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15.01.2009 · IWW-Abrufnummer 090165

Oberlandesgericht Braunschweig: Beschluss vom 11.05.2007 – Ws 54/07

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Geschäftsnummer: Ws 54/07
Landgericht Braunschweig: 6 Qs 339/06
Amtsgericht Braunschweig: 3 Gs 1749/06
Finanzamt für Fahndung in Strafsachen Braunschweig: 2002/04262/5
Generalstaatsanwaltschaft Braunschweig: 203 Ws 37/07

B e s c h l u s s

In der Ermittlungssache XXX

wegen Steuerhinterziehung

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig am 11. Mai 2007 beschlossen:

Auf die weitere Beschwerde des Finanzamts für Fahndung und Strafsachen Braunschweig wird der Beschluss des Landgerichts Braunschweig vom 14. Februar 2007 aufgehoben.

Die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Braunschweig vom 13. Juni 2006 wird verworfen.

Die Kosten der Beschwerde sowie der weiteren Beschwerde werden dem Beschuldigten auferlegt.

G r ü n d e :

Die weitere Beschwerde hat Erfolg.

I.

Durch Beschluss des Amtsgerichts Braunschweig vom 13. Juni 2006 ist auf entsprechenden Antrag des Finanzamts für Fahndung und Strafsachen i.H.v. 73.519,00 € der dingliche Arrest in das gesamte Vermögen des Beschuldigten angeordnet worden. Durch Pfändungsanordnung des Finanzamts für Fahndung und Strafsachen gegenüber der Norddeutschen Landesbank Braunschweig vom 12. Oktober 2006 sowie durch Pfändung von Bargeld des Beschuldigten an demselben Tag ist der o.g. Arrestbeschluss vollzogen worden. Auf die entsprechende Beschwerde des Beschuldigten hat das Landgericht den genannten Arrestbeschluss des Amtsgerichts durch den angefochtenen Beschluss aufgehoben. Hiergegen hat das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen weitere Beschwerde eingelegt, der das Landgericht nicht abgeholfen hat. Zum Sachverhalt und zur Begründung wird auf vorgenannten Beschlüsse sowie auf die Begründungen der dagegen eingelegten Rechtsmittel Bezug genommen.

II.

Die weitere Beschwerde ist gem. § 310 Abs.1 Nr.3 StPO n.F. zulässig und auch in der Sache selbst begründet. Denn die Voraussetzungen gem. den §§ 111 b Abs.2 u. 5, 111 d StPO ,73, 73 a StGB, 917 ZPO für den vom Amtsgericht angeordneten dinglichen Arrest liegen vor.

1. Gem. § 111 b Abs.2 u. 5 StPO sind Gründe für die Annahme vorhanden, dass der Beschuldigte aufgrund der ihm vorgeworfenen Steuerhinterziehungen Steuern erspart und i.S.d. § 73 Abs.1 StGB erhebliche Geldbeträge „erlangt“ hat. Da die Nachzahlung der hinterzogenen Steuern dem Beschuldigten den Wert der aus seinen Taten erlangten Steuervorteilen entzieht, wird der Verfall im Umfang dieser Forderungen des Steuerfiskus gem. § 73 Abs.1 Satz 2 StGB ausgeschlossen. Hierbei ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Steuerfiskus Verletzter i.S.d. § 73 Abs.1 Satz 2 StGB sein kann (BGH, NStZ 2001, 155). Auch ist die Beschränkung des durch Art.14 GG geschützten Eigentumsgrundrechts durch die §§ 73 ff. StGB im verfassungsrechtlichen Sinne als verhältnismäßig anzusehen (BVerfG, StraFo 2004, 409).

Aufgrund der glaubhaften Zeugenaussage des Wiegemeisters der Metallrecycling GmbH ist in Verbindung mit den auf den Wiegescheinen notierten Kfz-Kennzeichen davon auszugehen, dass der Beschuldigte mit seinem 7,5-Tonnen-Lkw mit dem amtlichen Kennzeichen SZ von 2002 bis 2005 erhebliche Schrottmengen an die genannte Gesellschaft verkauft, über die damit verbundenen Einkommens- und Umsatzbeträge die Finanzbehörden i.S. § 370 Abs.1 Nr.2 AO in Unkenntnis gelassen und hierzu ständig verschiedene vielfach nicht existierende Namen/Vornamen und/oder Adressen angegeben hat, um seine Identität als Lieferant der Schrottmengen für den Fall einer Betriebsprüfung bei den genannten Unternehmen zu verbergen.

