20.06.2012 · IWW-Abrufnummer 121846
Oberlandesgericht München: Urteil vom 02.02.2012 – 29 U 3538/11
Zur Frage der internationalen Zuständigkeit bei Urheberrechtsverstößen im Internet.
29 U 3538/11
In dem Rechtsstreit
...
- Klägerin und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte ...
gegen
...
- Beklagter und Berufungsbeklagter -
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt ...
hat der 29. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Zwirlein sowie Richter am Oberlandesgericht Dr. Kartzke und Richter am Oberlandesgericht Dr. Schulz auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 2. Februar 2012 für Recht erkannt:
Tenor:
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 3. August 2011 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung hinsichtlich der Kosten abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrags, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Gründe
I. Die Parteien streiten um urheberrechtliche Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche.
Die Klägerin betreibt Internetplattformen, auf denen Kunden gegen Entgelt dort abrufbare Inhalte anmieten können. Unter anderem bietet die Klägerin animierte und vertonte Flash-Präsentationen, also Bild- und Tonfolgen in digitaler Form, an. Eine der von ihr angebotenen Flash-Präsentationen trägt den Titel "Sparen & Vorsorgen" (vgl. Storyboard = Anlage K 1).
Der Mitarbeiter der Klägerin, der die letztgenannte Flash-Präsentation konzipiert, die Texte erstellt und die Bilder aufeinander abgestellt hat, hat die ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte auf die Klägerin übertragen. Die Klägerin hat Lizenzrechte an den in der Präsentation verwendeten Fotographien und Graphiken erworben und professionelle Sprecher beauftragt.
Die Flash-Präsentation "Sparen & Vorsorgen" enthält statistische Angaben, z.B. zur Durchschnittsrente und zur Bevölkerungsentwicklung, die ausschließlich auf die Verhältnisse in Deutschland bezogen sind. Es werden ferner die deutschen Einrichtungen "BfA" und "LVA" genannt.
Für die Anmietung von Präsentationen besteht bei der Klägerin ein dreistufiges Gebührenschema.
Dabei ist bei Lizenzverträgen, in denen die Klägerin darauf verzichtet, dass der Kunde im Zusammenhang mit der Präsentation für die Klägerin wirbt, eine pauschale Lizenzgebühr in Höhe von 2.900,- € zzgl. Mehrwertsteuer für eine Laufzeit von 24 Monaten vorgesehen.
Der Beklagte bietet Finanzberatungsdienstleistungen, u.a. in den Bereichen Versicherungen und Vorsorge, an. Er betreibt unter www. ... .at eine deutschsprachige Internetseite, die weltweit abrufbar ist und auf der sich folgende werbemäßige Aufforderung findet: "Vereinbaren Sie deshalb noch heute Ihren persönlichen Beratungstermin" (vgl. Anlage K 3). Der Beklagte hat keine Mitarbeiter oder Servicestellen in der Bundesrepublik Deutschland, er hat keine deutschen Staatsbürger als Kunden und keine Kooperationsvereinbarung mit einem deutschen Finanzdienstleister.
Anfang 2007 war auf der Unterseite www. ... .at/files/vorsorge.htm des Internetauftritts des Beklagten die Flash-Präsentation "Sparen & Vorsorgen" der Klägerin eingestellt. Diese konnte jedenfalls über eine direkte Eingabe der URL aufgerufen werden.
Im Impressum der Internetseite des Beklagten war zu diesem Zeitpunkt folgende Adresse angegeben (vgl. Anlage K 16):
"...
...
A-8020 Graz
Tel. und Fax: +43/..."
Die Klägerin trägt vor, dass einer ihrer Mitarbeiter im Jahr 2007 festgestellt habe, dass auf dem genannten Unterverzeichnis der Internetseite des Beklagten ein Link zur Präsentation "Sparen & Vorsorgen" der Klägerin veröffentlicht worden sei. Über diesen Link sei die Präsentation auf dem Server des Beklagten öffentlich zugänglich gemacht worden, wobei der Urheberrechtshinweis entfernt und das Design dahingehend verändert worden sei, dass anstelle des üblichen Kontaktformulars der Klägerin der Besucher nach Betrachtung des Flash-Films automatisch auf die Webseite www. ... .at/ausstieg.php gelangt sei.
Die Klägerin mahnte den Beklagten mit Schreiben vom 13. Februar 2007 wegen Verletzung ihrer Urheberrechte an der Präsentation "Sparen & Vorsorgen" erfolglos ab (vgl. Anlage K 4).
