· Fachbeitrag · Rechtsanwaltsvergütung
Vergütungsansprüche des Rechtsanwalts in der Zwangsversteigerung richtig berechnen
von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz
| Seit dem Inkrafttreten des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) zum 1.8.08 (VE 08, 117) und der damit erfolgten Änderung des § 79 ZPO ist eine stetige Zunahme von Rechtsanwälten in Zwangsversteigerungsverfahren zu beobachten. Neben den rechtlichen Besonderheiten und Schwierigkeiten solcher Verfahren ist auch die richtige Gebührenabrechnung bedeutsam. Der folgende Beitrag klärt hierüber auf. |
1. Gebührenansprüche
Die Gebührenansprüche des Rechtsanwalts in solchen Verfahren ergeben sich aus den Nrn. 3311 und 3312 RVG VV. Es fällt somit eine Verfahrensgebühr (s.u., 2.) als auch u.U. eine Terminsgebühr (s.u., 3.) an. Diese Ansprüche betreffen aber nur Zwangsversteigerungen, die im ZVG geregelt sind (AnwK-RVG/Wolf, 5. Aufl., VV 3311 bis 3312 Rn. 1).
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Zwangsversteigerungsart | Vorschriften |
Zwangsversteigerung auf Antrag eines Gläubigers | |
Zwangsversteigerung auf Antrag des Insolvenzverwalters | §§ 175 ff. ZVG |
Zwangsversteigerung zum Zwecke der Aufhebung einer Gemeinschaft (sog. Teilungsversteigerung) | § 180 ff. ZVG |
Verfahren auf Vollstreckungsschutz hinsichtlich Zwangsversteigerung einschließlich § 765a ZPO | Anm. 6 zu Nr. 3311 RVG VV; vgl. BT-Drucksache 15/1971, S. 216 zu VV 3311 |
2. Mögliche Verfahrensgebühren (VV 3311)
In VV 3311 Anm. Nr. 1 und 2 werden die Gebührenansprüche des Rechtsanwalts in der Weise geregelt, dass das gesamte Verfahren der Zwangsversteigerung in zwei Phasen aufgegliedert und für jede dieser Phasen gesondert eine Pauschgebühr mit einem Gebührensatz von 0,4 entsteht.
Hieraus folgt:
- Sämtliche Tätigkeiten innerhalb der jeweiligen Phase sind mit der Verfahrenspauschgebühr abgegolten.
- Der Rechtsanwalt erhält die Verfahrenspauschgebühr unabhängig davon, ob er nur eine, mehrere oder gar alle Tätigkeiten innerhalb der Phase ausgeübt hat.
Zusätzliche Verfahrensgebühren können entstehen (vgl. Anm. Nr. 6 zu VV 3311; AnwK-RVG/Wolf, 5. Aufl., VV 3311 bis 3312 Rn. 8):
- im Verfahren über Anträge auf einstweilige Einstellung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung (z.B. gemäß § 765a ZPO) und einstweilige Einstellung des Verfahrens (z.B. gemäß § 30a ZVG);
- für Verhandlungen zwischen Gläubiger und Schuldner mit dem Ziel der Aufhebung des Verfahrens.
a) Verfahrensgebühr für Tätigkeit im Zwangsversteigerungsverfahren
Diese Verfahrensgebühr (Anm. Nr. 1 zu VV 3311) ) erhält der Anwalt für seine Tätigkeit im Zwangsversteigerungsverfahren und zwar vom Antrag bis zur Bestimmung des Verteilungstermins (§ 105 ZVG).
PRAXISHINWEIS | Für die Wahrnehmung des oder der Versteigerungstermine erhält der Anwalt zunächst keine (gesonderte) Verfahrensgebühr. Die Wahrnehmung eines Versteigerungstermins wird nach VV 3312 vergütet. Da es sich um eine Pauschgebühr handelt, kommt es auf den Umfang der Tätigkeit nicht an, ebenso wenig darauf, ob der Anwalt nur eine einzelne oder mehrere der in diesen Zeitraum fallenden Tätigkeiten ausübt. Aus diesem Grund ermäßigt sich die Verfahrensgebühr auch nicht, wenn der Anwalt zwar tätig geworden ist, es aber letztlich nicht zur Durchführung des Zwangsversteigerungsverfahrens kommt (AnwK-RVG/Wolf, a.a.O., Rn. 10; Gerold/Schmidt/Madert, RVG, 19. Aufl., VV 3311 Rn. 8).
