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29.09.2006 · IWW-Abrufnummer 062831

Oberlandesgericht Bamberg: Urteil vom 28.04.2006 – 6 U 23/05

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


6 U 23/05
12 O 851/04 LG Coburg

Oberlandesgericht Bamberg

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

in dem Rechtsstreit XXX

wegen Schadensersatzes.

Der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Bamberg hat unter Mitwirkung des Präsidenten des Oberlandesgerichts xx und der Richter am Oberlandesgericht xx und xx aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17. März 2006

für Recht erkannt:

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Coburg vom 20. April 2005 abgeändert.

II. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 67.783,32 EURO
zuzüglich Zinsen in Höhe von 2 % über dem Basiszinssatz seit
31. Januar 2004 zu zahlen.

III. Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

IV. Von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen die Klägerin und der Beklagte jeweils die Hälfte.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die gegnerische Partei vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

VI. Die Revision wird nicht zugelassen.

G r ü n d e:

I.

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird Bezug genommen auf das angefochtene Urteil des Landgerichts Coburg vom 20.4.2005.


Die Klägerin greift das landgerichtliche Urteil mit folgenden Erwägungen an:

Der Beklagte habe bei Übergabe der Schätzungsbescheide zugesichert, dass er sich ?um alles kümmern werde?. Somit sei von einer ausdrücklichen Vereinbarung auszugehen, wonach der Beklagte die Schätzungsbescheide über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag zu überprüfen und die weiteren notwendigen Maßnahmen von sich aus einzuleiten habe. Der diesbezügliche Sachvortrag der Klägerin sei durch den Beklagten nicht substantiiert bestritten worden.

Dem Beklagten hätten die steuerlich relevanten Buchhaltungsunterlagen für den Veranlagungszeitraum 1998 bereits vor Erlass des Schätzungsbescheides vorgelegen. Fehl gehe insoweit die Annahme des Landgerichts, dass der Aussage der Zeugin M. entnommen werden könne, dass für die streitgegenständlichen Veranlagungszeiträume Steuerbelege gefehlt hätten. Ebenso sei die Aussage des erstinstanzlich gehörten Zeugen D., der eine rechtzeitige Vorlage bestätigt habe, nicht zutreffend gewürdigt worden.
Da somit der Beweis für die rechtzeitige Vorlage der Buchhaltungsunterlagen für den Veranlagungszeitraum 1998 erbracht sei, trete für die Veranlagungszeiträume 1999 und 2000 eine Umkehr der Beweislast ein.

Ergänzend sei einem Schreiben des Beklagten vom 12.8.2002 zu entnehmen, dass die Klägerin bei Vorlage der Buchhaltungsunterlagen nicht nachlässig gehandelt habe.
Aus dem Inhalt dieses Schreibens ergebe sich nämlich, dass der Beklagte bereits Mitte Mai 2002 im Besitz der steuerlichen Unterlagen für den Veranlagungszeitraum 2001 gewesen sein müsse. Hieraus sei weiter zu folgern, dass dem Beklagten darüber hinaus zu diesem Zeitpunkt die steuerlichen Unterlagen für die Veranlagungszeiträume 1998 bis 2000 vorgelegen hätten, da ihm ansonsten die Veränderung der steuerlich zu berücksichtigenden Rückstellungen für diese Veranlagungszeiträume nicht hätte bekannt sein können.

Außerdem habe der Beklagte zunächst fälschlicherweise behauptet, die Buchhaltungsunterlagen für die Veranlagungszeiträume 1999 und 2000 seien ?Opfer des Hochwassers? geworden, da sein Keller überschwemmt worden sei.
Ebenso sei der Beklagte seiner Dokumentationspflicht nicht nachgekommen, da er die bei ihm letztlich eingegangenen Unterlagen unstreitig nicht mit einem Eingangsstempel versehen hat.
Diese Gesamtumstände bewirkten ebenfalls eine Umkehr der Beweislast. Der Beklagte habe somit den Nachweis zu erbringen, dass ihm die für die Abgabe der Steuererklärungen erforderlichen Buchhaltungsunterlagen durch die Klägerin nicht rechtzeitig vorgelegt worden seien. Dieser Nachweis sei dem Beklagten jedoch nicht gelungen.

Demzufolge sei davon auszugehen, dass der Beklagte in der Lage gewesen sei, die Steuererklärungen rechtzeitig zu erstellen. Hätte er diese ihm obliegende Verpflichtung erfüllt, wäre es bereits nicht zum Erlass der Schätzungsbescheide gekommen.

Selbst wenn die Annahme einer verspäteten Vorlage der Buchhaltungsunterlagen durch die Klägerin gerechtfertigt wäre, hätte der Beklagte die Klägerin dringend und schriftlich mahnen müssen, die fehlenden Unterlagen beizubringen. Es sei erforderlich gewesen, die Klägerin als Steuerpflichtige auf die Konsequenzen der Nichtabgabe der Steuererklärungen und die Folgen eines etwaigen Schätzungsbescheides eindringlich hinzuweisen.
Jedenfalls hätte er nach Erlass der Schätzungsbescheide darüber aufklären müssen, dass gegen diese Einspruch eingelegt werden könne und sollte, dass ferner die Möglichkeit besteht, die Aussetzung der Vollziehung der Steuerbescheide zu beantragen und dass schließlich der Erlass weiterer Bescheide zu erwarten ist, aufgrund derer der Vorbehalt der Nachprüfung in Wegfall kommen werde.