Die Klägerin hat vor dem Landgericht beantragt:
1. Der Beklagte wird verurteilt, es ... [bei Meidung näher bezeichneter Ordnungsmittel] zu unterlassen, die von der Klägerin erstellte Präsentation "Sparen & Vorsorgen" gemäß Anlage K 1 ohne Zustimmung der Klägerin der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.900,-- Euro nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 24.02.2007 zu bezahlen.
3. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Anwaltskosten in Höhe von 807,80 Euro nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 24.02.2007 zu bezahlen.
Der Beklagte hat vor dem Landgericht beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt vor, er selbst habe die Präsentation nicht auf seiner Website eingestellt und diese auch nicht verlinkt oder geändert. Es entziehe sich seiner Kenntnis, wie das Video auf die Unterseite gekommen sein solle.
Der Beklagte rügt die seines Erachtens fehlende internationale Zuständigkeit des Landgerichts und trägt vor, dass er sich mit seinem Internetauftritt ausschließlich an den österreichischen Markt wende.
Der Beklagte erhebt außerdem die Einrede der Verjährung.
Mit Urteil vom 3. August 2011 hat das Landgericht München I wie folgt erkannt:
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klagepartei.
Zur Begründung ist ausgeführt, dass die Klage mangels internationaler Zuständigkeit des Landgerichts München I als unzulässig abzuweisen sei.
Auf die tatsächlichen Feststellungen dieses Urteils wird Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus dem ersten Rechtszug und beantragt:
I. unter Abänderung des am 03.08.2011 verkündeten Urteils des Landgerichts München I, Az. 37 O 26401/10, den Beklagten zu verurteilen, es ... [bei Meidung näher bezeichneter Ordnungsmittel] zu unterlassen, die von der Klägerin erstellte Präsentation "Sparen & Vorsorgen" gemäß Anlage K 1 ohne Zustimmung der Klägerin der Öffentlichkeit zugänglich zu machen;
II. unter Abänderung des am 03.08.2011 verkündeten Urteils des Landgerichts München I, Az. 37 O 26401/10, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin EUR 2.900,00 nebst Zinsen in Höhe von 8%Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 24.02.2007 zu bezahlen;
III. unter Abänderung des am 03.08.2011 verkündeten Urteils des Landgerichts München I, Az. 37 O 26401/10, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin Anwaltskosten in Höhe von EUR 807,80 nebst Zinsen in Höhe von 8%Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.02.2007 zu bezahlen.
Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll des Termins der mündlichen Verhandlung vom 2. Februar 2012 Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet, weil das Landgericht die Klage wegen nicht bestehender internationaler Zuständigkeit zu Recht als unzulässig abgewiesen hat.
Die internationale Zuständigkeit für die gegen den in Österreich ansässigen Beklagten gerichtete Klage beurteilt sich nach der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO).
Gemäß Art. 2 Abs. 1 EuGVVO sind Personen, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, grundsätzlich vor den Gerichten dieses Staates zu verklagen. Somit besteht im Streitfall eine internationale Zuständigkeit der österreichischen Gerichte. Eine Ausnahme gemäß Art. 3 EuGVVO, die im Streitfall eine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte begründen würde, liegt nicht vor.
1. Der Beklagte hat - wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat - die mangelnde internationale Zuständigkeit gerügt und sich somit nicht gemäß Art. 24 EuGVVO rügelos auf das Verfahren eingelassen.
2. Es besteht im Streitfall kein Gerichtsstand gemäß Art. 23 Abs. 1 EuGVVO in der Bundesrepublik Deutschland, weil - wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat - die Parteien in Bezug auf das streitgegenständliche Rechtsverhältnis eine Gerichtsstandsvereinbarung nicht getroffen haben. Dagegen hat die Klägerin in der Berufungsbegründung keine Einwendungen erhoben. Nähere Ausführungen sind deshalb insoweit nicht veranlasst.
3. Es besteht im Streitfall auch kein Gerichtsstand gemäß Art. 5 Nr. 3 EuGVVO in der Bundesrepublik Deutschland.
a) Nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO kann eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, in einem anderen Mitgliedstaat vor dem Gericht des Ortes verklagt werden, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden. Der Ort des schädigenden Ereignisses i.S. von Art. 5 Nr. 3 EuGVVO ist neben dem Handlungsort auch der Erfolgsort, d.h. der Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist. Unter die Zuständigkeit des Gerichtsstands der unerlaubten Handlung i.S. von Art. 5 Nr. 3 EuGVVO fallen auch Klagen wegen Urheberrechtsverletzungen (vgl. BGH GRUR 2007, 871, Tz. 17 - Wagenfeld-Leuchte).
