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Urteil vom 06.11.2018 · IWW-Abrufnummer 207761

Landesarbeitsgericht Hamm - Aktenzeichen 12 Sa 755/18

1. Tarifverträge, die auf andere Tarifverträge verweisen, sind im Zweifel eng auszulegen.

2. Weder der TVöD-NRW insgesamt noch dessen Eingruppierungsverzeichnis finden auf die Arbeitsverhältnisse bei den Studierendenwerken in Nordrhein-Westfalen Anwendung.


Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 29.06.2018 - 8 Ca 888/18 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand



Die klagende Gewerkschaft und die beklagte Tarifgemeinschaft streiten um die Anwendbarkeit eines Tarifvertrages.



Bei der Beklagten handelt es sich um einen Zusammenschluss der Studierendenwerke des Landes Nordrhein-Westfalen in der Rechtsform eines nicht eingetragenen Vereins. Die Studierendenwerke beschäftigen zurzeit ca. 4.500 Mitarbeiter, davon etwa die Hälfte im gastronomischen Bereich. Aufgrund eines Tarifvertrages, abgeschlossen mit der klagenden Gewerkschaft ver.di, war die Geltung des BAT für den Bereich Bund/Länder vereinbart.



Unter dem 26.04.2006 schloss die Klägerin und die Beklagte einen "Tarifvertrag zur Anwendung des TVöD (VKA), des TV-Ü (VKA) sowie weiterer Tarifverträge auf die Beschäftigten der Studentenwerke in Nordrhein-Westfalen" gültig ab dem 01.09.2006. In dem Tarifvertrag heißt es in § 2 u. a.:



"Auf die Beschäftigten der Studentenwerke in Nordrhein-Westfalen finden ab 01.09.2006 folgende Tarifverträge in der jeweiligen geltenden Fassung Anwendung:



(1) Tarifvertrag öffentlicher Dienst (TVöD) vom 13. September 2005 in der jeweiligen Fassung für die VKA einschließlich der vereinbarten Anhänge sowie der Anlage A (VKA)



(2) Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-VKA) vom 13. September 2005 mit folgenden Abweichungen:



- Die Zuordnung der Vergütungs- und Lohngruppen zu den Entgeltgruppen für am 31. August/1. September 2006 vorhandene Beschäftigte für die Überleitung richtet sich bei den Entgeltgruppen 2 - 9 nach der Anlage 2 (TVÜ-Bund), bei den Entgeltgruppen 10 - 15 nach der Anlage 1 (TVÜ-VKA) (Anhang 1 zu diesem Tarifvertrag).



- Vorläufige Zuordnung der Vergütungs- und Lohngruppen zu den Entgeltgruppen für zwischen dem 01.09.2006 und dem in Kraft treten der neuen Entgeltordnung stattfindende Eingruppierungs- und Einreihungsvorgänge für die Entgeltgruppen 1 bis 9 nach der Anlage 4 (TVÜ-Bund), für die Entgeltgruppen 10 bis 15 nach der Anlage 3 (TVÜ-VKA) (Anhang 2 zu diesem Tarifvertrag).



- § 7 TVÜ-VKA (Stufenzuordnung der Arbeiterinnen und Arbeiter) wird wie folgt abgeändert:



Absatz 1 erhält folgende Fassung: "Beschäftigte aus dem Geltungsbereich des MTArb werden einer ihrem bisherigen Monatstabellenlohn entsprechenden individuellen Zwischenstufe der gemäß § 4 bestimmten Entgeltgruppe zugeordnet. Zum 1. Oktober 2007 steigen diese Beschäftigten in die dem Betrag nach nächsthöhere reguläre Stufe ihrer Entgeltgruppe auf. Der weitere Stufenaufstieg richtet sich nach den Regelungen des TVöD.



- Absatz 2 bleibt unverändert



- Absatz 3 wird ersatzlos gestrichen



- Absatz 4 bleibt unverändert



- § 4 Entgeltordnung



(1) Die neue Entgeltordnung zum TVöD (VKA) wird mit In-Kraft-Treten Bestandteil dieses Anwendungstarifvertrages.



(2) Zusätzlich werden in Form eines Ergänzungstarifvertrages studentenwerksspezifische Eingruppierungsbeispiele als spezielle Eingruppierungsbestimmungen in den Funktionsbereichen Verpflegung, BAföG und Wohnen zwischen den Parteien diese Anwendungstarifvertrages vereinbart. Die Verhandlungen dazu werden unverzüglich nach In-Kraft-Treten dieses Anwendungstarifvertrages aufgenommen.



Die studentenwerksspezifischen Beispiele finden nur auf die Beschäftigten Anwendung, die nach dem 1. September 2006 bei den Studentenwerken neu eingestellt werden.



Protokollerklärung zu § 4



Grundlage für die Verhandlungen der speziellen Eingruppierungsbestimmungen sind die von der Tarifgemeinschaft der Studentenwerke NRW am 17. März 2006 vorgelegten Vorschläge für die Bereiche Verpflegung, BAföG und Wohnen und der Anhang 2 dieses Tarifvertrages.



Bis zum In-Kraft-Treten der studentenwerksspezifischen Eingruppierungen gelten die bisher betrieblich vorgenommenen Eingruppierungen weiter.



