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24.02.2011 · IWW-Abrufnummer 110627

Oberlandesgericht Hamm: Urteil vom 10.12.2010 – 20 U 21/09

1. Macht der Antragsteller bei der mündlichen Beantwortung von Antragsfragen gegenüber dem das Antragsformular ausfüllenden Versicherungsagenten erkennbar unvollständige Angaben, hat dieser für die nach der Sachlage gebotenen Rückfragen zu sorgen.



2. Unterläßt der Agent die Rückfragen, geht dies zu Lasten des Versicherers, auch wenn dieser von den zur Nachfrage Anlass gebenden Umständen keine Kenntnis erlangt hat. Der Versicherer kann sich dann nach Treu und Glauben nicht auf die Unvollständigkeit der Angaben des Antragstellers berufen (im Anschluss an Senat VersR 2009, 1649).


Oberlandesgericht Hamm

I-20 U 21/09

Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 19.12.2008 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1.
Es wird festgestellt, dass die zu Gunsten des Klägers bei der Beklagten bestehende Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zur Lebensversicherung ############# nicht durch Rücktritt der Beklagten vom 10.07.2007 erloschen ist.
2.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 20.700,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf je 900,00 EUR ab dem 01.01., 01.02.,01.03., 01.04., 01.05., 01.06., 01.07., 01.08., 01.09., 01.10., 01.11., 01.12.2007, 01.01., 01.02., 01.03., 01.04., 01.05., 01.06., 01.07., 01.08., 01.09., 01.10. und 01.11.2008 zu zahlen.
3.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zur Lebensversicherung
############# Leistungen in Höhe von monatlich 900,00 EUR ab Dezember 2008 bis zum Vertragsende am 01.08.2031 bedingungsgemäß zu gewähren, zahlbar monatlich im Voraus.
4.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, Überschussanteile der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zur Lebensversicherung
############# im Zeitraum April 2007 bis einschließlich zum 01.08.2031 bedingungsgemäß zu gewähren und an den Kläger auszuzahlen.
5.
Es wird festgestellt, dass der Kläger von der Beitragszahlungspflicht betreffend die Lebensversicherung ############ einschließlich der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung ab April 2007 befreit ist.
6.
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.761,08 EUR, die dieser an die Rechtsanwälte I3 & P zu zahlen hat, freizustellen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:
A.
Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers aus einer mit einer fondsgebundenen Rentenversicherung verbundenen Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Der Kläger verlangt von der Beklagten als Rechtsnachfolgerin der M AG (nachfolgend einheitlich: die Beklagte) wegen einer nach seinem Vorbringen seit Dezember 2006 bestehenden Berufsunfähigkeit bedingungsgemäße Leistung – Zahlung einer Monatsrente von 900,00 EUR, Beitragsbefreiung und Überschussbeteiligung - sowie die Feststellung, dass die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung nicht durch den Rücktritt der Beklagten vom 10.07.2007 erloschen ist. Dem Versicherungsvertrag liegen die "Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherungen der Tarifgruppe ZU 05" (im Folgenden AVB-BUZ) zu Grunde. Vereinbartes Leistungsende ist der 01.08.2031.
Wegen des erstinstanzlichen Vortrags der Parteien und wegen der gestellten Anträge wird auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen.
Das Landgericht hat nach Anhörung des Klägers und Vernehmung der Zeugen y und Q die Klage abgewiesen aus im Wesentlichen folgenden Gründen: Der Rücktritt der Beklagten sei berechtigt erfolgt, denn der Kläger habe seine Vorerkrankungen jedenfalls nicht vollständig mitgeteilt. Denn der Kläger habe die Beklagte nicht darüber in Kenntnis gesetzt, dass er im Jahr 2004 bereits zweimal wegen Arthritis krankgeschrieben gewesen sei. Das Risiko eines Landschaftsgärtners sei durch eine oft chronisch verlaufende entzündliche Gelenkerkrankung deutlich erhöht. Der Kläger habe nicht nachgewiesen, dass die Unvollständigkeit seiner Angaben nicht schuldhaft gewesen sei. Die zweifache Krankschreibung wegen Arthritis habe weder bereits so lange zurückgelegen noch habe es sich um eine so unbedeutende Erkrankung gehandelt, dass die Nichtangabe als schuldlos angesehen werden könne. Da der Kläger seine Klage maßgeblich gerade auf eine Erkrankung an Arthritis stütze, sei sein pauschaler Vortrag, die vor Antragstellung bestehenden Erkrankungen seien nicht ursächlich für den geltend gemachten Versicherungsfall, nicht nachvollziehbar.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers.