Bei Rechtsverletzungen im Internet ist der Erfolgsort im Inland belegen, wenn sich der Internetauftritt bestimmungsgemäß dort auswirken soll (vgl. BGH GRUR 2005, 431 [432] - HOTEL MARITIME; GRUR 2006, 513, Tz. 21 m.w.N. - Arzneimittelwerbung im Internet; GRUR 2007, 884, Tz. 23 - Cambridge Institute; Senat, Urteil vom 8. Oktober 2009 - 29 U 2636/09, juris, dort Tz. 12 - REFODERM).
Der Gerichtsstand hängt jedoch nicht davon ab, dass tatsächlich eine Verletzung des nationalen Rechts erfolgt ist; erforderlich ist indes, dass eine Verletzung behauptet wird und diese nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann (vgl. BGH GRUR 2007, 871, Tz. 17 m.w.N. - Wagenfeld-Leuchte).
b) Nach diesen Grundsätzen folgt aus Art. 5 Nr. 3 EuGVVO im Streitfall keine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte.
aa) Der Handlungsort ist nicht im Inland belegen. Selbst wenn sich - wie von der Klägerin behauptet - bereits zum relevanten Zeitpunkt, in dem der Beklagte die von der Klägerin geltend gemachte Urheberrechtsverletzung begangen haben soll, der Standort des Servers für die mit dem Länderkürzel "at" versehene Domain des Beklagten in der Bundesrepublik Deutschland befunden haben sollte, wäre dies für den Streitfall irrelevant. Aus dem Standort des Servers in der Bundesrepublik Deutschland ließe sich nämlich eine bis ins Inland wirkende Handlung des Beklagten aufgrund der Nutzung seines Rechners, einschließlich des Proxy-Servers, der Datenleitung und der Übertragungssoftware des Internets zur physikalischen Beförderung der Dateien ins Inland nicht herleiten. Eine solche die Zuständigkeit begründende Anknüpfung hinge von technischen Umständen ab, die zu einer Ubiquität des Gerichtsstands für Ansprüche wegen unerlaubter Handlungen im Internet führen würde (vgl. BGH GRUR 2011, 558, Tz. 16 - www.womanineurope.com). Entsprechende Erwägungen gelten für das Webhosting, also die technische Bereitstellung der Inhalte im Internet.
Dafür, dass der in Österreich wohnhafte und geschäftsansässige Beklagte den streitgegenständlichen Internetauftritt von der Bundesrepublik Deutschland aus ins Internet gestellt haben könnte, ist nichts ersichtlich.
bb) Auch der Erfolgsort ist vorliegend nicht im Inland belegen. Zwar behauptet die Klägerin, dass sich der angegriffene Internetauftritt bestimmungsgemäß im Inland habe auswirken sollen.
Das kann jedoch im Streitfall von vornherein ausgeschlossen werden, weil der vorgetragene Sachverhalt diese Behauptung nicht trägt.
Trotz des ubiquitären Charakters des Internets kann nicht allein daraus, dass ein regional tätiges Unternehmen sich und sein Angebot im Internet darstellt, darauf geschlossen werden, der räumliche Tätigkeitsbereich des Unternehmens werde entsprechend auf das gesamte Gebiet seines Staates oder darüber hinaus ausgedehnt. Es ist weithin üblich, dass sich Unternehmen, die sich - aus welchen Gründen auch immer - auf einen bestimmten räumlichen Wirkungskreis beschränkt haben, im Internet darstellen, ohne dass damit eine räumliche Ausweitung des Tätigkeitsbereichs verbunden ist (vgl. BGH GRUR 2006, 159, Tz. 18 m.w.N. - hufeland.de). Die Annahme, ein Internetauftritt solle sich bestimmungsgemäß im Inland auswirken, bedarf daher gesonderter konkreter Anhaltspunkte (Senat, Urteil vom 8. Oktober 2009 - 29 U 2636/09, juris, dort Tz. 16 - REFODERM). An solchen gesonderten konkreten Anhaltspunkten fehlt es im Streitfall.
