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06.11.2001 · IWW-Abrufnummer 011328

Oberlandesgericht Hamm: Beschluss vom 20.10.2001 – 3 Ss OWi 716/01

Zum Absehen vom Fahrverbot bei einem wirtschaftlich schwachen Taxifahrer, der bereits einmal wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung in Erscheinung getreten ist.


Bußgeldsache gegen D.B.,
wegen Zuwiderhandlung gegen § 3 StVO.

Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Bielefeld gegen das Urteil des Amtsgerichts Herford vom 16. Februar 2001 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 20.09.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft, des Betroffenen und seines Verteidigers beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den diesem zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben. Insoweit wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Herford zurückverwiesen.

Gründe:
I. Das Amtsgericht hat den Betroffenen mit dem angefochtenen Urteil wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung gem. §§ 24 Abs. 2 StVG, 3 Abs. 3 Ziffer 1, 49 Abs. 1 Ziffer 3 StVO mit einer Geldbuße von 900 DM belegt. Von der Verhängung eines Fahrverbots hat das Amtsgericht abgesehen. Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitig eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Bielefeld, mit der der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils angegriffen wird.

Zum in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch hat das Amtsgericht folgende Feststellungen getroffen:

?Der Betroffene befuhr am 01.07.2000 um 0.43 Uhr mit einem Taxi der Marke Daimler-Benz, amtliches Kennzeichen in Hiddenhausen im Ortsteil Schweicheln die Herforder Straße in Fahrtrichtung Herford. Nachdem er eine leichte Kuppe in Höhe des ?Hotels Freihof? passiert hatte, überschritt er auf der innerorts gelegenen Herforder Straße auf einer leicht bergab führenden Strecke die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h ganz erheblich. Er fiel deshalb Polizeibeamten auf, die mit einem Lasermessgerät der Marke Riegl über eine Entfernung zwischen 400 und 500 m eine gezielte Geschwindigkeitsmessung durchführten. Bei der ordnungsgemäß durchgeführten Lasermessung stellten die Polizeibeamten in einem Abstand von 421 m eine ?Bruttogeschwindigkeit? des Betroffenen in Höhe von 94 km/h fest. Abzüglich der vorgeschriebenen Toleranz von 3 km/h ergab das eine vorwerfbare Geschwindigkeit in Höhe von 91 km/h. Der Betroffene überschritt damit die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um mindestens 41 km/h.

Diese Geschwindigkeitsüberschreitung hätte der Betroffene ohne weiteres erkennen und vermeiden können.?

Im Rahmen der Begründung des Rechtsfolgenausspruchs hat das Amtsgericht festgestellt, dass der Betroffene ? von Beruf Tankwart bei einer Aral-Tankstelle in Herford ? am 24. Oktober 1999 in Bad Salzuflen-Lockhausen um 01.16 Uhr mit einem PKW die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um mindestens 24 km/h überschritten hat und deswegen durch den am 28. Januar 2000 rechtskräftig gewordenen Bußgeldbescheid des Kreises Lippe vom 6. Januar 2000 mit einer Geldbuße von 125 DM belegt worden ist. Das Amtsgericht ist bei der Bemessung der vorliegend zu verhängenden Geldbuße zunächst vom Regelsatz für die festgestellte Geschwindigkeitsüberschreitung unter Berücksichtigung der zitierten Voreintragung von einer in Höhe von 310 DM ausgegangen und hat diese schließlich in Anwendung von § 2 Abs. 4 BKatV unter Absehen vom Fahrverbot auf 900,- DM erhöht.

Das Absehen vom Fahrverbot hat das Amtsgericht wie folgt begründet:

?Es stellte sich nunmehr die Frage, ob gegen den Betroffenen auch ein Fahrverbot von 1 Monat nach § 25 StVG angeordnet werden musste, so wie es in der Bußgeldkatalogverordnung für die festgestellte Geschwindigkeitsüberschreitung vorgesehen ist. Das Gericht hielt es vorliegend für vertretbar, das an sich verwirkte Fahrverbot wegfallen zu lassen und dafür gemäß § 2 Abs. 4 Bußgeldkatalogverordnung die Geldbuße auf einen angemessenen Betrag in Höhe von 900 DM zu erhöhen. Das ergab sich aus folgendem:

