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21.02.2012 · IWW-Abrufnummer 120499

Landesarbeitsgericht Hamm: Urteil vom 11.11.2011 – 19 Sa 858/11

1. Die Kombination von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt führt in vorformulierten Arbeitsbedingungen zur Unwirksamkeit der gesamten Klausel, ohne dass zu prüfen ist, ob die Regelung als Widerrufsvorbehalt aufrecht erhalten werden kann (im Anschluss an LAG Hamm, Urteil vom 27.07.2005, - 6 Sa 29/05-; offen gelassen BAG, 08.12.2010, - 10 AZR 671/09-)



2. Der Herausgabeanspruch nach § 21 a Abs. 7 S3 ArbZG ist jedenfalls in den Fällen auf die dem Verlangen vorhergehenden 2 Jahre begrenzt, in denen sich der Arbeitgeber darauf beruft, frühere Arbeitszeitnachweise entsprechend § 21 a Abs. 7 S 2 ArbZG nicht mehr zu besitzen.


Landesarbeitsgericht Hamm

19 Sa 858/11

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Siegen vom 10.03.2011, 1 Ca 1463/10, unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und der Tenor zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger die Arbeitszeitnachweise für den Zeitraum 10.10.2008 bis einschließlich 30.06.2010 herauszugeben.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.250,88 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.06.2010 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 120,00 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.06.2010 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des 1. Rechtszugs tragen der Kläger zu 42 % und die Beklagte zu

58 %.

Die Kosten des 2. Rechtszugs tragen der Kläger zu 76 % und die Beklagte zu

24 %.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand
Die Parteien streiten um die Herausgabe von Arbeitszeitnachweisen sowie diverse Zahlungsansprüche aus einem beendeten Arbeitsverhältnis.
Der Kläger war in der Zeit vom 19.09.1999 bis einschließlich 30.06.2010 bei dem beklagten Transportunternehmen als Fernfahrer zu einem monatlichen Grundlohn von zuletzt 2.369,00 € brutto beschäftigt.
Als Anlage K1 zur Klageschrift hatte der Kläger einen schriftlichen Arbeitsvertrag nebst Anlagen vorgelegt, der jedoch nicht unterschrieben ist. Der Kläger wird jedoch ausdrücklich als Vertragspartner genannt, hinsichtlich des Arbeitsbeginns und auch der in § 4 genannten persönlichen Voraussetzungen (Führerschein) ist der Vertragsentwurf auf den Kläger zugeschnitten (vgl. Bl. 33 – 44 d.A.).
§ 10 lautet wie folgt:
"Sonderzahlungen, auf die kein gesetzlicher Anspruch besteht, und die in diesem Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich zugesichert sind, sind freiwillige Leistungen des Arbeitgebers, die jederzeit widerruflich sind. Dies gilt auch, wenn solche Zahlungen (Gratifikationen, Tantiemen, Prämien, sonstige Leistungen) wiederholt ohne ausdrücklichen Vorbehalt der Freiwilligkeit erfolgt sind.
Bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sind Sonderzahlungen zurückzuerstatten, wenn der Mitarbeiter innerhalb der nächsten drei Monate nach Auszahlung aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, es sei denn, das Arbeitsverhältnis wird arbeitgeberseitig aus betriebsbedingten Gründen gekündigt oder seitens des Mitarbeiters aus einem zur fristlosen Kündigung berechtigendem Grund gekündigt."
§ 15 hat folgenden Wortlaut:
" § 15 Ausschlussfrist
a.Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind binnen acht Wochen nach ihrer Entstehung, im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses spätestens einen Monat nach Vertragsende schriftlich geltend zu machen.
b.Nach Ablauf der genannten Fristen ist beiderseits die Geltendmachung dieser Ansprüche ausgeschlossen, wenn sie zuvor nicht schriftlich geltend gemacht worden sind. Ausgenommen von vorstehender Vereinbarung sind Ansprüche aus unerlaubter Handlung (§ 823 BGB).
c.Auch die rechtzeitig geltend gemachten Ansprüche verfallen nach einer weiteren Frist von einem Monat, wenn sie nicht schriftlich anerkannt oder Klage hierüber eingereicht worden ist."
III. der Anlage zum Arbeitsvertrag vom 19.09.1999 bestimmt:
"Regelung der Zuschläge für Sonntags- und Feiertagsarbeit:
1.Sonntagsarbeit
Der Zuschlag für die tatsächlich geleistete Sonntagsarbeit, der neben dem Grundgehalt gezahlt wird, beträgt 50 % des Grundgehaltes. Gleichzeitig mit der letzten Lohnerhöhung wird ein Höchstbetrag von DM 4.100,00 für die Berechnung zugrunde gelegt.
Dieser steuerfreie Betrag errechnet sie wie folgt:
Grundgehalt (später Höchstbetrag) x 3 Monate : 71,5 Tage;
Davon 50 % DM 77,62
2.Feiertagsarbeit
Der Zuschlag für die tatsächlich geleistete Feiertagsarbeit, der neben dem Grundgehalt gezahlt wird, beträgt 100 % des Grundgehaltes.
3.Arbeit an Weihnachtsfeiertagen
Der Zuschlag für die tatsächlich geleistete Arbeit an Weihnachtsfeiertagen, der neben dem Grundgehalt gezahlt wird, beträgt 100 % des Grundgehaltes.
Berechnungen der steuerfreien Zuschlage zu Punkt 2) und 3):
Grundgehalt (Höchstbetrag) x 3 Monate : 71,5 Tage = 155,24 (100 %)
4.Auszahlung
Die Zuschläge zu 1), 2) und 3) werden zusammen mit der Spesenabrechnung gezahlt."
Von Beginn des Arbeitsverhältnisses an erhielt der Kläger mit der Novemberabrechnung Weihnachtsgeld, wobei dieses im Jahr 2004 856,00 € brutto, im Jahr 2005 875,00 € brutto, 2006 724,00 € brutto, 2007 467,00 € brutto sowie im Jahr 2008 lediglich 88,00 € brutto betrug. Für das Kalenderjahr 2009 erhielt der Kläger kein Weihnachtsgeld.
