15.10.2013 · IWW-Abrufnummer 133222
Bundesgerichtshof: Beschluss vom 12.09.2013 – VII ZB 51/12
Das Vollstreckungsgericht prüft grundsätzlich nicht, ob die materiellen Voraussetzungen des § 850h Abs. 2 ZPO vorliegen; es hat unbeschadet zu beachtender Pfändungsschutzvorschriften nicht über Bestand und Höhe des fingierten Vergütungsanspruchs zu befinden. Ob und in welcher Höhe dem Gläubiger eine angemessene Vergütung gemäß § 850h Abs. 2 ZPO zusteht, ist gegebenenfalls vom Prozessgericht in dem gegen den Drittschuldner gerichteten Einziehungserkenntnisverfahren zu entscheiden.
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. September 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka, die Richterin Safari Chabestari, die Richter Dr. Eick, Kosziol und Dr. Kartzke
beschlossen:
Tenor:
Auf die Rechtsmittel des Gläubigers werden der Beschluss der 23. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld vom 3. September 2012 und der Beschluss des Amtsgerichts Vollstreckungsgericht - Rheda-Wiedenbrück vom 16. August 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten der Beschwerdeverfahren, an das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht zurückverwiesen.
Das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - darf den Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nicht aus den Gründen der aufgehobenen Beschlüsse ablehnen.
Gründe
I.
1
Der Gläubiger betreibt gegen die Schuldnerin die Zwangsvollstreckung wegen einer in einem Kostenfestsetzungsbeschluss titulierten Forderung (Hauptbetrag 404 €) sowie wegen Kosten.
2
Der Gläubiger hat den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses beantragt, durch den unter anderem die gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche der Schuldnerin auf Zahlung von Arbeitseinkommen gegen den Drittschuldner gepfändet und ihm zur Einziehung überwiesen werden sollen.
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Die Schuldnerin und der Drittschuldner leben in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammen. Der Drittschuldner ist berufstätig, während die Schuldnerin arbeitslos ist und den gemeinsamen Haushalt führt.
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Der Gläubiger ist der Ansicht, gemäß § 850h Abs. 2 ZPO gelte im Verhältnis zwischen ihm und dem Drittschuldner eine angemessene Vergütung für die Haushaltsführung seitens der Schuldnerin als geschuldet; diese Vergütung unterliege dem Pfändungszugriff.
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Das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - hat den Antrag des Gläubigers auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses wegen der angeblichen Ansprüche der Schuldnerin gegen den Drittschuldner aus einem fiktiven Arbeitseinkommen für die Haushaltsführung als unzulässig zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde des Gläubigers gegen diesen Beschluss ist erfolglos geblieben. Dagegen richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde des Gläubigers, mit der er den Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses wegen der angeblichen Anspr üche der Schuldnerin gegen den Drittschuldner aus einem fiktiven Arbeitseinkommen für die Haushaltsführung weiterverfolgt.
II.
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Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der Beschlüsse des Beschwerdegerichts und des Amtsgerichts Vollstreckungsgericht sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.
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1. Das Beschwerdegericht führt im Wesentlichen Folgendes aus:
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Das Amtsgericht Vollstreckungsgericht - habe zutreffend ausgeführt, dass die Haushaltsführung durch den nicht berufstätigen Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht zu den Arbeiten und Diensten gehöre, die üblicherweise vergütet würden; ein nach § 850h Abs. 2 ZPO pfändbarer Anspruch werde hierdurch nicht begründet. Persönliche und wirtschaftliche Leistungen würden in einer nichtehelichen Lebenspartnerschaft regelmäßig nicht abgerechnet, sondern von dem Partner erbracht, der dazu in der Lage sei. Die Haushaltsführung durch den nicht berufstätigen Partner sei einer Erwerbstätigkeit auf dem Arbeitsmarkt nicht gleichzustellen. Sie beruhe, soweit nicht ohnedies regelmäßig zumindest zu gleichen Teilen auch eigene Haushaltsangelegenheiten erledigt würden, auf dem übereinstimmenden Entschluss zur Führung einer Lebens-, Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft, in der Leistungen ersatzlos von demjenigen Partner erbracht würden, der dazu in der Lage sei. Der erwerbstätige Partner, der die Kosten der gemeinsamen Lebensführung trage, erbringe mit dem laufenden Unterhalt ebenso den Gemeinschaftszweck fördernde Aufwendungen wie der haushaltsführende Partner. Diese seien einem arbeitsrechtlichen Entgelt nicht vergleichbar.