Am 19.12.2006 schlossen die Klägerin und der Kommunale Arbeitgeberverband Nordrhein-Westfalen (KAV NW) den "Landesbezirklichen Tarifvertrag vom 19.12.2006 zum TVöD im Bereich des KAV NW (TVöD-NRW)" gültig ab 01.01.2017.



Dieser Tarifvertrag wurde bei den Studierendenwerken des Landes Nordrhein-Westfalen nicht angewandt.



Mit Wirkung zum 01.01.2017 trat die neue Entgeltordnung zum TVöD (VKA) in Kraft. Sie eröffnet in einem Anhang mit der Überschrift "Regelungskompetenzen" den Tarifvertragsparteien auf Landesebene die Möglichkeit, im Bereich des Besonderen Teils Verwaltung (BT-V) in den Entgeltgruppen 2 bis 9a spezielle Tätigkeitsmerkmale zu vereinbaren. Vor diesem Hintergrund haben die Klägerin und der KAV NW mit Wirkung vom 01.01.2017 mit dem 9. Änderungstarifvertrag vom 30.06.2016 § 11 a TVöD-NRW vereinbart, der in einem Anhang für bestimmte Beschäftigte, nämlich die Beschäftigten i.S.d des § 38 Abs. 5 S. 2 TVöD-AT ein gesondertes "Eingruppierungsverzeichnis" schafft.



Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, für die Arbeitnehmer der in der beklagten Tarifgemeinschaft zusammengeschlossenen Studierendenwerke gelte aufgrund § 2 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 des Anwendungstarifvertrages der TVöD-NRW. Zumindest ergebe sich aus § 4 Abs. 1 des Anwendungstarifvertrages jedoch die Geltung von § 11 a des TVöD-NRW für die Arbeitnehmer der im Beklagten zusammengeschlossenen Studierendenwerke. Dies folge aus dem Wortlaut des Tarifvertrages. Verwiesen werde auf die "jeweils geltende Fassung" des TVöD (VKA). Gleiches gelte für die Entgeltordnung die mit In-Kraft-Treten Bestandteil des Anwendungstarifvertrages geworden sei. Selbst wenn der TVöD-NRW nicht vollumfänglich Anwendung fände, so sei jedenfalls § 11 a TVöD anwendbar. Denn Bestandteil der Entgeltordnung sei der Anhang "Regelungskompetenzen". Dieser sehe u. a. für den dort genannten Bereich eine Delegation der Regelungskompetenz auf die Landesebene vor und enthalte außerdem für den Bereich des KAV NW abweichende Oberbegriffe sowie die dazu gehörige Regelung nach dem TVöD-NRW. Von dieser Eröffnungsklausel sei durch die Schaffung des § 11 a TVöD-NRW Gebrauch gemacht worden.



Die Klägerin hat beantragt,

1) festzustellen, dass der Landesbezirkliche Tarifvertrag zum TVöD im Bereich des KAV NW (TVöD-NRW), abgeschlossen zwischen dem Kommunalen Arbeitgeberverband Nordrhein-Westfalen (KAV NW) und er Klägerin, in seiner jeweils geltenden Fassung für die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die Mitglied der Klägerin sind und die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages zur Anwendung des TVöD (VKA), des TV-Ü (VKA) sowie weiterer Tarifverträge auf die Beschäftigten der Studentenwerke in Nordrhein-Westfalen vom 26. April 2006, abgeschlossen zwischen der Klägerin und dem Beklagten, fallen, gilt, hilfsweise festzustellen, dass § 11 a und Anhang 11 a Teil A des Landesbezirklichen Tarifvertrages zum TVöD im Bereich des KAV NW (TVöD-NRW), abgeschlossen zwischen dem Kommunalen Arbeitgeberverband Nordrhein-Westfalen (KAV NW) und der Klägerin, in seiner Fassung vom 20.12.2016 für die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die Mitglied der Klägerin sind und die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages zur Anwendung des TVöD (VKA, des TV-Ü (VKA) sowie weiterer Tarifverträge auf die Beschäftigten der Studentenwerke in Nordrhein-Westfalen vom 26. April 2006, abgeschlossen zwischen der Klägerin und dem Beklagten, fallen gilt. 2) den Beklagte zu verurteilen, auf ihre Mitglieder einzuwirken, den Landesbezirklichen Tarifvertrag zum TVöD im Bereich des KAV NW (TVöD-NRW), abgeschlossen zwischen dem Kommunalen Arbeitgeberverband Nordrhein-Westfalen (KAV NW) und der Klägerin, in seiner jeweils geltenden Fassung auf die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die Mitglied der Klägerin sind und die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages zur Anwendung des TVöD (VKA), des TV-Ü (VKA) sowie weiterer Tarifverträge auf die Beschäftigten der Studentenwerke in Nordrhein-Westfalen vom 26. April 2006 fallen, abgeschlossen zwischen der Klägerin und der Beklagten, anzuwenden,hilfsweiseden Beklagten zu verurteilen, auf ihre Mitglieder einzuwirken, § 11 a und Anhang 11 a Teil A des Landesbezirklichen Tarifvertrages zum TVöD im Bereich des KAV NW (TVöD-NRW), abgeschlossen zwischen dem Kommunalen Arbeitgeberverband Nordrhein-Westfalen (KAV NW) und der Klägerin, in seiner Fassung vom 20.12.2016 auf die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die Mitglied der Klägerin sind und die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages zur Anwendung des TVöD (VKA), des TV-Ü (VKA) sowie weiterer Tarifverträge auf die Beschäftigten der Studentenwerke in Nordrhein-Westfalen vom 26. April 2006 fallen, abgeschlossen zwischen der Klägerin und der Beklagten, anzuwenden.



Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.



Sie hat die Auffassung vertreten, der TVöD-NRW gelte vor dem Hintergrund des Anwendungstarifvertrages nicht. Die Formulierung "jeweils geltende Fassung" sei rein zeitdynamisch zu verstehen. Die detailgetreue Aufzählung in § 2 des Anwendungstarifvertrages spreche aus systematischen Gründen gegen eine Einbeziehung des TVöD-NRW. Dieses Ergebnis werde durch den Zweck und die Entstehungsgeschichte des Anwendungstarifvertrages bestätigt. Aus § 4 des Anwendungstarifvertrages ergebe sich keine Verpflichtung zur Durchführung des TVöD-NRW. Voraussetzung für die Anwendung dieses Anhangs "Regelungskompetenzen" wäre nämlich die Geltung des Besonderen Teils Verwaltung (BT-V) zum TVöD (VKA), was jedoch nicht der Fall sei. § 11 a TVöD-NRW finde seinem Wortlaut nach nur für Beschäftigte bei Mitgliedern des KAV NW Anwendung, die vom BT-V des TVöD (VKA) erfasst würden. Der BT-V sei aber im Anwendungstarifvertrag nicht in Bezug genommen worden.



Mit Urteil vom 29.06.2018 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Die Klage sei zwar zulässig aber unbegründet. Der Anwendungstarifvertrag sei dahingehend auszulegen, dass weder der TVöD-NRW insgesamt noch § 11 a Teil A des TVöD-NRW in Bezug genommen worden seien. Weder Wortlaut noch Systematik und Wille der Tarifvertragsparteien stützten die Auffassung der Klägerin. Auch § 11 a TVöD-NRW und der Anhang § 11 a Teil A des TVöD-NRW fänden auf die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Mitglieder des Beklagten keine Anwendung. § 4 Abs. 1 des Anwendungstarifvertrages enthalte keine eigenständige konstitutive Inbezugnahmeklausel. Selbst wenn § 11 a TVöD-NRW aufgrund §§ 2 und 4 des Anwendungstarifvertrages gälte, würde er die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Mitglieder der Beklagten nicht erfassen. Denn das Eingruppierungsverzeichnis gemäß Anhang zu § 11 a Teil A TVöD-NRW gelte nur für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Bereich BT-V bzw. im besonderen Teil der Entsorgung- und Flughäfen.



Gegen das ihr am 05.07.2018 zugestellte und wegen der weiteren Einzelheiten in Bezug genommene Urteil hat die Klägerin am 30.07.2018 Berufung eingelegt und diese am 24.08.2018 begründet.



Das Arbeitsgericht Dortmund habe verkannt, dass sich aus einer Gesamtschau des Wortlauts, der Systematik und des historischen Zustandekommens des Anwendungstarifvertrages ergebe, dass dieser nicht nur auf den TVöD (VKA) in der jeweiligen bundesweit geltenden Fassung verweise, sondern auf den TVöD (VKA) in der jeweils in Nordrhein-Westfalen geltenden Fassung. Die Aufzählung der neben dem TVöD (VKA) zur Anwendung kommenden Tarifverträge in § 2 Abs. 1 - 10 Anwendungstarifvertrag schließe nicht aus, dass der TVöD-NRW als Bestandteil des TVöD (VKA) in der in Nordrhein-Westfalen geltenden Fassung durch § 2 Eingangssatz i. V. m. § 2 Abs. 1 des Anwendungstarifvertrag in Bezug genommen werde. Eine ausdrückliche Aufnahme des TVöD-NRW sei nicht erforderlich gewesen, da der TVöD- NRW unter Berücksichtigung der entsprechenden Öffnungsklauseln im TVöD (VKA) als dessen Bestandteil für den räumlichen Geltungsbereichs des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen an der Verweisung auf den TVöD (VKA) in § 2 Abs. 1 Anwendungstarifvertrag teilnehme. Es sei zu berücksichtigen, dass das Tarifrecht des Kommunalen Öffentlichen Dienstes in Nordrhein-Westfalen in Gestalt des TVöD (VKA) und seiner Vorgängertarifverträge (BAT und BMTG) ausnahmslos in einer Kombination der bundesweit geltenden Tarifvorschriften dieses Tarifvertrages und der auf Grundlage entsprechender Öffnungsklauseln in diesem Tarifvertrag von den Tarifvertragsparteien Nordrhein-Westfalen abgeschlossenen landesbezirklichen bzw. bezirklichen Ergänzungstarifverträgen zur Anwendung komme und gekommen sei. Dies sei den Tarifvertragsparteien des Anwendungstarifvertrages bei Abschluss bekannt gewesen. Bereits vor Abschluss des TVöD-NRW im Jahre 2006 sei das bundesweit geltende Tarifrecht des Kommunalen Öffentlichen Dienstes für das Land Nordrhein-Westfalen regelmäßig durch einen bezirklichen Tarifvertrag, den Bezirks-Zusatztarifvertrag (BZT-G/NRW) ergänzt worden, der von den Tarifvertragsparteien der Vorläufertarifverträge des TVöD, des BAT und BMTG, auf Grundlage entsprechender Öffnungsklausel im bundesweit geltenden Tarifrecht abgeschlossen worden sei. Der TVöD-NRW habe auf der Grundlage derartiger Öffnungsklauseln im TVöD (VKA) die landesbezirklichen Tarifverträge abgelöst. Da den Tarifvertragsparteien des Anwendungstarifvertrages bei dessen Abschluss die Ausgestaltung des Tarifrechts des Kommunalen Öffentlichen Dienstes in NRW bekannt gewesen sei, hätte die Geltung des TVöD -NRW ausdrücklich ausgeschlossen werden müssen.



