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  • 25.06.2008 | OWi-Recht

    Die Rspr. in Verkehrs-OWi-Sachen in 2007

    von RiOLG Detlef Burhoff, Hamm/Münster

    Wir haben Ihnen in VA 08, 86 die wichtigsten Urteile im Verkehrsstrafrecht aus 2007 vorgestellt. Das setzen wir hier für die Verkehrsordnungswidrigkeiten fort (im Anschluss an VA 07, 90). Ausgenommen sind allerdings die mit der Verhängung eines Fahrverbots zusammenhängenden Fragen. Darüber werden wir gesondert berichten.  

     

    Rechtsprechungs-ABC

    Abstandsmessung, Feststellungen  

    Die Unterschreitung des Sicherheitsabstands ist nur eine schuldhafte Pflichtverletzung, wenn sie nicht nur ganz vorübergehend geschieht. Das Tatgericht muss daher Feststellungen über die zurückgelegte Fahrstrecke treffen (OLG Koblenz zfs 07, 589).  

    Abstandsmessung, Messverfahren  

    Bei dem Video-Brücken-Abstandsmessverfahren ViBrAM-BAMAS handelt es sich nach Ansicht des OLG Stuttgart um ein standardisiertes Messverfahren i.S.d. Rechtsprechung des BGH (OLG Stuttgart VA 07, 201, Abruf-Nr. 073042; dazu BGHSt 39, 291; 43, 277). Das bedeutet, dass der Tatrichter in den schriftlichen Urteilsgründen i.d.R. nur das angewendete Messverfahren, die Geschwindigkeit des Betroffenen sowie die Länge des Abstands zwischen den Fahrzeugen des Betroffenen und des Vorausfahrenden feststellen muss. Toleranzen brauchen weder zur Geschwindigkeit noch zum Abstand mitgeteilt zu werden (OLG Stuttgart a.a.O.).  

    Abstandsmessung, Messfehler, VAMA  

    Zu möglichen Messfehlern beim Einsatz des Charaktergenerators CG-P50E s. unseren Schwerpunktbeitrag in VA 07, 167, das neue Gutachten der PTB vom 28.8.07 (Abruf-Nr. 072935 und 072936) und die Information des SV Wietschorke in VA 07, 222.  

     

    Nach Auffassung des OLG Bamberg handelt es sich bei der Anwendung des VAMA-Verfahren vor dem 5.7.07 nicht (mehr) um ein standardisiertes Messverfahren (OLG Bamberg VA 08, 52, Abruf-Nr. 080345; a.A. AG Lüdinghausen VA 08, 34, Abruf-Nr. 080046).  

    Alkoholverbot für Fahranfänger  

    Über das neue, sich aus § 24c StVG ergebende Alkoholverbot für Fahranfänger und Fahranfängerinnen haben wir im Schwerpunktbeitrag VA 07, 169 ausführlich berichtet.  

    Beweisantrag  

    Über den Beweisantrag im OWi-Verfahren haben wir in VA 07, 205 berichtet.  

    Drogenfahrt, Fahrlässigkeit  

    2007 haben mehrere OLG zur Schuldform bei einer Fahrt unter Drogeneinfluss Stellung genommen. Danach gilt: Vorsatz und Fahrlässigkeit müssen sich bei der Drogenfahrt nicht lediglich auf den Konsumvorgang, sondern auch auf die Wirkungen des Rauschgifts zum Tatzeitpunkt beziehen.  

     

    An der Erkennbarkeit der Wirkung des Rauschmittels zum Tatzeitpunkt und damit an der Fahrlässigkeit kann es ausnahmsweise fehlen, wenn zwischen Konsum der Droge und Fahrt z.B. 23 bzw. 28 Stunden vergangen sind und zum Tatzeitpunkt der analytische Grenzwert (hier: 1,0 ng/ml THC) nur um geringfügig mehr als das Zweifache überschritten worden ist. Dann muss der Tatrichter nähere Ausführungen dazu machen, auf Grund welcher Umstände sich der Fahrzeugführer hätte bewusst machen können, dass der Rauschmittelkonsum noch Auswirkungen haben kann (OLG Frankfurt VA 07, 188, Abruf-Nr. 072505; OLG Saarbrücken VA 07, 127, Abruf-Nr. 071965).  

