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25.10.2018 · IWW-Abrufnummer 205139

Landgericht Mosbach: Beschluss vom 30.08.2018 – 1 Qs 22/18

Die Einlegung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid per Email ist zulässig.


Aktenzeichen: 1 Qs 22/18
3 OWi 26 Js 5282/18 AG Mosbach

Landgericht Mosbach

Beschluss

In dem Bußgeldverfahren gegen

wegen OWi StVO

hat das Landgericht Mosbach - Große Strafkammer - durch den Vizepräsidenten des Landgerichts X, die Richterin am Landgericht Y und den Richter Z am 30. August 2018 beschlossen:

  1. Auf die sofortige Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Mosbach vom 14.08.2018 wird dieser aufgehoben.
  2. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
G r ü n d e

I.

Das Regierungspräsidium Karlsruhe hat gegen den Beschwerdeführer am 21. Februar 2018 einen Bußgeldbescheid wegen Missachtung eines durch Zeichen 272 angeordneten Überholverbots erlassen und gegen ihn ein Bußgeld in Höhe von 70 Euro festgesetzt.

Unterhalb der nicht zu beanstandenden Rechtsbehelfsbelehrung enthält der Bußgeldbescheid den Hinweis, dass das Bußgeld online (“ePayment only via this URL“) via Paypal, giropay oder Kreditkarte bezahlt werden könne; neben diesem Hinweis ist ein QR- und ein Giro-Code abgedruckt, der einen direkten Zugang zur Online-Bezahlplattform ermöglicht.

In der Fußzeile des Bußgeldbescheids heißt es abschließend „Hinweis: Aus rechtlichen Gründen sind Rechtsmittel per E-Mail nicht zulässig“.

Der Bußgeldbescheid wurde dem Beschwerdeführer ausweislich der Postzustellungsurkunde am 24. Februar 2018 zugestellt.

Am 28. Februar 2018 übersandte die Sachbearbeiterin des Regierungspräsidiums Karlsruhe ein Beweisfoto als PDF-Datei per Email an den Beschwerdeführer.

Per Email, adressiert an die Sachbearbeiterin des Regierungspräsidiums Karlsruhe, legte der Beschwerdeführer am 3. März 2018 einen als solchen auch bezeichneten Einspruch ein. Am 5. März 2018 antwortete die Sachbearbeiterin dem Beschwerdeführer per Email und führte unter anderem aus: „Ein per E-Mail eingelegter Einspruch kann nur dann als zulässig anerkannt werden, wenn dieser anschließend unverzüglich schriftlich mit eigenhändiger Unterschrift bestätigt wird“.

Der Beschwerdeführer hat unter dem 4. März 2018 per Brief erneut Einspruch gegen den Bußgeldbescheid eingelegt. Das mit Unterschrift des Beschwerdeführers versehene Schreiben ist beim Regierungspräsidium Karlsruhe am 13. März 2018 und mithin nach Ablauf der Frist des § 67 Abs. 1 OWiG bei der Verwaltungsbehörde eingegangen.

Mit Beschluss vom 14.08.2018, dem Betroffenen zugestellt am 16.02.2018, hat das Amtsgericht Mosbach, an welches das Verfahren abgegeben wurde, den Einspruch nach § 70 Abs. 1 OWiG als unzulässig verworfen und zur Begründung ausgeführt, der per Email eingelegte Einspruch genüge nicht den Formvorschriften und das Schreiben vom 4. März 2018 sei erst nach Ablauf der Frist eingegangen.

Gegen den Beschluss wendet sich der Betroffene mit Schreiben vom 17.03.2018.

Der Beschwerde hat das Amtsgericht Mosbach nicht abgeholfen.

II.

Die Beschwerde des Betroffenen ist statthaft und auch sonst zulässig, § 306 Abs. 1 StPO. Das Rechtsmittel hat Erfolg, denn der Beschwerdeführer hat mit seiner Email vom 3. März 2018 form- und fristgerecht Einspruch gegen den Bußgeldbescheid eingelegt.