Jedenfalls ergebe sich aus § 4 Abs. 1 Anwendungstarifvertrag die Geltung der Eingruppierungsvorschriften des § 11 a TVöD-NRW, weil die Entgeltordnung zum TVöD mit ihrem In-Kraft-Treten uneingeschränkt Bestandteil des Anwendungstarifvertrages geworden sei. Bestandteil der Entgeltordnung sei auch der Anhang A mit dem Titel "Regelungskompetenzen", aus dem sich ergebe, welche Eingruppierungsvorschriften von den Tarifvertragsparteien auf Bundes- und Landesebene in Umsetzung der Entgeltordnung vereinbart werden könnten. Von dieser Delegation hätten die Tarifvertragsparteien Nordrhein-Westfalen Gebrauch gemacht und in § 11 a TVöD-NRWvereinbart, dass das Eingruppierungsverzeichnis die entsprechenden Regelungen der Entgeltordnung ersetze. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts sei die Inbezugsnahmeklausel auch als konstitutiv anzusehen. Der TVöD-NRW sei auch nicht von "Dritten" vereinbart worden. Auch der landesbezirkliche Tarifvertrag werde von den Tarifvertragsparteien des TVöD (VKA) abgeschlossen, nämlich von der Klägerin und dem KAV NW dem satzungsrechtlich als Verbandsmitglied der VKA und tarifrechtlich durch die Öffnungsklausel in der Entgeltordnung Regelungskompetenz zukomme. Schließlich sei die Geltung des BT-V von § 11 a TVöD-NRW nach dem Wortlaut nicht erforderlich.



Die Klägerin beantragt,

auf die Berufung der Klägerin das Urteil des Arbeitsgericht Dortmund vom 29.06.2018 - 8 Ca 888/18 abzuändern und festzustellen, dass der Landesbezirkliche Tarifvertrag zum TVöD im Bereich des KAV NW (TVöD-NRW), abgeschlossen zwischen dem Kommunalen Arbeitgeberverband Nordrhein-Westfalen (KAV NW) und der Klägerin, in seiner jeweils geltenden Fassung für die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die Mitglied der Klägerin sind und die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages zur Anwendung des TVöD (VKA), des TV-Ü (VKA) sowie weiterer Tarifverträge auf die Beschäftigten der Studentenwerke in Nordrhein-Westfalen vom 26. April 2006, abgeschlossen zwischen der Klägerin und der Beklagten, fallen, gilt, hilfsweise festzustellen, dass § 11 a und Anhang 11 a Teil A des Landesbezirklichen Tarifvertrages zum TVöD im Bereich des KAV NW (TVöD-NRW), abgeschlossen zwischen dem Kommunalen Arbeitgeberverband Nordrhein-Westfalen (KAV NW) und der Klägerin, in seiner Fassung vom 20.12.2016 für die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die Mitglied der Klägerin sind und die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages zur Anwendung des TVöD (VKA), des TVÜ (VKA) sowie weiterer Tarifverträge auf die Beschäftigten der Studentenwerke in Nordrhein-Westfalen vom 26. April 2006, abgeschlossen zwischen der Klägerin und der Beklagten, fallen, gilt. Die Beklagte zu verurteilen, auf ihre Mitglieder einzuwirken, den Landesbezirklichen Tarifvertrag zum TVöD im Bereich des KAV NW (TVöD-NRW), abgeschlossen zwischen dem Kommunalen Arbeitgeberverband Nordrhein-Westfalen (KAV NW) und der Klägerin, in seiner jeweils geltenden Fassung auf die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die Mitglied der Klägerin sind und die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages zur Anwendung des TVöD (VKA), des TVÜ (VKA) sowie weiterer Tarifverträge auf die Beschäftigten der Studentenwerke in Nordrhein-Westfalen vom 26. April 2006 fallen, abgeschlossen zwischen der Klägerin und der Beklagten, anzuwenden, hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, auf ihre Mitglieder einzuwirken, § 11 a und Anhang 11 A Teil A des Landesbezirklichen Tarifvertrages zum TVöD im Bereich des KAV NW (TVöD-NRW), abgeschlossen zwischen dem Kommunalen Arbeitgeberverband Nordrhein-Westfalen (KAV NW) und der Klägerin, in seiner Fassung vom 20.12.2016 auf die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die Mitglied der Klägerin sind und die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages zur Anwendung des TVöD (VKA), des TV-Ü (VKA) sowie weiterer Tarifverträge auf die Beschäftigten der Studentenwerke in Nordrhein-Westfalen vom 26. April 2006 fallen, abgeschlossen zwischen der Klägerin und der Beklagten, anzuwenden.



Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.