Auf die Möglichkeit der Erteilung einer Zustellungsvollmacht sei die Klägerin ebenso wenig hingewiesen worden wie auf das bestehende Fristenrisiko. Entgegen der Behauptung des Beklagten habe die Klägerin nicht darauf bestanden, dass die Steuerbescheide an sie selbst zugestellt würden.
Wegen der dem Beklagten bekannten Unzuverlässigkeit der Klägerin habe dieser geradezu auf die Zustellung der Bescheide an sich drängen und auch weiteren Belehrungs- und Überwachungspflichten hinsichtlich des Eintritts der drohenden Rechtskraft nachkommen müssen.

Aufgrund der unterlassenen Hinweise habe die Klägerin die Relevanz und die drohenden Konsequenzen der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassenen Schätzungsbescheide nicht erkannt. Für einen Steuerberater dagegen liege es auf der Hand, dass der Erlass eines Aufhebungsbescheides hinsichtlich des Vorbehalts der Nachprüfung nicht ?zwei Jahre auf sich warten? lasse.

Da der Beklagte kein Fristensystem geführt habe, sei er jedoch selbst nicht hinreichend darüber informiert gewesen, welche Maßnahmen zur Abwendung eines Schadens zum Nachteil der Klägerin zu welchem Zeitpunkt (dringlich) hätten ergriffen werden müssen.

Jedenfalls habe der Beklagte schon gegen die Schätzungsbescheide unverzüglich Einspruch einlegen müssen. Dies habe das Landgericht fehlerhaft verkannt. Dass diese Bescheide unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen sind, ändere hieran nichts. Denn bereits der Erlass der Schätzungsbescheide führe zum Entstehen der Steuerschuld und begründe die entsprechende Zahlungspflicht.

Schließlich sei dem Beklagten der Aufhebungsbescheid vom 20.2.2001 (zeitnah) für den Schätzungsbescheid des Veranlagungszeitraums 1998 übergegeben worden. Dies sei durchaus der Aussage der vom Landgericht vernommenen Zeugin W. zu entnehmen. Ferner trete auch insoweit eine Beweislastumkehr ein, da der Beklagte ein Fristensystem nicht geführt habe.

Die Höhe des Schadens sei hinreichend konkret vorgetragen, da sie sich an den Steuerberechnungen des Beklagten orientiere und die Differenz zwischen der Steuerschuld nach den Schätzungsbescheiden des Finanzamts und der vom Beklagten letztlich doch gefertigten Steuererklärungen darstelle.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des am 20.4.2005 verkündeten Urteils des Landgerichts
Coburg, Az.: 12 O 851/04, wird der Beklagte verurteilt, an die Klägerin einen Betrag von 135.566,63 EURO zuzüglich Zinsen in Höhe von 2 % über dem Basiszinssatz seit 31.1.2004 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung wird zurückgewiesen.

Er behauptet, dass er die Steuererklärung sogleich erstellt habe, nachdem er im Besitz der von der Klägerin selbst besorgten und sehr nachlässig geführten Buchhaltungsunterlagen gewesen sei. Zu einem früheren Zeitpunkt hätten ständig Steuerbelege der Klägerin gefehlt. Deshalb liege eine Pflichtverletzung seinerseits nicht vor.

Bei dem Schreiben vom 12.8.2002 handele es sich um ein allgemein verwendetes Formular, in das nur Fristen übernommen worden seien. Dass Steuerunterlagen rechtzeitig vorgelegen hätten, sei dem Schreiben dagegen nicht zu entnehmen.

Der Beklagte ist der Ansicht, dass die Klägerin durch die Bestandskraft der Schätzungsbescheide unter dem Vorbehalt der Nachprüfung keine Nachteile erlitten habe. Einen Einspruch gegen die Bescheide habe er nicht einlegen und wegen der fehlenden Unterlagen auch nicht begründen können. Ein Rechtsbehelf hätte lediglich Kosten verursacht.

Darüber hinaus sei der geltend gemachte Schaden nicht hinreichend substantiiert vorgetragen. Aufgrund der Schätzungsbescheide sei ein Schaden ohnehin nicht eingetreten. Die Steuerschuld entstehe nämlich erst mit der Rechtskraft des Aufhebungsbescheides.

Der Sachvortrag zu der Behauptung, dass der Beklagte auf die Zustellung der Bescheide an sich habe drängen müssen, sei als verspätet zurückzuweisen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.

In der Sache jedoch hat sie nur teilweise Erfolg.

1. Der Senat ist der Auffassung, dass der Klägerin der Nachweis gelungen ist, dass der Beklagte ihm obliegende Pflichten aus dem Mandatsverhältnis verletzt hat.
Hieraus resultiert ein Anspruch aus sogenannter positiver Vertragsverletzung des Steuerberatervertrages bzw. aus § 280 Abs. 1 BGB, soweit Pflichtverletzungen aus der Zeit nach dem 1.1.2002 angesprochen sind.

