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  • · Fachbeitrag · Unfallschadensregulierung

    Fiktive Abrechnung: OLG Schleswig geht neuen (Irr-)Weg

    | Nach sach- und fachgerecht durchgeführter Eigenreparatur ist der Anspruch des Geschädigten auch im Rahmen einer fiktiven Abrechnung auf die tatsächlich angefallenen Bruttokosten beschränkt, so die Kernbotschaft des OLG Schleswig. |

     

    Entscheidungsgründe

    Ergänzt wird sie um folgende Aussage: Äußert sich der Geschädigte nicht zur Höhe der tatsächlich angefallenen Kosten, ist vom Tatrichter ein Mindestschaden zu schätzen. Dabei ist beim Erwerb von Ersatzteilen/Lackmaterial ein Abschlag von 30 Prozent von den Gutachtenbeträgen vorzunehmen und für Arbeiten von Freunden/Verwandten ein Stundensatz von 10 EUR anzusetzen.

     

    Relevanz für die Praxis

    Nur vordergründig kann sich das OLG (17.11.16, 7 U 20/16, Abruf-Nr. 191064) auf die Entscheidung des BGH vom 3.12.13, VI ZR 24/13, VA 14, 23, berufen. Seinerzeit hat der BGH eine Klage für unschlüssig (!) gehalten, mit der ein Geschädigter die Netto-Reparaturkosten auf Gutachtenbasis zuzüglich tatsächlich gezahlter Umsatzsteuer liquidieren wollte. Er hatte sein Fahrzeug in einer Fachwerkstatt sach- und fachgerecht deutlich billiger reparieren lassen. Die SV-Vorgaben waren dabei eingehalten worden.

     

    Der Vortrag, der vom SV im Gutachten angegebene Betrag sei zur Herstellung „erforderlich“, ist bei dieser Sachlage in der Tat unschlüssig. Durch die Rechnung über die Vollreparatur wird konkretisiert, was erforderlich ist. An die Stelle der Kalkulation tritt die Rechnung.

     

    Im Fall der Eigenreparatur, egal, ob in einer Selbsthilfewerkstatt oder in der eigenen Garage, liegen die Dinge wesentlich anders. Eine Konkretisierung findet hier allenfalls in Bezug auf die angeschafften Ersatzteile statt. Selbst bei einer Eigenreparatur im 130-Prozent-Bereich kann der Geschädigte den für die Reparatur in einer Kundendienstwerkstatt erforderlichen Betrag auf Gutachtenbasis abrechnen (BGH NJW 92, 1618). Erst recht gilt das in einem Unter-Hundert-Fall, wie er hier vorliegen dürfte (BGH NJW 03, 2085).

     

    Für den Geschädigten-Anwalt folgt daraus:

     

    • Auch bei sach- und fachgerechter Eigenreparatur kann auf Gutachtenbasis abgerechnet werden.

     

    • Ob und wie repariert worden ist, ist im Rahmen einer zulässigen fiktiven Abrechnung grundsätzlich kein Thema. Dazu muss nichts dargelegt werden.

     

    • Eine Obliegenheit, sich zur Höhe der tatsächlich angefallenen Kosten der Eigenreparatur zu äußern, besteht nicht. Der Geschädigte genügt seiner Darlegungspflicht durch Vorlage des Gutachtens eines anerkannten Sachverständigen.

     

    • Es ist kein Raum, einen „Mindestschaden“ zu schätzen; schon gar nicht nach den fragwürdigen Material- und Stundensätzen des OLG Schleswig. Wie eine „fiktive“ Abrechnung wirklich aussieht, sagt BGH VA 13, 74.

     

    • Wenn und soweit für Materialien und/oder Teilarbeiten wie z.B. eine Lackierung Umsatzsteuer tatsächlich angefallen ist, kann sie zusätzlich beansprucht werden. Dabei wird konkret/fiktiv nicht unzulässig vermischt (so auch OLG Schleswig).

     

    Weiterführender Hinweis

    • Eggert, VA 14, 205 „Konkrete versus fiktive Abrechnung a- Unterscheidung und praktische Konsequenzen“
    Quelle: Ausgabe 02 / 2017 | Seite 22 | ID 44448343