Er habe bei Antragstellung keine Kenntnis davon gehabt, dass die Krankschreibungen im Jahr 2004 aufgrund einer Arthritis erfolgt waren; ihm sei seitens seines Hausarztes mitgeteilt worden, dass es sich um eine schmerzhafte Gelenkentzündung durch Überlastung gehandelt habe. Er habe dieser Verletzung keine größere Bedeutung beigemessen, nachdem die Beschwerden rasch abgeklungen seien. Im Übrigen habe die durch Überlastung bei der Arbeit hervorgerufene Entzündung des Fingergelenks im Jahr 2004 mit der bei ihm vorliegenden Poliarthritis nichts zu tun.
Im Übrigen habe er gegenüber dem Zeugen y die von diesem ihm gestellten Gesundheitsfragen wahrheitsgemäß beantwortet. Das Antragsformular sei nicht an Ort und Stelle ausgefüllt worden; vielmehr habe der Vermittler y erklärt, er werde das Formular unter Zuhilfenahme eines Computerprogramms ergänzen. Da die Unterschriften auf dem Beiblatt und auf der Gesundheitserklärung voneinander abwichen, sei davon auszugehen, dass sie nicht von ein- und derselben Person vorgenommen worden seien.
Der Kläger beantragt,
abändernd
1.
festzustellen, dass die zu seinen Gunsten bei der Beklagten bestehende Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zur Lebensversicherung
############# nicht durch Rücktritt der Beklagten vom 10.07.2007 erloschen sei,
2.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 20.700,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf je 900,00 EUR ab dem 01.01., 01.02.,01.03., 01.04., 01.05., 01.06., 01.07., 01.08., 01.09., 01.10., 01.11., 01.12.2007, 01.01., 01.02., 01.03., 01.04., 01.05., 01.06., 01.07., 01.08., 01.09., 01.10. und 01.11.2008 zu zahlen,
3.
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zur Lebensversicherung ############# Leistungen in Höhe von monatlich 900,00 EUR ab Dezember 2008 bis zum Vertragsende am 01.08.2031 zu gewähren, zahlbar monatlich im Voraus,
4.
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, Überschussanteile der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zur Lebensversicherung
############# im Zeitraum April 2007 bis einschließlich zum 01.08.2031 zu gewähren und an ihn auszuzahlen,
5.
festzustellen, dass er von der Beitragszahlungspflicht betreffend die Lebensversicherung ######### einschließlich der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung ab April 2007 befreit sei,
6.
die Beklagte zu verurteilen, ihn von Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.761,08 EUR freizustellen,
hilfsweise
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt mit näheren Darlegungen die angefochtene Entscheidung. Sie macht geltend, dass der Hausarzt dem Kläger die von ihm festgestellte Diagnose Arthritis mitgeteilt habe. Im Übrigen bleibe das Vorliegen einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit bestritten
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Der Senat hat die Zeugen y, I und Q uneidlich vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Berichterstattervermerk zur Senatssitzung vom 28.08.2009 verwiesen (Bl. 219 ff d.A.). Ferner hat der Senat ein schriftliches fachrheumatologisches/orthopädisches Gutachten des Sachverständigen Professor Dr. X eingeholt, welches dieser unter dem 02.04.2010 erstattet hat.
B.
Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Die Klage ist in allen Hauptanträgen begründet.
1.