Der Senat schließt sich den Erwägungen des Landgerichts Coburg an, wonach sich die Aufgaben des Steuerberaters nach Inhalt und Umfang des erteilten Mandats (BGHZ 128, 361) richten. Der Steuerberater hat im Rahmen seines Auftrags seinen Mandanten, von dessen Belehrungsbedürftigkeit er grundsätzlich auszugehen hat, umfassend zu beraten und ungefragt über alle bedeutsamen steuerlichen Einzelheiten und deren Folgen zu unterrichten. Insbesondere muss der Beklagte als Steuerberater die Klägerin als Auftraggeberin möglichst vor Schaden bewahren. Er hat den nach den Umständen sichersten Weg zu dem erstrebten steuerlichen Ziel aufzuzeigen und sachgerechte Vorschläge zu dessen Verwirklichung zu unterbreiten (BGH NJW-RR 2004, 1358).

Im Falle eines sogenannten Dauermandates ist der Pflichtenkreis des Steuerberaters erweitert. Er muss den Mandanten bei jeglicher steuerlichen Gestaltung beraten und belehren und insbesondere auch ferner liegende steuerliche Sachverhalte berücksichtigen (BGH WM 1998, 299).

Diesen grundlegenden Erwägungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung lässt sich entnehmen, dass an die durch den Steuerberater zu beachtende Sorgfalt ein strenger Maßstab anzulegen ist. Unter Berücksichtung dieser Vorgabe ist davon auszugehen, dass der Beklagte seine ihm obliegenden Pflichten aus dem Mandatsverhältnis nicht gehörig erfüllt hat.

a. Der Auftrag des Beklagten bezog sich auf ein Dauermandat. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Coburg (S. 9 der Urteilsgründe) verwiesen, die sich der Senat vollumfänglich zu eigen macht.

b. Es wäre die Aufgabe des Beklagten gewesen, von der Klägerin spätestens nach Erhalt der Schätzungsbescheide die rechtzeitige Vorlage sämtlicher notwendiger Unterlagen konkret und dringlich einzufordern (vgl. BGHZ 115, 382).
Unstreitig sind die der Klägerin zugesandten Schätzungsbescheide, die allesamt unter dem Vorbehalt der Nachprüfung standen, beim Beklagten tatsächlich eingegangen - und zwar der Schätzungsbescheid für den Veranlagungszeitraum 1998 im August 2000, derjenige für den Veranlagungszeitraum 1999 am 10.12.2001 und der Schätzungsbescheid für den Veranlagungszeitraum 2000 nach dem 28.5.2002.
Aufgrund dieser Bescheide konnte der Beklagte unschwer erkennen, dass nach einer etwaigen Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung und nach Ablauf der sodann laufenden Einspruchsfrist gegen die Aufhebungsbescheide die Gefahr drohte, dass die Klägerin aus formalen Gründen eine Steuerlast zu tragen hatte, die mit der tatsächlich geschuldeten Steuer nicht in Einklang zu bringen war. Angesichts dessen hätte der Beklagte die Klägerin spätestens im August 2000 ganz konkret und unmissverständlich darauf hinweisen müssen, dass sie ihm sämtliche zur Abgabe der Steuererklärung notwendigen Unterlagen dringlichst einzureichen habe, wenn dies ? wie der Beklagte behauptet ? bis dahin nicht der Fall war.
Erst recht war es Aufgabe des Beklagten, in dieser Weise zu verfahren, sobald ihm die weiteren unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassenen Schätzungsbescheide für die Veranlagungszeiträume 1999 und 2000 zugegangen waren und die Klägerin zu diesen Zeitpunkten - für den Beklagten ersichtlich - noch nicht einmal die Unterlagen betreffend den Veranlagungszeitraum 1998 vollständig vorgelegt hatte.

Den Beklagten kann es nicht entlasten, wenn er lediglich darauf hinweist, dass die unstreitig von der Klägerin durchzuführende Buchführung nachlässig war und ständig Steuerbelege fehlten, die nachgefordert werden mussten.
Da die Klägerin die Behauptung einer pflichtwidrigen Unterlassung durch den Beklagten aufgestellt hat, obliegt es zunächst dem Beklagten im Einzelnen darzulegen, in welcher Weise er die angeblich unterlassene Maßnahme vorgenommen haben will (BGH WM 1995, 1500, 1501; WM 1996, 1841, 1842). Die Klägerin durfte darauf vertrauen, dass der wegen seiner besonderen Sachkunde von ihr eingeschaltete Beklagte die ihm übertragenen Aufgaben sach- und fristgerecht erfüllen werde und gegebenenfalls mit präziser Fragestellung rechtzeitig um Information und Nachweise ersuchen werde, wenn die ihm überreichten Unterlagen ? wie er es vorträgt und von der Zeugin M. auch bestätigt ? lückenhaft waren (OLG Düsseldorf, Urteil vom 9.1.2004, 23 O 34/03 ? vorgelegt als Anlage K 27).
Der Beklagte hat zwar insoweit vorgetragen, dass die Buchhaltung für den Veranlagungszeitraum 1998 von der Klägerin nicht ordnungsgemäß geführt worden sei, so dass sie vom Beklagten hätte überarbeitet werden müssen. Die Klägerin habe dem Beklagten auch zugesichert, umgehend die Steuerunterlagen zur Verfügung zu stellen. Es ist jedoch schon fraglich, ob nicht diese und auch die weiter vom Beklagten geschilderten, an die Klägerin gerichteten Aufforderungen nicht zu pauschal gehalten sind, um den soeben dargestellten Anforderungen gerecht zu werden. Jedenfalls jedoch konnte der Beklagte den Nachweis nicht erbringen, dass er die Klägerin ganz konkret aufgefordert hat, die für die Abgabe der Steuererklärungen erforderlichen ? bestimmten ? Unterlagen vorzulegen.
Die im Rahmen der Beweisaufnahme gehörte Zeugin B., die bei dem Beklagten bereits im maßgeblichen Zeitraum als Sekretärin beschäftigt war, wusste nicht, ob er von der Klägerin immer wieder angeblich fehlende Steuerunterlagen angefordert habe. Allerdings hat sie bekundet, dass es sich bei der Klägerin um eine eher unzuverlässige Person im Bezug auf die Steuerunterlagen gehandelt hat. Nach den Angaben der als weitere Zeugin gehörten Ehefrau des Beklagten, G., sollen ?Unterlagen gefehlt? haben, die bei der Klägerin nachgefordert worden seien. Sie konnte sich jedoch nicht daran erinnern, worauf sich die von ihrem Ehegatten nachgeforderten Unterlagen bezogen haben sollen.
Somit ist der Beklagte den Nachweis schuldig geblieben, von der Klägerin die hinreichend konkret bezeichneten, noch benötigten Unterlagen angefordert zu haben.