In vergleichbarer Weise hat der Beschuldigte von 2000 bis 2003 an die Firma Schrott- und Metallhandel GmbH, erhebliche Schrottmengen verkauft und die Finanzbehörden auch über die damit verbundenen Einkommens- und Umsatzbeträge in Unkenntnis gelassen. Auch in diesen Fällen gab er zur Verschleierung unterschiedliche Vornamen und insbesondere (gleichbleibend) eine falsche Adresse an, was auch die Steuerberatungsgesellschaft der genannten Firma Schrott- und Metallhandel GmbH später selbst herausfand.

Demgegenüber erklärte der Beschuldigte gegenüber den Finanzbehörden nur geringe Einkommen aus seinem Reisegewerbe „Scherenschleifen“, das er bereits seit den Achtziger Jahren ausübt und für welches sein großer 7,5-Tonnen-Lkw (Bild Bl. 93), den er bereits seit 1996 (bis 2005) besaß, ungeeignet war. Innerhalb einer Woche nach Durchsuchung der Geschäftsräume der Firma Schrott- und Metallhandel GmbH vom 28.06.2005 durch die Steuerfahndung besorgte er sich dann allerdings beim Finanzamt einen Nachweis der Eintragung als Unternehmer mit dem Gewerbe „Eisen- und Schrotthandel“.

Die Erkenntnisse unversteuerten Einkommens werden durch Bareinzahlungen auf Sparkonten in tatrelevanten Zeiten in einer solchen Größenordnung bestätigt, die mit den gegenüber dem Finanzamt erklärten Einkünften des Beschuldigten nicht vereinbar sind.

Letztlich wendet der Beschuldigte gegen diese Ermittlungen des Finanzamts für Fahndung und Strafsachen dem Grunde nach auch nichts mehr ein, wie insbesondere seiner Beschwerdebegründung vom 22.03.2007 zu entnehmen ist.

Damit sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, dass der Beschuldigte die hinterzogenen Einkommens-, Umsatz- und Gewerbesteuern an den Steuerfiskus als Verletzten wird nachzahlen müssen.