Ferner zahlte die Beklagte den Mitarbeitern eine Anwesenheitsprämie in Höhe von 3,50 € brutto, ein zusätzliches Urlaubsgeld pro Urlaubstag in Höhe von 10,00 € brutto und schließlich Spesen für sog. 24-Stunden-Pausen in Höhe von 28,00 €.
Per Mitarbeiterinformation 05/2009 aus Juni 2009 teilte die Beklagte den Mitarbeitern allerdings mit, dass sie ab dem 01.07.2009 aus wirtschaftlichen Gründen und zur Vermeidung der Einführung von Kurzarbeit die zuvor aufgeführten Zahlungen einstellen werde (vgl. Bl. 301, 302 d.A.).
Nachdem die Mitarbeiter der Beklagten zuvor mit ihren Fahrzeugen "wild" am F1 Flughafengelände geparkt hatten, mietete die Beklagte auf dem ehemaligen C1-Gelände einen Parkplatz an und stellte auch Duschmöglichkeiten zur Verfügung. Im Zuge dessen behielt sie in der Zeit von Januar 2007 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Parkplatzmiete in Höhe von monatlich 35,70 € sowie bis April 2009 ein zusätzliches Duschgeld in Höhe von 9,13 € vom Nettolohn des Klägers ein.
Mit der am 08.10.2010 beim Arbeitsgericht Siegen eingegangenen Klage begehrt der Kläger von der Beklagten die Herausgabe von Arbeitszeitnachweisen für den Zeitraum Januar 2007 bis einschließlich Juni 2010 sowie ferner die Zahlung von Weihnachtsgeld für die Jahre 2008 und 2009, Anwesenheitsprämie, Urlaubsgeld, Bezahlungen der 24-Stunden-Pausen als Arbeitszeit, Nachtarbeitszuschläge, Ersatz des einbehaltenen Park- und Duschgeldes, Bezahlung von 24-Stunden-Spesen sowie eine Erhöhung der bereits geleisteten Sonn- und Feiertagszuschläge.
Im Einzelnen hat der Kläger erstinstanzlich folgendes vorgebracht:
Die Beklagte sei zur Vorlage der beantragten Arbeitszeitnachweise nach dem Arbeitszeitgesetzt verpflichtet. Da er in ganz erheblichem Umfang Nacht- und Schichtarbeit geleistet habe, sei die Herausgabe der Arbeitszeitnachweise zur Überprüfung des Bestehens weiterer Zahlungsansprüche gegen die Beklagte erforderlich.
Ferner stünden ihm für das Kalenderjahr 2008 ein restliches Weihnachtsgeld in Höhe von 379,00 € brutto sowie für 2009 ein Weihnachtsgeld in Höhe von 467,00 € brutto nach den Grundsätzen der betrieblichen Übung zu.
Er habe auch Ansprüche auf Nachtarbeitszuschläge in Höhe von insgesamt 4.495,13 € brutto für im Einzelnen aufgelistete Nachtarbeitsstunden (vgl. Bl. 21 – 27 d.A.).
Außerdem stünden ihm sämtliche ab Juli 2009 eingestellten Zahlungen auch bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Juni 2010 zu. Es handele sich hierbei um Anwesenheitsprämie für insgesamt 274,5 Arbeitstage, mithin 960,75 € brutto, die Zahlung von Urlaubsgeld für 79,5 Urlaubstage, also 795,00 € brutto und die Zahlung von 24-Stunden-Spesen für fünf Tage, insgesamt 120,00 € netto. Hinsichtlich dieser Zahlungen könne sich die Beklagte auch nicht auf einen etwaigen, in § 10 des von ihm vorgelegten Arbeitsvertrages enthaltenen Freiwilligkeitsvorbehalt berufen. Zum einen habe er diesen Arbeitsvertrag – unstreitig – nicht unterschrieben, so dass er von Anfang an nicht akzeptiert worden sei. Zum anderen sei die in dieser Klausel enthaltene Kombination von Freiwilligkeitsvorbehalt und Widerrufsvorbehalt unklar und damit unwirksam.
Er habe an fünf im Einzelnen aufgelisteten Tagen – unstreitig – seine 24-Stunden-Pausen während der Tour nehmen müssen. Da diese gesetzlich notwendig waren und nicht zu Hause verbracht werden konnten, seien die Stunden jedoch mit dem Stundenlohn von 11,39 € zu vergüten, so dass sich für fünf Tage á 24 Stunden ein noch offener Betrag von 1.366,80 € brutto ergebe.
Die Beklagte sei auch zur Auszahlung der einbehaltenen Park- und Duschgelder verpflichtet. Hinsichtlich des Abzugs dieser Beträge habe er nach Beginn des Abzugs mündlich gegenüber der Personalleiterin S1 widersprochen, die ihm sinngemäß erwidert habe, falls er mit dem Abzug nicht einverstanden wäre, müsse er woanders parken. Er habe zwar in der Folgezeit weiterhin auf dem Parkplatz des ehemaligen C1-Geländes gestanden, der Abzug sei dennoch nicht gerechtfertigt, da er einseitig vorgenommen worden wäre.
Schließlich habe die Beklagte die Zuschläge für Sonn- und Feiertagsarbeit nicht in voller Höhe geleistet. Für die im Einzelnen aufgelisteten Sonn- und Feiertage, an denen er unstreitig gearbeitet hat, ergäben sich Differenzen in Höhe von 356,93 € netto für die Sonntagsarbeit sowie 228,57 € netto für die Feiertagsarbeit.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
1.die Beklagte zu verurteilen, an ihn die Arbeitszeitnachweise für den Zeitraum 01.01.2007 bis einschließlich 30.06.2010 herauszugeben;
2.die Beklagte zu verurteilen, an ihn 8.463,68 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.06.2010 zu zahlen;
3.die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.869,44 € netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.06.2010 zu zahlen;
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich erstinstanzlich darauf berufen, die Herausgabe der Arbeitszeitnachweise könne korrespondierend zu der 24-monatigen Aufbewahrungspflicht des § 21 a Abs. 7 ArbZG nur für zwei Jahre rückwirkend ab Zustellung der Klage verlangt werden. Sie habe die Arbeitszeitnachweise für den früheren Zeitraum auch nicht mehr.