    Drogenfahrt (§ 24a StVG), Konzentration des Rauschmittels  

    Nach der Rechtsprechung des BVerfG kommt eine Verurteilung nach § 24a Abs. 2 StVG nur in Betracht, wenn eine Konzentration des Rauschmittels festgestellt wird, die es möglich erscheinen lässt, dass der untersuchte Kfz-Führer am Straßenverkehr teilgenommen hat, obwohl seine Fahrtüchtigkeit eingeschränkt war (VA 05, 48, Abruf-Nr. 050339). Das führt nicht dazu, dass eine tatsächliche Wirkung des Rauschmittels i.S. einer konkreten Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit beim Betroffenen im Einzelfall festgestellt und nachgewiesen wird (OLG Bamberg VA 07, 85, Abruf-Nr. 071065). Die Rechtsprechung des BVerfG ist im Übrigen auch auf Kokain anzuwenden (OLG Bamberg VA 07, 87, Abruf-Nr. 071066; OLG Hamm NZV 07, 248, Abruf-Nr. 071067). Ab einem Benzoylecgonin-Wert von 75 ng/ml besteht die überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung der Fahrtauglichkeit (OLG Bamberg, a.a.O.; OLG Hamm, a.a.O.).  

    Drogenfahrt (§ 24a Abs. 2 StVG), tatsächliche Feststellungen  

    Für die Feststellung des Kfz-Führens unter der Wirkung von Cannabis reicht es nach Auffassung der OLG-Rechtsprechung nach dem gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse aus, wenn bei einer Blutuntersuchung auf THC im Blutserum, welche den von der Grenzwertkommission vorausgesetzten Qualitätsstandards genügt, ein Messergebnis vermittelt wird, welches den von der Grenzwertkommission empfohlenen analytischen Grenzwert von 1ng/ml THC im Serum erreicht; Zuschläge für Messungenauigkeiten sind dabei nicht erforderlich (OLG Brandenburg VA 07, 147, Abruf-Nr. 072129; OLG Karlsruhe NZV 07, 248).  

     

    Bei einer Verurteilung wegen einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 24a Abs. 2 StVG gehört zu den notwendigen tatrichterlichen Feststellungen auch die Mitteilung der BtM-Konzentration im Blut des Betroffenen (OLG Hamm NZV 07, 248, Abruf-Nr. 071067 für Kokain; OLG Koblenz VA 06, 32 Abruf-Nr. 053654 für THC-Konzentration).  

    Durchsuchung  

    Die Anordnung einer Durchsuchung ist bei Ermittlungen wegen einer erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitung und eines Verstoßes gegen ein Überholverbot, mithin wegen eines Verstoßes gegen Vorschriften, die die Sicherheit des Straßenverkehrs und damit auch Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer schützen sollen, aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um mehr als 100 km/h ist kein geringfügiger Verstoß mehr (BVerfG zfs 07, 655; zur Durchsuchung im OWi-Verfahren Burhoff in: Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, Rn. 519 ff.).  

    Fahrpersonalgesetz, Ahndungslücke  

    Im deutschen Recht war vorübergehend eine Ahndungslücke dadurch entstanden, dass die Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 mit Wirkung vom 11.4.07 durch die Verordnung (EG) Nr. 561/2006 ersetzt worden ist, der deutsche Gesetzgeber das FPersG aber erst mit Wirkung vom 14.7.07 angepasst hat. Dies führt jedoch inzwischen nicht mehr zur Sanktionslosigkeit der entsprechenden Ordnungswidrigkeiten. Die Anwendung des § 4 Abs. 3 OWiG durch die neu eingefügte und seit dem 14.7.07 gültige Regelung des § 8 Abs. 3 FPersG ist nun wirksam ausgeschlossen. Insoweit ist die vor Inkrafttreten des § 8 Abs. 3 FPersG gegebene Rechtslage ebenso überholt wie die auf dieser Grundlage zutreffend ergangene Rechtsprechung (vgl. OLG Hamburg VA 07, 113; OLG Frankfurt DAR 07, 473; OLG Koblenz NJW 07, 2344; AG Itzehoe VA 07, 113). Nach § 8 Abs. 3 FPersG werden Ordnungswidrigkeiten gemäß § 8 FPersG, die bis zum 10.4.07 unter Geltung der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 begangen wurden, abweichend von § 4 Abs. 3 OWiG nach den zum Tatzeitpunkt geltenden Bestimmungen geahndet (OLG Bamberg VA 08, 54, Abruf-Nr. 080349; OLG Dresden DAR 08, 153; OLG Düsseldorf VA 08, 54, Abruf-Nr. 080346).  

