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  • 26.02.2008 | Haftungsabwägung

    Ende der verkehrsberuhigten Zone: Wer hat Vorfahrt?

    Die besonderen Pflichten des § 10 S. 1 StVO gelten auch für den Fahrer, der einen verkehrsberuhigten Bereich verlässt, wenn das Zeichen 326 (Ende) nicht unmittelbar im Bereich der Einmündung oder Kreuzung, sondern einige Meter davor aufgestellt ist. Entscheidend ist, ob das Einfahren in eine andere Straße bei objektiver Betrachtung noch als Verlassen des verkehrsberuhigten Bereichs i.S.d. § 10 StVO erscheint. Dies ist i.d.R. zu bejahen, wenn das Schild nicht mehr als 30 m vor der Einmündung oder Kreuzung aufgestellt ist und keine konkreten Anhaltspunkte eine abweichende Beurteilung rechtfertigen (BGH 20.11.07, VI ZR 8/07, Abruf-Nr. 080283).

     

    Sachverhalt

    Der Kläger befuhr eine verkehrsberuhigte Zone. Das Verkehrsschild 326 (Ende) war nicht direkt am Ende der Zone aufgestellt, wo die Straße in eine Querstraße einmündete. Es stand ca. 10 m davor. Der Kläger wollte in die Querstraße einfahren, die Beklagte kam von links. Es kam zur Kollision. Der Kläger berief sich auf sein Vorfahrtrecht (rechts vor links), während die Beklagten einen Verstoß gegen § 10 StVO geltend machte. Das LG verteilte unter Annahme einer Vorfahrtverletzung der Beklagten die Haftung im Verhältnis von 75:25 pro Kläger. Der BGH hat das Urteil aufgehoben.  

     

    Entscheidungsgründe

    Wer sich aus dem verkehrsberuhigten Bereich in den allgemeinen Verkehr eingliedern will, steht vor der Frage: Gilt zu seinen Lasten noch der strenge § 10 S. 1 StVO (Gefährdungsausschluss) oder kommt ihm schon die Vorfahrtregel „rechts vor links“ zugute? Diesen Meinungsstreit hat der BGH jetzt entschieden. Anknüpfend an die Verwaltungsvorschrift, wonach das Zeichen 326 höchstens 30 m vor der nächsten Einmündung aufzustellen sei, spricht er sich für ein Ende der Pflichten aus § 10 StVO aus, wenn das Schild mehr als 30 m weit weg steht. Dann sei § 10 StVO ab dem Aufstellungsort aufgehoben. Stehe es dagegen innerhalb des 30-m-Bereichs, gelte i.d.R. § 10 StVO. Ausnahmsweise könne es aber auch anders sein, z.B. wenn der Straßenabschnitt jenseits des Schildes durch Ausbau oder Gestaltung nicht mehr als Ausfahrtbereich der verkehrsberuhigten Zone erscheine.  

     

    Praxishinweis

    Die überzeugend begründete Entscheidung beendet einen langjährigen Meinungsstreit. Wer als Anwalt einen „Spielstraßen-Fall“ hat, sollte sich am besten persönlich ein Bild von der Unfallörtlichkeit machen. Die Strecke zwischen dem Ende-Schild (326) und der Einmündung bzw. Kreuzung nachzumessen, kann sich lohnen. Meist wird sich das Schild nur einige Meter vor der Querstraße befinden, jedenfalls nicht weiter weg als 30 m. Wichtig ist dann neben der Straßenführung die bauliche Gestaltung des Straßenabschnitts jenseits des Schildes bis zur Einmündung. Selbst wenn der Spielstraßen-Fahrer unter diesem Blickwinkel ausnahmsweise zum Vorfahrtberechtigten werden sollte, ist eine Quote von 75:25 zu seinen Gunsten kaum gerechtfertigt, so der BGH. Es dürfte auf 50:50 hinauslaufen.