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11.01.2007 · IWW-Abrufnummer 070095

Oberlandesgericht Hamm: Beschluss vom 15.08.2006 – 3 Ss OWi 269/06

Zum Absehen vom Fahrverbot und zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgebers wegen eines Fahrverbots.


3 Ss OWi 269/06

Beschluss

Bußgeldsache

gegen G.A.

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Herford vom 30.01.2006 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 15. 08. 2006 durch die Richterin am Oberlandesgericht als Einzelrichterin gem. § 80 a Abs. 1 OWiG nach Antrag der Generalstaatsanwaltschaft sowie nach Anhörung des Betroffenen bzw. seines Verteidigers beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Beschwerderechtfertigung kein Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben hat (§§ 79 Abs. 3 OWiG, 349 Abs. 2 StPO).

Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Betroffene (§§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 StPO).

Gründe:

Wird mit der Rechtsbeschwerde, wie es hier der Fall ist, ausschließlich die Sachrüge erhoben, so steht dem Rechtsbeschwerdegericht als Beurteilungsgrundlage lediglich das angefochtene Urteil zur Verfügung mit der Folge, dass der Inhalt der beiden in der Rechtsbeschwerde angeführten Schreiben der Arbeitgeberin des Betroffenen vom 20.01.2006 und des Vaters des Betroffenen vom 23.01.2006 nur insoweit berücksichtigt werden können, als ihr Inhalt in dem angefochtenen Urteil Niederschlag gefunden hat. Aber selbst, wenn man das Vorbringen des Verteidigers des Betroffenen hinsichtlich dieser beiden Schreiben entgegen der ausdrücklichen Erklärung in der Rechtsbeschwerdebegründung, es werde die Verletzung materiellen Rechts gerügt, dahingehend auslegen würde, dass zumindest auch die Verfahrensrüge einer Verletzung der Aufklärungspflicht gem. § 244 Abs. 2 StPO erhoben werden solle, da geltend gemacht wird, das Amtsgericht hätte ggf. weitere tatsächliche Feststellungen beispielsweise durch eine Vernehmung des Verfassers des Schreibens vom 20.01.2006, des Herrn K., treffen müssen, wäre diese Rüge nicht geeignet, der Rechtsbeschwerde zu einem Erfolg zu verhelfen. Denn die Aufklärungsrüge ist nicht in der gebotenen Form erhoben worden. Es wird nämlich weder ausgeführt, zu welcher konkreten Tatsache der Zeuge K. hätte vernommen werden sollen, noch welches konkrete und für den Betroffenen günstige Ergebnis von der unterbliebenen Beweiserhebung zu erwarten gewesen wäre (vgl. Meyer-Gossner, StPO, 49. Aufl., § 244 Rdn. 81 m.w.N.). Abgesehen davon ist die Auslegung des Amtsgerichts, aus dem Schreiben der Arbeitgeberin des Betroffenen ergebe sich noch keine konkret drohende existentielle Gefährdung für den Betroffenen, nicht zu beanstanden.

Die Annahme eines drohenden Verlustes der wirtschaftlichen Existenzgrundlage in Folge eines Fahrverbotes ist erst gerechtfertigt, wenn die ernsthafte Gefahr des Eintritts dieser Folge auch für den Fall besteht, dass der Betroffene alle ihm zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um Auswirkungen des Fahrverbotes gering zu halten (vgl. BVerfG NJW 1995, 1541). Um das Bestehen einer ernsthaften Gefahr im vorgenannten Sinn zu bejahen, bedarf es der Feststellung hinreichend konkreter Tatsachen, die einen entsprechenden Rückschluss zulassen. Die Annahme eines drohenden Arbeitsplatzverlustes setzt daher zunächst voraus, dass es bei einer Anordnung des Fahrverbotes zu einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses kommen würde, diese also als sichere Folge eines Fahrverbotes festgestellt wird (vgl. Senatsbeschluss vom 14.03.2005 3 Ss OWi 631/04 ). Davon kann aber auch unter Berücksichtigung des in der Rechtsbeschwerde zitierten Inhalts des Schreibens der Arbeitgeberin des Betroffenen vom 20.01.2006 nicht ausgegangen werden. Der Hinweis in diesem Schreiben, dass bei einem Fahrverbot von einem Monat über arbeitsrechtliche Konsequenzen nachzudenken wäre und ggf. sogar über eine Kündigung nachgedacht werden müsse, machen deutlich, dass sich die Arbeitgeberin des Betroffenen die Kündigung allenfalls vorbehalten hat. Dadurch tritt aber noch keine greifbare Gefährdung des Arbeitsverhältnisses ein. Vielmehr hängt die Kündigung des Arbeitsverhältnisses noch von einer jeweils im Einzelfall zu treffenden Entscheidung des Arbeitgebers ab, der durchaus aus den unterschiedlichsten Gründen von einer Kündigung absehen kann (vgl. Senatsbeschluss a.a.O.).

Angesichts der Feststellungen des Arbeitsgerichts, dass der Betroffene im Jahre 2005 Urlaub nur abschnittsweise und jeweils nicht länger als eine Woche genommen hat, ist jedenfalls von der Möglichkeit einer teilweisen Überbrückung des Dauer des Fahrverbotes durch Inanspruchnahme von Urlaub auszugehen, wobei durchaus eine Urlaubszeit von zwei Wochen, wenn auch möglicherweise nicht an einem Stück, sondern abschnittsweise in Betracht zu ziehen ist. Während der restlichen Dauer des Fahrverbotes können dadurch bedingte berufliche Schwierigkeiten durch die Inanspruchnahme von Taxen, öffentlichen Verkehrsmitteln oder auch der Fahrdienste von Bekannten sowie ggf. durch die Einstellung eines Fahrers deutlich abgemildert werden, so dass eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses allein aufgrund der Verhängung eines einmonatigen Fahrverbotes nicht als wahrscheinlich angesehen werden kann.

Soweit sich der Betroffene auf seine landwirtschaftliche Nebentätigkeit beruft, ist zunächst anzumerken, dass sich auch aus der Rechtsbeschwerdebegründung nicht ergibt, dass diese Tätigkeit für den Betroffenen existenzsichernd ist. Hinzu kommt, dass der Betroffene durch die Gewährung der 4 Monatsfrist gem. § 25 Abs. 2 a StVG die Möglichkeit hat, die Vollstreckung des Fahrverbotes in einen Zeitraum außerhalb der Erntezeit zu legen. Für weitere im Rahmen der Nebentätigkeit anfallende Tätigkeiten ist es dem Betroffenen zuzumuten, ggf. eine Hilfskraft einzustellen oder, wie durch das Amtsgericht ausgeführt worden ist, die Hilfe von Bekannten oder Verwandten in Anspruch zu nehmen.

RechtsgebieteStPO, BKatVVorschriftenStPO § 267 BKatV § 4

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