    Fahrpersonalgesetz, Überwachung unzuverlässiger Fahrer  

    Bei Fahrern, die trotz eindringlicher Belehrungen die Lenk- und Ruhezeiten nicht einhalten, muss der Unternehmer rechtzeitig angemessene arbeitsrechtliche Maßnahmen wie Abmahnung und nötigenfalls Kündigung er-greifen, um seine Verpflichtung zu erfüllen, für die Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten zu sorgen (OLG Düsseldorf VA 08, 54, Abruf-Nr. 080346; zur Verantwortlichkeit eines Fuhrparkleiters für die Einhaltung von Lenkzeiten, Lenkzeitunterbrechungen und Ruhezeiten: OLG Düsseldorf DAR 07, 398).  

    Führen eines Kfz ohne Schuhe  

    Das bloße Fahren ohne geeignetes Schuhwerk ist grds. nicht bußgeldbewehrt (OLG Bamberg VA 07, 33, Abruf-Nr. 070093; OLG Celle VA 07, 129).  

    Geschwindigkeitsüberschreitung, Messung durch Nachfahren  

    Zu den bis etwa Mitte 07 bestehenden Problemen mit der Messung mit einem ProViDA-Messgerät s. Priester VA 07, 190 und AG Lüdinghausen VA 07, 106 Abruf-Nr. 071423 und 071541.  

    Geschwindigkeitsüberschreitung, Messung durch Nachfahren zur Nachtzeit  

    Zur Feststellung einer Geschwindigkeitsüberschreitung durch Nachfahren zur Nachtzeit außerhalb geschlossener Ortschaften bedarf es wegen der i.d.R. schlechten Sichtverhältnisse zur Nachtzeit im Urteil grundsätzlich näherer Feststellungen dazu, wie die Beleuchtungsverhältnisse waren, ob der Abstand zu dem vorausfahrenden Fahrzeug durch Scheinwerfer des nachfahrenden Fahrzeugs oder durch andere Lichtquellen aufgehellt war und damit ausreichend sicher erfasst und geschützt werden konnte und ob für die Schätzung des gleich bleibenden Abstands zum vorausfahrenden Fahrzeug ausreichende und trotz Dunkelheit zu erkennende Orientierungspunkte vorhanden waren (OLG Hamm VA 07, 73, Abruf-Nr. 070727; VRS 113, 302).  

    Geschwindigkeitsüberschreitung, standardisiertes Messverfahren  

    Bei der Lichtschrankenmessung mit einem Gerät der Marke ESO Typ ES 1.0 mittels passiver Messung ohne Lichtsender handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren i.S.d. der BGH-Rechtsprechung (OLG Stuttgart VA 08, 18, Abruf-Nr. 073783).  

     

    Praxishinweis: Bei der Verwendung eines standardisierten Messverfahrens drängt sich eine weitere Beweisaufnahme auf bzw. liegt diese nahe, wenn konkrete Anhaltspunkte für technische Fehlfunktionen des Messgerätes behauptet werden (OLG Hamm VA 07, 32).  

    Geschwindigkeitsüberschreitung, Tatmehrheit  

    Bei mehreren Geschwindigkeitsüberschreitungen im Verlaufe einer Fahrt (hier: Minutentakt) handelt es sich i.d.R. um mehrere Taten im materiellen und prozessualen Sinn (OLG Hamm VA 07, 221; OLG Brandenburg NZV 06, 109).  

