OFD Frankfurt am Main - S 2246 A - 33 - St 210

Steuerliche Behandlung neuer Organisationsformen ärztlicher Betätigung;
Abgrenzung der freiberuflichen von der gewerblichen Tätigkeit

Zur Zeit werden zwischen den Kostenträgern und der Ärzteschaft verschiedene neue Formen der ärztlichen Leistungserbringung vereinbart.

Das BMF hat in Abstimmung mit den obersten Finanzbehörden der Länder anhand von vorgelegten Musterverträgen geprüft, ob bei den nachfolgend genannten Formen der ärztlichen Leistungserbringung freiberufliche oder gewerbliche Einkünfte erzielt werden. Danach gilt folgendes:

1. Hausarztzentrierte Versorgung nach § 73b SGB V

Bei der hausarztzentrierten Versorgung (sog. Hausarztmodell) verpflichtet sich der Versicherte gegenüber seiner Krankenkasse, ambulante fachärztliche Leistungen nur auf Überweisung des von ihm ausgewählten Hausarztes in Anspruch zu nehmen. Der Hausarzt übernimmt damit eine Lotsenfunktion und steuert den Behandlungsprozess. Im Gegenzug gewähren die Krankenkassen ihren Versicherten für die Teilnahme am Hausarztmodell einen finanziellen Bonus, zum Beispiel eine Erstattung der Praxisgebühren.

Der Hausarzt erhält eine Pauschalvergütung für die Beratung und Information der Versicherten bei deren Beitritt zum Hausarztmodell (Einschreibepauschale) sowie eine Pauschale für die Ausgestaltung des hausärztlichen Versorgungsgeschehens (Steuerungspauschale).

In den vorgelegten Musterverträgen waren keine gewerblichen Anteile enthalten. In der Übernahme der Koordination der medizinischen Maßnahmen, d.h. in der Steuerung des Behandlungsprozesses ist keine gewerbliche Tätigkeit zu sehen. Ungeachtet dessen sind derartige Verträge immer im Einzelfall auf das Vorhandensein gewerblicher Anteile zu prüfen.

2. Besondere ambulante Versorgung nach § 73c SGB V

Krankenkassen können mit Ärzten ohne Einschaltung der Kassenärztlichen Vereinigung besondere Versorgungsverträge im Bereich der ambulanten Versorgung abschließen (§ 73c SGB V). Die Möglichkeit der Ausgestaltung von Verträgen über die besondere ambulante Versorgung ist sehr vielfältig (z.B. Verträge über Hautscreening, Herzkrankheiten, Adipositas). Der Vorteil für den Arzt besteht beispielsweise darin, dass die gezahlten Pauschalvergütungen nicht in die Gesamtvergütung bzw. das Budget einfließen.

Aufgrund der vielfältigen vertraglichen Ausgestaltungen ist eine generelle Aussage zur ertragsteuerlichen Behandlung von Verträgen dieser Art nicht möglich. Vielmehr ist im jeweiligen Einzelfall zu prüfen, ob die Verträge auch gewerbliche Tätigkeiten (z.B. Abgabe von Medikamenten, die für die originäre ärztliche Tätigkeit nicht unmittelbar erforderlich sind) umfassen, die ggf. zu einer Umqualifizierung der Einkünfte führen.

3. Integrierte Versorgung nach § 140a ff SGB V

(vgl. insoweit auch ESt-Kartei § 15 Fach 2 Karte 10)

In den Fällen der integrierten Versorgung werden zwischen dem Arzt und der Krankenkasse Verträge abgeschlossen, nach denen die Krankenkasse dem Arzt für die Behandlung der Patienten Fallpauschalen zahlt, die sowohl die medizinische Betreuung als auch die Abgabe von Arzneien und Hilfsmitteln abdecken können. Für die Teilnahme an einem integrierten Versorgungsangebot erhalten die Versicherten meist spezielle Boni (zum Beispiel Wegfall der Krankenhauszuzahlung und der Praxisgebühr). Teilnehmenden Ärzten werden neben den Fallpauschalen teilweise zusätzliche Vergütungen gewährt.

Die Abgabe von Arzneien und Hilfsmitteln im Rahmen der integrierten Versorgung führt nicht zu einer gewerblichen Infektion der Einkünfte, wenn sich die Abgabe von Medikamenten und/oder Hilfsmitteln derart bedingen, dass die Durchführung der ärztlichen Heilbehandlung ansonsten nicht möglich wäre. In diesem Fall ist die Abgabe der Hilfsmittel oder Medikamente als ein unselbständiger Teil der Heilbehandlung zu beurteilen. Gleiches gilt auch für die Abgabe von Impfstoffen im Rahmen der Durchführung von Impfungen oder für den Einkauf von medizinischem Material zum Zwecke der Heilbehandlung.

4. Anstellung fachfremder oder fachgleicher Ärzte

Beschäftigt ein niedergelassener Arzt einen anderen Arzt, bedient er sich der Mithilfe fachlich vorgebildeter Mitarbeiter. Der niedergelassene Arzt erzielt in diesem Fall nur dann Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit, wenn er weiterhin leitend und eigenverantwortlich tätig wird. Dies erfordert grundsätzlich eine persönliche Teilnahme des arbeitgebenden Arztes an der praktischen Arbeit des angestellten Arztes in ausreichendem Umfang. Entscheidet der angestellte Arzt hingegen allein und eigenverantwortlich über die medizinische Versorgung der Patienten, erzielt der arbeitgebende Arzt grundsätzlich Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Insbesondere bei der Anstellung fachfremder Ärzte kann von einer Eigenverantwortlichkeit des Praxisinhabers nicht ausgegangen werden. Maßgebend für eine endgültige Bestimmung der Einkunftsart sind jedoch immer die Gesamtumstände des jeweiligen Einzelfalls.

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Fundstelle(n):
HAAAC-88022