Ein Anspruch auf Zahlung von Weihnachtsgeld scheitere bereits daran, dass das Weihnachtsgeld stets in unterschiedlicher Höhe gezahlt worden und daher ein Anspruch aus betrieblicher Übung nicht entstanden sei.
Bei den ab dem 01.07.2009 eingestellten Zahlungen habe es sich jeweils um freiwillige Leistungen gehandelt, hinsichtlich derer dem Kläger ein Anspruch zu keiner Zeit zugestanden habe. Dies ergebe sich nicht zuletzt auch aus § 10 des zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrages. Der darin enthaltene Freiwilligkeitsvorbehalt sei rechtlich nicht zu beanstanden.
Die vom Kläger behauptete Nachtarbeit in den Jahren von 2007 bis 2010 werde bestritten.
Die Rückerstattung von Parkplatzkosten und Duschgeldern sei nicht geschuldet, da der Kläger sowohl den Parkplatz als auch die Duschen genutzt habe. Der Vortrag des Klägers, er habe dem Abzug widersprochen, werde bestritten. Durch die dauerhafte, widerspruchslose Hinnahme der Abzüge sei der Arbeitsvertrag auch einvernehmlich abgeändert worden, ferner seien die Ansprüche verwirkt.
Schließlich habe der Kläger auch keinen Anspruch auf die Zahlung erhöhter Sonn- und Feiertagszuschläge. Er habe die konkrete Form der Berechnung jahrelang hingenommen, ohne jemals eine etwaige Differenz geltend zu machen.
Mit Urteil vom 29.03.2011 hat das Arbeitsgericht der Klage teilweise stattgegeben. Ein Anspruch auf Herausgabe der Arbeitszeitnachweise sei entsprechend der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist nur für die seit Zustellung der Klage zurückliegenden zwei Jahre gegeben. Ein Anspruch auf Weihnachtsgeld scheide aus, da aufgrund der unterschiedlichen Höhe der Zahlungen bereits das Vorliegen einer betrieblichen Übung nicht ersichtlich sei. Die Erstattung der Parkplatzmieten und Duschgelder käme nicht in Betracht, da insoweit von einem einvernehmlich abgeänderten Arbeitsvertrag ausgegangen werden müsse. Die Zahlung von Anwesenheitsprämien, Spesen für 24-Stunden-Pausen sowie die Zahlung eines zusätzlichen Urlaubsgeldes kämen hingegen nicht in Betracht, da § 10 des vom Kläger vorgelegten Arbeitsvertrages ungeachtet der fehlenden Unterschrift Anwendung fände und der darin enthaltene Freiwilligkeitsvorbehalt zum einen im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden sei und zum anderen die Beklagte durch die Mitarbeiterinformation 05/2009 wirksam die Leistungen widerrufen habe. Eine Anspruchsgrundlage für weitergehende Zuschläge bezogen auf Schichtsonntage und Schichtfeiertage sei nicht ersichtlich, da sich die Beklagte an die in der Anlage 1 zum Arbeitsvertrag aufgeführte Höchstbetragsgrenze gehalten habe. Die Vergütung für Tage, an denen der Kläger 24-Stunden-Pausen absolviert habe, stünde ihm nicht zu, eine Anspruchsgrundlage sei insoweit nicht gegeben. Vollumfänglich zugesprochen hat das Arbeitsgericht hingegen die geltend gemachte Zahlung für geleistete Nachtarbeit im Umfang von insgesamt 4.495,13 € brutto.
Gegen das am 26.04.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 25.05.2011 Berufung eingelegt und diese nach Fristverlängerung bis zum 08.07.2011 am 07.07.2011 begründet.
Der Kläger führt zweitinstanzlich aus, die unterschiedliche Höhe des jährlich gezahlten Weihnachtsgeldes stünde dem Anspruch aus betrieblicher Übung nicht entgegen. Zugunsten des Beklagten gehe er bereits davon aus, dass ihm für die Jahre 2008 und 2009 lediglich 467,00 € brutto zustünden, wohingegen in den Vorjahren ein durchaus höheres Weihnachtsgeld gezahlt worden sei.
Die Herausgabe der Arbeitszeitnachweise könne auch für den vollen, mit der Klage geltend gemachten Zeitraum verlangt werden. Die Aufbewahrungspflicht für den Arbeitgeber könne den gesetzlich geregelten Herausgabeanspruch des Arbeitnehmers nicht schmälern.
Auch die Parkplatzmieten und Duschgelder seien zu erstatten, da die bloße Hinnahme der von der Beklagten vorgegeben Neuorganisation nicht ausreichen könne anzunehmen, der Kläger sei mit der Änderung einverstanden. Gerade aufgrund des Widerspruchs des Klägers bei der Personalleiterin hätte die Beklagte nicht auf dessen Einverständnis schließen dürfen.
Ein wirksamer Freiwilligkeitsvorbehalt läge nicht vor. Unbeachtlich sei, dass der Kläger den schriftlichen Arbeitsvertrag zur Gerichtsakte gereicht habe, entscheidend sei allein, dass dieser zu keiner Zeit unterzeichnet worden sei. Ferner verstoße § 10 des Arbeitsvertrages aber auch gegen das Transparenzgebot.
Hinsichtlich der Zuschläge für Schichtsonntage und Schichtfeiertage übersehe das Arbeitsgericht, dass schon die Anlage 1 zum Arbeitsvertrag nicht zwischen den Parteien vereinbart worden sei. Diese dürfte im Hinblick auf das Transparenzgebot auch unwirksam sein. Ferner sei die Beklagte jedenfalls mit Blick auf die betriebliche Übung zur vollständigen Zahlung verpflichtet.
Die Beklagte schulde dem Kläger auch die Vergütung für die 24-Stunden-Pause, der Kläger sei zu deren Durchführung nach der Lenkzeitverordnung verpflichtet und werde nicht immer in die Lage versetzt, diese Pausen auch zu Hause zu verbringen. Insoweit handele es sich nicht um Freizeit, der Kläger müsse vielmehr bei seinem Fahrzeug verbleiben, damit er nach Ablauf der notwendigen Pause seine volle Arbeitstätigkeit sofort und zeitnah wieder aufnehmen könne.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Siegen vom 29.03.2011 – 1 Ca 1339/11 – teilweise abzuändern und soweit die Klage abgewiesen wurde
1.die Beklagte zu verurteilen, weitere Arbeitszeitnachweise für den Zeitraum 01.01.2007 bis 09.10.2008 herauszugeben;
2.die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 3.968,55 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.06.2010 zu zahlen;
3.die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.869,44 € netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.06.2010 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil soweit die Klage abgewiesen wurde und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17.02.2011 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung hatte nur zum Teil Erfolg.