    Geschwindigkeitsüberschreitung, tatsächliche Feststellungen  

    Zu den ausreichenden Feststellungen bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung gehört zumindest die Mitteilung der angewandten Messmethode und die Darlegung, dass mögliche Fehlerquellen berücksichtigt worden sind (OLG Bamberg zfs 07, 291; OLG Hamm VA 07, 221, Abruf-Nr. 073339; VA 08, 53, Abruf-Nr. 080341; OLG Karlsruhe VA 07, 12, Abruf-Nr. 063471; vgl. auch BGHSt 39, 291 = NJW 93, 3081).  

    Geschwindigkeitsüberschreitung, Vorsatz  

    Das OLG Jena nimmt eine vorsätzliche Geschwindigkeitsüberschreitung an, wenn im Bereich einer Tunnelkette höchstens 80 km/h zugelassen sind, dieser Hinweis mehrfach wiederholt wird und trotzdem eine Geschwindigkeit von 95 km/h bis knapp unter 100 km/h gefahren wird (OLG Jena VA 08, 64).  

    Handyverbot im Straßenverkehr, Benutzung  

    Der Begriff der Benutzung i.S. des § 23 Abs. 1a StVO ist weiter im Streit (dazu Burhoff, VRR 08, 14). Darunter sind alle Funktionen des Mobiltelefons zu verstehen, soweit sie noch im weitesten Sinn mit Kommunikation zu tun haben. Die Frage der Benutzung beurteilt sich allein danach, ob das Mobiltelefon in Bezug zu einer Funktion in der Hand gehalten wird oder nicht, das bloße Aufheben des Mobiltelefons reicht nicht aus (OLG Bamberg VA 07, 147). Unter Benutzung i.S.d. § 23 Abs. 1a StVO ist u.a. zu verstehen:  

     

    • das Abfragen von Daten auf einem „Palm-Organizer, wenn die Mobilfunkkarte eingelegt ist (OLG Karlsruhe VA 07, 31),
    • das Halten an das Ohr, um zu hören, ob das Handy ausgeschaltet ist (OLG Hamm NZV 08, 49),
    • das Aufheben des Telefonhörers und das Hin- und Herschieben der Karte, um das Autotelefon funktionsfähig zu machen (OLG Hamm VA 07, 72),
    • nicht das Halten ans Ohr, um das Handy als Wärmeakku zu benutzen (OLG Hamm VA 07, 221, Abruf-Nr. 073338),
    • nicht, wenn ein anderes Gerät aufgenommen/gehalten wird. Gleichgültig ist dabei, ob mit der Aufnahme des anderen Geräts, z.B. einer Freisprech-einrichtung, letztlich gerade die funktionsspezifische Benutzung eines Mobil- oder Autotelefons bewirkt werden soll (OLG Bamberg VA 08, 17).

     

    Das OLG Hamm (VA 07, 220, Abruf-Nr. 073341) hat sich der Rechtsprechung des OLG Bamberg angeschlossen, wonach eine Ahndung nur in Betracht kommt, wenn bei der Benutzung des Mobiltelefons der Motor in Betrieb ist.  

     

    Für die Feststellungen zum Begriff der „Benutzung“ ist es ausreichend, wenn (nur) festgestellt wird, dass der Betroffene das Mobiltelefon benutzte, indem er es mit der linken Hand ans Ohr hielt (OLG Hamm VA 07, 25).  

    Handyverbot im Straßenverkehr, Fahrverbot  

     

    Das Handyverbot kann auch hinsichtlich der Verhängung eines Fahrverbots eine Rolle spielen. Der wiederholte Verstoß kann die Verhängung wegen Beharrlichkeit rechtfertigen (OLG Bamberg VA 07, 220, Abruf-Nr. 073336). Allerdings kann aus einem einmaligen Verstoß gegen das Handyverbot bei der Beurteilung einer (wiederholten) Geschwindigkeitsüberschreitung als „beharrlich“ i.S.v. § 25 Abs. 1 S. 1 StVG i.V.m. § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV nicht ohne weiteres auf den für einen beharrlichen Pflichtenverstoß unabdingbaren inneren Zusammenhang i.S. einer auf mangelnder Verkehrsdisziplin beruhender Unrechtskontinuität geschlossen werden (OLG Bamberg a.a.O.).  