Der Feststellungsantrag des Klägers zu Ziffer 1, gerichtet auf die Feststellung, dass die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung nicht durch Rücktritt der Beklagten vom 10.07.2007 erloschen ist, ist begründet.
Denn der zwischen den Parteien geschlossene Berufsunfähigkeitszusatzversicherungsvertrag hat weiterhin Bestand; die Rücktrittserklärung vom 10.07.2007, die die Beklagte auf eine bei Antragstellung verschwiegene Krankschreibung und ärztliche Behandlung des rechten Fußes und Kniegelenks im Jahr 2005 sowie auf verschwiegene Behandlungen im Jahr 2004 wegen Lumboischialgie, Kreuzschmerz und Arthritis gestützt hat, hat den Vertrag nicht rückwirkend aufgelöst (§ 20 VVG a.F., dessen bis zum 31.12.2007 geltende Fassung nach Art. 1 Abs. 2 EGVVG anzuwenden ist, weil der Versicherungsfall vor dem 31.12.2008 eingetreten ist).
Der Rücktritt ist nicht im Hinblick auf Behandlungen und Krankschreibungen des Klägers wegen einer unfallbedingten Verletzung von Fuß und Kniegelenk mit anschließender Achillessehnenentzündung sowie wegen Lumboischialgie, Kreuzschmerz und Arthritis berechtigt.
Denn es läßt sich nicht feststellen, dass der Kläger diesbezüglich bei Antragstellung falsche Angaben gemacht hat.
1.1.1.
Der Zeuge y ist bei der Vermittlung als Agent der Beklagten tätig geworden und hat zudem das Antragsformular ausgefüllt. Deshalb erbringt allein der ausgefüllte Antrag nicht den Beweis für eine falsche Beantwortung der im Antragsformular stehenden Fragen, wenn – wie hier – der Versicherungsnehmer substantiiert behauptet, den Agenten mündlich informiert zu haben oder von ihm mit den einzelnen Fragen gar nicht konfrontiert worden zu sein.
Denn ein vom Versicherer bei Stellung des Versicherungsvertrages eingeschalter Versicherungsvertreter ist sein "Auge und Ohr" (vgl. BGH VersR 1988, 234). Dies hat zur Folge, dass dasjenige, was der Versicherungsvertreter im Zusammenhang mit der Aufnahme des Versicherungsantrags erfährt, dem Versicherer zugerechnet wird (BGH VersR 1989, 833; vgl. nunmehr § 70 VVG n.F.). Deshalb muss der Versicherer in einem solchen Fall beweisen, dass alle im schriftlichen Formular dem Antragsteller tatsächlich gestellt und so wie niedergelegt vom Antragsteller beantwortet worden sind (vgl. BGH VersR 2004, 1297 f).
Deshalb ist (mit)entscheidend, was bei dem Antragsgespräch erörtert worden ist und welche Angaben der Kläger gegenüber dem Zeugen y gemacht hat.
1.1.2.
Der Kläger hat vor dem Senat, ebenso wie bereits vor dem Landgericht, bei seiner persönlichen Anhörung erklärt, dass er gegenüber dem Zeugen y angegeben habe, dass er als Landschaftsgärtner mehrfach verletzt, oftmals in ärztlicher Behandlung und auch krankgeschrieben gewesen sei, worauf hin der Zeuge y erklärt habe, dass der Versicherer danach nicht frage. Er habe ferner auf die damals aktuell vorliegende Krankschreibung sowie auf den vorhandenen Verband am Fuß verwiesen. Sein Hausarzt habe von dem Vorliegen einer Arthritis nichts gesagt; ausdrücklich habe er gegenüber dem Zeugen y nichts von einer Entzündung gesagt. Auf seine Bemerkung, dass die Beklagte, wenn sie es genauer wissen wolle, sich an seinen Hausarzt wenden soll, habe der Zeuge y geäußert, dass der Versicherer dies sowieso machen werde. Ferner hat der Kläger vor dem Senat bekundet, dass der Zeuge y keinen Laptop und keinen Drucker mit sich geführt habe; die Fragen habe der Zeuge y anhand eines Formulars vorgelesen; Unterlagen habe er während des Gesprächs nicht erhalten.
Damit oblag es der Beklagten, die substantiierten Behauptungen des Klägers zu widerlegen. Dies ist der Beklagten nach der seitens des Senats wiederholten Vernehmung des Zeugen y nicht gelungen. Denn der gegenteiligen Bekundung des Zeugen y kommt nicht der für ein positives Beweisergebnis zugunsten des Beklagten erforderliche Beweiswert zu. Es bestehen vielmehr erhebliche Zweifel an der Richtigkeit seiner Bekundung und an der Glaubwürdigkeit des Zeugen y.
Zweifel an der Richtigkeit der Aussage des Zeugen insgesamt ergeben sich daraus, dass er bei seinen Vernehmungen in beiden Instanzen nicht ausschließen konnte, dass der dem Vertrag der Parteien zugrundeliegende Antrag des Klägers – so wie es der Kläger durchgängig im Rechtsstreit vorgetragen hat – nicht bereits während des Antragsgesprächs, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt ausgedruckt wurde. So hat der Zeuge y vor dem Landgericht ausgesagt (Seite 8 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 21.11.2008, Bl. 121 R d.A.), dass er weder bestätigen noch ausschließen könne, dass das Gespräch am 27.10.2005 und der Ausdruck am 28.10.2005 erfolgt sei. Auch bei seiner erneuten Vernehmung vor dem Senat (Seite 3 des Berichterstattervermerks zur Senatssitzung vom 28.08.2009, Bl. 228 d.A.) hat er bekundet, dass er nicht ausschließen könne, dass die Gesundheitsfragen bereits vor dem Ausdruckdatum des 28.10.2005 besprochen worden sein könnten. Da der Zeuge y selbst nicht davon ausgeht – auch haben weder der Kläger noch die Beklagte dies behauptet –, dass sowohl am 27.10.2005 als auch am 28.10.2005 ein Antragsgespräch mit dem Kläger stattgefunden haben könnte, bleibt die Möglichkeit, dass ein Ausdruck zu einem späteren Zeitpunkt ohne Anwesenheit des Klägers erfolgt ist. Diese in Betracht kommende Möglichkeit entzieht jedoch den gesamten weiteren Bekundungen des Zeugen y die Grundlage, weil diese gerade darauf beruhen, dass der Kläger zunächst die Antragsfragen beantwortet und das entsprechend ausgefüllte, in unmittelbarem Anschluss ausgedruckte Formular sodann unterzeichnet hat. Dies begründet Zweifel an der Richtigkeit der Bekundungen des Zeugen y insgesamt.
Bedenken gegen die Verlässlichkeit der Bekundung des Zeugen y ergeben sich desweiteren daraus, dass der Zeuge nicht plausibel den Umstand erklären konnte, dass der den Kläger betreffende Antrag das Ausdruckdatum "28.10.05 10:49" (Bl. 48 d.A.) und der die Zeugin I betreffende Antrag das Ausdruckdatum "28.10.05 10:53" (Bl. 131 d.A.) trägt. Denn der Zeuge y hat bei seiner erstinstanzlichen Vernehmung nichts davon bekundet, dass die Zeugin I bei dem von ihm auf den 28.10.2005 datierten Antragsgespräch anwesend gewesen wäre; soweit er dabei bekundet hat, nicht mehr sagen zu können, ob an diesem Tag auch ein anderer Antrag ausgedruckt worden sei, bezog sich dies auf den mehrfachen Ausdruck desselben Antrags. Demgegenüber hat der Zeuge y bei seiner Senatsvernehmung bekundet, dass er davon ausgehe, dass auch die Zeugin I anwesend gewesen sei und ihr eigener Versicherungsantrag erörtert und ausgedruckt worden sei. Angesichts des Fehlens einer nachvollziehbaren Erklärung des Zeugen y für den unmittelbar nacheinander erfolgten Ausdruck beider Versicherungsanträge ergibt sich eine weitere Verstärkung der Möglichkeit, dass der Ausdruck des den Kläger betreffenden Antrags ohne dessen Anwesenheit erfolgt sein könnte.
