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09.04.2019 · IWW-Abrufnummer 208204

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht: Beschluss vom 25.10.2018 – 2 Ws 271/18

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


OLG Schleswig-Holstein
II. Strafsenat

Beschluss vom 25. Oktober 2018

2 Ws 271/18 (85/18)-, Pr.  

Auf die weitere Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss der 3. großen Strafkammer des Landgerichts X vom 15. Juli 2018 – 3 Qs 7/18 –, mit welchem diese die Beschwerde gegen den Arrestbeschluss des Amtsgerichts X vom 11. Januar 2018 – 43 Gs 157/18 – als unbegründet verworfen hat, hat der II. Strafsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig nach Anhörung der Staatsanwaltschaft am 25. Oktober 2018 beschlossen:

Auf die weitere Beschwerde werden der angefochtene Beschluss abgeändert und der Arrestbeschluss des Amtsgerichts X vom 11. Januar 2018 – 43 Ds 157/18 – aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Beschuldigten fallen der Landeskasse zur Last.

G r ü n d e:

I.

Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 11. Januar 2018 – 43 Gs 157/18 – hat dieses zur Sicherung des staatlichen Anspruchs auf Wertersatz aus Einziehung von Taterträgen einen Vermögensarrest gegen die Beschuldigte in Höhe von 361.000,-- € angeordnet.

Dieser Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:    

Seit November 2013 betreibt die Beschuldigte das asiatische Restaurant „H.“ mit Büfettangebot in R., seit dem 1. Januar 2017 zusätzlich das asiatische Restaurant „Y.“ in E..  Bei Ermittlungen der Steuerfahndung gegen die gesondert Verfolgte D.  wurde festgestellt, dass diese einer Vielzahl von Kunden den sogenannten Schwarzeinkauf von Waren ermöglichte, indem sie den Wareneinkauf ihrer Kunden nicht auf deren Kundenkonto verzeichnete, sondern als Lagerverkauf oder auf Kundenkonten von nicht nicht existenten Betrieben und Personen verbuchte, dies mit der Folge, dass die Abnehmer keine Umsatzsteuer entrichteten. Auch für die Beschuldigte konnten nachweislich für den Zeitraum Dezember 2013 bis Januar 2014 Schwarzeinkäufe bei D. in Höhe von wenigstens 8.601,70 € brutto (entsprechend 7.938,18 € netto) nachgewiesen werden. Dessen ungeachtet wurde festgestellt, dass aus den für das Restaurant „H.“ erklärten Umsätzen sowie Wareneinkäufen sich für die Jahre 2013 bis 2015 jeweils Rohgewinnaufschlagssätze von 121 %, 135 % und 199 % ermitteln ließen, unter zusätzlicher Berücksichtigung der festgestellten Schwarzeinkäufe nur noch in Höhe von 97 %, 130 % und 199 %, während nach den Erfahrungen der Steuerfahndung asiatische Büfettrestaurants bundesweit im Durchschnitt einen Rohgewinnaufschlag von wenigstens 300 % aufweisen.

Nach Auffassung der Steuerfahndung lässt dieses Verhalten auf eine Umsatzverkürzung und deshalb auch strafbare Steuerverkürzung in nicht unerheblichem Umfang schließen, nach bisheriger Schätzung der Finanzbehörden in Höhe von 452.911,-- €, abzüglich eines Sicherheitsabschlages von 20 % ausmachend einen Schaden in Höhe von insgesamt abgerundet 361.000,-- €. Da zu erwarten sei, dass nach der Beschaffung eines derartigen Vermögensvorteils durch eine Straftat der Begünstigte nicht untätig bleiben werde, wenn ihm die Inanspruchnahme auf einen Ersatz in entsprechender Höhe drohe, sei zu befürchten, dass auch die Beschuldigte dieses Verfahrens ohne Verhängung des Arrestes die Durchsetzung der Ansprüche des Steuerfiskus vereiteln oder wesentlich erschweren werde.

Das Landgericht hat die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beschuldigten als unbegründet verworfen. Unsicherheiten aufgrund der bloßen Schätzung seien durch den Sicherheitsabschlag hinreichend berücksichtigt. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beschuldigten, mit welcher diese die Art und Weise der vorgenommenen Schätzung ebenso beanstandet wie die Annahme eines die Verhängung des Arrestes rechtfertigenden Sicherungsbedürfnisses.