    Lichtbild,  

    Gegenstand der Beweiswürdigung  

     

    Die Grundsätze der Rechtsprechung aus BGHSt 41, 376 gelten auch, wenn der Tatrichter ein Lichtbild aus anderen Gründen zum Gegenstand seiner Beweiswürdigung macht (OLG Hamm VA 07, 73, Abruf-Nr. 070728). D.h., es muss eine prozessordnungsmäße Verweisung i.S.d. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO vorliegen. Nicht ausreichend ist insoweit, wenn nur festgestellt wird, dass „den Lichtbildern zu entnehmen ist, dass das die Geschwindigkeit begren-zende Verkehrsschild auf Grund seines Formats und seiner erhöhten Position bereits auf große Entfernung zu sehen ist“.  

    Mautpflicht, Haftung  

    Der LKW-Führer haftet für die Entrichtung der LKW-Maut gesamtschuldnerisch. Er ist neben dem Eigentümer oder Halter und dem über den Gebrauch des Fahrzeugs Bestimmenden gleichrangig bußgeldrechtlich verpflichtet. Er darf sich nicht darauf verlassen, dass die Mautentrichtung durch einen der anderen Mautschuldner veranlasst wird (OLG Köln VA 08, 35).  

    Mindestprofiltiefe  

    Zu den Mindestanforderungen an die tatrichterlichen Feststellungen eines Verstoßes gegen § 36 Abs. 2 S. 4 StVZO, wenn dieser unter anderem auf eine Messung mit einem nicht geeichten Reifenprofilmessgerät und auf eine „Anschleifung“ der Tread-Wear-Indicators gestützt wird, hat das OLG Jena Stellung genommen (DAR 08, 157).  

    Rotlichtverstoß, Feststellungen  

    Das OLG Hamm hat in VA 08, 50, Abruf-Nr. 080390 zum erforderlichen Umfang der tatsächlichen Feststellungen bei einem qualifizierten Rotlichtverstoß Stellung genommen (ähnlich OLG Hamm VRR 07, 316; 08, 112).  

    Rotlichtverstoß, Rotlichtzeit  

    Bei einem qualifizierten Rotlichtverstoß ohne gezielte Überwachung reicht allein die bloß gefühlsmäßige Schätzung eines Polizeibeamten für die Feststellung der länger als eine Sekunde dauernden Rotlichtzeit nicht aus (OLG Hamm VA 08, 50, Abruf-Nr. 080390; ähnlich OLG Hamm VRR 08, 112).  

    Rückwärtsfahren  

     

    Das Verbot des § 18 Abs. 7 StVO, auf Autobahnen rückwärts zu fahren, gilt auch auf den Zu- und Abfahrten, sowie den Seitenstreifen und Nebenfahrbahnen (OLG Bamberg DAR 08, 218). Den auf einem Tankstellengelände an einer Tanksäule rückwärts fahrenden Pkw-Fahrer trifft gegenüber dem hinter ihm stehenden Fahrzeug nur die sich aus § 1 Abs. 2 StVO ergebende allgemeine Rücksichtnahmepflicht, nicht jedoch die erhöhte Sorgfaltspflicht aus § 9 Abs. 5 StVO (OLG Dresden VA 07, 71, Abruf-Nr. 070724).  

    Sicherheitsgurt, Nichtanlegen, Begriff  

    Der Betroffene ist der Gurtanlegepflicht nicht nachgekommen, wenn er das Gurtschloss zwar verriegelt, den Schultergurt aber nicht über die Schulter, sondern unter dem linken Arm geführt hat (OLG Hamm VA 08, 18).  