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Zwar habe das Vollstreckungsgericht vor Erlass eines entsprechend § 850h Abs. 2 ZPO beantragten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nicht abschließend zu prüfen, ob und in welcher Höhe die zu pfändende Forderung bestehe. Zurückzuweisen sei der Antrag jedoch, wenn nach dem Tatsachenvortrag des Gläubigers die zu pfändende Forderung dem Schuldner aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht zustehen könne. Dies sei hier aus den genannten Gründen der Fall. Denn Tatsachen, die eine über das in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft übliche und normale Maß weit hinausgehende und der Tätigkeit einer berufsmäßigen Hauswirtschafterin vergleichbare Haushaltsführung durch die Schuldnerin naheliegend erscheinen ließen und die Annahme eines verschleierten Arbeitseinkommens rechtfertigen könnten, seien nicht ansatzweise vorgetragen.
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2. Das hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
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a) § 850h Abs. 2 ZPO schützt das Interesse des Vollstreckungsgläubigers an der Durchsetzung seiner Forderung gegen einen Schuldner, der für einen Dritten arbeitet oder sonst Dienste leistet, ohne eine entsprechende angemessene Vergütung zu erhalten. Das Gesetz behandelt diesen Dritten beim Vollstreckungszugriff des Gläubigers so, als ob er dem Schuldner zu einer angemessenen Vergütung verpflichtet sei (vgl. BGH, Urteil vom 8. März 1979 III ZR 130/77, NJW 1979, 1600, 1601 f.; BAGE 126, 137, 147).
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Das Vollstreckungsgericht prüft grundsätzlich nicht, ob die zu pfändende Forderung besteht (BGH, Beschluss vom 22. August 2012 VII ZB 2/11, NZI 2012, 809 Rn. 23 m.w.N). Eine Pfändung muss immer dann erfolgen, wenn dem Schuldner die Forderung nach irgendeiner vertretbaren Rechtsansicht zustehen kann. Der Pfändungsantrag darf vom Vollstreckungsgericht nur ausnahmsweise abgelehnt werden, wenn dem Schuldner die Forderung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen offenbar nicht zustehen kann oder ersichtlich unpfändbar ist (BGH, Beschluss vom 25. März 2010 - VII ZB 11/08, JurBüro 2010, 440 Rn. 16; Beschluss vom 12. Dezember 2007 - VII ZB 38/07, NJW-RR 2008, 733 Rn. 9). Deshalb pfändet das Vollstreckungsgericht auch nur die "angebliche Forderung" des Schuldners gegen den Drittschuldner (vgl. BGH, Beschluss vom 19. März 2004 IXa ZB 229/03, NJW 2004, 2096, 2097 m.w.N). Diese Grundsätze gelten auch beim Pfändungszugriff nach § 850h Abs. 2 ZPO. Die Pfändung des Arbeitseinkommens erfasst ohne besonderen Ausspruch auch den fingierten Vergütungsanspruch gemäß § 850h Abs. 2 ZPO (vgl. BGH, Urteil vom 15. November 1990 IX ZR 17/90, BGHZ 113, 27, 29 f.; Brehm in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 850h Rn. 41; Stöber, Forderungspfändung, 15. Aufl., Rn. 1223); der Gläubiger muss nicht einen angeblichen Vergütungsanspruch im Sinne des § 850h Abs. 2 ZPO eigens pfänden (vgl. RAGE 19, 165, 169 f.). Das Vollstreckungsgericht prüft grundsätzlich nicht, ob die materiellen