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29.06.2021 · IWW-Abrufnummer 223166

Bundesgerichtshof: Beschluss vom 26.05.2021 – 5 StR 529/20


Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 26. Mai 2021 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

Tenor:
1. Auf die Revision des Angeklagten J. H. wird das Urteil des Landgerichts Flensburg vom 25. Mai 2020 mit den Feststellungen zu der Tat II.2 Buchst. a, Doppelbuchst. aa aufgehoben.


Die weitergehende Revision wird verworfen.


Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.


2. Die Revision des Angeklagten A. H. gegen das vorgenannte Urteil wird verworfen.


Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.



Gründe

1


Das Landgericht hat den Angeklagten J. H. - unter Freisprechung im Übrigen - wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und "gewerbsmäßigen" Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 43 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und Einziehungsentscheidungen getroffen. Den Angeklagten A. H. hat es u.a. wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt; im Übrigen hat es ihn freigesprochen. Das mit der Sachrüge geführte Rechtsmittel des Angeklagten J. H. erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg. Seine weitergehende Revision und das auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Rechtsmittel des Angeklagten A. H. sind unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.


2


1. Die Verurteilung des Angeklagten J. H. wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Tat II.2 Buchst. a, Doppelbuchst. aa der Urteilsgründe) kann keinen Bestand haben, weil die den Schuldspruch tragenden Feststellungen auf einer lückenhaften und damit rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung beruhen.


3


Das Landgericht hat seine Überzeugung von der Täterschaft auch darauf gestützt, dass ausweislich eines in der Hauptverhandlung verlesenen Behördengutachtens eine an dem Päckchen mit den verfahrensgegenständlichen Betäubungsmitteln gesicherte DNA-Spur mit dem DNA-Profil des Angeklagten übereinstimme. Weitergehende Informationen zu dem Inhalt des Gutachtens enthält das Urteil nicht. Das Landgericht ist damit den Anforderungen nicht gerecht geworden, die aus revisionsrechtlicher Sicht an die Darstellung der Ergebnisse einer molekulargenetischen Vergleichsuntersuchung in den Urteilsgründen zu stellen sind. Denn danach muss in jedem Fall wenigstens die Spurenart (Einzel- oder Mischspur) und das Gutachtenergebnis in Form einer numerischen biostatistischen Wahrscheinlichkeitsaussage mitgeteilt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 20. November 2019 - 4 StR 318/19, NJW 2020, 350 mwN). Schon daran fehlt es hier.


4


Das Urteil beruht auf dem Rechtsfehler (§ 337 Abs. 1 StPO), weil der Senat angesichts der Bedeutung, die das Landgericht dem Beweisanzeichen in der Beweiswürdigung beigemessen hat, nicht ausschließen kann, dass es ohne diesen Umstand zu einer anderen Überzeugung gelangt wäre.


5


2. Die Verurteilung des Angeklagten J. H. wegen "gewerbsmäßigen" Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 43 Fällen (Taten II.2 Buchst. a, Doppelbuchst. bb bis dd der Urteilsgründe) hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil das Landgericht die Grundsätze der Bewertungseinheit nicht beachtet hat.


6


a) Nach den Urteilsfeststellungen verkaufte der über keine legalen Einkünfte verfügende Angeklagte auf S. zwischen November 2017 und Februar 2018 in einem Fall sowie von Mitte März bis Mitte April in 42 Fällen jeweils 1,5 Gramm Marihuana zu je 20 Euro an drei Einzelabnehmer. Teilweise veräußerte er an einem Tag mehrfach Betäubungsmittel. Bei Durchsuchungen seiner auf der Insel gelegenen Wohnung wurden mehrere Feinwaagen und Bargeldbeträge in beträchtlicher Höhe sichergestellt.


7


Angesichts dieser Feststellungen begegnet es durchgreifenden rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht die einzelnen Drogengeschäfte als gesonderte Taten bewertet hat. Denn mit Blick auf die zeitliche Überschneidung der Verkäufe von jeweils kleinen Mengen sowie die - ebenfalls auf einen gewerbsmäßigen Handel mit Betäubungsmittel hindeutenden - sichergestellten Utensilien für einen Betäubungsmittelhandel und erheblichen Bargeldbeträge des einkommenslosen Angeklagten liegen konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass das veräußerte Marihuana aus derselben - durch einen einheitlichen Erwerbsvorgang erlangten - Rauschgiftmenge stammte. Das Landgericht hätte daher für die konkurrenzrechtliche Einordnung nicht allein auf die Anzahl der Veräußerungsgeschäfte abstellen dürfen, sondern anhand der Grundsätze der Bewertungseinheit prüfen müssen, ob die Verkäufe lediglich unselbständige Teilakte einer einzigen Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln waren (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2019 - 2 StR 176/19 mwN).


8


b) Da das Landgericht keine Feststellungen zu der für die konkurrenzrechtliche Einordnung relevanten Frage getroffen hat, bedarf die Sache insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Die Feststellungen können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO), weil sie von dem Rechtsfehler nicht betroffen sind; sie können ergänzt werden, soweit sie den bisher getroffenen nicht widersprechen.


9


3. Die Aufhebung der Verurteilung zieht den Wegfall der Einziehungsentscheidungen nach sich.


10


4. Der Senat weist für die neue Hauptverhandlung auf Folgendes hin:


11


a) Das Unrecht einer Betäubungsmittelstraftat und die Schuld des Täters werden maßgeblich durch Wirkstoffgehalt und -menge der gehandelten Drogen bestimmt. Das Tatgericht hat deshalb hierzu regelmäßig - notfalls im Wege der Schätzung - konkrete Feststellungen zu treffen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 31. Mai 2016 - 3 StR 138/16, StV 2017, 293 mwN).


12


b) Die Vorschrift des § 29 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BtMG enthält keinen selbständigen Qualifikationstatbestand, sondern eine Strafzumessungsvorschrift; das Regelbeispiel (hier: Gewerbsmäßigkeit) ist daher nach § 260 Abs. 4 Satz 2 StPO nicht in die Urteilsformel aufzunehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Februar 2015 - 3 StR 632/14, NStZ-RR 2015, 144). Bei Vorliegen eines Regelbeispiels besteht lediglich eine widerlegbare Vermutung für die Bejahung eines besonders schweren Falls (vgl. BGH, Beschluss vom 4. November 2014 - 2 StR 300/14, NStZ-RR 2015, 77).


13


c) Sollte nicht ausgeschlossen werden können, dass sich unter dem bei den Durchsuchungsmaßnahmen sichergestellten Bargeld Erlöse aus den verfahrensgegenständlichen Betäubungsmittelstraftaten befinden, wären diese nach § 73 Abs. 1 StGB gegenständlich einzuziehen. Insoweit wäre weder eine (ersatzweise) Einziehung des Wertes des Tatertrages nach §§ 73, 73c StGB noch eine (subsidiäre) erweiterte Einziehung nach § 73a StGB zulässig.


14


d) Eine erweiterte Einziehung des Surrogats (hier: das eingezogene E-Bike) sieht das Gesetz nicht vor (vgl. BGH, Beschluss vom 17. April 2019 - 5 StR 603/18, BGHR StGB § 73a nF Abs. 1 Anwendungsbereich 1).


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