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Beschluss vom 22.11.2018 · IWW-Abrufnummer 207560

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg - Aktenzeichen 7 Ta 1373/18

Zu den Vollstreckungsvoraussetzungen eines gerichtlichen Vergleichs


In Sachen
hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Kammer 7,
durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht R. als Vorsitzende
ohne mündliche Verhandlung
am 22. November 2018 beschlossen:

Tenor:
I. Die sofortige Beschwerden des Gläubigers gegen die Beschlüsse des Arbeitsgerichts Brandenburg an der Havel vom 1. Juni 2017 - 2 BV 11/94 - in der Fassung der Abhilfeentscheidung vom 24.07.2018 sowie vom 24.07.2018 - 2 BV 11/94 - werden zurückgewiesen.


II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.



Gründe



Die Beteiligten streiten über die Durchsetzung der von der Arbeitgeberin mit gerichtlichem Vergleich vom 14.07.1994 eingegangenen Verpflichtung zur Beachtung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG.



Dem Betriebsrat wurde am 28.07.1994 eine vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs erteilt. Mit Beschluss vom 07.11.1994 wurde auf Antrag des Betriebsrats zur Durchsetzung der dort enthaltenen Unterlassungsverpflichtung sowie zur Erzwingung übernommener Handlungsverpflichtungen Ordnungs- und Zwangsgelder angedroht. Die gegen diesen Beschluss von der Arbeitgeberin eingereichte sofortige Beschwerde hat das Landesarbeitsgericht Brandenburg mit Beschluss vom 6. Januar 1995 zurückgewiesen.



Mit Anträgen des Betriebsrats vom 02.10.2015, 31.03.2016 und 06.06.2016 verlangte dieser die Verhängung eines Zwangsgeldes hilfsweise Ordnungsgeldes wegen zahlreicher von ihm behaupteter Verstöße der Arbeitgeberin gegen den gerichtlichen Vergleich. Mit Beschluss vom 1. Juni 2017 verhängte das Arbeitsgericht gegen die Arbeitgeberin ein Zwangsgeld in Höhe von 1.500 Euro "wegen des Verstoßes gegen die Verpflichtung aus Ziffer 1 des Vergleichs vom 14.07.1994 entsprechend dem Beschluss vom 02.11.1994, mit der Begründung, die Arbeitgeberin habe am 10.08.2015 sowie am 20.08.2015 gegen ihre Verpflichtungen aus dem Vergleich verstoßen. Die darüber hinausgehenden Anträge wies das Arbeitsgericht mit der Begründung zurück, die Anträge auf Zwangsvollstreckung vom 31.03.2016, vom 06.06.2016 sowie aus dem Antrag vom 02.09.2015 bezüglich des Sachverhalts vom 02.09.2015 seien bereits unzulässig, da der Betriebsrat insoweit keine wirksamen Beschlüsse zur Festsetzung des Zwangsgeldes im gerichtlichen Verfahren gefasst habe.



Gegen diesen Beschluss, dessen Rechtsmittelbelehrung sich allein an die Beteiligte zu 2 richtet und der der Arbeitgeberin am 7. Juni 2017 zugestellt, dem Betriebsrat formlos übermittelt wurde, hat der Betriebsrat mit einem beim Arbeitsgericht am 20.Juni 2017 eingegangenen Schriftsatz, die Arbeitgeberin mit einem am 21. Juni 2017 eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt.



Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 24.07.2018 unter Zurückweisung der nachfolgend eingegangenen weiteren Zwangsvollstreckungsanträge des Betriebsrats der sofortigen Beschwerde der Arbeitgeberin, nicht aber der sofortigen Beschwerde des Betriebsrats abgeholfen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 27.12.2001 - 1 TaBV 15c/01 ausgeführt, die Warnfunktion aus den Verpflichtungen des Vergleichs vom 14.07.1994 sei nach einem Ablauf von mehr als 21 Jahren nicht mehr gegeben.



Gegen diesen dem Betriebsrat am 1. August 2018 zugestellten Beschluss richtet sich seine weitere sofortige Beschwerde, die er mit einem beim Landesarbeitsgericht am 6. August 2018 eingegangenen Schriftsatz eingelegt und begründet hat.