(1) Vorliegend stellt der bloße Umstand, dass der Internetauftritt in deutscher Sprache erfolgte, keinen solchen Anhaltspunkt dar, weil Deutsch auch in Österreich gesprochen wird (vgl. Senat, Urteil vom 8. Oktober 2009 - 29 U 2636/09, juris, dort Tz. 17 - REFODERM).
(2) Auf dem als Anlage K 3 vorgelegten Ausdruck des streitgegenständlichen Internetauftritts findet sich im Fettdruck die an die Besucher der Website gerichtete Aufforderung: "Vereinbaren Sie deshalb noch heute Ihren persönlichen Beratungstermin". Darunter befinden sich die geschäftlichen Kontaktdaten des Beklagten wie folgt: "... - 8020 Graz - Tel + Fax: (0316) ... - E-mail: office@....at". Dieser Umstand ist ein gewichtiger konkreter Anhaltspunkt dafür, dass sich der betreffende Internetauftritt bestimmungsgemäß an einen Personenkreis richtet, der so loziert ist, dass die Vereinbarung persönlicher Beratungstermine mit dem in Graz ansässigen Unternehmen des Beklagten unter Berücksichtigung der räumlichen Entfernung noch sinnvoll möglich ist. Dies ist in Bezug auf in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Personen aber nicht der Fall.
In diesem Zusammenhang kann entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin nicht darauf abgestellt werden, dass der Internetauftritt dazu bestimmt sei, Personen anzusprechen, die aus Österreich, insbesondere aus Graz und Umgebung stammen, sich (vorübergehend) in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten und von dort den Internetauftritt des Beklagten aufrufen. Denn die Rechtfertigung für den Gerichtsstand am Ort der unerlaubten Handlung liegt in der durch den Handlungs- oder Erfolgsort begründeten besonderen Beziehung der Streitigkeit zum Forum und in der geringeren Schutzwürdigkeit des Interesses des deliktisch handelnden Schuldners, an seinem Wohnsitz verklagt zu werden (vgl. BGH GRUR 2011, 558, Tz. 13 - www.womanineurope.com). Zweck der Vorschrift des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO ist es, einen Gerichtsstand dort zu eröffnen, wo die sachliche Aufklärung und Beweiserhebung in der Regel am besten, sachlichsten und mit den geringsten Kosten erfolgen kann (vgl. EuGH NJW 1995, 1881, Tz. 19 - Shevill zur Auslegung von Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ; BGH GRUR 2011, 558, Tz. 13 m.w.N. - www.womanineurope.com zur Auslegung von § 32 ZPO). Würde ein (vorübergehender) inländischer Aufenthalt einer aus Graz und Umgebung stammenden Person als möglicher Schadensort ausreichen, um einen Gerichtsstand im Inland zu begründen, wäre vorliegend der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung schon nach deren schlüssiger Behauptung in allen Ländern eröffnet, in denen sich jemand, der aus Graz und Umgebung stammt, aufhält. Es käme - in ähnlicher Weise wie bei der abzulehnenden Anknüpfung an die bloße Abrufbarkeit im Internet (vgl. hierzu BGH GRUR 2010, 461, Tz. 17 - The New York Times) - zu einer uferlosen Ausweitung der Gerichtspflichtigkeit des Beklagten. Der Gerichtsstand wäre zufällig und beliebig (vgl. EuGH, Urteil vom 19. September 1995 - C-364/93, BeckRS 2004, 76763, Tz. 13 f. - Marinari; BGH GRUR 2011, 558, Tz. 14 - www.womanineurope.com).
(3) Selbst wenn der Beklagte - wie von der Klägerin behauptet - bereits zum relevanten Zeitpunkt, in dem der Beklagte die von der Klägerin geltend gemachte Urheberrechtsverletzung begangen haben soll, Finanzdienstleistungen ausschlie ßlich im Fernabsatz vertrieben hätte, wogegen freilich der als Anlage K 3 vorgelegten Ausdruck des streitgegenständlichen Internetauftritts und der dort angebotene "persönliche Beratungstermin" spricht, wäre dies kein konkreter Anhaltspunkt, der darauf hinwiese, dass der streitgegenständliche Internetauftritt bestimmungsgemäß auch auf das Inland gerichtet ist. Der von der Klägerin vorgelegte Ausdruck der Unterseite "Downloads" der Website des Beklagten (vgl. Anlage K 19), von der streitig ist, ob sie zum relevanten Zeitpunkt der behaupteten Urheberrechtsverletzung überhaupt schon eingerichtet war, wogegen deutlich spricht, dass die Auswahloption "Service", welche gemäß Anlage K 19 die Unterrubrik "Downloads" enthält, auf den als Anlagen K 3 und K 16 vorgelegten Websiteausdrucken nicht erscheint, ergibt keinerlei spezifischen Bezug zur Bundesrepublik Deutschland. Zum näheren Inhalt der angebotenen Downloads ist nichts vorgetragen.