Nicht mitumfasst werden aber solche Tätigkeiten des Rechtsanwalts für einen Bieter, die außerhalb des eigentlichen Versteigerungsverfahrens stattfinden. Hierzu zählen u.a.:
- Verhandlungen mit Grundpfandrechtsgläubigern vor dem Termin,
- Verhandlungen und Abschluss über ein Bietabkommen,
- Verhandlung und Abschluss von Ausbietungsverträgen sowie einer Liegenbelassungsvereinbarung oder
- Besorgung notwendiger Genehmigungen.
Hierfür fallen Gebühren nach VV 2300 an (AnwK-RVG/Wolf, a.a.O., Rn. 11; Hartung/Schons, RVG, VV 3311 Rn. 8; Gerold/Schmidt/Madert, RVG, VV 3311 Rn. 16).
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b) Verfahrensgebühr für Tätigkeit im Verteilungsverfahren
Das Verteilungsverfahren (§§ 105 bis 145 ZVG) beginnt mit der Bestimmung des Termins zur Verteilung des Versteigerungserlöses und endet mit der Erlösverteilung durch das Gericht. Sämtliche hierbei anfallenden Tätigkeiten werden von der Verfahrensgebühr abgegolten, gleichgültig, ob der Rechtsanwalt eine oder mehrere solcher Tätigkeiten ausübt. Dazu zählen u.a. die Einreichung der Anspruchsberechnung, die Vorbereitung und Wahrnehmung der Verteilungstermine, die Prüfung des Teilungsplans und der Widerspruch dagegen sowie die Verteilung nach einem Widerspruchsprozess (§ 882 ZPO). Dies gilt auch bei einer außergerichtlichen Erlösverteilung nach § 143 ZVG sowie bei einer außergerichtlichen Befriedigung des Berechtigten gemäß § 144 ZVG (AnwK-RVG/Wolf, a.a.O., Rn. 12 f.).
PRAXISHINWEIS | Die Verfahrensgebühr nach der Anm. Nr. 2 zu VV 3311 fällt zusätzlich zu der nach Anm. Nr. 1 zu VV 3311 an, es sei denn, der Anwalt ist ausschließlich mit der Vertretung im Verteilungsverfahren beauftragt.
c) Verfahrensgebühr für Tätigkeit im einstweiligen Rechtsschutz
Eine gesonderte Verfahrensgebühr von 0,4 kann der Anwalt beanspruchen für seine Tätigkeit im Verfahren über Anträge auf einstweilige Einstellung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung (z.B. gemäß § 765a ZPO) und einstweilige Einstellung des Verfahrens (z.B. gemäß §§ 30a ff., 180 Abs. 2 ZVG). Auch hierbei handelt es sich um eine Pauschgebühr, sodass sämtliche Tätigkeiten in solchen Verfahren abgegolten werden.
d) Verhandlungen mit dem Ziel der Aufhebung des Verfahrens
Für Verhandlungen zwischen Gläubiger und Schuldner mit dem Ziel der Aufhebung des Verfahrens entsteht ebenfalls eine gesonderte Verfahrensgebühr nach Anm. Nr. 6 zu VV 3311. Diese fällt aber nicht zusätzlich zu der ersten Alternative nach Anm. Nr. 6 zu VV 3311 an (vgl. c). Sie kann aber kumulativ zu den Verfahrensgebühren unter a) und b) anfallen.
PRAXISHINWEIS | Mit dieser Verfahrensgebühr sollen die Bemühungen des Rechtsanwalts zur frühzeitigen Beendigung des Verfahrens gefördert und entlohnt werden. Kommt es jedoch zu einer Aufhebung des Verfahrens und ist dies Folge eines Vertrags zwischen Gläubiger und Schuldner i.S.v. VV 1000, kann die Verfahrensgebühr nicht zusätzlich zu der dann anfallenden Einigungsgebühr nach VV 1003 entstehen (AnwK-RVG/Wolf, a.a.O., Rn. 18).
3. Terminsgebühr (VV 3312)
Für die Wahrnehmung eines Versteigerungstermins eines Beteiligten (§ 9 ZVG) erhält der Anwalt eine 0,4 Terminsgebühr. Auch hierbei handelt es sich um eine Pauschgebühr, sodass die Gebühr für mehr als einen Versteigerungstermin nicht erneut erwächst. Ebenso werden Anträge oder Erklärungen (z.B. das Verlangen nach Sicherheit) von der Terminsgebühr mit abgegolten.
PRAXISHINWEIS | Eine Terminswahrnehmung durch den Anwalt liegt bereits vor, wenn er in dem Zeitraum vom Aufruf der Sache (§ 66 ZVG) bis zur Verkündung des Schlusses der Versteigerung (§ 73 ZVG) im Versteigerungstermin irgendwann anwesend war. Es ist also nicht erforderlich, dass er die gesamte Zeit anwesend war oder über die bloße Anwesenheit hinaus auch tätig geworden ist.
