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  • 14.07.2023 · IWW-Abrufnummer 236272

    Verwaltungsgericht Leipzig: Beschluss vom 05.01.2023 – 6 K 741/18

    Die Geschäftsgebühr im Widerspruchsverfahren wird auf die Verfahrensgebühr im Venualtungsgerichtsverfahren angerechnet, auch wenn eine Vergütungsvereinbarung geschlossen wurde.


    Verwaltungsgericht Leipzig

    Beschluss vom 05.01.2023


    In der Verwaltungsrechtssache
    des Herrn ...- Kläger -
    prozessbevollmächtigt:Rechtsanwälte _____________________ -
    Erinnerungsführer
    gegendie ...-
    Beklagte und Erinnerungsgegnerin -
    wegen Gewerbesteuerhaftungsbescheid
    hier: Kostenerinnerung

    hat die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Leipzig durch den Vorsitzenden Richter am                   Verwaltungsgericht ____ am 5. Januar 2023beschlossen:

    Tenor:

    1.Die Erinnerung wird zurückgewiesen.
    2.Der Erinnerungsführer trägt die Kosten des gerichtsgebührenfreien Verfahrens.

    Gründe

    I.

    Mit Schreiben vom 16.10.2021 beantragte der Erinnerungsführer - der Prozessbevollmächtigte des Klägers - beim Verwaltungsgericht Leipzig, gegen die Beklagte Kosten in Höhe von 5.457,88 € (4.586,20 € netto und 871,38 € brutto) festzusetzen. Mit Beschluss vom 15.9.2022 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die zu erstattenden Kosten in Höhe von 4.618,75 € brutto fest und lehnte den Antrag im Übrigen ab. Mit Schreiben vom 22.9.2022 legte der Erinnerungsführer hiergegen Erinnerung ein und wandte sich allein gegen die von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vorgenommene Anrechnung der im Verwaltungsverfahren entstandenen Geschäftsgebühr auf die im Verwaltungsgerichtsverfahren entstandene Verfahrensgebühr. Mit Entscheidung vom 1.11.2022 verwarf die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Erinnerung und legt sie dem Gericht zur Entscheidung vor.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.

    II.

    Das Gericht des ersten Rechtszuges entscheidet über die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss in der Besetzung des Einzelrichters (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 27. Auflage, § 165 Rn. 3). Nur wenn die Kostenentscheidung in der Besetzung von drei Richtern ergangenen ist, wird auch in dieser Besetzung über die Kostenerinnerung entschieden. Das war hier aber nicht der Fall.

    Die gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle erhobene Erinnerung nach § 165, § 151 VwGO hat keinen Erfolg.

    Aufgrund der gerichtlichen Kostenentscheidung (SächsOVG, Beschl. v. 16.6.2021 - 5 A 508/20 -) hat die Erinnerungsgegnerin dem Erinnerungsführer seine notwendigen Aufwendungen zu erstatten (§ 162 Abs. 1 VwGO). Hierzu zählen auch die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwaltes (§ 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO) und die Gebühren für die anwaltliche Tätigkeit im Vorverfahren, weil das Gericht mit Beschluss vom 5.5.2022 die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt hat (§ 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO). Erstattungsfähig sind immer nur die gesetzlich vorgesehenen Gebühren und Auslagen nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Anlage 1), nicht dagegen vereinbarte Honorare (Kopp/Schenke, VwGO, 27. Auflage, § 162 Rn. 10a).

    Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat für den Erinnerungsführer und seine Tätigkeit im Widerspruchsverfahren eine Geschäftsgebühr in Höhe von 1.6113,16 € (1,8 Gebührensatz von 1.484,00 € zuzüglich Auslagen von 20,00 € zuzüglich Umsatzsteuer von 257,60 €) in Ansatz gebracht (Nrn. 2300, 7002, 7008 nach Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG). Das hat der Erinnerungsführer im Ergebnis später auch nicht in Streit gestellt.

    Etwas anders ist es bei der Verfahrensgebühr. Hier hat der Erinnerungsführer für das Verfahren in der ersten Instanz bei einem Streitwert von 20.725,40 € den vollen Gebührensatz von 1,3 (Nr. 3100 VV) in Höhe von 964,60 € netto in Ansatz gebracht. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat diese Verfahrensgebühr im Kostenfestsetzungsbeschluss allerdings nicht in der beantragten Höhe festgesetzt, sondern nur einen Betrag in Höhe von 408,10 € netto in Ansatz gebracht. Sie hat hierbei 556,50 € netto in Abzug gebracht. Das sind 75 % der Geschäftsgebühr, wie sie sich aus 742,00 € netto nach Anlage 2 zu § 13 Abs. 1 Satz 3 RVG in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts vom 23.7.2013 (BGBl. I S. 2586) errechnet. Diese Verfahrensweise der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ist nach den einschlägigen Gesetzlichkeiten nicht zu beanstanden.

    § 15a Abs. 1 RVG bestimmt, wenn die Anrechnung einer Gebühr auf eine andere Gebühr vorgesehen ist, dass der Rechtsanwalt beide Gebühren fordern kann, jedoch nicht mehr als den um den Anrechnungsbetrag verminderten Gesamtbetrag der beiden Gebühren. Nach der Vorbemerkung 2.3 Abs. 4 zu Nrn. 2300 ff. VV wird, soweit wegen desselben Gegenstands eine Geschäftsgebühr für eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren entstanden ist, diese Gebühr zur Hälfte, bei Wertgebühren jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75, auf eine Geschäftsgebühr für eine Tätigkeit im weiteren Verwaltungsverfahren, das der Nachprüfung des Verwaltungsakts dient, angerechnet. Bei einer Betragsrahmengebühr beträgt der Anrechnungsbetrag höchstens 207,00 €. Bei einer Wertgebühr erfolgt die Anrechnung nach dem Wert des Gegenstands, der auch Gegenstand des weiteren Verfahrens ist.