Hinzukommt, dass nach den übereinstimmenden Aussagen der Zeugen I und Q die Zeugin I an dem den Kläger betreffenden Antragsgespräch nicht teilgenommen hat und nach der Aussage der Zeugin I ein sie betreffendes Antragsgespräch weder am 27. noch am 28.10.2005 erfolgt sein kann, weil sie an beiden Tagen morgens zur Arbeit gewesen sei. Zwar übersieht der Senat nicht, dass die weitere Bekundung der Zeugin I, dass sie das Formular unausgefüllt unterzeichnet habe, zweifelhaft erscheint, weil es nicht plausibel erscheint, dass, wie die Zeugin I berichtet hat, der Zeuge y sich ein unausgefülltes Formular hat unterschreiben lassen bei gleichzeitiger Ankündigung noch einmal zum Kunden zu kommen. Überdies ist es nicht leicht möglich, ein unausgefüllt unterschriebenes Formular nachträglich mit auszudruckenden Antwortkreuzen zu versehen. Hinzukommt, dass die Zeugin I ihren vorausgegangenen Antrag überhaupt nicht mehr in Erinnerung hatte. Allerdings hat die Beklagte selbst in ihrer Klageerwiderungsschrift vorgetragen, dass das Antragsgespräch mit dem Kläger allein und ohne Zeugen geführt worden sei; dies entspricht der Bekundung der Zeugin I, wonach mit ihr ein separates Antragsgespräch geführt worden sei.
Nach alledem vermag die Aussage des Zeugen y - auch nach dessen persönlichem Eindruck (vgl. Beschluss des Senats vom 02.12.2009 zu Ziffer II (Bl. 258 d.A.) - nicht zu überzeugen. Es läßt sich deshalb nicht mit der für das praktische Leben brauchbaren Gewissheit feststellen, dass die Aussagen der Zeugen Q und I unrichtig sind und die Aussage des Zeugen y dagegen richtig ist.
1.1.3.
Der Rücktritt der Beklagten ist auch nicht etwa deshalb wirksam, weil der Kläger – worauf das Landgericht das angefochtene Urteil gestützt hat – unstreitig dem Zeugen y gegenüber nicht die erfolgten Behandlungen wegen Arthritis erwähnte.
Auf die Behauptung des Klägers, sein behandelnder Hausarzt Dr. T habe ihm von dem Vorliegen einer Arthritis bis zum Zeitpunkt des Antragsgesprächs nichts gesagt, kommt es nicht an. Zwar ist die dahin gehende, in der Berufungsbegründungsschrift vorgebrachte Behauptung grundsätzlich in der Berufungsinstanz nach § 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO berücksichtigungsfähig. Denn das Landgericht hat zum einen den Kläger zur Frage einer Kenntnis der Diagnose nicht angehört; zum anderen hat das Landgericht im Hinblick auf die am 21.11.2008 erteilten Auflagen (Bl. 123 d.A.) sodann im anberaumten Verkündungstermin eine Überraschungsentscheidung durch klageabweisendes Urteil getroffen. Entscheidend ist, dass jedenfalls das Unterbleiben der Anzeige der Behandlung wegen Arthritis nach § 17 Abs. 2 VVG a.F. ohne Verschulden des Klägers unterblieben wäre. Angesichts des unwiderlegt gebliebenen Vortrags des Klägers, dass der Zeuge y zu den Angaben des Klägers bezüglich seiner gesundheitlichen Situation geäußert habe, das sei alles nicht relevant, die Versicherung werde sich melden, wenn sie Fragen habe, war es nicht fahrlässig, dass der Kläger zwei kürzere Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen "Arthritis" im Sommer 2004 nicht eigens erwähnte. Es ist nicht ersichtlich und von der Beklagten auch nicht konkret behauptet, dass der Kläger bereits bei Antragstellung mit einer chronischen oder wiederkehrenden Erkrankung rechnen mußte.