(4) Der Umstand, dass im Impressum des streitgegenst ändlichen Internetauftritts die internationale Länderkennung "A" sowie die internationale Vorwahl "+43" für Österreich verwendet sind (vgl. Anlage K 16), weist - wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat - gleichfalls nicht darauf hin, dass der Internetauftritt dazu bestimmt sei, sich im Inland auszuwirken. Diese Angaben, die lediglich dazu dienen, das Unternehmen des Beklagten und dessen Kontaktdaten eindeutig zu bezeichnen, erlauben weder den Schluss, dass der Beklagte die von ihm angebotenen Dienstleistungen in anderen Ländern erbringen will, noch die Annahme, dass gerade Interessenten im Inland angesprochen werden sollen (vgl. Senat, Urteil vom 8. Oktober 2009 - 29 U 2636/09, juris, dort Tz. 18 - REFODERM zum Zusatz "International" in einer Geschäftsbetriebskennzeichnung).
Außerdem wäre eine solche Annahme besonders im vorliegenden Fall nicht gerechtfertigt, weil auf dem als Anlage K 3 vorgelegten Ausdruck einer Seite des streitgegenständlichen Internetauftritts, die das Publikum - anders als das Impressum - konkret werbend anspricht, die Kontaktdaten des Unternehmens des Beklagten gerade ohne die internationale Länderkennung "A" und die internationale Vorwahl "+43" dargestellt sind.
(5) Selbst wenn sich - wie von der Klägerin behauptet und von dem Beklagten bestritten - bereits zum relevanten Zeitpunkt, in dem der Beklagte die von der Klägerin geltend gemachte Urheberrechtsverletzung begangen haben soll, der Standort des Servers für die mit dem Länderkürzel "at" versehene Domain des Beklagten in der Bundesrepublik Deutschland befunden haben und der Webspace dort gehostet worden sein sollte, wäre dieser rein technische Umstand kein konkreter Anhaltspunkt, der darauf hinwiese, dass der streitgegenständliche Internetauftritt bestimmungsgemäß auch auf das Inland gerichtet ist. Dies folgt bereits daraus, dass sich ein durchschnittlicher Internetnutzer, wenn er sich über die Herkunft einer Internetseite Gedanken macht, einem etwa vorhandenen - im Streitfall: österreichischen - Länderkürzel besondere Beachtung schenken wird, nicht aber dem Standort des Servers, der für ihn nicht unmittelbar ersichtlich, sondern nur im Wege weiterer Nachforschungen zu ermitteln ist. Auch hier gilt, dass eine die Zuständigkeit begründende Anknüpfung an technische Umstände zu einer Ubiquität des Gerichtsstands für Ansprüche wegen unerlaubter Handlungen im Internet führen würde, die abzulehnen ist (vgl. BGH GRUR 2011, 558, Tz. 16 - www.womanineurope.com).
(6) Auch wenn der Beklagte, wie von der Klägerin behauptet, die streitgegenständliche Flash-Präsentation "Sparen & Vorsorgen" der Klägerin auf einer Unterseite seines Internetauftritts eingestellt und dort öffentlich zugänglich gemacht hätte, ergäbe sich daraus nicht, dass sich der Internetauftritt bestimmungsgemäß (auch) in der Bundesrepublik Deutschland auswirken soll.
