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09.09.2010 · IWW-Abrufnummer 102904

Landgericht Bielefeld: Urteil vom 10.03.2010 – 22 S 299/09

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


22 S 299/09
21 C 486/08 Amtsgericht Minden
Verkündet am 10.03.2010
Landgericht Bielefeld
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit XXX
hat die 22. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld
auf die mündliche Verhandlung vom 03.03.2010
durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht H., die Richterin am Landgericht B. und den Richter am Landgericht S.
für Recht erkannt:
Die Berufung des Beklagten und Widerklägers gegen das am 26.August 2009 verkündete Urteil des Amtsgerichts Minden wird mit der Maßgabe, dass die Widerklage nicht unbegründet, sondern unzulässig ist, auf seine Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e
I.
Von der Darlegung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 540 I Ziff. 1, II, 313 a I Ziff. 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
II.
Die zulässige Berufung des Beklagten und Widerklägers ist nicht begründet. Das Amtsgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Allerdings ist die Widerklage nicht unbegründet, sondern bereits unzulässig, weil sie rechtsmissbräuchlich erhoben ist. Entsprechend war der erstinstanzliche Tenor zu ergänzen.
1) Soweit der Beklagte die Berufung darauf stützt, dass die Klage unzulässig sei, weil die Klägerin unter der Bezeichnung „Steuerberatungsbüro S.“ nicht parteifähig sei, vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Das Amtsgericht hat die Bezeichnung „Steuerberatungsbüro S.“ zu Recht für auslegungsfähig erachtet und sie dahingehend ausgelegt, dass die Steuerberatersozietät S. GbR Klägerin ist. Es entspricht ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass bei nicht eindeutiger Parteibezeichnung die Partei durch Auslegung zu ermitteln und grundsätzlich diejenige Person als Partei angesprochen ist, die erkennbar durch die Parteibezeichnung betroffen werden soll (vgl. dazu BGH NJW 2009, 1293 m.w.N.). Dies ist hier offenkundig die Steuerberatersozietät S. GbR, die für den Beklagten tätig geworden ist und die die streitgegenständlichen Rechnungen erstellt hat.
2) Die Angriffe des Beklagten in der Berufungsinstanz rechtfertigen aber auch in der Sache im Ergebnis keine abweichende Entscheidung. Zwar ist dem Beklagten zuzugeben, dass das Vorbringen eines Beklagten gegenüber einer Klageforderung nicht ohne weiteres gemäß § 296 II ZPO zurückgewiesen werden kann, wenn der verspätete Vortrag gleichzeitig mit der Erhebung einer Widerklage verbunden wird, also sowohl der Rechtsverteidigung gegenüber der Klage als auch der Begründung der Widerklage dient. Da es sich nach allgemeiner Meinung bei der Widerklage nicht um ein Angriffs- und Verteidigungsmittel im Sinne der genannten Bestimmung handelt, ist ihre Zurückweisung selbst oder die zu ihrer Begründung vorgetragenen Tatsachen als verspätet nicht möglich. Ist aber der in einem verspätet eingegangenen Schriftsatz enthaltene Vortrag zur Begründung der Widerklage zu berücksichtigen, ist regelmäßig auch für die Zurückweisung des Vorbringens in Bezug auf die Klage kein Raum, weil bei Anwendung des § 296 ZPO die Verzögerung nur nach der Dauer des gesamten Verfahrens bis zum Instanz beendenden Schlussurteils und nicht nach Verfahrensabschnitten zu beurteilen ist (vgl. dazu Zöller-Greger, ZPO, 28.Aufl., § 296 Rn 12 m.w.N.). Daher wird die Flucht in die Widerklage nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung grundsätzlich für zulässig erachtet (vgl.BGH NJW 1985, 3079; 1986,2257, seitdem ständige –umstrittene – Rspr.), so dass auch eine Entscheidung durch Teilurteil über die im Hinblick auf § 296 II ZPO an sich entscheidungsreife Klage unter Zurückweisung des verspäteten Vorbringens grundsätzlich nicht in Betracht kommt.
Eine Ausnahme ist jedoch dann zu machen, wenn die Widerklage rechtsmissbräuchlich dem Zweck einer Umgehung der Präklusion dienen soll (vgl. dazu BGH NJW 1995, 1223; LG Berlin WuM 2003, 154; LG Gießen NJW-RR 2003, 381). Ein solcher Fall ist vorliegend gegeben. Mit der in dem Termin am 26.08.2009 erhobenen Widerklage verfolgte der Beklagte nach Überzeugung der Kammer allein das Ziel, eine Zurückweisung seiner Rechtsverteidigung gegenüber dem Klageanspruch als verspätet zu verhindern. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass diese Verspätung offenkundig war. Sie wird auch von dem Beklagten selbst nicht in Abrede gestellt. Im übrigen verweist die Kammer insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung und schließt sich ihnen an. Zum anderen beschränkte sich das Vorbringen zu der am Ende des Schriftsatzes vom 20.08.2009 angekündigten Widerklage letztlich auf den Antrag und seine Bezifferung und genügte im übrigen inhaltlich in keiner Weise den Anforderungen an die Angabe des Grundes für den behaupteten Anspruch (vgl. § 253 II Ziff. 2 ZPO). Sie war erkennbar unschlüssig. Die Erhebung einer weder tatsächlich noch rechtlich auch nur ansatzweise begründeten Widerklage kann aber in der prozessualen Situation, in der sie von dem Beklagten erhoben worden ist, nur den alleinigen Zweck verfolgen, eine Zurückweisung des verspäteten Vorbringens gegenüber der Klageforderung zu verhindern.
Dies wird nicht zuletzt dadurch bestätigt, dass der Beklagte auch in der Berufungsinstanz außerstande war, eine schlüssige Begründung seiner Widerklage nachzuholen. Die Berufungsbegründung selbst beschränkt sich auf die Rüge, dass das Amtsgericht die Widerklage bzw. das sie begründende tatsächliche Vorbringen nicht gemäß § 296 II ZPO als verspätet habe zurückweisen dürfen. Doch auch der Schriftsatz des Beklagten vom 02.03.2010, der am Tage vor der mündlichen Verhandlung der Kammer per Telefax um 15.22 Uhr eingegangen und offensichtlich als Reaktion auf die rechtlichen Hinweise der Kammer vom 12.01.2010 erfolgt ist, enthält lediglich den pauschalen Vortrag, dass die Klägerin zum Schadensersatz nach § 280 BGB verpflichtet sei, weil sie offensichtlich unbegründete Forderungen geltend mache, was ein zum Schadensersatz verpflichtendes Handeln darstelle. Konkrete Angaben dazu, in welcher Weise und wodurch dem Beklagten ein Schaden entstanden ist, fehlen weiterhin. Insbesondere werden von ihm keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ergeben könnte, dass ihm vorprozessual ein Schaden durch anwaltliche Hilfe bzw. eigene anwaltliche Tätigkeit entstanden ist. So behauptet er selbst nicht, vorprozessual überhaupt tätig geworden zu sein, so dass dahingestellt bleiben kann, inwieweit vorliegend ein materiellrechtlicher Kostenerstattungsanspruch wegen unberechtigter Inanspruchnahme durch die Klägerin denkbar wäre (vgl. dazu BGH NJW 2007, 1458; 2008, 1147).
Deshalb kann sich der Beklagte auch nicht mit Erfolg darauf berufen, das Amtsgericht habe gemäß § 139 ZPO auf die Unschlüssigkeit der Widerklage hinweisen müssen. Abgesehen davon, dass vorliegend die Hinweispflicht schon deshalb zweifelhaft ist, weil die Widerklage so offenkundig unschlüssig war, dass dies dem Beklagten als einem erfahrenen Anwalt nicht verborgen bleiben konnte, hätte der Beklagte auch bei einem entsprechenden Hinweis seine Widerklage nicht schlüssig begründen können. Wie sein Vorbringen in der Berufungsinstanz zeigt, war ihm die Ergänzung eines die Widerklage begründenden Vortrages von vorneherein nicht möglich, da er im Zusammenhang mit der Klageforderung vorprozessual überhaupt nicht tätig geworden war, worauf die Klägerin in der Verhandlung vor der Kammer unbestritten hingewiesen hat. Dementsprechend hat der Beklagte seinen Vortrag auch in der Berufungsinstanz nicht mehr ergänzen können.
Damit konnte die Erhebung der Widerklage nur den Zweck haben, die Verspätungsfolgen zu umgehen. Sie war daher rechtsmissbräuchlich, so dass das Amtsgericht an einer Zurückweisung des Vorbringens des Beklagten gegenüber der Klageforderung nach § 296 II ZPO nicht gehindert war und Klage und Widerklage abweisen durfte. Allerdings war die Widerklage, weil rechtsmissbräuchlich, schon unzulässig, so dass der Tenor insoweit klarzustellen war.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 I ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

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