Das Arbeitsgericht habe die Klage zu Recht abgewiesen. Weder der landesbezirkliche TVöD im Bereich des KAV NW (TVöD-NRW) noch § 11 a TVöD-NRW und Anhang § 11 a Teil A des TVöD-NRW fänden auf die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Mitglied der Klägerin sind und die unter den Geltungsbereich des Anwendungstarifvertrages fallen, Anwendung. Dies ergebe sich aus der Auslegung des Tarifvertrages. Auch die bisherige Tarifpraxis spreche gegen eine Anwendbarkeit. Die Klägerin habe in den zurückliegenden Jahren seit Abschluss des Anwendungstarifvertrages und des TVöD-NRW eine Bezugnahme des Letzteren nie vertreten oder dessen Umsetzung von der Beklagten gefordert. Dies sei erst geschehen, nachdem die Klägerin günstige Tarifergebnisse aus den Verhandlungen mit dem KAV NW auf kommunaler Ebene gefunden hatte. Im Übrigen vertieft die Beklagte ihr erstinstanzliches Vorbringen.



Bereits zuvor hat die Klägerin die aufgrund Mitgliedschaft mit der Beklagten verbundenen Studierendenwerke beim Arbeitsgericht Düsseldorf in Anspruch genommen, um einen Durchführungsanspruch aus dem Anwendungstarifvertrag durchzusetzen. Mit Urteil vom 22.11.2017 hat das Arbeitsgericht Düsseldorf die Klage rechtskräftig abgewiesen. Es hat die Klage für unbegründet gehalten, da die Studierendenwerke selbst nicht Parteien des Anwendungstarifvertrages geworden seien. Dieser Tarifvertrag sei von der hiesigen Beklagten im eigenen Namen abgeschlossen worden und nicht in Vertretung. Deswegen hätte die klagende Gewerkschaft auch keinen Anspruch auf Durchführung des Tarifvertrages gegen die einzelnen Studierendenwerke.



Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle Bezug genommen.



Entscheidungsgründe



Die zulässige Berufung ist unbegründet.



I. Die Berufung ist zulässig.



Sie ist gemäß § 64 Abs. 1 ArbGG statthaft und nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG zulässig sowie in gesetzlicher Form und Frist nach den §§ 66 Abs. 1 S. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519 ZPO eingelegt und fristgerecht ordnungsgemäß begründet worden.



II. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.



1. Die Klage ist zulässig.



a) Dies gilt insbesondere auch soweit die Klägerin Feststellung begehrt. Das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse folgt aus dem Umstand, dass die tarifschließenden Parteien über die Reichweite des von Ihnen geschlossenen Tarifvertrages streiten. Der Sache nach handelt es sich um eine Verbandsklage nach § 9 TVG. Nach dieser Norm sind rechtskräftige Entscheidungen der Gerichte für Arbeitssachen, die in Rechtsstreitigkeiten zwischen Tarifvertragsparteien aus dem Tarifvertrag oder über das Bestehen oder Nichtbestehen des Tarifvertrages ergangen sind, zwischen diesen und Dritten für Gerichte und Schiedsgerichte bindend. Dies zeigt einerseits, dass das Gesetz entsprechende Klagen voraussetzt und andererseits, dass die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO näher konkretisiert werden (vgl. BAG, 15.06.2016 - 4 AZR 805/14, Rn 15; BAG, 18.04.2012 - 4 AZR 371/10, Rn 27 ff.). Hier streiten die Tarifvertragsparteien darum, ob ein bestimmter bezirklicher Tarifvertrag, nämlich der TVöD-NRW aufgrund eines Tarifvertrages auf die Arbeitsverhältnisse Anwendung findet. Allein die aus § 9 TVG resultierende Bindungswirkung begründet das erforderliche Feststellungsinteresse.



b) Die Klage ist auch als Verbandsklage im Übrigen zulässig. Insbesondere ist die Beklagte passivlegitimiert, da sie den Tarifvertrag, um dessen Auslegung gestritten wird, als Vertragspartnerin geschlossen hat. Unabhängig davon welche Wirkungen die Entscheidung des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 22.11.2017 - 12 Ca 82/17 entfaltet, geht jedenfalls die Beklagte davon aus, dass sie Tarifvertragspartnerin ist, was für die Verbandsklage nach § 9 TVG ausreicht (BAG, 09.12.2009 - 4 AZR 190/08, Rn 39). Die Tariffähigkeit der Beklagten - wie im Übrigen auch der Klägerin - als nicht eingetragener Verein steht nach § 2 Abs. 1 TVG nicht in Frage, insbesondere ist für die Tariffähigkeit eine Rechtsfähigkeit nicht erforderlich (vgl. z. B. Erfurter Kommentar - Franzen, 19. Auflage 2019, § 2 TVG Rn 4; Löwisch/Rieble, 4. Aufl. 2017, § 2 RVG, Rn 10).