Die Staatsanwaltschaft weist demgegenüber darauf hin, dass ausweislich gesonderter Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Braunschweig ein zur Manipulation geeignetes Kassensystem eingesetzt worden sei und Manipulationen auch bei Beobachtungen anlässlich von Testessen Ende 2017/Anfang 2018 deutlich geworden seien. Damit lägen Umstände besonderer krimineller Energie vor, die über die Verwirklichung einer lediglich einfachen Steuerhinterziehung deutlich hinausgingen. Dies rechtfertige den Arrest.

II.

Die gemäß § 310 Abs. 1 Nr. 3 StPO statthafte und zulässig angebrachte weitere Beschwerde der Beschuldigten hat in der Sache Erfolg. Die Voraussetzungen der Anordnung eines nach § 111 e StPO zulässigen Vermögensarrestes liegen nicht vor, so dass der angefochtene Beschluss des Landgerichts und der Arrestbeschluss des Amtsgerichts aufzuheben waren.

1.    Grundsätzlich ist die Annahme von Amts- und Landgericht, dass gemäß § 73 c Abs. 1 StGB die Einziehung des Wertes der Taterträge aus Steuerstraftaten im Falle der Beschuldigten in Betracht kommt, nicht zu beanstanden. Die bisherigen Ermittlungsergebnisse legen eine Umsatzverkürzung nicht nur in der Höhe des Umfangs festgestellter Schwarzeinkäufe, sondern auch darüber hinaus durchaus nahe.

Im Hauptsacheverfahren gesonderter Betrachtung wert ist sicherlich die Frage, in welchem Umfang die vorgenommene Umsatzverkürzung zulässigerweise geschätzt werden kann. Allerdings kann der Senat diese Problematik im vorliegenden Beschwerdeverfahren auf sich beruhen lassen, weil es an einem unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit hinreichenden Anlass zur Anordnung des Arrests (in früherer Terminologie: Arrestgrund) fehlt.

2.    Mit Senatsbeschluss vom 24. November 2015 (2 Ws 370/15 (143/15), veröffentlich in SchlHA 2016, 151) hatte der Senat zur früheren Vorschrift des § 111 d Abs. 2 StPO i. V. m. § 917 ZPO ausgeführt, dass es entgegen eines Teiles in der Rechtsprechung und Literatur für einen hinreichenden Arrestgrund nicht ausreicht, wenn der Täter die Vorteile allein durch ein gegen fremdes Vermögen gerichtete Straftat erlangt hat. Vielmehr bedürfe es in Übereinstimmung mit einem anderen Teil der Rechtsprechung (OLG Nürnberg, Beschluss vom 16. April 2013 – 2 Ws 533/12 –, Beck-RS 213, 08418; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 8. April 2008 – 1 Ws 339/08 –, juris Rn. 35; OLG Köln, Beschluss vom 6. Januar 2010 – 2 Ws 622/09 –, NStZ 2011, 174; OLG Oldenburg, Beschluss vom 26. Mai 2009 – 1 Ws 293/09 –, juris Rn. 10 – zum übrigen Streitstand Senatsbeschluss a. a. O.)  über den Verdacht der Begehung einer Straftat hinaus im Einzelfall hinausgehender konkreter Anhaltspunkte für die Annahme, dass Vereitelungsmaßnahmen zur Erhaltung der Vorteile aus einer Tat zu befürchten seien. Es gebe keinen Erfahrungssatz, dass derjenige, der sich in der Vergangenheit unredlich verhalten hatte, dies auch zukünftig tun werde, sei doch die Tatentdeckung für den Täter selbst regelmäßig eine Zäsur.