I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft und form- und fristgerecht erhoben, § 64 Abs. 1, Abs. 2 b, Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 ZPO.
II. Sie ist jedoch nur zum Teil begründet.
1.Der Kläger hat keinen Anspruch auf Herausgabe von Arbeitszeitnachweisen, soweit er den Zeitraum betrifft, der vor dem 08.10.2008 liegt.
a) Einzig in Betracht kommende Anspruchsgrundlage für die begehrte Herausgabe ist § 21 Abs. 7 Satz 3 ArbZG, wonach der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer auf Verlangen eine Kopie der Aufzeichnungen über die Arbeitszeit auszuhändigen hat.
aa) Die Beklagte hat jedoch vorgetragen, über Arbeitszeitnachweise für den Kläger nicht mehr zu verfügen, sofern sie den Zeitraum vor dem 10.10.2008 betreffen. Das Gericht kann die Beklagte nicht zu einer unmöglichen Leistung verpflichten, jedoch ist dieses Vorbringen seitens des Klägers bestritten worden.
bb) Aus Sicht der Kammer musste der Frage, ob die Arbeitszeitnachweise tatsächlich nicht mehr vorliegen, allerdings nicht weiter nachgegangen werden.
Zwar enthält § 21 a Abs. 7 Satz 3 ArbZG keine zeitliche Begrenzung des Herausgabeanspruchs. Gemäß § 21 a Abs. 7 Satz 2 ArbZG ist der Arbeitgeber jedoch lediglich verpflichtet, die Arbeitszeitnachweise für zwei Jahre aufzubewahren. Es kann dahin-stehen, vor welchem Hintergrund die zweijährige Aufbewahrungsfrist in das Gesetz aufgenommen worden ist. Fest steht jedenfalls, dass Arbeitgeber berechtigt sind, die für den einzelnen Arbeitnehmer geführten Arbeitszeitnachweise im Sinne dieser Vorschrift nach Ablauf von zwei Jahren zu vernichten. Aus der gesetzlichen Regelungssystematik - der Herausgabeanspruch des § 21 a Abs. 7 Satz 3 ArbZG bezieht sich auf die Nachweise, die der Arbeitgeber nach § 21 a Abs. 7 Satz und 2 ArbZG in seinem Besitz hat – folgt aus Sicht der Kammer, dass im Wege einer einschränkenden Gesetzesauslegung eine zeitliche Beschränkung jedenfalls in den Fällen angenommen werden muss, in denen sich der Arbeitgeber darauf beruft, die Nachweise nicht mehr in seinem Besitz zu haben, da auch nach der Intention des Gesetzgebers vom Arbeitgeber nichts Unmögliches verlangt werden kann.
b) Eine anderweitige Anspruchsgrundlage, die den Anspruch des Klägers stützen würde, ist nicht ersichtlich (vgl. dazu auch LAG Hessen, Urteil vom 27.05.2008 – 12 Sa 30/07, juris).
2. Soweit der Kläger über die bereits ausgeurteilten 4.495,13 € brutto noch weitere 3.968,55 € brutto begehrt, war die Klage lediglich in Höhe weiterer 1.755,75 € brutto begründet.
a) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von Weihnachtsgeld für die Jahre 2008 und 2009 in Höhe von insgesamt 846,00 € brutto.
Zu Recht hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass sich der Anspruch nicht aus dem Gesichtspunkt der betrieblichen Übung ergibt. Andere Anspruchsgrundlagen sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
aa) Unter einer betrieblichen Übung wird die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers verstanden, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Dem Verhalten des Arbeitgebers wird eine konkludente Willenserklärung entnommen, die vom Arbeitnehmer gemäß § 151 BGB angenommen werden kann. Dadurch wird ein vertragliches Schuldverhältnis geschaffen, aus dem bei Eintritt der vereinbarten Anspruchsvoraussetzungen ein einklagbarer Anspruch auf die üblich gewordene Vergünstigung erwächst. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber mit einem entsprechenden Verpflichtungswillen gehandelt hat. Die Wirkungen einer Willenserklärung oder eines bestimmten Verhaltens tritt im Rechtsverkehr schon dann ein, wenn der Erklärende aus der Sicht des Erklärungsempfängers einen auf eine bestimmte Rechtswirkung gerichteten Willen geäußert hat. Ob eine für den Arbeitgeber bindende betriebliche Übung aufgrund der Gewährung von Leistungen an seine Arbeitnehmer entstanden ist, muss deshalb danach beurteilt werden, inwieweit die Arbeitnehmer aus dem Verhalten des Arbeitgebers unter Berücksichtigung von Treu und Glauben sowie der Verkehrssitte gemäß § 242 BGB und der Begleitumstände auf einen Bindungswillen des Arbeitgebers schließen durften (vgl. BAG, Urteil vom 28.05.2008 – 10 AZR 274/07, BB 2008, 1847; ErfK-Preis, 11. Aufl., § 611 BGB, Rdnr. 220 ff).
bb) Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann zwar die dreimalige Zahlung von Weihnachtsgeld grundsätzlich zu einem Anspruch aus betrieblicher Übung führen, doch gilt dies dann nicht, wenn aus dem Verhalten des Arbeitgebers ersichtlich nur eine Zahlung für das jeweilige Jahr abzuleiten ist. Dies gilt insbesondere dann, falls die Zahlung "nach Gutdünken" in jährlich unterschiedlicher Höhe erfolgte. In einem solchen Fall fehlt es bereits an einer regelmäßigen, gleichförmigen Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen (vgl. BAG, Urteil vom 28.02.1996 – 10 AZR 516/95, NJW 1996, 3166).
