 29. Juni 2020 nach Vollzug der Schlussverteilung gemäß § 200 InsO aufgehoben. Die Insolvenzgläubiger können nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens ihre restlichen Forderungen gegen den Schuldner unbeschränkt geltend machen (§ 201 Abs. 1 InsO). Das gilt auch für den auf die Staatskasse übergegangenen Anspruch auf Rechtsanwaltsvergütung. Die Aufhebung des Insolvenzverfahrens lässt die Anordnung von Ratenzahlungen im Nachprüfungsverfahren des § 120a ZPO wieder zu.



(3) Die Vorschriften über die Restschuldbefreiung werden zwar von § 201 Abs. 1 InsO nicht berührt (§ 201 Abs. 3 InsO). Eine Restschuldbefreiung ist aber bezogen auf das Verfahren 160 IN 20/18 aufgrund der Einleitung durch den Antrag eines Gläubigers ausgeschlossen, weil diese einen Eigenantrag des Schuldners - hier des Beklagten - voraussetzt (§ 287 Abs. 1 Satz 1 InsO).



4. Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestehen nicht.

Vorschriften§ 120a ZPO, § 35 InsO, § 11 Abs. 1 RPflG, § 46 Abs. 2 Satz 3, § 78 Satz 1 ArbGG, § 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, §§ 567 ff. ZPO, § 120a Abs. 1 Satz 3 ZPO, § 115 ZPO, § 59 Abs. 1 Satz 1 RVG, § 287 InsO, § 301 Abs. 1 InsO, § 200 InsO, § 201 Abs. 1 InsO, § 201 Abs. 3 InsO, § 287 Abs. 1 Satz 1 InsO