· Fachbeitrag · P-Konto
Auszahlungssperre bei noch nicht ausgeschöpftem Freibetrag durch andere Gutschriften
| Ein Guthaben auf einem P-Konto unterliegt nicht der Auszahlungssperre des § 835 Abs. 4 S. 1 ZPO a. F., wenn und soweit im Zeitpunkt der Gutschrift dieses Guthabens der für den laufenden Monat zur Verfügung stehende Freibetrag nach § 850k Abs. 1 S. 1 ZPO a. F. noch nicht durch andere Gutschriften ausgeschöpft ist. Das hat jetzt der BGH entschieden. |
Relevanz für die Praxis
Die Entscheidung betrifft einen Fall, der vor Inkrafttreten des P-Konto-Fortentwicklungsgesetzes zum 1.12.21 (BGBl. I S. 2466) abgeschlossen wurde. Er lässt sich aber auf dessen Neuregelungen übertragen (BGH 20.9.22, XI ZR 5/21, Abruf-Nr. 232528). Kernaussage der Entscheidung: Die Auszahlungssperre des § 900 Abs. 1 S. 1 HS 1 ZPO (§ 835 Abs. 4 S. 1 ZPO a. F.) gilt nur für Gutschriften, die ein oberhalb des Freibetrags für den laufenden Monat liegendes Guthaben begründen und dieses daher ohne den Schutz des § 900 Abs. 1 S. 1 HS 1 ZPO ganz oder teilweise von der Pfändung erfasst würde. Es gilt wie folgt zu unterscheiden:
- Soweit der Schuldner in einem Kalendermonat nicht über das Guthaben in Höhe des Grundfreibetrags (derzeit 1.340 EUR) verfügt hat, wird dieses Guthaben gemäß § 899 Abs. 2 S. 1 ZPO in den drei nachfolgenden Kalendermonaten (§ 850k Abs. 1 S. 3 ZPO a. F.: einen Monat) zusätzlich zu dem nach § 899 Abs. 1 HS 1 ZPO (§ 850k Abs. 1 S. 1 ZPO a. F.) für diesen Monat geschützten Guthaben nicht von der Pfändung erfasst. Es wird somit der für diese Monate geltende Grundfreibetrag um den sogenannten Anspar-übertrag erhöht.
- Beachten Sie | Wird über das in einem Kalendermonat von der Pfändung freigestellte und in den drei Folgemonaten pfändungsfrei übertragene Guthaben nicht verfügt, unterfällt es am Ende dieses Folgemonats, also mit Beginn des vierten Kalendermonats der Pfändung. Trifft der Schuldner Verfügungen über sein pfandfreies Guthaben, sind diese zunächst auf das nach § 899 Abs. 2 S. 2 ZPO (§ 850k Abs. 1 S. 3 ZPO a. F.) übertragene Restguthaben aus den Vormonaten (den Ansparübertrag), anzurechnen und erst nach dessen Erschöpfung auf den neuen Grundfreibetrag des aktuellen Monats (BGH VE 18, 75).
- § 900 Abs. 1 HS 1 ZPO (§ 835 Abs. 4 S. 1 ZPO a. F.) regelt eine sog. Auszahlungssperre (BGH VE 15, 20). Danach darf der Drittschuldner im Fall der Pfändung und Überweisung von künftigem Guthaben auf einem P-Konto erst nach Ablauf des nächsten auf die jeweilige Gutschrift von Zahlungen folgenden Kalendermonats an den Pfändungsgläubiger leisten oder den Betrag hinterlegen. Erfasst sind alle Arten von Zahlungseingängen nach Zustellung des PfÜB, auch einmalige, nicht nur regelmäßige wiederkehrende Gutschriften von Arbeitseinkommen oder Sozialleistungen (BT-Drucksache 17/4776, S. 8).