2. Die Klage ist mit dem in erster Linie gestellten Feststellungantrag unbegründet, wie das Arbeitsgericht zu Recht entschieden hat. Der TVöD-NRW findet auf die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Mitglieder Klägerin sind und die unter den Geltungsbereich des Anwendungstarifvertrages fallen, keine Anwendung. Dies ergibt die Auslegung des Anwendungstarifvertrages.



a) Die Rechtsnormen eines Tarifvertrages sind wie Gesetze auszulegen. Vom Wortlaut ausgehend sind der durch ihn vermittelte Wortsinn sowie der Gesamtzusammenhang und die Systematik der Bestimmung maßgeblich. Von besonderer Bedeutung sind aber auch Sinn und Zweck der Regelung. Es gebührt im Zweifel derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Regelung führt (vgl. BAG, 05.05.2015 - 1 AZR 806/13, Rn 14; BAG, 26.09.2017 - 1 AZR 711/15, Rn 15). Daneben können die Gerichte für Arbeitssachen - sofern ein zweifelsfreies Auslegungsergebnis nicht erzielt worden ist - ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, ggfs. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen (vgl. BAG, 20.02.2008 - 10 AZR 587/06, Rn 36; BAG, 04.04.2001 - 4 AZR 180/00). Berücksichtigung finden muss hier aber insbesondere, dass es um die Auslegung eines Anwendungs- oder Verweisungstarifvertrag geht. Die Tarifautonomie erlaubt es den Tarifvertragsparteien grundsätzlich, ihre Regelungs- und Rechtsetzungsmacht auf andere Tarifvertragsparteien zu delegieren oder auf jeweils andere Tarifnormen zu verweisen. Voraussetzung ist allerdings, dass die Geltungsbereiche des verweisenden Tarifvertrages und des anzuwendenden Tarifvertrages in einem engen sachlichen Zusammenhang stehen, und die jederzeitige Möglichkeit besteht, die Verweisungsbestimmungen aufzuheben, zu modifizieren oder zu ersetzen und die Kündigungsregelungen keine überlange Bindung vorsehen (BAG, 29.08.2007 - 4 AZR 561/06, Rn 28). Bei Verweisungsklauseln führt die dem zugrundeliegende Wertung im Zweifel zu einer engen Auslegung (vgl. BAG; 16.06.2010 - 4 AZR 944/08, Rn 29).



b) Unter Zugrundelegung dieser Auslegungskriterien findet das TVöD-NRW bei den Mitgliedern der Beklagten keine Anwendung.



aa) Die Reichweite der Anwendung von Tarifverträgen ist in § 2 des Anwendungstarifvertrages geregelt, in dem die Tarifverträge im Einzelnen aufgeführt sind. Dabei wird schon im Eingangssatz auf die "jeweils geltende Fassung" verwiesen. Üblicherweise wird der Verweis auf die "jeweils geltende Fassung" dahin zu verstehen sein, dass er in erster Linie zeitdynamisch zu verstehen ist (vgl. BAG, 27.09.2017 - 4 AZR 630/15, Rn 17; BAG, 16.06.2010 - 4 AZR 944/08, Rn 37).



bb) Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass nach § 2 Abs. 1 des Anwendungstarifvertrages der Tarifvertrag öffentlicher Dienst (TVöD) vom 13.09.2005 "in der jeweiligen Fassung für die VKA einschließlich der vereinbarten Anhänge sowie der Anlage A (VKA)" zur Anwendung kommen. Da die Zeitdynamik bereits im Eingangssatz angeordnet wird, ist nicht davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien das gleiche hier (deklaratorisch) noch einmal ausdrücklich regeln wollten. Der Sinn erschließt sich jedoch aus dem übrigen Satzteil. Es wird nämlich klargestellt, dass nicht der TVöD (Bund), sondern der TVöD "in der jeweiligen Fassung für die VKA" zur Anwendung kommen soll. Zugleich ist dem Wortlaut auch zu entnehmen, dass die für die VKA geltenden Tarifverträge, nicht aber die durch den KAV NW abgeschlossenen Tarifverträge anzuwenden sind. Da die aufgrund von Öffnungsklausel des alten Tarifrechts abgeschlossenen landesbezirklichen Regelungen insbesondere der Klägerin bekannt waren, wäre es ein Leichtes gewesen, im Anwendungstarifvertrag ausdrücklich zu regeln, dass auch landesbezirkliche Tarifverträge gelten sollen. Im Übrigen waren zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Anwendungstarifvertrags am 01.09.2016 die landesbezirklichen Tarifverträge zum alten Tarifrecht gem. § 2 Abs. 2 TVÜ (VKA) geltendes Tarifrecht, ohne dass dies auch nur ansatzweise zum Ausdruck kommt, obwohl ausgehend von der Argumentation der Klägerin der TVÜ (VKA) gem. § 2 Abs. 2 ebenfalls Anwendung findet.