Andere Termine als Versteigerungstermine (z.B. eine mündliche Verhandlung hinsichtlich einer einstweilige Einstellung gemäß § 30b Abs. 2 S. 2 ZVG, Vortermin gemäß § 62 ZVG oder ein besonderer Verkündungstermin über den Zuschlag gemäß § 87 ZVG) werden von der Vorschrift nicht erfasst. Für Personen, die nicht Beteiligte i.S.v. § 9 ZVG sind (z.B. Bieter, Zahlungspflichtige gemäß § 61 ZVG, Bürge des Erstehers), ist die Tätigkeit des Anwalts im Versteigerungstermin durch die Verfahrensgebühr nach VV 3311 abgegolten (Gerold/Schmidt/Madert, a.a.O., Rn 9; AnwK-RVG/Wolf, a.a.O., Rn. 19).
PRAXISHINWEIS | Soweit der Anwalt nur mit der Wahrnehmung des Versteigerungstermins beauftragt ist, erhält er dennoch daneben auch die Verfahrensgebühr gemäß Anm. Nr. 1 zu VV 3311, weil diese bereits mit der Informationserteilung angefallen ist, ohne die eine Terminswahrnehmung nicht erfolgen kann (AnwK-RVG/Wolf, a.a.O., Rn. 21).
4. Ermittlung des Gegenstandswerts
Maßgeblich für die Ermittlung des Gegenstandwerts ist § 26 RVG. Abhängig davon, wen der Anwalt vertritt, bestimmt sich der Wert zur Gebührenberechnung unterschiedlich. Hierbei ist zwischen sog. Beteiligten und Nichtbeteiligten zu unterscheiden.
PRAXISHINWEIS | Wer Beteiligter ist, ergibt sich aus den jeweiligen Verfahrensvorschriften (z.B. §§ 9, 162, 163 Abs. 3, 166, 172, 175, 180 ZVG; § 24 ErbbauVO; §§ 510, 696, 755 Abs. 2, 761 Abs. 2 HGB; §§ 2, 97 Abs. 3, 103 Abs. 2 BinnSchG).
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PRAXISHINWEIS | Keine Beteiligten sind der Bieter, der Ersteher sowie der Bürge des Erstehers.
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vertretene Personen | Wertermittlung |
Gläubiger bzw. anderer Beteiligter (z.B. Vormerkungs-berechtigter; Dritteigentümer von Zubehör etc.; § 9 Nr. 1, 2 ZVG) |
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Vertretung eines anderen Beteiligten (Schuldner, eingetragene (Mit-)Eigentümer, Miterbe, Insolvenzverwalter) |
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Vertretung eines/mehrerer Miteigentümer bzw. sonstigen Mitberechtigten | § 26 Nr. 2 HS 2 RVG: Wert am Gegenstand oder dem Verteilungserlös. Achtung: Dies gilt auch für den Gläubiger, der sich den Anteil des Miteigentümers und dessen Auseinandersetzungsanspruch hat pfänden und überweisen lassen, weil er nur die Rechtsposition des Miteigentümers wahrnimmt und ihm nicht mehr Rechte zustehen können als dem Pfändungsschuldner (AnwK-RVG/Wolf, a.a.O., § 26, Rn. 13). |
Vertretung eines Bieters, der nicht Beteiligter i.S.d. § 9 ZVG ist |
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5. So werden die Kosten geltend gemacht
Eines Kostenfestsetzungsbeschlusses bedarf es nicht. Die Anwaltskosten können Gläubiger und sonstige Beteiligte als Kosten der dinglichen Rechtsverfolgung mit dem Rang der Hauptforderung und vor dieser (§ 12 ZVG) durch Befriedigung aus dem Grundstück im Verfahren geltend machen (§ 10 Abs. 2 ZVG). Soweit ein persönlicher Gläubiger (§ 10 Abs. 1 Nr. 5 ZVG) das Verfahren betreibt, muss er auch wegen dieser Kosten der dinglichen Rechtsverfolgung das Verfahren betreiben. Diese Kosten müssen stets rechtzeitig (vor der Aufforderung zur Abgabe von Geboten, d.h. vor Beginn der sogenannten Bietestunde) angemeldet werden, soweit sie nicht aus dem Grundbuch ersichtlich sind; bei Widerspruch eines Gläubigers sind sie zudem glaubhaft zu machen (§ 37 Nr. 4 ZVG).
Gehen die Kosten einem Gläubiger vor, muss das Vollstreckungsgericht sie, wenn sie rechtzeitig angemeldet und gegebenenfalls glaubhaft gemacht wurden, bei der Feststellung des geringsten Gebotes berücksichtigen (§ 45 ZVG) und in den Teilungsplan aufnehmen (§ 114 ZVG).