Voraussetzungen des § 850h Abs. 2 ZPO vorliegen; es hat unbeschadet zu beachtender Pfändungsschutzvorschriften nicht über Bestand und Höhe des fingierten Vergütungsanspruchs zu befinden; dementsprechend muss der Gläubiger dazu auch nichts vortragen (vgl. LG Berlin, MDR 1961, 510, 511; Lüke in Wieczorek/Schütze, ZPO, 3. Aufl., § 850h Rn. 22; Brehm in: Stein/Jonas, aaO, § 850h Rn. 39; Behr, JurBüro 1997, 214, 215; ders., JurBüro 1990, 1238). Ob und in welcher Höhe dem Gläubiger eine angemessene Vergütung gemäß § 850h Abs. 2 ZPO zusteht, ist gegebenenfalls vom Prozessgericht in dem gegen den Drittschuldner gerichteten Einziehungserkenntnisverfahren zu entscheiden (vgl. LG Bremen, JurBüro 2003, 215; LG Frankenthal, MDR 1984, 856 [LG Frankenthal 07.06.1984 - 1 T 140/84]; Stöber, Forderungspfändung, 15. Aufl., Rn. 1223; Kessal-Wulf in Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 5. Aufl., § 850h Rn. 13).
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b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hätten das Beschwerdegericht die sofortige Beschwerde des Gläubigers nicht mit der gegebenen Begründung zurückweisen und das Amtsgericht Vollstreckungsgericht den Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nicht mit der gegebenen Begründung ablehnen dürfen.
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Der Gläubiger hat Ansprüche gepfändet, die gegenwärtig oder zukünftig bestehen können. Denn es ist nicht auszuschließen, dass die Schuldnerin Leistungen erbringt oder erbringen wird, die üblicherweise vergütet werden. Ob Leistungen, die ein Schuldner in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft erbringt, nach den Umständen des Einzelfalls einen fingierten Vergütungsanspruch im Sinne des § 850h Abs. 2 ZPO rechtfertigen, ist unter Berücksichtigung der Aufgabenverteilung zwischen Prozessgericht und Vollstreckungsgericht (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2002 IX ZB 180/02, BGHZ 152, 166, 170) nicht im Zwangsvollstreckungsverfahren zu klären.
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3. Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:
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a) Auch im Anwendungsbereich des § 850h Abs. 2 ZPO sind die Pfändungsschutzvorschriften, insbesondere § 850c ZPO und § 850f Abs. 2 ZPO, vom Vollstreckungsgericht zu beachten (vgl. Lüke in Wieczorek/Schütze, ZPO, 3. Aufl., § 850h Rn. 22; Stöber, Forderungspfändung, 15. Aufl., Rn. 1223), weshalb das Vollstreckungsgericht gegebenenfalls über den Antrag des Gläubigers gemäß § 850f Abs. 2 ZPO zu befinden haben wird.
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b) Das Vollstreckungsgericht bestimmt bei der Pfändung die etwa gemäß § 850h Abs. 2 ZPO geschuldete angemessene Vergütung nicht (vgl. LG Frankenthal, MDR 1984, 856 [LG Frankenthal 07.06.1984 - 1 T 140/84]; Kessal-Wulf in Schuschke/Walker, aaO, § 850h Rn. 12), weshalb dem Antrag des Gläubigers, das monatliche Nettoeinkommen der Schuldnerin gemäß § 850h Abs. 2 ZPO auf 967,74 € festzusetzen, vom Vollstreckungsgericht nicht stattgegeben werden kann.
Kniffka
Safari Chabestari
Eick
Kosziol
Kartzke