2. Weiterhin sind die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung eines dinglichen Arrestes i.S.d. §§ 111 d Abs.1 Satz 1 u. Abs.2 StPO, 917, 920 Abs.1, 923 ZPO gegeben. Insbesondere ist vorliegend zu besorgen, dass ohne dessen Anordnung die Vollstreckung der mit den genannten Steuerhinterziehungshandlungen verbundenen Steuerforderungen des Steuerfiskus vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde (§ 917 Abs.1 ZPO; die Vorschrift ist im Strafprozess unmittelbar anzuwenden, Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl., § 118 d Rn.8). Dies ist grundsätzlich dann der Fall, wenn der Beschuldigte sich nach dem bisherigen Ermittlungsstand Vermögensvorteile durch Straftaten verschafft hat (OLG Frankfurt NStZ-RR 2005, 111), wenn ein vorsätzlich vertragswidriges Verhalten mit einer gegen den Gläubiger gerichteten vermögensbezogenen Straftat zusammenfällt (BGH WM 1983, 614; Vollkommer in Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 917 Rn.6 m.w.Rspr.Nw.), wenn trotz Bestehens einer Auskunftspflicht durch Erteilung falscher Auskünfte die Vermögensverhältnisse verschleiert werden (Vollkommer in Zöller, a.a.O., § 917 Rn.5 u. 8 m.w.Rspr.Nw.; vgl. auch Meyer-Goßner, a.a.O., § 111 d Rn.8) oder wenn ein Versicherungsfall vorgetäuscht wird (zur Sicherung des Rückzahlungsanspruchs des Versicherers, OLG Hamm VersR 1983, 1174; vgl. BVerfG StraFo 2005, 338 unter II.1.a) bb); Vollkommer in Zöller, a.a.O.). Der vorliegende Fall ist in genannten Beispielsfällen vergleichbar, da der Beschuldigte erhebliche Verschleierungsmaßnahmen – sogar für den Fall einer Betriebsprüfung bei den Unternehmen, an die er seine Schrott- und Altmetallmengen verkauft hat – vorgenommen hat, um die ihm vorgeworfenen Steuerhinterziehungen vorzubereiten bzw. sie abzusichern (vgl. oben unter Ziffer II.1.). Unter diesen Umständen ist zu besorgen, dass er dem Steuerfiskus auch weiterhin sein Vermögen wird zu entziehen versuchen, um die erheblichen Steuernachzahlungen auch weiterhin nicht leisten zu müssen. Wenn nach der entgegenstehenden Auffassung des Landgerichts nicht ersichtlich sei, „dass der Beschuldigte in Kenntnis der Durchsuchung nunmehr versucht hätte, Vermögen beiseite zu schaffen“, so wird übersehen, dass der Beschuldigte nach zeitgleicher Durchsuchung und Vollziehung des dinglichen Arrests auch gar keine Veranlassung mehr dazu hatte, nach der Pfändung noch verbliebenes Vermögen beiseite zu schaffen, da der dingliche Arrest ohnehin bereits vollzogen und die Sicherung der Forderungen des Finanzamts ohnehin durchgeführt worden war. Wie die o.g. Beispiele aus Rechtsprechung und Literatur zeigen, ist die Prognose vor der Anordnung des dinglichen Arrestes vorzunehmen und das bis dahin gezeigte Verhalten des Schuldners bzw. Beschuldigten zu bewerten. Im übrigen wurde der Arrest sowohl (in geringem Umfang i.H.v. 1.500,00 €) in Bargeld als auch (überwiegend i.H.v. 72.019,00 €) in ein Sparbuch des Beschuldigten vollstreckt, das jederzeit hätte „abgeräumt“ werden können.

3. Nach der Formulierung von § 111 b Abs.2 StPO ist die Sicherstellung durch dinglichen Arrest als Ermessensentscheidung ausgestaltet („kann“, BVerfG, StraFo 2005, 338 unter B.II.1.a)). In diesem Rahmen verlangt das Eigentumsgrundrecht des Art.14 Abs.1 Satz 2 GG unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eine Abwägung des Sicherstellungsinteresses des Staates mit der Eigentümerposition des Beschuldigten, weil das möglicherweise strafbar erlangte Vermögen zu einem Zeitpunkt sichergestellt wird, in dem lediglich ein Tatverdacht besteht und noch nicht über die Strafbarkeit entschieden ist und dadurch die Nutzungs- und Verfügungsmöglichkeiten über das Eigentum, die ebenfalls von Art.14 Abs.1 GG geschützt sind, in einschneidender Weise beschränkt werden (BVerfG, StV 2004, 409; StraFo 2005, 338 u. NStZ 2006, 639). Je intensiver der Staat schon allein mit Sicherungsmaßnahmen in den vermögensrechtlichen Freiheitsbereich des einzelnen eingreift, desto höher sind die Anforderungen an die Rechtfertigung des Eingriffs; diese Anforderungen steigen mit der Dauer der Nutzungs- und Verfügungsbeschränkung, da es sich ja lediglich um eine vorläufige Maßnahme aufgrund eines Tatverdachts handelt (BVerfG, StraFo 2005, 338). Hierbei muss das Gericht die tatsächlichen Grundlagen selbst ermitteln und seine rechtliche Auffassung unabhängig von der Exekutive gewinnen und begründen; schematisch vorgenommene Anordnungen vertragen sich mit dieser Aufgabe nicht (BVerfG, a.a.O.).