c. Darüber hinaus wäre der Beklagte verpflichtet gewesen, die Klägerin unmissverständlich darauf hinzuweisen, wie sich der weitere Verfahrensablauf voraussichtlich gestalten werde, nachdem ihm die entsprechenden Schätzungsbescheide des Finanzamts vorgelegt worden waren. Er hätte der Klägerin somit eindeutig erläutern müssen, dass gegebenenfalls der Vorbehalt der Nachprüfung in Wegfall kommen werde und welche Rechtsfolgen sich hieran und an den Ablauf der Frist zur Einlegung eines Einspruchs gegen die Aufhebungsbescheide anschließen. Seine Beratungspflicht ist umfassend ausgestaltet und bezieht sich auch auf die soeben benannten Umstände, obwohl den Aufhebungsbescheiden des Finanzamts eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war.

2. Da hiermit eine objektive Vertragspflichtverletzung seitens des Beklagten aus seiner Tätigkeit als Steuerberater vorliegt, hätte er nunmehr den Nachweis zu erbringen, dass ihn an der Pflichtverletzung kein Verschulden trifft (BGHZ 129, 386, 399 = WM 1995, 1450; bzw. § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB n.F., soweit eine Pflichtverletzung nach dem 1.1.2002 betroffen ist).
Angesichts fehlender abweichender Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass der Beklagte fahrlässig gehandelt hat, da er in seiner konkreten Lage nach objektivem Beurteilungsmaßstab die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens hätte erkennen können und müssen und ebenso den daraus drohenden rechtswidrigen Erfolg hätte voraussehen und vermeiden können und müssen (BGH WM 1998, 301, 303).

3. Der erforderliche adäquate Ursachenzusammenhang zwischen der Verletzung einer Vertragspflicht des steuerlichen Beraters und den durch diese geschützten Vermögensinteressen der Klägerin als Auftraggeberin liegt vor. Es liegt auf der Hand, dass die unterlassene Anforderung der Unterlagen und die unterbliebene Aufklärung der Klägerin nach der Lebenserfahrung Nachteile für diese auslösen können. Zwar trägt die Klägerin die Beweislast hierfür (BGH WM 1993, 1735, 1738). Jedoch dürfen die Voraussetzungen an den erforderlichen Nachweis nicht überspannt werden. Da die Verletzung einer Vertragspflicht im Allgemeinen geeignet ist, einen Vermögensschaden des Mandanten herbeizuführen, fehlt die haftungsbegründende Kausalität ausschließlich dann, wenn die Pflichtverletzung nach der Lebenserfahrung nur unter besonders eigenartigen und unwahrscheinlichen Umständen den entstandenen Schaden hervorrufen konnte (BGH WM 1990, 1710, 1711).
Derartige Hinderungsgründe sind weder ersichtlich noch dargetan.

4. Zwischen der Verletzung der Vertragspflicht durch den Beklagten und dem von der Klägerin geltend gemachten Schaden besteht auch der erforderliche adäquate Ursachenzusammenhang. Der Beklagte hat gemäß § 249 S. 1 BGB den Zustand herzustellen, der ohne seine Pflichtverletzung bestünde. Der Klägerin gelingt der ihr insoweit obliegende Nachweis.

a. Denn ein Mandant, der Regressansprüche geltend macht, kann sich auf Beweiserleichterungen berufen. Somit ist davon auszugehen, dass die Klägerin sich beratungsgerecht verhalten hätte, wäre sie denn richtig aufgeklärt (BGHZ 123, 311) bzw. wären die Unterlagen bei ihr hinreichend konkret bezeichnet angefordert worden.