    Diese Voraussetzungen sind offensichtlich erfüllt. Soweit der Erinnerungsführer meint, die genannten Bestimmungen seien im vorliegenden Verfahren nicht anzuwenden, weil er mit dem Kläger eine stundensatzbezogene Honorarvereinbarung geschlossen habe und eine vereinbarte Vergütung gerade nicht mit der gesetzlich vorgesehenen Vergütung gleichgesetzt werden könne, kann er nicht überzeugen (ebenso VG Leipzig, Beschl. v. 31.8.2022 - 4 K 1346/20 -; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 26.5.2021 - OVG 6 K 29/11 -, juris Rn. 3 ff.; HessVGH, Beschl. v. 27.6.2013 - 6 E 600/13, 6 E 602/13, 6 E 601/13 -, juris Rn. 33 ff.; Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 25. Auflage, § 15a RVG Rn. 75 ff.; Mayer, in: Gerold/Schmidt, RVG, 25. Auflage, 2300 VV Rn. 3 ff., 49; anders BGH, Beschl. v. 18.8.2009 - VIII ZB 17/09 -, juris Rn. 7 ff.; offen Winkler, in: Gesamtes Kostenrecht, 3. Auflage, § 15a Rn. 45 ff., 63 f.).

    Weiter macht das Gericht darauf aufmerksam, dass der Vortrag des Erinnerungsführers schon an sich widersprüchlich ist, weil er in seinem Kostenfestsetzungsantrag vom 16.10.2021 seine Geschäftsgebühr der Erinnerungsgegnerin in Rechnung stellen will und damit unterstellt, dass diese entstanden ist (Vorbemerkung 2.3 Absatz 3 VV) und auf der anderen Seite in seinem Schriftsatz vom 26.8.2022 vorträgt, die Geschäftsgebühr sei nicht entstanden, weil er mit dem Kläger eine Vergütungsvereinbarung geschlossen habe (§ 3a Abs. 1 Satz 1 RVG in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung des Verbos der Vereinbarung von Erfolgshonoraren vom 1.7.2008, BGBl. I S. 1000). Das Gericht weist hierbei darauf hin, dass die Vergütungsvereinbarung nur das Verhältnis zwischen dem Erinnerungsführer und dem Kläger betrifft. So heißt es in § 3a Abs. 1 Satz 3 RVG, dass die Vergütungsvereinbarung den Hinweis enthalten muss, dass die gegnerische Partei, ein Verfahrensbeteiligter oder die Staatskasse im Fall der Kostenerstattung regelmäßig nicht mehr als die gesetzlichen Gebühren erstatten muss (OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 26.5.2021 - OVG 6 K 29/11 -, juris Rn. 4 f.). Die Vergütungsvereinbarung betrifft gerade nicht das Verhältnis zwischen dem Erinnerungsführer und dem Prozessgegner und darf diesen als nicht am Vertrag Beteiligten auch nicht belasten. Die Anrechnung der Geschäftsgebühr steht daher in Übereinstimmung mit § 15a Abs. 1 RVG. Diese Vorschrift ist auch anwendbar, da die Geschäftsgebühr und die Verfahrensgebühr in demselben Verfahren geltend gemacht werden (§ 15a Abs. 3 Var. 3 RVG).

    Soweit sich der Erinnerungsführer auf die zivilgerichtliche Rechtsprechung und insbesondere auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH, Beschl. v. 18.8.2009 - VIII ZB 17/09 -, juris Rn. 8 ff.) berufen will, um seine Auffassung zu untermauern, so verfängt dies nicht. Eine solche Interpretation steht im Widerspruch zu den Vorbemerkungen im Vergütungsverzeichnis und damit zu dem Willen des Gesetzgebers, wie er im Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts vom 5.5.2004 (BGBl. 2004 S. 718) und in den Änderungen der damaligen Vorbemerkung 3 Abs. 4 in Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses (Bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, der öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeiten, Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz und ähnliche Verfahren), jetzt Vorbemerkung 2.3 Abs. 4 in Teil 2 Abschnitt 3 des Vergütungsverzeichnisses (außergerichtliche Tätigkeiten einschließlich der Vertretung im Verwaltungsverfahren), zum Ausdruck gekommen ist (HessVGH, Beschl. v. 27.6.2013 - 6 E 600/13, 6 E 602/13, 6 E 601/13 -, juris Rn. 39). Hiernach soll verwaltungsgerichtlichen Besonderheiten Rechnung getragen werden und die Geschäftsgebühr, die der Rechtsanwalt in einem behördlichen Verfahren erhält, beim Übergang in ein gerichtliches Verfahren angerechnet werden, weil eine Gleichbehandlung eines Rechtsanwaltes, der unmittelbar einen Prozessauftrag erhält, mit einem Rechtsanwalt, der zunächst außergerichtlich tätig war, nicht zu rechtfertigen ist (Begründung Seite 209 des Gesetzentwurfs der Fraktionen SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, DrS Nr. 15/1971).

    Unter Berücksichtigung all dessen war die Erinnerung zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfre.

    RechtsgebieteGebührenrecht, VerwaltungsprozessVorschriftenVorbem. 2.3 Abs. 4, Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG