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05.05.2011 · IWW-Abrufnummer 110559

Amtsgericht Gummersbach: Urteil vom 06.09.2010 – 10 C 31/10

Verlässt ein Kunde einer Kfz.-Werkstatt mit seinem PKW das Betriebsgelände nicht über die dafür vorgesehene Ein- und Ausfahrt, sondern durchfährt einen überdachten TÜV-Überprüfungsbereich und gerät hierbei mit dem Fahrzeug teilweise in eine Untersuchungsgrube, so ist der Werkunternehmer für den am PKW entstandenen Sachschaden nicht in jedem Fall verantwortlich. Vielmehr kann den Kunden je nach den Umständen des Falles ein so erhebliches Mitverschulden am Zustandekommen seines Schadens treffen, dass eine etwaige Haftung des Werkunternehmers wegen Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht vollständig zurücktritt.


Datum:06.09.2010
Amtsgericht Gummersbach
Abteilung 10
Urteil
Aktenzeichen:10 C 31/10

Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei darf die gegen sie gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrags leistet.

T a t b e s t a n d
(abgekürzt gemäß § 313 II ZPO)
Der Kläger befand sich am 06.03.2009 mit seinem Pkw der Marke Audi A3 als Kunde auf dem Parkplatz des Betriebsgeländes der Beklagten in Gummersbach-Niederseßmar. Gegen 17.50 Uhr wollte er das Betriebsgelände verlassen. Da ein anderer Pkw die Ausfahrt des Parkplatzes versperrte, entschloss sich der Kläger eine andere Ausfahrt zu suchen. Hierbei geriet er mit dem Fahrzeug in den überdachten Durchfahrt- und Überprüfungsbereich, in dem TÜV-Abnahmen durchgeführt werden. Dieser Bereich war gegenüber dem Parkplatzgelände nicht gesondert durch Absperrungen abgesichert. In diesem Bereich befindet sich mittig eine Untersuchungsgrube, die zum Unfallzeitpunkt abgedeckt, jedoch ein niedrigeres Oberflächenniveau als die umgebenden Durchfahrtspuren aufwies. Wegen der Einzelheiten der Örtlichkeiten wird auf die eingereichten Fotografien verwiesen. Der Pkw des Klägers geriet in diesen abgesenkten Bereich und wurde hierdurch vorne und unten beschädigt. Dem Kläger entstand ein Gesamtschaden in Höhe von 1.393,24 €.

Der Kläger nimmt die Beklagte aus dem Gesichtspunkt der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht auf Schadensersatz in Anspruch. Die Beklagte habe die ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt, weil sie den Unfallbereich nicht abgesichert habe.

Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.393,24 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.04.2010 zu zahlen sowie den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 191,34 € durch Zahlung an die Prozessbevollmächtigten des Klägers freizustellen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte meint, der Kläger habe den Unfall selbst verschuldet. Der überdachte Prüfstand mit Grube sei aufgrund seiner baulichen Beschaffenheit ausreichend erkennbar gewesen, insbesondere da der Boden des Prüfstandes sich durch seine rote Bodenverfliesung deutlich von den anderen Betriebsflächen abhebe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die nachfolgenden Entscheidungsgründe sowie die von den Parteien im Laufe des Rechtsstreits eingereichten Schriftsätze und deren Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

(kurz gefasst, § 313 III ZPO)

Die Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 1.393,24 € aus § 823 I BGB, weil der Beklagten keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vorzuwerfen ist.

Es gilt der Grundsatz, dass derjenige, der eine Gefahrenlage – gleich welcher Art - schafft, verpflichtet ist, die erforderlichen und zumutbaren Vorkehrungen zu schaffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern (BGH NJW-RR 2003, 1459; BGH NJW 2006, 610; ständige Rechtsprechung). Dabei ist zu berücksichtigen, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Der Dritte muss nur vor denjenigen Gefahren geschützt werden, die er selbst bei Anwendung der von ihm in der konkreten Situation zu erwartenden Sorgfalt nicht, oder nicht rechtzeitig erkennen und vermeiden kann (OLG Hamm NZV 2007, 576). Insofern bestand zumindest die Pflicht der Beklagten, für einen ausreichend gesicherten und beleuchteten Zufahrts- und Abfahrtsweg zu den Betriebsräumen zu sorgen. Dieser Pflicht ist sie mit Einrichtung einer ordnungsgemäß gesicherten Verkehrsein- und -ausfahrt aus dem Betriebsgelände nachgekommen.

Es bestehen erhebliche Zweifel daran, ob die Beklagte darüber hinaus verpflichtet war, den Prüfstand zusätzlich gegen unberechtigtes Befahren durch Absperrbänder, -gitter oder –baken abzusichern. Es war der Beklagten nämlich nicht zuzumuten, jeden möglichen Zugangsweg zu sichern bzw. das gesamte Betriebsgelände auszuleuchten, da die eingerichtete Verkehrszuwegung als solche sowohl allgemein erkennbar als auch allgemein zu erreichen und zu befahren war. Insofern musste der Kläger nicht mittels zusätzlicher Hinweise bzw. Schutzvorkehrungen auf die örtliche Situation hingewiesen oder vor Gefahren bewahrt werden. Der Kläger als Besucher konnte nur erwarten, durch vorbeugende Maßnahmen vor solchen außergewöhnlichen Gefahren geschützt zu sein, die bei Beachtung der zumutbaren Vorsicht und Sorgfalt für ihn nicht mehr ohne weiteres erkennbar waren (OLG Hamm, NJW-RR 1989, 736).

Jedenfalls aber trifft den Kläger im vorliegenden Fall am Zustandekommen seines Schadens ein so erhebliches Mitverschulden gemäß § 254 I BGB, dass es bereits deswegen zu einem völligen Haftungsausschluss auf Beklagtenseite führt. Derjenige, der die Sorgfalt außer Acht lässt, die nach Lage der Sache erforderlich scheint, um sich selbst vor Schaden zu bewahren, muss den Verlust oder die Kürzung seines Schadensersatzanspruches hinnehmen (Palandt–Heinrichs, BGB; § 254, Rdnr. 1). Dies beruht auf dem in § 242 BGB verankerten Grundsatzes des Verbots widersprüchlichen Verhaltens, der es nicht zulässt, dass der Geschädigte den beklagten Schädiger zur Rechenschaft zieht, ohne zu berücksichtigen, dass er selbst die gefährliche Lage bewusst geschaffen oder mitgeschaffen hat, in der sich der vom Schädiger zu vertretende Beitrag zur Schadensentstehung auswirken konnte (BGH NJW 1961, 655 zum "Handeln auf eigene Gefahr"; Palandt–Heinrichs, a. a. O. § 254, Rdnr. 1). Ein bewusstes und zurechenbares Handeln des Geschädigten erfordert hierbei, dass er die ihm in eigenen Angelegenheiten obliegende Sorgfalt vorsätzlich oder fahrlässig verletzt hat. Voraussetzung dafür ist eine Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit der Schädigung.

Die Schädigung in Form eines Unfalles infolge des Befahrens des Prüfstandes mit der Untersuchungsgrube war für den Kläger sowohl vorhersehbar als auch vermeidbar. Auf den eingereichten Fotografien der Örtlichkeiten ist erkennbar, dass sich der Bereich des Prüfstandes deutlich von dem für den Kundenverkehr vorgesehenen und zu befahrenden Teil des Betriebsgeländes abgrenzt. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass der Prüfstand überdacht und damit als Teil des für Kunden nicht zugänglichen Werkstattbereichs deutlich erkennbar ist. Zum anderen weist der Bereich des Prüfstands eine farblich andere Bodengestaltung auf und ist die in dem Prüfstand befindliche Fahrzeuggrube von außen ausreichend erkennbar. Der Kläger, der angesichts dieser Umstände gleichwohl diesen Bereich des Betriebsgeländes befuhr, tat dies auf eigenes Risiko. Insofern musste der Kläger Kenntnis sowohl von der Gefahrenquelle, als auch von einer damit in Zusammenhang stehenden Unfallgefahr haben, so dass der eingetretene Unfall für ihn durchaus vorhersehbar war.

Die eingetretene Schädigung war für den Kläger zudem vermeidbar, da keine zwingende Notwendigkeit bestand, nicht die gesicherte Ausfahrt, sondern den Weg über die Untersuchungsgrube zu wählen. Der Umstand, dass die Ausfahrt durch ein anderes Fahrzeug zeitweise blockiert war, entlastet den Kläger nicht. Er hätte entweder bis zum Freiwerden der Ausfahrt eine Zeitlang warten oder aber in den Geschäftsräumen der Beklagten um Freimachung der Ausfahrt bitten können. Hinzu kommt, dass der Kläger bei seiner Fahrt durch den Prüfstand und über die Grube äußerste Vorsicht hätte walten lassen müssen, das heißt er hätte sich allenfalls vorsichtig vorwärtsbewegen bzw. vortasten dürfen.

Zusammengenommen begründen diese Umstände die Annahme eines schwerwiegenden Verschuldens seitens des Klägers, welches eine Haftung der Beklagten ausschließt.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91; 708 Nr. 11; 711 ZPO. Streitwert: 1.393,- €

RechtsgebietBGBVorschriften§§ 254; 823 BGB

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