Dieser Beweis des ersten Anscheins wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Beklagte vorgetragen hat, mehrfach bei der Klägerin Unterlagen nachgefordert zu haben, was seitens der Zeugin M. glaubhaft bestätigt wurde. Denn diesbezüglich ist ? wie oben bereits festgestellt davon auszugehen, dass die Anforderung sich eben nicht hinreichend konkret auf bestimmte Unterlagen bezogen hat. Darüber hinaus gilt es in diesem Zusammenhang zu beachten, dass die Zeugin H., die bei der Klägerin zeitweise u.a. für das Zusammenstellen der Buchhaltungsunterlagen mitverantwortlich war, im Rahmen ihrer Vernehmung durch das Landgericht Coburg angegeben hat, dass die Klägerin emsig darauf bedacht gewesen wäre, einzelne Unterlagen für ein bestimmtes Jahr zu besorgen. Die Zeugin W., ebenfalls bei der Klägerin beschäftigt im Zeitraum von Januar 1999 bis August 2001, hat zusätzlich bekundet, regelmäßig Unterlagen zum Steuerberater gebracht zu haben. Allerdings konnte sie nicht angeben, worum es sich hierbei im Einzelnen gehandelt habe. - Glaubwürdigkeit zu zweifeln kein Anlass besteht, lässt sich jedenfalls nicht der Schluss rechtfertigen, dass die Klägerin auch bei einer konkreten Anforderung der noch benötigten Unterlagen diese nicht vorgelegt hätte.

Es ist ebenso davon auszugehen, dass die Aufhebungsbescheide im Falle der vollständigen Vorlage der erforderlichen Buchhaltungsunterlagen und einer zeitgerechten Einreichung der Steuerunterlagen durch den Beklagten bei dem zuständigen Finanzamt nicht in der konkret vorgenommenen Weise ergangen wären. Vielmehr wäre eine Steuerberechnung ausgerichtet an den tatsächlichen Gegebenheiten durchgeführt worden.

b. Bezüglich der Pflichtverletzung durch eine unterlassene Belehrung der Klägerin über den möglichen Verfahrensablauf nach Vorlage der Schätzungsbescheide des Finanzamts geht der Senat davon aus, dass sich die Klägerin im Falle einer ordnungsgemäßen Aufklärung der Dringlichkeit der Vorlage der Unterlagen erst recht bewusst gewesen wäre und dementsprechend gehandelt hätte.

5. Der der Klägerin entstandene Schaden beläuft sich auf den begehrten Betrag von 135.566,63 EURO. Es obliegt der Klägerin Art und Höhe des geltend gemachten Schadens darzulegen und gemäß § 287 ZPO zu beweisen (BGH WM 1993, 1513, 1516; NJW 1995, 2106, 2107; BGHZ 129, 386, 400). Unter Berücksichtigung dieser Vorgabe ist ein Gesamtvermögensvergleich anzustellen, der alle von der Pflichtverletzung betroffenen Vermögenspositionen umfasst. Im vorliegenden Fall des Erlasses eines Schätzungsbescheides muss der Mandant ? hier also die Klägerin ? grundsätzlich darlegen und nachweisen, welche Gewinne oder Verluste abweichend von den Besteuerungsgrundlagen der Schätzungsveranlagung tatsächlich entstanden sind. Regelmäßig erfordert dies die Vorlage einer Gewinn- und Verlustermittlung, die im Falle des Bestreitens von einem Sachverständigen überprüft werden kann.

Da sich die Klägerin vorliegend jedoch zur Schadensberechnung ausschließlich an der Differenz zwischen den Schätzungsbescheiden des Finanzamts für die Veranlagungszeiträume 1998 bis 2000 und der vom Beklagten erstellten Steuerberechnungen und Steuererklärungen orientiert, denen jeweils vom Beklagten erstellte Gewinnermittlungen nach § 4 Abs. 3 EStG beigefügt waren (Anlagen K 15 ? K 20), genügt dies zum Nachweis der Fehlerhaftigkeit des Schätzungsbescheids und der Entstehung eines ersatzfähigen Schadens in der geltend gemachten Höhe.
Solange der Beklagte als Steuerberater die Richtigkeit derartiger Unterlagen nicht substantiiert angreift, muss davon ausgegangen werden, dass der Aussagegehalt der von ihm selbst gefertigten Unterlagen zutreffend ist (BGH NJW 1982, 2238, 2241; OLG Köln, Urteil vom 3.7.2003, Az.: 8 U 79/02 ? vorgelegt als Anlage K 26). Der globale Hinweis des Beklagten, dass möglicherweise Verlustrückträge bzw. -vorträge bei der Berechnung des Schadens keine Berücksichtigung gefunden haben, genügt einem substantiierten Vortrag in diesem Sinne nicht. Hierauf wurde der Beklagte durch die Klägerseite mehrfach schriftsätzlich und durch den Senat im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 17. März 2006 hingewiesen (insoweit nicht protokolliert).

Somit ist ein von einem Schaden in Höhe von 135.566,63 EURO auszugehen.

6. Allerdings haftet der Beklagte für den festgestellten Schaden keineswegs in vollem Umfang. Die Klägerin muss sich gemäß § 254 BGB ein erhebliches Mitverschulden anrechnen lassen. Der Senat bewertet dieses Mitverschulden mit 50 %.

a. Der Klägerin oblag es als Auftraggeberin des Steuerberaters, diesen über den maßgeblichen Sachverhalt wahrheitsgemäß und vollständig zu informieren (BGH WM 1997, 328, 330). Sie hatte im eigenen Verantwortungsbereich für ordentliche Grundaufzeichnungen in den steuerlichen Angelegenheiten zu sorgen (BGH WM 1992, 62, 66). Die Buchführung war dem Aufgabenbereich der Klägerin selbst zuzuordnen.

aa) Vorliegend ist davon auszugehen, dass sie ihren Verpflichtungen nicht hinreichend nachgekommen ist und dem Beklagten nur unvollständige Unterlagen vorgelegt hat. Die Beweisaufnahme hat insbesondere durch die Einvernahme der glaubwürdigen Zeugin M. gerade ergeben, dass die Klägerin die für die Abgabe der Steuererklärungen für die Veranlagungszeiträume 1998 bis 2000 erforderlichen Buchhaltungsunterlagen nicht vollständig und rechtzeitig vorgelegt hat. Zu einer solchen Vorlage war sie unbeschadet der Verpflichtung des Beklagten, fehlende Unterlagen konkret nachzufordern, verpflichtet.

Bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Zeugin M. verkennt der Senat nicht, dass es sich hierbei um die Ehefrau des Beklagten handelt. Denn ihre Aussage deckt sich weitgehend mit den Angaben der weiteren gehörten Zeugen. Insbesondere sind die Bekundungen keineswegs von Belastungseifer zum Nachteil der Klägerin getragen, wie sich gerade auch daraus ergibt, dass sie zugesteht, sich an manche Umstände, deren Annahme sich für die Prozesssituation ihres Ehegatten positiv auswirken würden, nicht mehr zu erinnern.

bb) Ein Mitverschulden scheidet nicht deswegen aus, weil die Verhütung des entstandenen Schadens nach dem Vertragsinhalt (ausschließlich) dem in Anspruch genommenen Beklagten oblegen hätte (BGH NJW 1998, 1486, 1488). Ein solcher Ausschluss greift nämlich nur dann, wenn der Geschädigte gerade zur Vermeidung einer Gefahr einen Fachmann hinzugezogen hat. Vorliegend jedoch liegt die Schadensursache zwar teilweise im Bereich des Beklagten, aber ebenso im Bereich der Eigenverantwortung der Klägerin, die diejenige Sorgfalt außer acht gelassen hat, die nach der Sachlage erforderlich erschien, um sich selbst vor Schaden zu bewahren (BGH WM 1996, 1832, 1835 f.).

cc) Der Senat folgt der Behauptung der Klägerin nicht, wonach dem Beklagten die Buchhaltungsunterlagen für den Veranlagungszeitraum 1998 bereits vor Erlass des Schätzungsbescheides vollständig vorgelegen haben sollen. Den entsprechenden Nachweis hätte die Klägerin zu erbringen. Wie beim Zugang einer Willenserklärung trägt auch hier derjenige die Beweislast, der sich darauf beruft. Soweit es auf die Rechtzeitigkeit des Zugangs ankommt, muss die Klägerin gerade den Zeitpunkt des Zugangs nachweisen (BGHZ 70, 232).

(1) Die Aussage des Zeugen D., des Sohns der Klägerin, auf den sich die Berufungsbegründung insoweit stützt, ist nicht geeignet, dieses Beweisergebnis herbeizuführen. Denn der Zeuge D. hat lediglich bekundet, dass er seiner Mutter bei der EDV-mäßigen Erfassung der Unterlagen für das Jahr 1998 geholfen habe und sich daran erinnern könne, dass sie nach Erledigung dieser Arbeit an Pfingsten 2000 ihm gegenüber gesagt habe, sie wolle die Unterlagen beim Steuerbüro M2 abgeben. Ob sie dieses Vorhaben auch tatsächlich umgesetzt habe, konnte er nicht bekunden.

(2) Eine Beweislastumkehr oder eine Beweiserleichterung zugunsten der Klägerin tritt nicht ein. Es ist der Klägerin zwar zuzugeben, dass der Beklagte unbestritten außergerichtlich zunächst fälschlicherweise behauptet hatte, die maßgeblichen Buchhaltungsunterlagen seien wegen eines Hochwassers, das den Keller überschwemmt habe, vernichtet worden, was sich jedoch als unzutreffend herausgestellt hat. Dies mag für eine mangelhafte Organisation des Bürobetriebes sprechen, ist aber nicht mit einer Beweisvereitelung im Rechtssinne gleichzusetzen, bei der im Falle einer fahrlässigen Begehungsweise Beweiserleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr eintreten können (vgl. BGH NJW 1986, 2365; OLG München NJW-RR 1987, 1021).
Ferner hat es der Beklagte unterlassen, auf den ihm übergebenen Buchhaltungsunterlagen jeweils einen Eingangsstempel anzubringen. Es besteht jedoch keine Verpflichtung eines Steuerberaters, einen solchen Datumsvermerk vorzunehmen, um dem Mandanten den Nachweis zu erleichtern, zu welchem Zeitpunkt dieser diverse Unterlagen oder Schreiben in der Kanzlei des Steuerberaters vorgelegt hat. Der Vermerk des Eingangs dient vielmehr den Belangen des Steuerberaters, um seinerseits den Nachweis fristgerechter Erledigung ihm übertragener Aufgaben erbringen zu können.
Dem widerspricht nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 1992, 1695), nach der ein steuerlicher Berater, der einen Steuerbescheid entgegennimmt, ggf. im Interesse des Mandanten Maßnahmen treffen muss, die es ihm erlauben, zum Tag des Zugangs substantiiert vorzutragen. Denn in diesem Fall ging es darum, den (verschobenen) Beginn eines Fristlaufs zu dokumentieren, um damit dem Mandanten gegenüber der Finanzbehörde einen substantiierten Sachvortrag zu ermöglichen, mit dessen Hilfe eine Zugangsfiktion (§ 122 Abs. 2 AO 1977), nach der ein schriftlicher Verwaltungsakt grundsätzlich mit dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben gilt, widerlegt werden kann. Vorliegend geht es jedoch um den Nachweis des Übergabedatums von Belegen durch den Mandanten an den Steuerberater.
Eine selbstständige, allgemeine Dokumentationspflicht, deren Verletzung eine Schadensersatzpflicht nach sich zieht, wird nicht anerkannt (BGH a.a.O., 1696 mit Hinweis auf Vollkommer, Anwalthaftungsrecht Rn 524).