Hinzukommt, dass nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH VersR 1993, 871; BGH VersR 2008, 668) der Versicherer beim künftigen Versicherungsnehmer nachfragen muss, wenn dieser bei der Antragstellung ersichtlich unvollständige oder unklare Angaben gemacht hat. Der Senat hat bereits entschieden (VersR 2009, 1649 = r+s 2010, 124 = zfs 2010, 32), dass auch dann, wenn der Antragsteller bei der mündlichen Beantwortung von Antragsfragen dem das Antragsformular ausfüllenden Versicherungsvertreter gegenüber erkennbar unvollständige Angaben macht, dieser für die nach der Sachlage gebotenen Rückfragen zu sorgen hat. Die Kenntnisse des Vermittlungsagenten sind nach der "Auge- und Ohr”-Rechtsprechung auch dann dem Versicherer zuzurechnen, wenn der Versicherer nicht tatsächlich Kenntnis von denjenigen Umständen erlangt hat, die zur Nachfrage Anlass gegeben hätten (Senat r+s 2001, 354). Unterbleibt die Nachfrage, kann sich der Versicherer gemäß § 242 BGB nach Treu und Glauben nicht auf die Unvollständigkeit der Angaben des Antragstellers berufen. Hier ist nach den unwiderlegt gebliebenen Angaben des Klägers davon auszugehen, dass dieser gegenüber dem Zeugen y angegeben hat, "immer mal wieder beim Arzt" gewesen zu sein. Damit lagen ernsthafte Anhaltspunkte dafür vor, dass die bislang seitens des Klägers erteilten Auskünfte noch nicht abschließend waren. Denn diese Angabe war für die Risikoprüfung bedeutsam und hätte näherer Aufklärung bedurft. Die dem Versicherer obliegende ordnungsgemäße Risikoprüfung, die die Schaffung klarer Verhältisse in Bezug auf den Versicherungsvertrag schon vor Vertragsschluss gewährleisten soll und deshalb nicht auf die Zeit nach Eintritt des Versicherungsfalls verschoben werden darf, konnte aufgrund solcher Angaben nicht erfolgen. Das Vorliegen von Arglist, die die Annahme einer Nachfrageobliegenheit ausschließt (BGH NJW 2007, 1519), ist weder dargetan noch nachgewiesen.
II.
Auch die weiteren Hauptanträge des Klägers sind in vollem Umfang begründet.
Der Kläger ist zumindest seit dem 01.01.2007 bedingungsgemäß berufsunfähig, so dass die Beklagte die vereinbarten Leistungen ab Januar 2007 schuldet.
1.
Nach § 1 Abs. 1 der einbezogenen AVB-BUZ in Verbindung mit dem Versicherungsschein schuldet die Beklagte die vereinbarten Leistungen, wenn der Kläger zu mindestens 50 % berufsunfähig ist. (Vollständige) Berufsunfähigkeit ist nach § 2 Abs. 1 AVB-BUZ gegeben, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls voraussichtlich für die Dauer von mindestens 6 Monaten außer Stande ist, seinen zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalls ausgeübten Beruf auszuüben, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen ausgestaltet war, auszuüben.
Nach dem Ergebnis der von dem Senat durch Einholung eines fachrheumatologischen/orthopädischen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. X durchgeführten Beweisaufnahme steht fest, dass der Kläger an palindromem Rheumatismus leidet, der durch unregelmäßige Wiederkehr anfallsartiger Gelenkentzündungen sowie gelenknaher Entzündungen zwischen symptomfreien Intervallen gekennzeichnet ist. Da nach den sachverständigen Feststellungen insbesondere nasskalte Witterungsbedingungen zu den Symptomen dieser Erkrankung führen, ist der Kläger, der unstreitig seiner beruflichen Tätigkeit als Garten- und Landschaftsgärtner primär außerhalb geschlossener Räume nachgegangen ist, mindestens seit dem 01.01.2007 zu 100 % nicht mehr in der Lage, seiner beruflichen Tätigkeit als Gärtner nachzugehen. Der Senat schließt sich diesen nachvollziehbaren und überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. X an; Einwendungen gegen diese Feststellungen haben die Parteien nicht erhoben.