cc) Auch ist hierin kein Verweis auf den später vereinbarten TVöD-NRW zu sehen. Bei dem im Anwendungstarifvertrag genannten TVöD in der Fassung VKA vom 13.09.2005 handelt es sich um einen Verbandstarifvertrag, der zwischen der Klägerin und der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) auf Bundesebene abgeschlossen worden ist. Die zeitdynamische Verweisung sollte aus Sicht des Abschlusses zunächst deutlich machen, dass spätere Änderungen des TVöD auf Bundesebene auch für die unter den Anwendungstarifvertrag fallenden Arbeitsverhältnisse Gültigkeit erlangen sollen. Damit haben sich die Tarifvertragsparteien späteren Änderungen unterworfen, die von den Tarifvertragsparteien des TVöD (der Klägerin und der VKA) vereinbart werden. Dabei kann aber hier nicht unberücksichtigt bleiben, dass der TVöD-NRW als landesbezirklicher Tarifvertrag aufgrund der Öffnung nach § 2 TVÜ VKA auf Arbeitgeberseite von einer anderen Tarifvertragspartei abgeschlossen worden ist. Tarifvertragspartner des im Jahre 2005 vereinbarten TVöD ist die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände mit Sitz in Berlin. Er ist als rechtsfähiger Verein des privaten Rechts in das Vereinsregister des AG Berlin-Charlottenburg eingetragen. Ausweislich seiner Satzung kann er als Spitzenorganisation gem. § 2 Abs. 2 und 3 TVG selbst Tarifvertragspartei sein. Der TVöD-NRW ist dem gegenüber als landesbezirklicher Zusatztarifvertrag vom örtlichen Kommunalen Arbeitgeberverband Nordrhein-Westfalen KAV NW, der nicht in Vertretung für die VKA auftritt, sondern eine eigene Rechtspersönlichkeit hat, abgeschlossen worden. Beim KAV NW handelt es sich ausweislich seiner Satzung um einen eingetragenen Verein, der seinen Zweck insbesondere durch den Abschluss von Tarifverträgen erfüllt und in das Vereinsregister beim AG Wuppertal eingetragen ist. Unter der Prämisse, dass Verweisungsklauseln in Tarifverträgen eng auszulegen sind, ist nicht anzunehmen, dass die Tarifvertragsparteien - insbesondere die Beklagte - bei Abschluss des Anwendungstarifvertrages die Einschränkung ihrer Rechtsmacht auch auf andere Tarifvertragsparteien ausdehnen wollten. Dagegen spricht -anders als die Klägerin meint - auch nicht § 2 Abs. 4 TVG. Nach dieser Vorschrift haften für die Erfüllung der gegenseitigen Verpflichtungen der Tarifvertragsparteien nicht nur die Spitzenorganisationen, sondern auch die ihnen angeschlossenen Verbände (vgl. BAG, 10.06.2009 - 4 AZR 77/08, Rn 42). Diese Regelung ist die Konsequenz des Umstandes, dass die Mitglieder gerade nicht Tarifvertragspartei der von den Spitzenorganisationen abgeschlossenen Tarifverträge werden und daher keine schuldrechtlichen Beziehungen zur Gewerkschaft bestehen (vgl. Erfurter Kommentar - Franzen, 19. Aufl. 2019, § 2 TVG Rn 32).



dd) Schließlich spricht auch die Historie nicht für die Vereinbarung des TVöD-NRW durch den Anwendungstarifvertrag. Bis 2005 lief die Trennlinie im Bereich der öffentlichen Arbeitgeber zwischen Bund/Ländern auf der einen Seite und dem kommunalen Bereich auf der anderen Seite. Deswegen gab es den BAT in der Bund/Länderfassung und in der Kommunalfassung. Ab 2005 hat sich diese Aufteilung verändert. Seitdem gibt es den TVöD in der Fassung Bund und Kommunen auf der einen Seite und den TV-L für die Bundesländer. Bei den Mitgliedern der Beklagten galten bis zum damaligen Zeitpunkt der BAT oder die entsprechenden Tarifverträge aus dem Arbeiterbereich in der jeweiligen Länderfassung. Mit Inkrafttreten des TVöD haben sich die Tarifvertragsparteien im Anwendungstarifvertrag darauf verständigt, dass fortan nicht die zuvor geltenden Regelungen für den Länderbereich Anwendung finden, sondern nunmehr diejenigen für den Kommunalbereich, indem auf den TVöD in der VKA-Fassung verwiesen wird. Deswegen stellte sich die Frage nach der Anwendung der für Nordrhein-Westfalen geltenden Bezirkszusatztarifverträge für die Studierendenwerke nicht, da diese zwar im BAT (VKA) eine Rolle spielten, nicht aber im Länderbereich. Dies mag der Grund dafür sein, dass auch bis zum Inkrafttreten der Entgeltordnung im Bereich TVöD (VKA) der TVöD-NRW faktisch bei den Studierendenwerken keine Rolle spielte. Da die für NRW mit dem KAV (NW) vereinbarten landesbezirklichen Tarifverträge historisch bei den Studierendenwerken keine Rolle spielten, spricht nichts dafür, dass die Tarifvertragsparteien bei Abschluss des Anwendungstarifvertrages diese nach § 2 TVÜ VKA noch geltenden Sonderregelungen durch später abzuschließenden TVöD-NRW ablösen wollten. Denn rechtstechnisch trat der TVöD-NRW nicht zum TVöD (VKA) hinzu, sondern ersetzte die bestehenden landesbezirklichen Regelungen, die über das Inkrafttreten des TVöD (VKA) hinaus weitergalten (vgl. BeckOK-Winter, § 2 TVÜ-VKA, Rn 10).



ee) Zudem spricht auch der Regelungsgehalt des TVöD-NRW nicht für seine Anwendung bei den Studierendenwerken. Teilweise werden die Regelungen des Anwendungstarifvertrages durch den TVöD-NRW ebenfalls geregelt. Dies gilt zum Beispiel für das Leistungsentgelt nach § 18 TVöD (§ 4 TVöD-NRW), das in § 3 des Anwendungstarifvertrages eine eigene Regelung erfahren hat. Im Bereich Verwaltung wird im TVöD-NRW an den Geltungsbereich des TVöD Besonderer Teil Verwaltung angeknüpft, während der Anwendungstarifvertrag lediglich auf § 43 und 44 TVöD Besonderer Teil Verwaltung verweist. Der TVöD-NRW befasst sich im Übrigen mit Arbeitnehmergruppen, die im Bereich der Studierendenwerke eher seltener zum Einsatz kommen.