Bei solchen zusätzlichen Vereitelungsmaßnahmen werde es sich regelmäßig um Umstände handeln, die erst nach Tatentdeckung bekannt werden. Ausnahmsweise könne aber auch bereits aus dem Verhalten eines Beschuldigten noch vor Tatendeckung auf eine Vereitelungsabsicht geschlossen werden, beispielsweise, wenn bereits zuvor Vorkehrungen zur Verschiebung von Vermögensvorteilen getroffen worden seien. Allein der Umstand, dass sich die Vorteile, die der Beschuldigte aufgrund der mutmaßlich hinterzogenen Steuern erlangt hatte, nicht auf seinen Konten befänden oder noch in anderer Weise sich wahrnehmbar in Vermögenswerten widerspiegelten, genüge allerdings noch nicht als Indiz für bereits erfolgte Vereitelung. Denn es sei ebenso möglich, dass der Beschuldigte erlangte Vorteile schlicht verbraucht oder diese eingesetzt habe, um ein von ihm betriebenes Unternehmen fortführen zu können.

An dieser Rechtsprechung hält der Senat auch auf der Grundlage der mit Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung eingeführten neuen Vorschrift des § 111 Abs. e StPO fest. Dem steht nicht entgegen, dass § 111 e StPO n. F. anders als § 111 d Abs. 2 StPO a. F. nicht mehr auf § 917 ZPO verweist. Ausweislich der Begründung des Regierungsentwurfs (BT-DrS 18/9525, S. 76 f) war insoweit nämlich keine sachliche Änderung beabsichtigt. Das Erfordernis eines Sicherungsgrundes – so die Begründung - ergebe sich künftig unmittelbar aus der Strafprozessordnung, weil der Vermögensarrest nur „zur Sicherung der Vollstreckung“ einer Wertersatzeinziehung angeordnet werden dürfe. Die Neufassung könne deshalb auf eine sinngemäße Anwendung des § 917 ZPO (Arrestgrund) verzichten. Und ausdrücklich: „Die Anforderungen an den Sicherungsgrund werden damit nicht abgesenkt“.

Vor diesem Hintergrund teilt der Senat auch nicht die Auffassung des OLG Stuttgart (Beschluss vom 25. Oktober 2017 – 1 Ws 163/17 –, NJW 2017, 3731 ff, bei juris Rn. 16; insoweit folgend LG Hamburg, Beschluss vom 16. Mai 2018 – 618 Qs 14/18 -, bei juris Rn. 13 f.), dass sich aus der Formulierung „zur Sicherung der Vollstreckung“ nur noch ein finales Element ergebe, mithin von der Notwendigkeit des Arrestes für die Sicherung der Vollstreckung nicht mehr ausgegangen werden könne. Vielmehr liegt es nicht anders als im Falle der den Finanzbehörden selbst zustehenden  Anordnungsbefugnis eines Arrestes gemäß § 324 Abs. 1 Satz 1 AO, in welcher Vorschrift – ohne Verweis auf § 917 ZPO, aber dessen Regelungsgehalt aufnehmend – als Anordnungsvoraussetzung formuliert ist: „…, wenn zu befürchten ist, dass sonst die Beitreibung vereitelt oder wesentlich erschwert wird.“ Auch diese Formulierung leistet letztlich nichts anderes als die Konkretisierung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, der vor Abschluss eines Hauptsacheverfahrens eine gewissermaßen allein präventive – und im Mangelfall auch zu Lasten anderer denkbarer Gläubiger gehende (hiergegen bereits OLG Frankfurt StV 1994, 234) – Arrestierung des Vermögens allein auf den bloßen Argwohn hin verbietet. Zu Recht geht vielmehr auch der Bundesfinanzhof bei der Auslegung von § 324 AO davon aus, dass weder die allgemein schlechte Vermögenslage des Arrestsschuldners, noch die bloße Möglichkeit des Beiseiteschaffens des Vermögens und auch nicht der dringende Verdacht einer Steuerhinterziehung allein zur Begründung einer Arrestanordnung ausreichen, wohl aber Verhaltensweisen, wie die Veräußerung eines wertvollen Grundstücks, weitere Vermögensumschichtung im Inland oder auch Vermögensverlagerung ins Ausland (BFH, Beschluss vom 06.02.2013 – XI B 125/12 –, bei juris, Rn. 30 ff.; siehe bereits BFH, Beschluss vom 26.02.2001 – VII B 265/00 -, bei juris Rn. 29 f.). Eine derartige Sichtweise befürwortet der Senat auch für § 111 e StPO.