b. Hieraus ergibt sich notwendigerweise, dass die weitere Argumentation der Berufungsbegründung, dass nämlich aufgrund des gelungenen Nachweises der rechtzeitigen Vorlage der Unterlagen für den Veranlagungszeitraum 1998 von einer Beweislastumkehr für die Jahre 1999 und 2000 auszugehen wäre, ebenfalls nicht durchdringt.

c. Auch der Hinweis auf das Schreiben des Beklagten vom 12.8.2002 belegt nicht, dass dieser zu diesem Zeitpunkt bereits im Besitz der Unterlagen für die Veranlagungszeiträume 1999 und 2000 war. Dem Schreiben ist lediglich zu entnehmen, dass der Beklagte bemüht sein werde, die Steuererklärung für den Veranlagungszeitraum 2001 bis zum Termin 30.9.2002 abzugeben. Weitere Angaben, insbesondere Aussagen über den Stand der Steuererklärungen bzw. die Vollständigkeit der Steuerbelege, sind dem Schreiben nicht zu entnehmen, wie der Beklagte zutreffend ausführt.

d. Der Senat ist der Auffassung, dass sowohl das Verhalten der Klägerin als auch das Verhalten des Beklagten den Schadenseintritt in etwa gleichem Maße wahrscheinlich gemacht haben, so dass eine hälftige Verteilung der Schadensbeiträge anzunehmen ist (vgl. BGH WM 1994, 217, 218). Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass der Klägerin der Aufhebungsbescheid vom 20.2.2001 unstreitig persönlich zugegangen ist; ausweislich des von der Zeugin W. angebrachten Vermerks mit Datum vom ?21.2.? (Anlage K 9) dürfte dies in einem nahen zeitlichen Zusammenhang mit dessen Erlass am 20.2.2001 geschehen sein. Die Bescheide für den Veranlagungszeitraum 1999 datieren vom 27.5.2002 bzw. für 2000 vom 26.9.2002.
Im Anschluss an den Erhalt dieser Aufhebungsbescheide wäre die Klägerin erst recht veranlasst gewesen, für eine baldige Erstellung der Steuererklärungen Sorge zu tragen und sich zu diesem Zweck mit dem Steuerberater in Verbindung zu setzen, um etwaige fehlende Unterlagen ? sollten sie auch noch nicht hinreichend konkret angefordert worden sein - vorzulegen.

e. Die weiteren von der Klägerin vorgetragenen Umstände sind nicht geeignet, eine Schadensersatzverpflichtung des Beklagten zu begründen oder aber die Beteiligungsquote in Höhe von jeweils 50 % zu verändern.

aa) Soweit die Klägerin darauf hinweist, dass der Beklagte sich aufgrund einer ausdrücklichen Vereinbarung zur Überprüfung der Schätzungsbescheide und Einleitung der weiteren notwendigen Maßnahmen verpflichtet habe, ist dem schon deshalb nicht zuzustimmen, weil der Beklagte ? entgegen der Annahme der Klägerin ? den entsprechenden Sachvortrag bereits in der Klageerwiderungsschrift substantiiert bestritten hat. Er hat dort detailliert geschildert, welche Vereinbarungen getroffen worden sein sollen. Diese decken sich nicht mit der soeben benannten klägerischen Behauptung.
Die Klägerin ist den demzufolge erforderlich gewordenen ihr obliegenden Nachweis schuldig geblieben.

bb) Die Klägerin hat ebenso wenig den Nachweis erbringen können, dass der Beklagte den Aufhebungsbescheid des Finanzamts vom 20.2.2001 für den Veranlagungszeitraum 1998 am 21.2.2001 und die weiteren Aufhebungsbescheide zu einem Zeitpunkt erhalten habe, zu dem die Einlegung eines Einspruchs noch möglich gewesen wäre. Wie das Landgericht
Coburg zutreffend ausführt, sind die Angaben der Zeuginnen W. und H. zu allgemein gehalten, um die entsprechende Übergabe dieses Bescheides (und der weiteren Aufhebungsbescheide) an den Beklagten beweisen zu können. Dabei wird nicht verkannt, dass auf Anlage K 9 (Aufhebungsbescheid 1998) durch die Zeugin W. ein Vermerk aufgebracht worden sein soll ?in Kopie an Steuerbüro M2 gegeben 21.2.?. Die Zeugin war nämlich nicht in der Lage positiv zu bestätigen, dass der Bescheid auch tatsächlich weiter gegeben worden sei.

Entgegen der Annahme der Klägerin ist der Senat auch hier nicht der Auffassung, dass bezüglich des Datums des Zugangs der unstreitig dem Beklagten letztlich tatsächlich übergebenen Aufhebungsbescheide eine Beweislastumkehr eintritt.