Die vorliegend vorzunehmende Abwägung des Sicherstellungsinteresses des Staates mit der Eigentümerposition des Beschuldigten ergibt, dass die Anordnung des dinglichen Arrestes angemessen ist. Zunächst ist hierbei zu berücksichtigen, dass die bisherigen Ermittlungen auf einer sehr sicheren Grundlage stehen, wie sich aus den Ausführungen unter Ziffer II.1. ergibt, und dass der Beschuldigte letztlich hiergegen dem Grunde nach nichts mehr einzuwenden hat. Weiterhin ist im Hinblick auf die erheblichen Verschleierungsmaßnahmen, die der Beschuldigte – über die Nichterklärung der Einkünfte und Umsätze sowie die Hinterziehung der Gewerbesteuern hinaus – vorgenommen hat, um sogar für den Fall von Betriebsprüfungen gegenüber den Schrottverwertungsgesellschaften, an die er lieferte, seine Lieferantenidentität und damit seine umfangreiche gewerbliche Tätigkeit zu verheimlichen, die Gefahr nicht nur als gering anzusehen, dass er sein Vermögen dem Steuerfiskus auch weiterhin zu entziehen versucht. Andererseits ist der Eingriff durch die vollzogene Pfändung (in der Hauptsache) eines Sparkontos des Beschuldigten als vergleichsweise eher gering anzusehen. Dafür spricht zum einen die Anlageform eines Sparbuchs zur Erzielung fester (trotz Pfändung weiterlaufender) Zinsen, das bereits seit 1984 bespart wird und auf eine dauerhafte Geldanlage ausgerichtet ist. Zum anderen steht dem Beschuldigten (gemeinsam mit seiner Ehefrau) insbesondere ein weiteres – nicht gepfändetes – Sparbuch (bei der NORD/LB mit der Konto-Nr.: 708 104 384 8) mit einem namhaften Betrag von über 65.000,00 € weiterhin zur freien Verfügung. Damit dürfte die genannte Pfändung den Beschuldigten angesichts des auf Dauer angelegten Sparbuchs kaum beeinträchtigen, so dass sich im vorliegenden Fall der Eingriff durch die Sicherstellung nicht erheblich auswirkt und damit das Interesse des Beschuldigten an einer derzeitigen freien Verfügung über das Sparbuch gegenüber dem erheblichen Sicherungsinteresses des Staates an der Nachzahlung der namhaften hinterzogenen Steuerbeträge zurücktritt.

Erhöhte Prüfungsmaßstäbe gelten für Fälle, in denen durch vorläufige Sicherungsmaßnahmen das gesamte oder nahezu das gesamte Vermögen der Verfügungsbefugnis des Betroffenen entzogen wird; in diesen Fällen müssen die maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen in der Anordnung besonders sorgfältig geprüft und in der einstweiligen Entscheidung dargelegt werden, damit der Betroffene dagegen Rechtsschutz suchen kann (BVerfG, a.a.O.). Wie sich aus den bisherigen Ausführungen ergibt, liegt ein solcher Fall hier nicht vor. Denn der Beschuldigte hat nicht nur ein weiteres – ungepfändetes – Sparbuch, welches einen Betrag in vergleichbarer Höhe ausweist, sondern ist zusammen mit seiner Ehefrau auch Eigentümer des von ihnen bewohnten Hausgrundstücks. Selbst wenn man aber vorliegend von einem derartigen Fall ausginge, sind die erhöhten Anforderungen an die Rechtsschutzmöglichkeiten für den Beschuldigten gewährleistet. Wenn den genannten Prüfungsmaßstäben auch der vom Beschuldigten angefochtene Beschluss des Amtsgerichts Braunschweig vom 13. Juni 2006 nicht genügt, so hatte er bis zur vorliegenden Entscheidung des Senats die umfassende Möglichkeit, zu allen tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen Stellung zu nehmen, welche für die vorliegende Sicherung durch den dinglichen Arrest maßgeblich sind. Er hatte über seinen Verteidiger – schon im Erstbeschwerdeverfahren – nicht nur umfassende Akteneinsicht, sondern konnte sich zu der alle tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen enthaltenden und mit besonderer Sorgfalt abgefassten Stellungnahme des Finanzamts für Fahndung und Strafsachen vom 06.03.2007 äußern. Der Rechtsschutz, der dem Beschuldigten vor dieser Entscheidung zur Verfügung stand, ließ somit nichts zu wünschen übrig.

