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  • 27.01.2012

    Landesarbeitsgericht Köln: Beschluss vom 17.11.2011 – 7 Ta 30/11

    1. Unter "Entstehen des Anspruchs" im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist bezogen auf die Anwaltsgebühren nach allgemeiner Meinung nicht der Zeitpunkt des Entstehens des Gebührenanspruchs selbst zu verstehen, sondern der Zeitpunkt des Eintritts von dessen Fälligkeit.

    2. Ein Ruhenstatbestand i. S. v. § 8 Abs. 1 S. 2 letzter Hs. RVG, der nach Ablauf von 3 Monaten zur Fälligkeit der Anwaltsvergütung führt, ist gegeben, wenn das Gericht zu erkennen gibt, dass es das Verfahren nicht von sich aus, sondern nur auf Antrag einer der Parteien weiterbetreiben wird. Einer förmlichen Ruhensanordnung i. S. v. § 251 ZPO bedarf es insoweit nicht.


    Tenor:

    Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Klägerin Rechtsanwalt K gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 04.01.2011 wird zurückgewiesen.

    Gründe

    I. Der Beschwerdeführer vertrat als Anwalt die Klägerin in dem Kündigungsschutzprozess Arbeitsgericht Köln 22 (12) Ca 4744/05. Die Gegenseite war ebenfalls anwaltlich vertreten. Im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht, welcher am 17.08.2005 stattfand, stellten die Parteien die Sachanträge und verhandelten sodann zunächst zur Sache. Über den weiteren Verlauf des Kammertermins sagt das Sitzungsprotokoll Folgendes aus:

    "Die Parteien erklären, sich zunächst noch einmal außergerichtlich um eine vergleichsweise Lösung zu bemühen.

    Die Parteien werden dem Gericht bis zum 21.09.2005 mitteilen, ob eine vergleichsweise Lösung zustande gekommen ist, oder das Verfahren fortgeführt werden soll."

    Das Sitzungsprotokoll endet sodann mit einem Beschluss, mit welchem der Klägerin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Beschwerdeführers ohne Ratenzahlung mit Wirkung ab dem 04.08.2005 bewilligt wird.

    Nachdem die Parteien sich innerhalb der bis zum 21.09.2005 gesetzten Frist dem Gericht gegenüber nicht erklärt hatten, veranlasste dieses am 28.09.2005 eine Sachstandsanfrage. Auf diese hin teilte der Klägervertreter mit Schriftsatz vom 10.10.2005 mit, dass die außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen der Parteien noch andauerten. Die Sachstandsmitteilung vom 10.10.2005 endet wie folgt:

    "Es wird gebeten, die Sache um einen weiteren Monat zurückzustellen. Der Unterzeichner ist zuversichtlich, dass bis zu diesem Zeitpunkt eine Einigung erzielt werden kann."

    In der Folgezeit meldeten sich die Parteien nicht mehr. Das Gericht veranlasste seinerseits ebenfalls nichts mehr. Im Mai 2006 verfügte das Gericht auf der Grundlage von § 7 Aktenordnung, die Prozessakte wegen eines mehr als sechsmonatigen Nichtbetreibens des Verfahrens durch die Parteien wegzulegen.

    Mit Schriftsatz vom 22.09.2009 beantragte der Beschwerdeführer beim Arbeitsgericht Köln die Festsetzung von Prozesskostenhilfegebühren in Höhe von 693,18 €. Die Bezirksrevision beim Landesarbeitsgericht Köln erhob hiergegen die Einrede der Verjährung. Mit Beschluss der Rechtspflegerin beim Arbeitsgericht Köln vom 20.09.2010 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Festsetzung und Erstattung der Prozesskostenhilfegebühren kostenpflichtig zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Erinnerung des Klägervertreters gemäß § 56 RVG wurde durch richterlichen Beschluss vom 04.01.2011 zurückgewiesen. Der Beschluss vom 04.01.2011 ist Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens.

    Der Beschwerdeführer vertritt die Ansicht, dass sein Gebührenanspruch nicht verjährt sei. Er beruft sich darauf, dass das Gericht das Ruhen des Verfahrens nicht angeordnet habe und dies auch von keiner Partei beantragt worden sei. Das Verfahren sei auch zumindest bis zum 10.11.2005 betrieben worden; denn mit der Sachstandsmitteilung vom 10.10.2005 sei die Fortdauer der außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen mitgeteilt und gebeten worden, die Sache noch einen weiteren Monat zurückzustellen. Das Ruhen des Verfahrens habe daher erst im Februar 2006 begonnen, der Vergütungsanspruch sei erst im Mai 2006 fällig geworden. Die Gebührenfestsetzung sei somit rechtzeitig vor dem erst zum 31.12.2009 drohenden Verjährungseintritt beantragt worden. Die Verjährung sei somit erst nach dem Antrag auf Gebührenfestsetzung eingetreten.

    II. Bedenken gegen die Zulässigkeit der Beschwerde bestehen nicht.

    Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht Köln hat dem Antrag des Beschwerdeführers auf Festsetzung seiner PKH-Anwalts-Gebühren vom 22.09.2009 zu Recht nicht stattgegeben. Der Vergütungsanspruch ist nämlich verjährt. Die Einrede der Verjährung wurde erhoben.