Vorliegend hat die Beklagte zwar unstreitig über viele Jahre Weihnachtsgeld gezahlt, dies jedoch ebenso unstreitig in unterschiedlicher Höhe. Das Arbeitsgericht stellte zutreffend darauf ab, dass darüber hinaus nicht ersichtlich ist, ob und dass sich die Zahlungen nach einer bestimmten, abstrakten Berechnungsgrundlage richten würde. Hierzu hat der Kläger auch nichts vorgetragen.
Mithin konnte die Berufung in diesem Punkt keinen Erfolg haben.
b) Die Beklagte war hingegen zu verurteilen, an den Kläger Urlaubsgeld in Höhe von insgesamt 795,00 € brutto zu zahlen.
aa) Anspruchsgrundlage für die Zahlung von Urlaubsgeld ist das Bestehen einer betrieblichen Übung.
Unstreitig hat die Beklagte bis Juni 2009 pro Urlaubstag ein zusätzliches Urlaubsgeld in Höhe von 10,00 € brutto gewährt, ohne hierzu arbeitsvertraglich oder kollektivrechtlich verpflichtet zu sein. Die aufgrund der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aufgestellten Anforderungen sind mithin erfüllt.
bb) Der Anspruch ist nicht gemäß § 15 des zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrages verfallen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Kammer anschließt, beträgt die Mindestfrist bei vertraglich vereinbarten Ausschlussfristen drei Monate, so dass die hier vereinbarten Fristen unwirksam sind (vgl. BAG, Urteil vom 12.03.2008 – 10 AZR 152/07, NZA 2008, 699).
cc) Das Entstehen eines Anspruchs auf betriebliche Übung ist auch nicht durch einen wirksam vereinbarten Freiwilligkeitsvorbehalt oder aber Widerrufsvorbehalt nach § 10 des vom Kläger vorgelegten Arbeitsvertrages vereitelt worden.
(1) Entgegen der Annahme des Klägers geht die Kammer hier mit dem Arbeitsgericht davon aus, dass sich das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis trotz fehlender Unterschriften unter dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 19.09.1999 vollumfänglich nach Maßgabe der dort aufgeführten Bedingungen nebst Anlagen richtet.
(a) Ein Arbeitsverhältnis kommt grundsätzlich gemäß §§ 145 ff BGB durch übereinstimmende Willenserklärungen, das Angebot und die Annahme, zustande.
Die Einzelheiten, die zum Abschluss des mündlichen Arbeitsvertrages der Parteien geführt haben, sind von den Parteien nicht substantiiert dargestellt worden, hierauf kommt es aber auch nicht an. Der Kläger jedenfalls hat im erstinstanzlichen Kammertermin am 17.02.2011 zu Protokoll erklärt, bei der Einstellung selbst habe er den von ihm zur Gerichtsakte gereichten Arbeitsvertrag einschließlich der Anlagen erhalten. In dem Gespräch sei ihm erklärt worden, welchen Lohn, welche Spesen und wie viel Urlaub er erhalte. Diese Angaben hätten sich mit dem Inhalt des nun vorgelegten Arbeitsvertragsentwurfs gedeckt.
In der Folgezeit ist dieser Arbeitsvertrag von den Parteien auch ohne Unterschriften unstreitig in Vollzug gesetzt und gelebt worden, die Beklagte hat lediglich weitere zusätzliche und aus ihrer Sicht freiwillige Leistungen gewährt.
Dass überhaupt zwischen den Parteien ein Arbeitsvertrag zustande gekommen ist, wird selbstverständlich auch vom Kläger nicht in Abrede gestellt. Ein Einigungsmangel ist nicht ersichtlich. Es ist nicht erkennbar, warum ausgerechnet der für ihn gegebenenfalls nachteilige § 10 nicht Vertragsbestandteil geworden sein sollte, dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich der Kläger selbst nicht darauf beruft, dieser Regelung widersprochen zu haben. Überhaupt hatte der Kläger selbst zu keinem Zeitpunkt erklärt, mit den Bedingungen des Arbeitsvertragsentwurfs und den Anlagen nicht einverstanden zu sein. Er hat ihn als maßgebenden Arbeitsvertrag auch noch in den Prozess eingeführt, ohne eine etwa fehlende Einigung zu beanstanden. Erst im Laufe des vorliegenden Verfahrens beruft sich der Kläger auf die angebliche Nichteinbeziehung des § 10.
(b) Ein gesetzliches Schriftformerfordernis zum Abschluss eines Arbeitsvertrages besteht nicht, dieses ergibt sich insbesondere auch nicht aus § 2 NachwG.
(c) Allein die Tatsache, dass die Beklagte dem Kläger bei der Einstellung einen Arbeitsvertragsentwurf vorlegte, der zwei auszufüllende Unterschriftsfelder beinhaltete, führt aus Sicht der Kammer ferner nicht dazu, ein vereinbartes, konstitutives Schriftformerfordernis anzunehmen. Zwar hätte nach §§ 125, 154 Abs. 2 BGB der Mangel der vereinbarten Schriftform grundsätzlich die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts zur Folge. Diese Regelung gilt jedoch nur im Zweifel, d.h., ein anderer Wille der Parteien darf nicht ersichtlich sein.
Es ist keineswegs erkennbar, dass der Arbeitsvertrag nur bei schriftlicher Beurkundung wirksam werden sollte. Die Schriftform sollte vielmehr nur zur Klarstellung oder zu Beweiszwecken dienen. Andernfalls ergäbe die mehr als zehnjährige Durchführung des Vertrages ohne Unterschrift keinen Sinn. Die Beklagte hat auch nach eigenen Angaben des Klägers zu keiner Zeit zu erkennen gegeben, dass sie selbst den Abschluss des Arbeitsvertrages unter die Bedingung der vorherigen Unterschrift setzen würde (vgl. abgrenzend dazu BAG, Urteil vom 16.04.2008 – 7 AZR 1048/06, NZA 2008, 1184; BAG, Urteil vom 07.08.1980 – 2 AZR 843/78, juris).
(2) Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts und der Beklagten ist die in § 10 enthaltene Klausel jedoch unwirksam gemäß §§ 305 ff BGB.
Bei der von der Beklagten vorformulierten Vertragsbedingung handelt es sich unstreitig um allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.d. § 305 Abs. 1 BGB. Diese sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrundezulegen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei bei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss (vgl. BAG, Urteil vom 08.12.2010 – 10 AZR 671/09, NJW 2011, 2314; BAG, Urteil vom 20.01.2010 – 10 AZR 914/08, juris).
§ 10 des zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrages enthält keinen wirksamen Freiwilligkeitsvorbehalt, der das Entstehen eines Rechtsanspruchs auf künftige Zahlungen wirksam verhindern könnte.
(a) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Kammer anschließt, darf ein Freiwilligkeitsvorbehalt nicht mehrdeutig sein. Er darf insbesondere nicht in Widerspruch zu anderen Vereinbarungen der Arbeitsvertragsparteien stehen. Es ist eine besondere Eindeutigkeit und Klarheit des Vorbehalts zu fordern, damit der Arbeitnehmer den Hinweis des Arbeitsvertrages ernstnehmen und verstehen kann, so dass das spätere Verhalten des Arbeitgebers entgegen den gewöhnlichen Erklärungswert eben nicht als Angebot zur dauerhaften Leistungserbringung (betriebliche Übung) verstanden werden kann (vgl. BAG, Urteil vom 08.12.2010, aaO; BAG, Urteil vom 30.07.2008 – 10 AZR 606/07, BB 2008, 2465).
5(b) Ein solcher klar und verständlich formulierter Freiwilligkeitsvorbehalt liegt hier nicht vor.
Zunächst enthält § 10 lediglich den Hinweis, dass Sonderzahlungen, auf die kein gesetzlicher oder arbeitsvertraglicher Anspruch besteht, freiwillige Leistungen seien, ohne dass überhaupt in diesem Satz eine Klarstellung dahingehend erfolgt, dass auch bei einer wiederholten Zahlung kein Rechtsanspruch für die Zukunft begründet würde. Dies wäre jedoch neben der reinen Bezeichnung einer Sonderzahlung als "freiwillig" bzw. "ohne jede rechtliche Verpflichtung" nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu fordern, um die zukünftigen Zahlungen auszuschließen (vgl. BAG, Urteil vom 21.01.2009 – 10 AZR 219/08, NZA 2009, 310; BAG, Urteil vom 18.03.2009 – 10 AZR 289/08, BB 2009, 1366).
Ein derartiger Hinweis findet sich allenfalls in Satz 2, in dem es heißt, obiges gelte auch dann, wenn solche "Zahlungen wiederholt und ohne ausdrücklichen Vorbehalt der Freiwilligkeit erfolgt" sind.
Allerdings ist das Verhältnis von § 10 Satz 2 zu § 10 Satz 1 bereits unklar. Bei kritischem Wortverständnis lässt sich Satz 2 auch dahingehend interpretieren, dass alle Sonderzahlungen jederzeit widerruflich sein sollen, zum einen die, die mit ausdrücklichem Vorbehalt der Freiwilligkeit erfolgt, und zum anderen die, die ohne ausdrücklichen Vorbehalt der Freiwilligkeit erfolgt sind. Es könnte sich daher um eine bloße Erweiterung des Anwendungsbereichs des in Satz 1 ebenfalls enthaltenen Widerrufsvorbehalts handeln.
Jedenfalls führt der in § 10 Satz 1 enthaltene letzte Halbsatz, "die jederzeit widerruflich sind" zu einer unzulässigen Intransparenz i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die Beklagte hat hier eine vermeintlich freiwillige Leistung unter einen Widerrufsvorbehalt gestellt. Bei einem Freiwilligkeitsvorbehalt entsteht aber schon gar kein Anspruch auf die Leistung, wohingegen bei einem Widerrufsvorbehalt der Arbeitnehmer zunächst einen Anspruch erwirbt, der Arbeitgeber sich aber vorbehält, die versprochene Leistung einseitig wieder zu ändern.
b in einer solchen Kombination von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt regelmäßig ein zur Unwirksamkeit der gesamten Klausel führender Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt, hat das Bundesarbeitsgericht soweit erkennbar bislang nicht abschließend entschieden. In seiner Entscheidung vom 08.12.2010 aaO., der sich die hier erkennende Kammer vollumfänglich anschließt, hat es jedenfalls festgestellt, dass die Kombination von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt dazu führt, dass für den Vertragspartner nicht ausreichend deutlich werde, dass auch bei mehrfachen, ohne weitere Vorbehalte erfolgten Zahlungen des Weihnachtsgeldes ein Rechtsbindungswille für die Zukunft weiterhin ausgeschlossen bleiben soll. Der Rechtsprechung, der Widerrufsvorbehalt stelle lediglich eine Verstärkung des bereits vereinbarten Freiwilligkeitsvorbehalts dar, hat das Bundesarbeitsgericht eine klare Absage erteilt.
(c) Offen gelassen hat das Bundesarbeitsgericht in diesem Zusammenhang jedoch, ob anstelle der Unwirksamkeit der gesamten Klausel jedenfalls für sog. Altverträge, die vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes abgeschlossen worden sind, ein wirksamer Widerrufsvorbehalt angenommen werden könnte, der seinerseits nach Maßgabe der vom Bundesarbeitsgericht ( vgl. BAG, Urteil vom 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, juris) aufgestellten Grundsätzen ausgeübt werden könnte. In dem dort zu entscheidenden Fall lag ein solcher wirksamer Widerruf jedenfalls nicht vor.
Die nähere Prüfung, ob die Beklagte dagegen in dem hier vorliegenden Fall durch die Mitarbeiterinformation 05/2009 einen wirksamen Widerruf aus wirtschaftlichen Gründen ausgeübt hat, obgleich die Beklagte sich weder in diesem Mitarbeiterschreiben selbst noch in den in diesem Prozess gefertigten Schriftsätzen auch nur einmal auf die Ausübung eines Widerrufs beruft, kann nach Rechtsauffassung der hier erkennenden Kammer dahingestellt bleiben.
Die Prüfung eines vermeintlichen Widerrufs ist entbehrlich, da § 10 des Arbeitsvertrages missverständlich ist und nach § 306 BGB ersatzlos entfällt, ohne dass ein Erfordernis zur ergänzenden Vertragsauslegung besteht.