2.
Der Kläger hat nach § 1 Abs. 2 Satz 1 AVB-BUZ Anspruch auf die versicherten Leistungen mit Ablauf des Monats, in dem die Berufsunfähigkeit eingetreten ist. Da nach den Feststellungen die vollständige Berufsunfähigkeit des Klägers bereits spätestens am 01.01.2007 vorlag, ist davon auszugehen, dass diese jedenfalls Ende Dezember 2006 eingetreten ist. Da das Rücktrittsschreiben der Beklagten vom 10.07.2007 stammt und auf das gestellte Leistungsbegehren des Klägers Bezug nimmt, muss die Meldung der Berufsunfähigkeit zeitlich zuvor erfolgt sein, mithin innerhalb des dreijährigen Rückwirkungszeitraums des § 1 Abs. 2 Satz 2 AVB-BUZ.
Nach § 1 Abs. 1 AVB-BUZ in Verbindung mit dem Versicherungsschein hat der Kläger Anspruch auf Zahlung einer im Voraus fälligen monatlichen Barrente von 900,00 EUR.
Damit erweist sich der Antrag des Klägers zu Ziffer 2, der gerichtet ist auf Zahlung der rückständigen Barrente von monatlich 900,00 EUR für den Zeitraum vom 01.01.2007 bis zum 01.11.2008, als begründet.
Zugleich ist damit ferner der Antrag des Klägers zu Ziffer 3, der gerichtet ist auf Zahlung der laufenden Barrente von monatlich 900,00 EUR, begründet. Allerdings hat der Senat zur Klarstellung ausgesprochen, dass die Barrente bis zum vereinbarten Vertragsende am 01.08.2031 allein "bedingungsgemäß" besteht, ohne dass damit eine Teilberufungszurückweisung verbunden wäre. Dem Versicherer bleibt es nämlich "bedingungsgemäß" vorbehalten zu prüfen, ob sich der Gesundheitszustand des Klägers verbessert hat und/oder ob er eine andere Tätigkeit im Sinne von § 2 Abs. 1 der Bedingungen ausübt.
Der mit dem Antrag des Klägers zu Ziffer 4 verfolgte Feststellungsantrag ist begründet, weil sich der festzustellende Anspruch des Klägers auf Gewährung und Auszahlung der Überschussbeteiligung aus § 12 der AVB-BUZ ergibt. Auch hier hat der Senat zur Klarstellung eine Beschränkung auf "bedingungsgemäße" Leistung ausgesprochen.
Ebenfalls begründet ist der Antrag des Klägers zu Ziffer 5 gerichtet auf die Feststellung der Beitragszahlungspflicht betreffend sowohl die Lebensversicherung als auch die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Der Anspruch des Klägers auf Beitragsbefreiung folgt aus § 1 Abs. 1 AVB-BUZ.
Schließlich ist der Antrag des Klägers zu Ziffer 6 begründet. Der Kläger kann Befreiung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in unstreitiger Höhe von 1.761,08 EUR verlangen, da die Beklagte zum Zeitpunkt der Beauftragung der Bevollmächtigten des Klägers bereits endgültig die Ansprüche des Klägers zurückgewiesen hatte.
Damit erweist sich die Berufung des Klägers mit den Hauptanträgen insgesamt als begründet.
III.
Über den auf Aufhebung und Zurückverweisung gerichteten Hilfsantrag des Klägers hatte der Senat nicht zu befinden, da der Rechtsstreit zugunsten des Klägers zur Entscheidung reif ist.
IV.
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 708 Nr. 10, 711, 543 Abs. 2 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern. Die für die Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen sind solche des Einzelfalls.

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