2. Die nach §§ 87 Abs. 2, § 85 Abs. 1 ArbGG i.V.m §§ 793, 567 Abs. 1 ZPO statthaften, von dem Betriebsrat nach § 78 Satz 1 ArbGG i.V.m §§ 569 Abs. 1 und 2, 571 Abs. 1 ZPO form- und fristgerecht eingelegten und damit insgesamt zulässigen sofortigen Beschwerden hatten in der Sache keinen Erfolg.



2.1 Soweit der Beschluss des Arbeitsgerichts vom 1. August 2018 neben der Abhilfeentscheidung nach § 572 ZPO eine Zurückweisung der weiteren Anträge des Betriebsrats beinhaltet, wurde von einer Vorlage zur Prüfung einer weiteren Abhilfeentscheidung durch das Arbeitsgericht nach § 572 Absatz 1 ZPO abgesehen, nachdem der Betriebsrat Beschwerde direkt beim Beschwerdegericht eingelegt hat (LAG Hamm, Beschluss vom 03.02.2010 - 10 Ta 537/09 - BeckRS 2010, 67339 mwN). Die ordnungsgemäße Durchführung des Abhilfeverfahrens ist keine Verfahrensvoraussetzung für das Beschwerdeverfahren (LAG Hamm, Beschluss vom 03.02.2010 - 10 Ta 537/09).



2.2 Den Anträgen des Betriebsrats und damit seinen Beschwerden war der Erfolg bereits deshalb zu versagen, weil er die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung nicht dargetan hat.



2.2.1 Nach § 85 Abs. 1 ArbGG, der die Zwangsvollstreckung im Beschlussverfahren regelt, findet aus gerichtlichen Vergleichen, durch die einem Beteiligten eine Verpflichtung (Handlung oder Unterlassung) auferlegt wird, die Zwangsvollstreckung nach Maßgabe der Regelungen der Zivilprozessordnung statt. Danach setzt die Durchführung der Zwangsvollstreckung nicht nur einen Titel sondern auch das Vorliegen einer vollstreckbaren Ausfertigung des Titels voraus. Die vollstreckbare Ausfertigung ist beim Gericht als Vollstreckungsorgan einzureichen, damit dieses prüfen kann, ob sie beim Gläubiger noch vorhanden ist (Düwell BetrVG 5. Aufl. 2018 § 23 Rz. 79; OLG Köln 29.03.2000 - 2 W 13/00 - NJW-RR 2000, 1580). Zudem muss ein Vergleich, der Grundlage der Zwangsvollstreckung sein soll, dem Schuldner zugestellt worden sein (§§ 794, 795, 750 ZPO). Da dies beim Vergleich nicht von Amts wegen geschieht, bedarf es der Zustellung durch den Gläubiger (Zöller § 795 ZPO Rz. 1).



2.2.2 Der Betriebsrat hat das Vorliegen dieser Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen, deren Fehlen die Arbeitgeberin bereits mit Schriftsatz vom 20.07.2018 gerügt hat, auch nach gerichtlichem Hinweis nicht nachgewiesen.



2.2.2.1 Zunächst hat er schon keine vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs vorgelegt. Auf den gerichtlichen Hinweis hat er vielmehr eingeräumt, dass sich eine vollstreckbare Ausfertigung nicht in seinen Händen befindet. Soweit der Betriebsrat darauf verweist, die entsprechenden Nachweise der formellen Zwangsvollstreckung müssten sich in der Akte befinden, ist festzustellen, dass dem Betriebsrat eine vollstreckbare Ausfertigung einmal erteilt wurde, diese aber in der mittlerweile 6bändigen Akte weder eingeheftet wurde, noch dort befindliche Schriftsätze darauf hinweisen, dass eine solche bei Einleitung der Zwangsvollstreckung zur Akte gereicht worden wären, noch ein entsprechender Aktenvermerk vorhanden ist, der darauf hätte hindeuten können, dass die vollstreckbare Ausfertigung bei der jeweiligen Antragsstellung vorgelegen hätte. Dass die Akte aufgrund des Zeitablaufs nur noch den Titel und die gerichtlichen Entscheidungen zur Androhung von Ordnungs- und Zwangsgelder enthält, enthebt den Gläubiger nicht davon, die ihm erteilten vollstreckbaren Ausfertigungen zu verwahren und bei Einleitung der Zwangsvollstreckung einzureichen. Es kann nicht unterstellt werden, die vollstreckbare Ausfertigung sei bei Einleitung der hier zwischen den Beteiligten im Streit stehenden Zwangsvollstreckung zur Akte gereicht und dann versehentlich mitvernichtet worden. Zum einen werden Titel regelmäßig nicht zur Vernichtung gegeben, zum anderen geschah die Aussortierung lange vor den jetzt zwischen den Beteiligten im Streit stehenden Vollstreckungsanträgen, für die eine vollstreckbare Ausfertigung hätte vorgelegt werden müssen. Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass sich auch die Entscheidungen über die Androhung von Ordnungs- und Zwangsgeldern weder in der Darstellung des Sachverhalts noch in den Gründen zu dem Vorliegen der vollstreckbaren Ausfertigung verhalten, obwohl die Androhung den Beginn der Zwangsvollstreckung darstellt (BGH 22.11.2012 - I ZB 18/12).