Wie oben bereits dargelegt wurde, kann sich die Klägerin insoweit nicht erfolgreich auf den Umstand stützen, dass der Beklagte das Eingangsdatum der entsprechenden Bescheide nicht vermerkt hat.
Auch bleibt letztlich ohne Belang, dass der Beklagte nach den unbestrittenen Angaben der bei ihm angestellten Zeugin B. im maßgeblichen Zeitraum nicht einmal ein Fristensystem geführt hat. Dies ist zwar nahezu unverständlich, da es als völlig unabdingbar angesehen wird, dass ?selbst das kleinste Anwaltsbüro? wenigstens über zwei Organisationsmittel verfügt, nämlich den Fristenkalender und die Handakten (Borgmann/Jungk/Grams, Anwaltshaftung, 4. Auflage, 2005). Diese Erwägungen sind fraglos auf eine Steuerberaterkanzlei zu übertragen.
Auch dieses Fristensystem dient nicht dem Schutz des Mandanten zum Zwecke eines Nachweises der rechtzeitigen Übergabe von Unterlagen durch ihn an den Steuerberater.

Schließlich ist auch aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles - einschließlich der Angaben der Zeugin W. zur Anfertigung des Vermerks ?in Kopie an Steuerbüro M2 gegeben 21.2.? ? nicht von einer Umkehr der Beweislast oder sogar von dem positiven Nachweis auszugehen, dass dem Beklagten die Widerrufsbescheide zeitgerecht von der Klägerin ausgehändigt worden wären. Denn es darf auch nicht übersehen werden, dass eine Angestellte der Klägerin (wohl die Zeugin H.) nach den glaubhaften Angaben der Zeugin B. im Rahmen eines in der Steuerberaterkanzlei geführten Gespräches darauf verwiesen hat, dass sie ?neu sei und erst einmal Ordnung in der Ablage der Klägerin schaffen müsse?, und dass die Zeugin B. die Klägerin zudem als unzuverlässige Mandantin geschildert hatte. Somit liegt es auch nicht besonders fern, dass die maßgeblichen Unterlagen bei dem Beklagten erst verspätet eingingen.

cc) Der Senat folgt der klägerischen Argumentation auch insoweit nicht, als sich eine Schadensersatzverpflichtung schon daraus ergeben solle, dass der Beklagte gegen die Schätzungsbescheide ? vorsorglich ? hätte Einspruch einlegen müssen.

Der Hinweis auf die von der Klägerseite zitierte Rechtsprechung (OLG Köln, Urteil vom 3.7.2003, Az.: 8 U 79/92 ? vorgelegt als Anlage K 26) geht ? wie das Landgericht Coburg zutreffend ausgeführt hat ? fehl.
Es ist zwar zutreffend, dass aufgrund eines Schätzungsbescheides ? auch wenn dieser unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassen wurde ? ein Schaden eintreten kann, wenn nämlich beispielsweise die im Schätzungsbescheid ausgeworfene Zahlungsverpflichtung vollstreckt wird oder aufgrund des Bescheids Säumniszuschläge erhoben werden. Ein derartiger Schaden hat sich vorliegend aber nicht realisiert. Sondern der Schaden resultiert daraus, dass ? aufgrund fehlender Unterlagen ? eine Steuererklärung mit den tatsächlichen, steuerrelevanten Angaben bei dem zuständigen Finanzamt auch nach Erlass der Schätzungsbescheide nicht eingereicht und somit die mittlerweile nicht mehr anfechtbaren Aufhebungsbescheide erlassen wurden, aufgrund derer die Steuerschuld bestandskräftig feststeht und wegen derer inzwischen die Zwangsvollstreckung betrieben wird.

dd) Die Klägerin bringt weiter vor, dass der Beklagte es unterlassen habe, sie über die Möglichkeit einer Zustellungsvollmacht aufzuklären und darauf zu drängen, dass die Steuerbescheide an ihn selbst zugestellt würden.
Insoweit weist der Senat darauf hin, dass dem Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils die zwischen den Parteien unstreitig bestehende Vereinbarung zu entnehmen ist, dass die Zustellung der Post durch die Finanzbehörden direkt an die Klägerin und nicht an den Beklagten erfolgen sollte. Zu einer angeblich unterlassenen Aufklärung in diesem Zusammenhang schweigt sich das Urteil aus. Ebenso ist dem gesamten erstinstanzlichen Sachvortrag Entsprechendes nicht zu entnehmen.
Somit handelt es sich vorliegend um neuen Sachvortrag der Klägerseite, der nach § 531 Abs. 2 ZPO in der Berufungsinstanz nicht mehr zuzulassen ist. Es ist weder ersichtlich, noch dargetan, dass die Klägerin den entsprechenden Sachvortrag in erster Instanz ohne Nachlässigkeit unterlassen hätte.
Der Beklagte hat dieser klägerischen Behauptung auch widersprochen und darauf hingewiesen, dass die Bescheide (vereinbarungsgemäß) aus Gründen der Kostenersparnis an die Klägerin zugestellt werden sollten.

7. Der Zinsanspruch resultiert aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB. Der Beklagte wurde mit Schreiben vom 13.1.2004 aufgefordert, bis zum 30.1.2004 Schadensersatz in Höhe des mit der Klage geltend gemachten Betrages zu leisten. Dem ist er nicht nachgekommen. Die Höhe des zugesprochenen Zinsanspruchs entspricht der gesetzlichen Regelung aus § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB, begrenzt durch den gestellten Antrag (§ 308 ZPO).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 97 ZPO.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708 Nr. 8, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

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