Dem widerspricht nicht, dass nunmehr gemäß § 111 e Abs. 6 StPO die Möglichkeit einer Anordnung nach § 324 AO einer Arrestanordnung nach § 111 e Abs. 1 StPO nicht entgegen steht. Die damit jetzt gesetzlich anerkannte Gleichrangigkeit beider Sicherungsinstrumente ermöglicht Sicherungsmaßnahmen in durchaus sinvoller Weise bereits dann, wenn zwar bereits die „begründete Annahme“ einer Steuerstraftat besteht und eine Arrestanordnung nach § 111 e Abs. 1 Satz 1 StPO ermöglicht, diese Streuerstraftat aber noch nicht  überwiegend wahrscheinlich ist und damit auch die Höhe der Steuerforderung noch in geringerem Maße feststeht.  Hierüber hinaus ist die Gleichrangigkeit beider Sicherungsinstrumente aber nicht geeignet, die auch im Rahmen einer Anwendung des  § 111 e StPO zu stellenden Anforderungen an den Sicherungsgrund abzusenken.

3.    Gemessen an diesen Anforderungen fehlt es im hier zu betrachtenden Sachverhalt an hinreichenden Tatsachen, die das Beiseiteschaffen von Vermögen auch jetzt – also nach der Tataufdeckung - ernsthaft besorgen lassen.

Die Ermittlungsbehörden haben nichts dazu vorgetragen, dass etwa – wie erwähnt – ein Grundstück veräußert worden wäre oder Bank- und Sparkonten leer geräumt worden wäre (BFH, Beschluss vom 06.02.2013 a. a. O., Rn. 33). Sicher mag die Frage aufgeworfen werden, wie bei negativem zu versteuerndem Einkommen – so im Jahre 2013 – tatsächlich die Beschuldigte und dessen Ehemann ihren Lebensunterhalt bestritten haben und ob nicht ein derartiger Lebenszuschnitt einen Hinweis auf die Möglichkeit des Beiseiteschaffens von Vermögenswerten gibt. Allerdings können insoweit ebenso Reserven verbraucht wie notfalls auch eine Kreditfinanzierung in Anspruch genommen worden sein. Ergebnisse von Finanzermittlungen, die insoweit weiterführen würden, oder Ergebnisse von Umfeldermittlungen über aktuelle Auffälligkeiten der Lebensgestaltung,  hohe Bargeldverfügungen, etwaige Auslandskontakte oder etwaige Auslandsinvestitionen liegen nicht vor. Insbesondere fehlt es auch an Erkenntnissen darüber, ob die Beschuldigte bzw. deren Ehemann auch noch nach den für diese eine einschneidende Erfahrung darstellenden Durchsuchungsmaßnahmen am 6. Februar 2018 noch auf die Beiseiteschaffung von Vermögen gerichtete Maßnahmen ergriffen haben.

Soweit die Staatsanwaltschaft auf Auffälligkeiten bei Testessen Ende 2017 und Anfang 2018 sowie den Einsatz einer zu Manipulationen geeigneten Registrierkasse und entsprechende durch Auswertung gewonnene Auffälligkeiten für den Zeitraum Februar bis September 2017 hinweist, offenbaren diese Erkenntnisse zwar in der Tat einen „modus operandi“, der in seiner kriminellen Energie über bloße Falschangaben in einer Steuererklärung hinausgeht. Allerdings ist es lebensfremd, anzunehmen, dass Steuerstraftäter typischerweise nur leicht entdeckbare Steuerstraftaten begehen würden. Wollen sie eine Entdeckung vermeiden, kommen sie um Simulationen, Manipulationen und sonstige Täuschungen nicht herum. All dies sind aber lediglich Maßnahmen zur Tatausführung und noch nicht Maßnahmen, die – so lag es etwa im vom LG Hamburg a.a.O. (bei juris bes. Rn. 15) entschiedenen Fall – anzunehmende Vermögensverschiebungen vor und besonders nach Entdeckung der Taten vorbereitet hätten. Läge es derart, käme die Anordnung eines Arrests auch nach Auffassung des Senats durchaus in Betracht. Erkenntnisse hierzu liegen aber – wie schon erwähnt - nicht vor.

Mangels einschlägiger Ermittlungsergebnisse waren damit der angefochtene Beschluss und der ergangende Arrestbeschluss aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf analoger Anwendung von § 467 StPO.

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