- Beachten Sie | § 900 Abs. 1 HS 1 ZPO löst das sog. Monatsanfangsproblem. Dadurch wird verhindert, dass vor allem am Monatsende auf dem P-Konto eingehende Zahlungen von Lohn oder Sozialleistungen, die zum Bestreiten des Lebensunterhalts im Folgemonat bestimmt sind, der Pfändung unterfallen, wenn im Zeitpunkt der Gutschrift der monatliche Freibetrag bereits ausgeschöpft ist. Denn dann müsste eine Auskehr an den Gläubiger erfolgen, sodass dem Schuldner im Folgemonat (zunächst) kein Guthaben und damit faktisch auch nicht der (neue) Freibetrag bliebe, da Pfän‒dungsschutz nur für ein tatsächlich vorhandenes Guthaben gewährt wird (BT-Drucksache 16/12714, S. 19). Zudem bestimmt § 900 Abs. 2 ZPO (§ 850k Abs. 1 S. 2 ZPO a. F.), dass das nach § 900 Abs. 1 HS 1 ZPO (§ 835 Abs. 4 S. 1 ZPO a. F.) gesperrte Guthaben zu dem Guthaben nach § 899 Abs. 1 S. 1 ZPO (§ 850k Abs. 1 S. 1 ZPO a. F.) gehört, über das der Schuldner in Höhe seines Freibetrags verfügen darf. So wird das zurückgehaltene Guthaben in Höhe des individuellen monatlichen Freibetrags mit Beginn des neuen Monats nicht von der Pfändung erfasst (BT-Drucksache 17/4776, S. 8). Folge: Guthaben, das nach § 900 Abs. 2 ZPO (§ 835 Abs. 4 S. 1 ZPO a. F.) erst nach Ablauf des auf den Zahlungseingang folgenden Monats an den Pfändungsgläubiger geleistet werden darf, kann unter den Voraussetzungen des § 899 Abs. 2 S. 2 ZPO (§ 850k Abs. 1 S. 3 ZPO a. F.: einen Monat) in die hierauf folgenden drei Monate übertragen werden und erhöht für diesen Zeitraum den Freibetrag.
Beachten Sie | Das Risiko einer Auszahlung an den Gläubiger besteht aber nicht, sofern die Gutschrift den Grundfreibetrag (derzeit 1.340 EUR) nicht übersteigt. Grund: Eine solche Gutschrift ist bereits nach § 899 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 ZPO (§ 850k Abs. 1 S. 1 HS 2 und S. 3 ZPO a. F.) in dem Monat der Gutschrift und, sofern der Schuldner über das entsprechende Guthaben nicht verfügt hat, auch in den drei Folgemonaten von der Pfändung ausgenommen. Sie darf damit schon aufgrund dieser Regelung nicht an Gläubiger ausgekehrt werden, sodass insoweit kein Bedürfnis besteht, den Schuldner zusätzlich durch die Auszahlungssperre des § 900 Abs. 1 HS 1 ZPO (§ 835 Abs. 4 S. 1 ZPO a. F.) vor einer Leistung aus diesem Guthaben an einen Pfändungsgläubiger zu schützen.
MERKE | § 900 Abs. 2 ZPO (§ 850k Abs. 1 S. 2 ZPO a. F.) stellt nur klar, dass sich das unpfändbare Guthaben i. S. v. § 899 Abs. 1 HS 1 ZPO (§ 850k Abs. 1 S. 1 ZPO a. F.) auch aus Guthaben speisen kann, das aufgrund der Sperrfrist nach § 900 Abs. 2 ZPO (§ 835 Abs. 4 S. 1 ZPO a. F.) noch nicht an den Pfändungsgläubiger ausgezahlt worden ist. Folge: Das zurückgehaltene Guthaben wird i. H. d. individuellen monatlichen Freibetrags mit Beginn des neuen Monats nicht von der Pfändung erfasst und kann, soweit es in diesem neuen Monat nicht verbraucht worden ist, gemäß § 899 Abs. 2 S. 1 ZPO (§ 850k Abs. 1 S. 3 ZPO a. F.) in die nächsten drei Monate übertragen werden. |
Dagegen verändert die in § 900 Abs. 2 ZPO (§ 850k Abs. 1 S. 2 ZPO a. F.) geregelte Zurechnung von Einkünften des Vormonats zu dem Guthaben, aus dem im Folgemonat nach § 899 Abs. 1 S. 1 ZPO (§ 850k Abs. 1 S. 1 ZPO a. F.) i. H. d. Freibetrags verfügt werden kann, nicht den Freibetrag, über den der Schuldner in einem Monat verfügen kann. Hierdurch wird daher kein Ansparen von Guthaben über diesen Freibetrag hinaus ermöglicht und führt über § 899 Abs. 2 S. 2 ZPO (§ 850k Abs. 1 S. 3 ZPO a .F.) auch nicht zu einer zweimaligen Anwendung einer vom Gesetzgeber nur einmalig vorgesehenen Übertragungsmöglichkeit.