Im Rahmen der Ermessensausübung ist weiter zu berücksichtigen, dass das Strafverfahren grundsätzlich nicht der Durchsetzung zivilrechtlicher – bzw. vorliegend fiskalischer – Forderungen dient; anders ist es jedoch, wenn die Sicherstellung den Verletzten davor bewahrt, seiner Ansprüche verlustig zu gehen (KG, Beschl. v. 16.02.2000 – 4 Ws 29/00 -, zitiert nach Juris; Nack in Karlsruher Kommentar, StPO, 5. Aufl., § 111 b, Rn.18). So liegt der Fall auch hier. Aufgrund der Durchsuchung wusste der Beschuldigte, dass man gegen ihn wegen Steuerhinterziehung ermittelt, und musste deshalb mit erheblichen Steuernachzahlungen rechnen. Angesichts der von ihm eingesetzten Verschleierungstaktik zur Erhaltung der steuerfreien Einkünfte war es – wenn überhaupt – gerade zu diesem Zeitpunkt – zeitgleich mit den Durchsuchungs- und Beschlagnahmehandlungen – angezeigt, auch die Sicherstellung der nach den bisherigen Ermittlungen hinterzogenen Steuerbeträge durch den dinglichen Arrest zu veranlassen.

4. Auch die Höhe des Arrestbetrags ist nicht zu beanstanden. Grundlage für die Steuerberechnungen sind die für die jeweiligen Jahre addierten Barbeträge, die der Beschuldigte nach den Ermittlungen von der Metallrecycling GmbH und der Schrott- und Metallhandel GmbH für die Schrottanlieferungen jeweils eingenommen hat und die in der Tabelle auf Seite 2 oben des Aktenvermerks des Finanzamts für Fahndung und Strafsachen vom 06.06.2006 (Bl. 33 der Ermittlungsakte) zusammengestellt worden sind. Aus den nachgehefteten Steuerverkürzungsberechnungen ergeben sich sodann die aus der weiteren Tabelle auf Seite 2 des genannten Aktenvermerks ersichtlichen Gesamtbeträge der verkürzten Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuern. Diese Steuervorteile hat der Beschuldigte unmittelbar (ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal zur Erfüllung des § 73 Abs.1 Satz 1 StGB, BGHSt 47, 260 unter II.3.a); Tröndle/Fischer, StGB, 54. Aufl., § 73 Rn.6) aus den Steuerhinterziehungshandlungen – durch Verschweigen der genannten Einkünfte gegenüber den Finanzbehörden – erspart und damit i.S.d. § 73 Abs.1 Satz 1 StGB „erlangt“.