Die hier erkennende Kammer schließt sich der bisherigen Rechtsprechung des LAG Hamm an (vgl. LAG Hamm, Urteil vom 27.07.2005 – 6 Sa 29/05, NZA-RR 2006, 125; LAG Hamm, Urteil vom 05.11.2009 – 15 Sa 794/09, juris) wonach die Kombination von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt per se die Unwirksamkeit der gesamten Klausel nach sich zieht, ohne dass die Aufrechterhaltung der Klausel als Widerrufsvorbehalt in Betracht käme.
Wie das LAG Hamm bereits im Urteil vom 27.07.2005 ausführt, kommt die Schließung einer durch Wegfall der gemäß §§ 305 ff BGB unwirksamen Vertragsklausel entstandenen Lücke durch ergänzende Vertragsauslegung nur dann in Betracht, wenn an den Verwender der Vertragsformulierung neue Anforderungen gestellt würden, die er nach bisheriger Rechtslage nicht hätte zu berücksichtigen brauchen. Bereits nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts musste der Arbeitgeber jedoch unmissverständlich deutlich machen, falls er sich den Widerruf einer zugesagten Leistung vorbehalten bzw. eine vertragliche Bindung verhindern wollte (vgl. BAG, Urteil vom 23.10.2002 – 10 AZR 48/02, BB 2003, 369; BAG, Urteil vom 22.01.2003 – 10 AZR 395/02, ARST 2003, 276).
Vorliegend führt gerade das Zusammenspiel von § 10 Satz 1, der die "freiwilligen Leistungen" nur schlagwortartig und eher in Abgrenzung zu gesetzlichen Ansprüchen bzw. ausdrücklich zugesicherten Ansprüchen verwendet und dem Satz 2, der auf die wiederholte und ohne ausdrücklichen Vorbehalt geleistete Zahlung abstellt, zu einer weitergehenden Unklarheit. Aus Sicht der Kammer ist der Wortlaut der Klausel durchaus so zu verstehen, dass sämtliche ohne ausdrückliche Anspruchsgrundlage geleisteten Zahlungen widerruflich sein sollen, unabhängig davon, wie oft bzw. mit welchen begleitenden Hinweisen sie erfolgt sind.
dd) Die widerspruchslose Hinnahme der Kürzung seit Juli 2009 stellt auch keine konkludente, verschlechternde Vertragsänderung dar.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist anerkannt, dass das Schweigen gegenüber einem Angebot auf Verschlechterung eines Vertrages grundsätzlich keine Annahme eines solchen Angebots darstellt. Dies gilt bei einer widerspruchslosen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer jedenfalls dann, wenn sich die angetragene Änderung nicht unmittelbar im Arbeitsverhältnis auswirkt. Nur die tatsächliche Praktizierung geänderter Vertragsbedingungen kann eine konkludente Erklärung sein, die einer Annahme innerhalb der Frist des § 147 BGB gleichkommt (vgl. BAG, Urteil vom 25.11.2009 –10 AZR 779/08, NZA 2010, 283; BAG, Urteil vom 01.08.2001 – 4 AZR 129/00, juris).
Erforderlich ist in diesen Fällen jedoch ein ausdrückliches unmissverständliches Angebot seitens des Arbeitgebers.
Zwar hat die Beklagte mit der Mitarbeiterinformation eindeutig ihren Willen zum Ausdruck gebracht. Ein Angebot zur verschlechternden Vertragsänderung hätte jedoch vorausgesetzt, dass die Beklagte zunächst die bislang bestehende Zahlungspflicht als solche anerkennt und gleichzeitig deutlich macht, sich zukünftig von ihr lösen zu wollen (vgl. BAG, Urteil vom 18.03.2009 – 10 AZR 281/09, NZA 2009, 601). Diese Voraussetzungen sind erkennbar nicht gegeben, insbesondere da die Beklagte ja eine Zahlungsverpflichtung abstreitet und sich auf die Freiwilligkeit beruft.
ee) Der Höhe nach ist der geltend gemachte Anspruch unstreitig und rechnerisch richtig.
Die Zinsforderung folgt aus §§ 286, 288 BGB.
c) Aufgrund der unter b) dargestellten Erwägungen hat der Kläger auch Anspruch auf Anwesenheitsprämie in Höhe von insgesamt 960,75 € brutto.
Auch hier ergibt sich der Anspruch aus betrieblicher Übung und es liegt kein wirksamer Freiwilligkeitsvorbehalt vor, der das Entstehen des Anspruchs verhindert hätte.
Die Höhe des Anspruchs ist zwischen den Parteien wiederum unstreitig. Die Zinsforderung folgt aus §§ 286, 288 BGB.
d) Die Berufung hatte keinen Erfolg, soweit der Kläger Lohn für die 24-Stunden-Pausen in Höhe von 1.366,88 € brutto begehrt.
Eine Anspruchsgrundlage ist aus Sicht der Kammer nicht ersichtlich. Aus dem eigenen Vortrag des Klägers ergibt sich nicht, dass die 24-Stunden-Pause, sofern sie durch den Kläger unterwegs verbracht wurde, in der Vergangenheit als Arbeitszeit bezahlt worden wäre.
Der Vergütungsanspruch nach §§ 611, 612 BGB entsteht grundsätzlich für geleistete Arbeit, wohingegen Pausen gerade nicht bezahlt werden.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger aufgrund der Lenkzeitverordnung zur Einhaltung der 24-Stunden-Pause verpflichtet ist. Auch in anderen Arbeitsverhältnissen ist es üblich, dass die Arbeitnehmer schon aufgrund § 4 ArbZG zur regelmäßigen Einhaltung – selbstverständlich nur kurzer – Pausen verpflichtet sind. Auch diese Pausen können allein schon wegen ihrer Kürze nicht anders als in relativer Nähe zum Arbeitsplatz verbracht werden. Nichtsdestotrotz werden die Pausenzeiten gerade nicht bezahlt.
§ 21 a Abs. 3 ArbZG rechtfertigt keine andere Bewertung. Zwar hat das Bundesarbeitsgericht zu einer anderen Sachverhaltskonstellation entschieden (vgl. BAG, Urteil vom 20.04.2011 – 5 AZR 200/10, juris), dass auch solche Zeiten, die zwar nach § 21 a Abs. 3 ArbZG ausdrücklich keine Arbeitszeiten sind, dennoch einen Vergütungsanspruch auslösen können, sofern es sich nicht um Pausenzeiten handelt.