     

    Praxishinweis: Zwischen den während der Fahrt begangenen Ordnungswidrigkeiten des Nichtanlegens des vorgeschriebenen Sicherheitsgurts und des Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit besteht Tateinheit (OLG Stuttgart DAR 07, 405).  

    Täteridentifizierung, Lichtbild  

    Der Tatrichter kann den Betroffenen, der sich nicht zur Sache einlässt oder bestreitet, zum Vorfallszeitpunkt Fahrer gewesen zu sein, anhand eines vom Verkehrsverstoß gefertigten Lichtbilds identifizieren. Dazu kann er gem. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf das Lichtbild verweisen (OLG Düsseldorf VA 07, 49, Abruf-Nr. 070473; zur ordnungsgemäßen Verweisung OLG Hamm VA 08, 16, Abruf-Nr. 073343). Dann erübrigen sich weitere Ausführungen im Urteil. Ist keine ordnungsgemäße Verweisung erfolgt, sind grundsätzlich u.a. Ausführungen zur Bildqualität im Urteil erforderlich (OLG Düsseldorf a.a.O.). Macht der Tatrichter von der Möglichkeit, auf das Radarfoto zu verweisen, nicht deutlich und zweifelsfrei Gebrauch, muss er in den Urteilsgründen aussagekräftige charakteristische (individuelle) Merkmale feststellen, anhand derer Gesichter typischerweise und nach der jedermann zugänglichen Erfahrung mit großer Sicherheit intuitiv (wieder)erkannt werden (OLG Düsseldorf a.a.O.). Es reicht nicht aus, wenn lediglich vier Merkmale aufgelistet werden, wovon noch zwei unbestimmt sind (OLG Hamm zfs 08, 295).  

     

    Praxishinweis: Um keine ordnungsgemäße Bezugnahme handelt es sich bei der Formulierung, in der die für die Identifizierung des Betroffenen bedeutsamen Lichtbilder aufgeführt sind und mitgeteilt wird, dass hinsichtlich der Lichtbilder eine „Inaugenscheinnahme“ stattgefunden hat, auch wenn auf den Fundort der Lichtbilder in der Akte hingewiesen wird (OLG Hamm a.a.O.).  

    Trunkenheitsfahrt, Verwertbarkeit der Atemalkoholmessung  

     

    Das OLG Hamm (3. Senat für Bußgeldsachen) geht mit der überwiegenden OLG-Rechtsprechung davon aus, dass eine Atemalkoholprobe unverwertbar ist, bei der die Wartezeit von 20 Minuten seit Trinkende nicht eingehalten ist. Auf die Einhaltung dieser Wartezeit kann ebenso wenig verzichtet werden wie auf die Kontrollzeit von zehn Minuten, wobei die Kontrollzeit durchaus in die Wartezeit mit eingerechnet werden kann (OLG Hamm VA 07, 35, Abruf-Nr. 070096; OLG Dresden VA 05, 67; differenzierend OLG Karlsruhe VA 06, 140, Abruf-Nr. 061634). Entsprechendes gilt für die Einhaltung der Kontrollzeit von 10 Minuten (OLG Bamberg VA 07, 31, Abruf-Nr. 073813; OLG Hamm VA 08, 63, Abruf-Nr. 080670). Die Einhaltung der Kontrollzeit vor Beginn der Messung, während derer der Proband keinerlei Substanzen zu sich nehmen darf, ist erforderlich, um Verfälschungen des Messergebnisses, z.B. durch vorhandenen Restalkohol oder andere Restsubstanzen im Mund, auszuschließen.  

     

    Praxishinweis: Die Unverwertbarkeit der Messung führt zum Freispruch. Der Tatrichter muss sich mit der Einlassung, dass ein in einer Zahnfleischtasche verbliebener Rest eines Hustenlösers das Ergebnis der zweiten Messung mit dem Gerät Dräger 7110 Evidential verfälscht haben könnte, auseinandersetzen; insoweit kann sich die Einholung eines Sachverständigengutachtens aufdrängen (OLG Hamm a.a.O.).  

     

     

     

     

    Quelle: Ausgabe 07 / 2008 | Seite 122 | ID 119879