    1. Der Anspruch auf die Anwaltsvergütung unterliegt der regelmäßigen dreijährigen Verjährungsfrist nach § 195 BGB (für den PKH-Anwalt: OLG Düsseldorf MDR 2008, 947; Enders in Hartung/Schons/Enders, RVG § 8 Rdnr.42). Für den Beginn der Verjährungsfrist ist § 199 Abs. 1 BGB maßgeblich. Danach beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Unter "Entstehen des Anspruchs" im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist bezogen auf die Anwaltsvergütung nach allgemeiner Meinung nicht der Zeitpunkt des Entstehens des Gebührenanspruchs selbst zu verstehen, sondern der Zeitpunkt des Eintritts von dessen Fälligkeit. Mit anderen Worten beginnt somit bei der Anwaltsvergütung die dreijährige Verjährungsfrist am Ende desjenigen Kalenderjahres, in dem der Vergütungsanspruch fällig geworden ist (Gerold/Schmidt/Madert, RVG, § 8 Rdnr. 33; Enders in Hartung/Schons/Enders,RVG, § 8 Rdnr. 40) .

    2. Die Fälligkeit der Anwaltsvergütung richtet sich nach § 8 Abs. 1 RVG. Nach § 8 Abs. 1 S. 2 letzter Hs. RVG wird die Vergütung des Anwalts, der in einem gerichtlichen Verfahren tätig wird, auch fällig, "wenn das Verfahren länger als drei Monate ruht".

    a. Die Fälligkeitsregelung in § 8 Abs. 1 S. 2 letzter Hs. RVG wird insbesondere von der ganz herrschenden Meinung in der Kommentarliteratur zum RVG zugunsten der Anwaltschaft großzügig ausgelegt. Die Norm soll nach dieser Auslegung bezwecken, dass der in einem gerichtlichen Verfahren tätige Anwalt seine Vergütung nicht nur und erst dann geltend machen kann, wenn der Auftrag erledigt oder die Angelegenheit beendet ist, wenn eine Kostenentscheidung ergangen oder der Rechtszug beendet ist, sondern auch dann, wenn ein mehr als drei Monate andauernder faktischer Stillstand des Verfahrens eintritt. Entscheidend ist dabei, dass das Gericht zu erkennen gegeben hat, dass es das Verfahren von sich aus bis auf Weiteres nicht weiter betreiben will (OLG Karlsruhe, NJW-Spezial 2008, 92 f.; N.Schneider in Schneider/Wolf, RVG, § 8 Rdnr. 93; Gierl in Mayer/Kroiß, RVG, § 8 Rn. 51). Eine förmliche Ruhensanordnung im Sinne von § 251 ZPO wird dagegen nicht für erforderlich gehalten.

    b. In der einschlägigen Kommentarliteratur wird allerdings bereits darauf hingewiesen, dass die in § 8 Abs. 1 S. 2 letzter Hs. RVG enthaltene großzügige Fälligkeitsregelung andererseits den Nachteil mit sich bringt, dass die Verjährungsfrist früher einsetzt (Enders a.a.O.; N.Schneider a.a.O.; Gierl a.a.O.).

    3. In dem der vorliegenden Beschwerde zugrunde liegenden Hauptsacheverfahren, dem Kündigungsschutzprozess Arbeitsgericht Köln 22 (12) Ca 4744/05, ist im Kammertermin vom 17.08.2005 ein Ruhenstatbestand im Sinne von § 8 Abs. 1 S. 2 letzter Hs. RVG eingetreten.

    a. Die Ankündigung der Parteien im Kammertermin vom 17.08.2009, "sich zunächst noch einmal außergerichtlich um eine vergleichsweise Lösung zu bemühen", konnte ohne Weiteres als konkludenter Ruhensantrag im Sinne des § 251 ZPO verstanden werden. Dass die Parteien während eines laufenden Gerichtsverfahrens um eine "Auszeit" bitten, um noch einmal in außergerichtliche Vergleichsgespräche eintreten zu können, stellt eine der geradezu klassischen Konstellationen des § 251 ZPO dar.

    b. Das Gericht hat zwar sodann keinen förmlichen Ruhensbeschluss nach

    § 251 ZPO verkündet, ist ansonsten aber in gleicher Weise wie bei § 251 ZPO auf das Ansinnen der Parteien eingegangen: Obwohl in dem Kammertermin zuvor die Sachanträge gestellt worden waren, hat das Gericht davon Abstand genommen, eine End-, Teil- oder Zwischenentscheidung in der Sache zu treffen. Es hat keine prozessfördernden Maßnahmen (z. B. Beweisbeschluss, Auflagenbeschluss o. ä.) beschlossen bzw. verfügt und den Rechtsstreit auch nicht etwa vertagt. Es hat sich vielmehr darauf beschränkt, den Parteien aufzugeben, binnen einer bestimmten Frist mitzuteilen "ob eine vergleichsweise Lösung zustande gekommen ist oder das Verfahren fortgeführt werden soll". Es hat damit unmissverständlich klargestellt, dass es von sich aus das Verfahren vorläufig nicht weiterbetreiben werde, es sei denn, dass eine oder beide Parteien mit dem Wunsch nach Fortführung des Verfahrens an das Gericht herantreten würden.

    c. Da das Verfahren seit dem 17.08.2005 i. S. v. § 8 Abs. 1 S. 2 letzter Hs. RVG ruhte, trat die Fälligkeit der Anwaltsvergütung am 17.11.2005 ein. Der reguläre Verjährungsbeginn war somit auf den 31.12.2005 zu datieren.

    d. Auch unter Beachtung der dreimonatigen Hemmung der Verjährung gem. § 8 Abs. 2 S. 3 RVG war der anwaltliche Vergütungsanspruch des Beschwerdeführers damit jedoch bereits verjährt, als dieser mit Schriftsatz vom 22.09.2009 erstmals die Festsetzung seiner Gebühren beantragte.

    4. Gegen diese Entscheidung ist ein weiteres Rechtsmittel nicht zugelassen.

    Dr. Czinczoll