Soweit die Präsentation statistische Angaben enthält, ist nicht ersichtlich und keinesfalls fernliegend, dass diese Angaben, die sich nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin auf die Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland beziehen, z.B. dass 7 von 10 Menschen die Höhe ihrer eigenen Rente falsch einschätzen, dass 3 von 4 Frauen ihren Lebensstandard im Alter nicht halten können, dass Frauen eine durchschnittliche monatliche Rente von 405 € erhalten, dass die durchschnittliche Lebenserwartung von Männern heute bei 75 Jahren und von Frauen bei 80 Jahren liegt, usw. nicht auch in etwa die Verhältnisse in Österreich zutreffend abbilden. Die in der Präsentation enthaltenen statistischen Angaben nehmen auch nicht explizit auf die Bundesrepublik Deutschland Bezug. Ein solcher Bezug ergibt sich lediglich mittelbar daraus, dass in der Präsentation vereinzelt Begriffe wie z.B. "BfA", "LVA" und "Erzähl du einen Schwaben nichts vom sparen" (sic!) verwendet werden, die darauf hindeuten können, dass die Präsentation aus der Bundesrepublik Deutschland stammt. Er ist jedoch - schon nach seinem Umfang - derart untergeordnet, dass die betreffende Präsentation ohne Weiteres auch gegenüber einem in Graz und Umgebung ansässigen Personenkreis werbend einsetzbar ist, um die auch in Österreich bestehende Notwendigkeit einer privaten Altersvorsorge zu adressieren.
Deshalb ließe sich aus dem Umstand der Abrufbarkeit der Präsentation von einer Internetseite des Beklagten oder eines von der Klägerin behaupteten früheren Erwerbs von Lizenzrechten an der Präsentation durch den Beklagten nichts Entscheidendes dafür herleiten, dass sich der Internetauftritt des Beklagten bestimmungsgemäß (auch) im Inland auswirken soll. Dies gilt umso mehr, als die Präsentation im Gesamtkontext des Internetauftritts des Beklagten zu betrachten ist, der aus den vorstehend genannten Gründen, insbesondere wegen der Aufforderung zur Vereinbarung eines persönlichen Beratungstermins bei gleichzeitiger Nennung der Geschäftsanschrift des Unternehmens des Beklagten in Graz und der Verwendung einer Domain mit der österreichischen Länderkennung "at", eine klare Zielrichtung auf in Österreich, insbesondere in Graz und Umgebung ansässige Personen hat. Dies wird ferner dadurch untermauert, dass das Unternehmen des Beklagten unstreitig keine Mitarbeiter oder Servicestellen in der Bundesrepublik Deutschland besitzt, keine Kooperationsvereinbarung mit einem deutschen Finanzdienstleister hat und kein einziger deutscher Staatsbürger zu seinen Kunden gehört.
(7) Selbst wenn die Behauptung der Klägerin als wahr unterstellt würde, dass die Wirtschaftskammer Graz bestätigt habe, dass Deutsche verstärkt österreichische Finanzdienstleistungen in Anspruch nehmen würden, wäre dies ein lediglich allgemeiner, nicht ein konkret auf den streitgegenständlichen Internetauftritt gerichteter Gesichtspunkt, der nicht geeignet ist, den notwendigen konkreten Inlandsbezug des Internetauftritts des Beklagten herzustellen.
(8) Da sich der angegriffene Internetauftritt nicht seinem Erscheinungsbild nach im Inland auswirken soll, kann dem Fehlen eines entsprechenden Disclaimers im angegriffenen Auftritt, mit dem erklärt würde, nicht ins Inland anzubieten, keine zuständigkeitsbegründende Wirkung zugeschrieben werden. Funktion eines Disclaimers ist es in diesem Zusammenhang, das aus den übrigen Umständen bereits eröffnete Verbreitungsgebiet einzuschränken (vgl. BGH GRUR 2006, 513, Tz. 22 - Arzneimittelwerbung im Internet). Einer derartigen Einschränkung bedarf es nicht, wenn schon ohne den Disclaimer nicht anzunehmen ist, dass sich das Verbreitungsgebiet auf das Inland erstrecke (vgl. Senat, Urteil vom 8. Oktober 2009 - 29 U 2636/09, juris, dort Tz. 20 - REFODERM).
(9) Soweit die Klägerin in der Berufungsbegründung rügt, das Landgericht habe eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO unterlassen, ist dies unzutreffend.
Denn das Landgericht hat - wie die vorstehenden Ausführungen zeigen - die einschlägige Rechtsprechung des EuGH zur Auslegung von Art. 5 Nr. 3 EuGVVO berücksichtigt.
4. Es besteht im Streitfall schließlich auch kein Gerichtsstand gemäß Art. 5 Nr. 1 EuGVVO in der Bundesrepublik Deutschland, weil die Klägerin keine vertraglichen Ansprüche geltend gemacht hat.
5. Somit besteht im Streitfall keine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte, auch wenn der Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 28. Juni 2011 berücksichtigt wird. Ob der dortige Vortrag präkludiert ist, kann deshalb dahin stehen.
III. 1. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
3. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat ( § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO nicht vorliegen.