Im Gegensatz zur Bestimmung des strafrechtlichen Schuldumfanges, bei dem zu Gunsten des Angeklagten steuermindernde Betriebs- und bzw. Werbungskosten (ggf. durch Schätzung) zu berücksichtigen sind, um den Mindestbetrag der Verkürzungsbeträge festzustellen, gilt im Rahmen der §§ 73, 73 a StGB, die für die Höhe des anzuordnenden dinglichen Arrestes maßgebend sind, das Bruttoprinzip (BGHSt 47, 369; Tröndle/Fischer a.a.O., § 73 Rn.7 ff.; jeweils m.w. N.). Danach richtet sich die Höhe des Verfalls (des Wertersatzes) nicht nur nach dem Gewinn, sondern danach, was der Täter insgesamt aus der Tat erlangt hat ohne Abzug z.B. von Einkaufspreisen, Transportkosten oder sonstigen von ihm getätigten Aufwendungen (BGH, a.a.O., wo auch verfassungsrechtliche Bedenken unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ausgeschlossen werden). Hierfür waren für den Gesetzgeber zum einen Gründe der Praktikabilität maßgebend, da das Nettoprinzip die Ermittlung der Verfallsvoraussetzungen erschwere und die getätigten Aufwendungen häufig nur schwer feststellbar seien; zum anderen verfolgte der Gesetzgeber damit einen Präventionszweck insbesondere zur Verhinderung gewinnorientierter Straftaten (z.B. im Bereich der Wirtschaftskriminalität), indem der Täter für den Fall der Entdeckung nicht nur mit der Abschöpfung des Tatgewinns, sondern darüber hinaus auch mit der Abschöpfung der hierfür getätigten Aufwendungen rechnen muss (BGH, a.a.O.). Diese Grundsätze sind auf alle Deliktsgruppen anzuwenden (BGH, a.a.O.; Tröndle/Fischer, a.a.O., § 73 Rn.7), nicht nur auf Betäubungsmitteldelikte, sondern z.B. auch auf Bestechungsdelikte, korruptive Auftragsvergabe, Embargoverstöße, Insidergeschäfte im Wertpapierhandel und geheimdienstliche Agententätigkeit (Tröndle/Fischer a.a.O., n.Rspr.Nb.). Daher geht der Senat auch für den Fall der Steuerhinterziehung – jedenfalls derzeit in diesem vorläufigen Verfahren des dinglichen Arrestes – davon aus, dass wegen des Bruttoprinzips steuermindernde Aufwendungen nicht berücksichtigungsfähig sind (für Steuerdelikte ist dies höchstrichterlich bislang in einem Revisionsverfahren, soweit ersichtlich, noch nicht entschieden worden). Der Beschuldigte kann deshalb – jedenfalls im Rahmen der Prüfung des dinglichen Arrestes – nicht damit gehört werden, die von den Finanzbehörden nachzuberechnenden Steuern müssten sich durch die zu berücksichtigenden Betriebsausgaben erheblich vermindern (wobei er diese ohne Begründung pauschal mit 2/3 der Verkaufserlöse veranschlagt). Selbst wenn die Finanzbehörden im Rahmen der Nachveranlagung steuerrechtlich gem. § 162 AO im Wege der Schätzung einen gewissen Betrag oder Prozentsatz als Betriebs- und Werbungskosten berücksichtigenden sollten (wozu sie z.B. unter den Voraussetzungen des § 160 AO nicht verpflichtet sind), würde der Betrag, um den sich die Steuerschuld vermindert, wegen der Geltung des Bruttoprinzips dem Justizfiskus verfallen, also gem. § 73 Abs.1 Satz 1 StGB abzuschöpfen sein, weil er insoweit nicht vom bevorrechtigten Steuerfiskus gem. § 73 Abs.1 Satz 2 StGB in Anspruch genommen würde und damit die Ausschlusspflicht der genannten Vorschrift entfiele. Damit wäre auch der genannte Differenzbetrag weiterhin durch den dinglichen Arrest zu sichern. Denn bei der Arrestanordnung muss noch nicht entschieden werden, ob der Verfallsanspruch des Staates (Justizfiskus) oder die Ansprüche des Verletzten i.S.d. § 73 Abs.1 Satz 2 StGB (vorliegend des Steuerfiskus) zu sichern sind (OLG Frankfurt NStZ 2005, 111 a.E.; Meyer-Goßner, a.a.O., § 111 b Rn.7).

5. Für eine spätere Anwendung der Härtevorschrift des § 73 c StGB bietet der vorliegende Fall keinen Anlass, zumal der Beschuldigte gerade auch durch die jahrelang erwirtschafteten „schwarzen“ Einkünfte ein nicht unerhebliches Vermögen anzuhäufen vermochte.

6. Der Senat hatte – auch soweit vorliegend (insbesondere verfassungsrechtliche) Ermessensfragen vom Amtsgericht ersichtlich nicht bedacht worden sind – gem. § 309 Abs.2 StPO eine eigene Sachentscheidung zu treffen (vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 2005, 111; Meyer-Goßner, a.a.O., § 309 Rn.4).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 465 StPO, da bei einem erfolgreichen Rechtsmittel der Verfolgungsbehörden dessen Kosten zu den allgemeinen Verfahrenskosten gehören (Meyer-Goßner, a.a.O., § 473 Rn.15 a.E.), sowie (hinsichtlich der Erstbeschwerde) auf § 473 Abs.1 StPO.

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