Im vorliegenden Fall begehrt der Kläger jedoch gerade und in Abgrenzung zu der o.g. Entscheidung die Bezahlung von Pausen. Er muss sich auch nicht am Arbeitsplatz aufhalten, um seine Arbeit jederzeit wieder aufnehmen zu können. Im Gegenteil, es steht von vornherein fest, dass erst nach Ablauf der 24 Stunden seine Tätigkeit wieder beginnt. Die Zeit dient allein seiner Erholung und bedarf aus Sicht der Kammer daher ebenso wenig einer Vergütung wie jegliche sonstige Pausen auch. Die erzwungene Ortabwesenheit kann hieran nichts ändern, zumal der Kläger selbst nicht angibt, während der 24-Stunden-Pausen in irgendeiner Form Tätigkeiten verübt zu haben, oder hierfür in Bereitschaft gewesen zu sein.
Die Frage, ob ein Ausgleich dahingehend zu erfolgen hat, dass während der erzwungenen Ortsabwesenheit dem Kläger gegebenenfalls höhere Aufwendungen entstehen, ist eine Problematik der Spesenzahlung, nicht jedoch der Vergütung für geleistete Arbeit.
Nach alledem standen dem Kläger über die bereits ausgeurteilten 4.495,13 € brutto weitere 1.755,75 € brutto, mithin der gesamtausgeurteilte Betrag von 6.250,88 € brutto, zu.
3. Hinsichtlich der insgesamt beantragten 1.869,44 € netto war die Beklagte in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils verpflichtet, an den Kläger 120,00 € netto zu zahlen, im Übrigen blieb die Berufung ohne Erfolg.
a) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Park- und Duschgelder in Höhe von insgesamt einbehaltener 1.163,94 € netto.
aa) Ungeachtet der Frage, ob die Beklagte nicht ohnehin aufgrund steuerlicher Vorschriften wegen der Gewährung des Sachbezuges verpflichtet war, für die zur Verfügung gestellten Park- und Duschmöglichkeiten einen Nettoeinbehalt vorzunehmen, so geht jedenfalls die hier erkennende Kammer mit dem Arbeitsgericht davon aus, dass eine einvernehmliche Vertragsänderung zwischen den Parteien zustande gekommen ist (vgl. BAG, Urteil vom 01.08.2001 aaO.).
bb) Anders als in den oben genannten Konstellationen für Urlaubsgeld und Anwesenheitsprämie, in denen die Mitarbeiterinformation 05/2009 nicht als ausdrücklichen verschlechterndes Vertragsangebot (unter gleichzeitiger Anerkennung der vertraglichen Vereinbarung der bisherigen Leistungen) verstanden werden kann, ist nach dem eigenen Vortrag des Klägers bezüglich der Park- und Duschgelder von einem verschlechternden Vertragsangebot der Beklagten auszugehen.
Dem Kläger ist noch zuzugeben, dass trotz gleichzeitiger Bereitstellung legaler Park- und Duschmöglichkeiten der bloße Einbehalt vom Nettolohn nicht als ein verschlechternden Vertragsangebot seitens der Beklagten gewertet werden könnte, welches der Kläger durch bloßes Schweigen angenommen hat.
Der Kläger hingegen trägt jedoch selbst vor, er habe sich bei der Personalleiterin S1 über den Einbehalt der Park- und Duschgelder beschwert. Nachdem diese ihn ausdrücklich darauf hingewiesen habe, er müsse dann woanders parken, und ihm somit gleichzeitig deutlich vor Augen geführt worden ist, dass die Beklagte den Abzug andernfalls weiterhin vornehmen werde, hat sich der Kläger dazu entschlossen, dennoch die von der Beklagten bereitgestellten Parkplätze und Duschen zu nutzen. Somit hat er durch die weitere Nutzung zu verstehen gegeben, dass er sich mit der verschlechternden Änderung, die sich außerdem fortan monatlich in seinen Lohnabrechnungen wiederfand und somit unmittelbar auswirkte, einverstanden erklärt.
b) Die Beklagte war zu verurteilen, an den Kläger 24-Stunden-Spesen in Höhe von 120,00 € netto zu zahlen.
aa) Anspruchsgrundlage ist jedenfalls die betriebliche Übung, die wiederum nicht durch einen wirksamen Freiwilligkeitsvorbehalt verhindert wurde.
bb) Die 24-stündige Abwesenheit der geltend gemachten fünf Tage ist seitens der Beklagten nicht bestritten worden. Im Hinblick auf § 308 ZPO war die Kammer an die Höhe der geltend gemachten Forderung gebunden. Die Zinsforderung folgt aus §§ 286, 288 BGB.
c) Schlussendlich hatte die Berufung keinen Erfolg, sofern der Kläger erhöhte Zuschläge für die Sonn- und Feiertagsarbeit verlangt.
aa) Aufgrund der zu Ziffer 2 b) cc) angestellten Erwägungen geht die Kammer hier davon aus, dass der gesamte vorgelegte Arbeitsvertragsentwurf vom 19.09.1999 inklusive der beigefügten Anlagen verbindlich, mündlich zwischen den Parteien vereinbart worden ist. Einen Anhaltspunkt dafür, dass die Anlage von der mündlichen Vertragsvereinbarung ausgenommen sein sollte, ist nicht ersichtlich und vom Kläger auch nicht vorgetragen.
bb) Hinsichtlich der Sonn- und Feiertagszuschläge hat sich die Beklagte an die vertraglich vereinbarte Höchstbetragsgrenze gehalten.
Der Kläger hat auch nicht etwa dargelegt, dass in der Vergangenheit jemals ein über die Höchstgrenze hinausgehender Sonn- und Feiertagszuschlag gezahlt worden wäre.
Anhaltspunkte für eine nach §§ 307 ff. BGB unwirksame Vertragsklausel sind über die bloße pauschale Behauptung hinaus vom Kläger nicht vorgetragen.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO und folgt der Quote des wechselseitigen Obsiegens und Unterliegens gemessen an dem für die jeweilige Instanz angefallenen Streitwert.
Die Revision war gemäß § 72 Abs.

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