2.2.2.2 Darüber hinaus hat der Betriebsrat nicht dargetan, dass und wann der Vergleich der Arbeitgeberin zugestellt wurde. Ein solcher Vortrag war aber schon deshalb notwendig, um prüfen zu können, ob die sonstigen Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen. Der Betriebsrat macht mit seinen Anträgen im Wesentlichen die Unterlassung mitbestimmungswidrigen Verhaltens geltend. Ein solcher Unterlassungsanspruch ist nach § 890 ZPO durch Verhängung eines Ordnungsgeldes zu vollstrecken. Der Verurteilung zu einem Ordnungsgeld muss aber nach § 890 Abs. 2 ZPO eine entsprechende Androhung vorausgehen. Erfolgt diese nicht schon in dem Unterlassungstitel, sondern - wie im Streitfall durch gesonderten Beschluss, stellt bereits die Androhung den Beginn der Zwangsvollstreckung dar. Daher müssen auch bereits zu diesem Zeitpunkt die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung einschließlich der Zustellung des Titels vorliegen (BGH 22.11.2012 - I ZB 18/12 - juris). Wird der Titel erst später zugestellt, ist die Ordnungsmittelandrohung fehlerhaft und kann nur ex nunc mit der Zustellung des Vergleichs geheilt werden (BGH 22.11.2012 - I ZB 18/12 - juris).



2.2.2.3 Soweit der Betriebsrat mit Schriftsatz vom 20.11.2018 den Antrag gestellt hat, ihm nach § 733 ZPO eine weitere vollstreckbare Ausfertigung zu erteilen, war der Ausgang dieses Verfahrens nicht abzuwarten. Denn die Mängel des Zwangsvollstreckungsverfahrens können bezogen auf die hier zurzeit im Streit stehenden Anträge nicht rückwirkend geheilt werden. Denn auch wenn dem Betriebsrat eine weitere vollstreckbare Ausfertigung erteilt würde, hätte es im Zeitpunkt der Zuwiderhandlung und vor allem aber auch im Zeitpunkt der Einleitung der jeweiligen Zwangsvollstreckungsanträge an den zwingenden Voraussetzungen des Zwangsvollstreckungsverfahrens, nämlich des vollstreckbaren Titels in den Händen des Gläubigers, gefehlt. Da § 890 ZPO auch Strafcharakter zukommt, ist es in einem solchen Fall nicht gerechtfertigt, die Formstrenge des Zwangsvollstreckungsverfahrens durch die Möglichkeit einer rückwirkenden Heilung zu korrigieren (BGH 22.11.2012 - I ZB 18/12).



2.3 Aus diesen Gründen konnten die sofortigen Beschwerden des Betriebsrats keinen Erfolg haben. Seine Zwangsvollstreckungsanträge waren zurückzuweisen, ohne dass es auf die vom Arbeitsgericht aufgeworfene Frage ankam, ob die "Warnfunktion" aus den Verpflichtungen aus dem Vergleich vom 14. Juli 1994 nicht mehr bestanden haben. Auch war nicht darüber zu entscheiden, ob dies dann dazu führt, dem Vergleich vor Ablauf von 30 Jahren die Funktion eines vollstreckbaren Titels abzusprechen, obwohl das Arbeitsgericht - worauf der Betriebsrat hingewiesen hat - in dem Verfahren 2 BVGa 4/13 mit Beschluss vom 17.09.2013 vergleichbare Unterlassungsanträge wegen des hiesigen Titels bereits für unzulässig erachtet hat.



3. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde kam nicht in Betracht, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen.

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