3. Die Klage ist hinsichtlich des Hilfsantrags zum Feststellungsantrag unbegründet. § 11 a TVöD-NRW und sein Anhang 11 a Teil A finden keine Anwendung.



a) Da die Klage hinsichtlich des Hauptantrages der Abweisung unterliegt, fällt der Hilfsantrag zur Entscheidung an. Er ist für den Fall Unterliegens gestellt.



Mit diesem Antrag will die Klägerin feststellen lassen, dass § 11a TVöD-NRW und sein Anhang § 11 a Teil A Anwendung finden. In § 4 Abs. 1 des Anwendungstarifvertrages ist geregelt, dass die neue Entgeltordnung zum TVöD (VKA) mit ihrem Inkrafttreten Bestandteil des Anwendungstarifvertrages wird. Mit dem 01.01.2017 ist damit die Entgeltordnung geltendes Tarifrecht im Bereich der Studierendenwerke geworden. Diese beinhaltet neben dem Allgemeinen und dem Besonderen Teil auch einen mit "Regelungskompetenzen" bezeichneten Anhang. Dieser eröffnet den Tarifvertragsparteien auf Landesebene die Möglichkeit im Bereich des Besonderen Teils Verwaltung (TVöD BT-V) in den Entgeltgruppen 2 - 9a unter Beachtung bestimmter Grundsätze spezielle Tätigkeitsmerkmale zu vereinbaren. Von dieser Möglichkeit haben die Klägerin und der KAV (NW) in § 11 a TVöD-NRW und dem Anhang zu § 11a Teil A- Eingruppierungsverzeichnis für die Beschäftigten nach § 38 Abs. 5 S. 2 TVöD mit Wirkung zum 01.01.2017 Gebrauch gemacht.



b) Im Hinblick auf die Auslegung des § 4 Abs. 1 des Anwendungstarifvertrages gelten zunächst die Ausführungen oben unter 2. a) entsprechend. Anwendungstarifverträge sind eng auszulegen (BAG, 16.06.2010 - 4 AZR 944/08, Rn 29). Auch hier ist der Tarifvertrag (§ 11a TVöD-NRW) von einer anderen Tarifvertragspartei aufgrund einer Öffnungsklausel abgeschlossen worden. Ein qualitativer Unterschied zu § 2 TVÜ (VKA) ist nicht zu erkennen. Deswegen ist das Eingruppierungsverzeichnis im Anhang zu § 11a Teil A auch nicht Inhalt der von der Spitzenorganisation vereinbarten Entgeltordnung, sondern ein anderer Tarifvertrag. Das folgt schon aus § 11 a TVöD-NRW selbst, nach dessen Wortlaut für bestimmte Arbeitnehmer die Entgeltordnung "nicht gilt".



Zudem würden die Beschäftigten der Studierendenwerke schon von § 11 a TVöD-NRW nicht erfasst. Denn die Vorschrift bezieht sich nur auf Beschäftigte, die unter die Besonderen Teile Verwaltung, Entsorgung und Flughäfen fallen. Davon geht aber der Anwendungstarifvertrag selber nicht aus, wenn er in § 2 Abs. 7 lediglich auf § 43 BT-V (Überstunden) und § 44 BT-V (Reise- und Umzugskosten, Trennungsgeld), also nur auf Einzelnormen verweist. Fielen die in Betracht kommenden Beschäftigten bei den Studierendenwerken ohnehin nach dessen § 4 unter den Geltungsbereich des BT-V, bedürfte es der Regelung nicht, sie wäre überflüssig.



4. Der auf Einwirkung gerichtete Leistungsantrag ist sowohl als Hauptantrag, als auch Hilfsantrag unbegründet.



Da weder der TVöD-NRW insgesamt, noch § 11 a TVöD Anwendung findet, besteht auch keine schuldrechtliche Verpflichtung der Beklagten auf ihre Mitglieder einzuwirken.



III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Klägerin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.



Ein Anlass, die Revision gem. § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen, besteht nicht. Insbesondere hat keine entscheidungserhebliche Rechtsfrage nach § 72 Abs. 1 ArbGG im vorliegenden Fall grundsätzliche Bedeutung. Die Auslegung des Anwendungstarifvertrages hat keine über die bei der Beklagten organisierten Mitglieder hinausgehende Wirkungen und berührt weder die Interessen der Alleingemeinheit noch eines größeren Teils der Allgemeinheit. Allein die Bindungswirkung einer rechtskräftigen Entscheidung nach § 9 TVG vermag eine grundsätzliche Bedeutung nicht zu begründen (vgl. BAG, 10.07.2014 - 10 AZN 307/14).

Vorschriften§ 38 Abs. 5 S. 2 TVöD-AT, § 11 a TVöD, § 64 Abs. 1 ArbGG, § 64 Abs. 2 b) ArbGG, §§ 66 Abs. 1 S. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519 ZPO, § 256 Abs. 1 ZPO, § 9 TVG, § 2 Abs. 1 TVG, § 2 Abs. 2, 3 TVG, § 2 Abs. 4 TVG, § 43, 44 TVöD, § 38 Abs. 5 S. 2 TVöD, § 97 ZPO, § 72 Abs. 2 ArbGG, § 72 Abs. 1 ArbGG