Der Betroffene ist nebenberuflich als Taxifahrer tätig. Wie er im Termin unwiderlegt ausführte, ist er auf seine Nebeneinkünfte dringend angewiesen, um sich und seine Familie über die Runden zu bringen. Bei einem Fahrverbot von 1 Monat hätte der Betroffene ganz erhebliche wirtschaftliche Nachteile zu erleiden. Möglicherweise könnte er auch seine Anstellung als nebenberuflicher Taxifahrer verlieren. Diese beruflichen und wirtschaftlichen Gründe waren zwar nicht zwingend, um das Fahrverbot wegfallen zu lassen. In Verbindung mit weiteren Besonderheiten des Vorfalles war es jedoch gerechtfertigt, lediglich eine erhöhte Geldbuße festzusetzen. Der Vorfall spielte sich nämlich zur Nachtzeit um 0.43 Uhr ab. Der Betroffene überschritt die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf einer leicht bergab führenden Strecke. Es war nachvollziehbar, dass der Betroffene auf der gut ausgebauten Herforder Straße im Ortsteil Schweicheln zu schnell fuhr und nicht auf seine zulässige Geschwindigkeit achtete. Bei Taxifahrern ist es eine Tatsache, dass sie, nicht zuletzt wegen Termindruck, dazu neigen, immer etwas zügig zu fahren, insbesondere zur Nachtzeit. Sichere Anhaltspunkte zu der konkreten Verkehrssituation waren nicht gegeben. Zu Gunsten des Betroffenen war folglich anzunehmen, dass er mit seinem Taxi praktisch allein auf der Straße war, so dass es in technischer Hinsicht ohne weiteres möglich war, sehr schnell zu fahren. Die nächtliche Vorfallzeit ließ es deshalb in Verbindung mit den beruflichen Schwierigkeiten des Betroffenen im Falle eines Fahrverbotes zu, kein Fahrverbot gegen den Betroffenen festzusetzen und dafür die Geldbuße zu erhöhen.?

Mit der Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Bielefeld, der die Generalstaatsanwaltschaft beigetreten ist, wird unter näheren Ausführungen gerügt, dass das Amtsgericht rechtsfehlerhaft von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen hat. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg und führt zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen.

Die vom Amtsgericht angestellten Erwägungen rechtfertigen vorliegend ein Absehen von der Verhängung eines Fahrverbots gem. § 2 Abs. 4 BKatV nicht. Die vom Betroffenen in der Hauptverhandlung vorgetragenen und vom Amtsgericht berücksichtigten beruflichen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten sind auch vom Amtsgericht ersichtlich für sich allein nicht als ausreichend für ein Absehen von der Verhängung eines Fahrverbots angesehen worden. Die weiteren vom Amtsgericht herangezogenen Umstände, wie Tatzeit um 00.43 Uhr, leicht abschüssige Fahrtstrecke, gut ausgebaute Straße, der Umstand, dass Taxifahrer - nicht zuletzt wegen Termindruck - dazu neigen, immer etwas zügig zu fahren, und dass zur konkreten Verkehrssituation (Verkehrsdichte) keine sicheren Anhaltspunkte gegeben waren, sind nicht geeignet, in ihrem Zusammenwirken auch mit den erwähnten wirtschaftlichen und beruflichen Schwierigkeiten einen Ausnahmefall zu begründen. Zu beachten ist zum einen, dass der Betroffene die Tat des vorliegenden Verfahrens gut fünf Monate nach Rechtskraft des Bußgeldbescheides vom 1. Januar 2000 begangen hat. Er hat sich somit die seinerzeit erfolgte Verhängung einer Geldbuße wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung ersichtlich nicht zur Warnung dienen lassen. Vielmehr hat er mit der Tat des vorliegenden Verfahrens nach relativ kurzer Zeit in erheblich gravierenderem Maße die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten. Schon mit Rücksicht darauf können die vom Amtsgericht als besonders mildernd berücksichtigten Umstände wie Tatzeit um 00.43 Uhr (ähnlich schon wie die Tatzeit im Bußgeldbescheid vom 6. Januar 2000: 01.16 Uhr), gut ausgebaute Straße, leicht abschüssige Fahrbahn kein besonders Gewicht erlangen, um ein Absehen von der Verhängung eines Fahrverbots zu rechtfertigen. Dass es in technischer Hinsicht - zumal bei der Unterstellung, dass der Betroffene praktisch allein auf der Straße gewesen sei - ohne weiteres möglich war sehr schnell zu fahren, und dass Taxifahrer ohnehin dazu neigen, immer etwas zügig zu fahren, sind Argumente, die nicht geeignet sind, einen Härtefall i.S.d. § 2 Abs. 4 BKatV unter dem Gesichtspunkt zu begründen, dass auch das Zusammentreffen einer Vielzahl von für sich genommen gewöhnlichen und durchschnittlichen Umständen ausreichen kann, vom Fahrverbot abzusehen. Von einem Taxifahrer wird ebenso wie von anderen Verkehrsteilnehmern die Einhaltung der Verkehrsvorschriften gefordert.

Nach alledem war das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit den diesem zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben. Die Sache war zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Herford, das auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde zu entscheiden haben wird, zurückzuverweisen.

VorschriftenStVO 3, BKatV 2

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