§ 67 OWiG bestimmt, dass der Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid schriftlich oder zur Niederschrift bei der Verwaltungsbehörde, die den Bußgeldbescheid erlassen hat, zu erheben ist.

Das Formerfordernis der Schriftlichkeit ist nicht gleichzusetzen mit den Vorgaben des § 126 BGB; Formvorschriften des bürgerlichen Rechts sind wegen der Eigenständigkeit des Prozessrechts weder unmittelbar noch entsprechend auf Prozesshandlungen anzuwenden (BVerfGE 15, 288; BGH, NJW 1967, 2114).

Das Gebot der Schriftlichkeit in § 67 OWiG soll sicherstellen, dass der Erklärungsinhalt und die Person, von welcher die Erklärung herrührt, hinreichend zuverlässig bestimmt werden kann (GmS OGB, NJW 1980, 172). Als das Gebot der Schriftform wahrend wurde bislang der Abdruck eines Faksimilestempels (RG 62, 53) oder der Abdruck allein des maschinenschriftlichen Diktatzeichens eines Rechtsanwalts (RG 67 385) angesehen; auf eine eigenhändige Unterschrift kommt es deshalb bereits für die Wahrung der Schriftform nicht an, weil § 126 BGB keine Anwendung findet (a. A. LG Heidelberg, SVR 2009, 105ff). Entscheidend ist daher allein, dass in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise ersichtlich wird, von wem die Erklärung herrührt, ob sie endgültig gedacht war sowie ernstlich und willentlich in den Rechtsverkehr gebracht wurde (KG, JR 1954; OLG Düsseldorf, JZ 1988, 1140).

Dem Gebot der schriftlichen Einspruchseinlegung im Sinne des § 67 OWiG ist auch dann Genüge getan, wenn der Einspruch per Email übermittelt wird.

Auch bei einer Email kann die Verwaltungsbehörde erkennen, welche Erklärung abgegeben wird und von wem diese herrührt.

Für die Anforderungen an die Zugänglichkeit des Inhalts spielt es keine Rolle, ob der Einspruch per Email, Telefax oder Telegramm eingeht.

Ebenso wenig hängt von der Form der Übermittlung ab, mit welcher Deutlichkeit die Person des Erklärenden aus dem Schriftsatz hervorgeht. Den Erklärenden bestimmt vor allem der zu Beginn oder am Ende des Schriftsatzes mitgeteilte Name. Diese Mitteilung enthält ein per Email übertragenes Dokument genauso wie ein gefaxter oder telegrafierter Schriftsatz (Hartmann, NJW 2006, 1390).

Insoweit vorgetragen wird, dass die aktuelle Gesetzesfassung eine Einlegung per Email nicht zulasse (LG Heidelberg, SVR 2009, 105), überzeugt dieses Argument nicht, denn das Gegenteil ist der Fall. Das Schriftformgebot, wie es in § 67 OWiG normiert ist, ist ein dem Fortschritt der Technik zugänglicher und insoweit offener Begriff, der seit langer Zeit durch richterliche Rechtsfortbildung den technischen Möglichkeiten der jeweiligen Zeit angepasst und ergänzend ausgelegt wurde. Mit Fortschritt und Weiterentwicklung der technischen Möglichkeiten der Fernkommunikation hat die Rechtsprechung bislang anerkannt, dass auch eine Einlegung per Depesche (RGSt 9; 38; RGSt 10, 166), per Telegramm (BVerfGE 4, 7; dieses kann auch nur fernmündlich aufgegeben werden, RGZ 44, 369), per Telefax (BVerfG, NJW 2000, 955) und Computerfax (GmS OGB, NJW 2000, 2340), ja sogar die nur elektronisch gespeicherte Sendung (BverfG, NJW 1996, 2857), dem Gebot der Schriftlichkeit genügt.

Das Argument, dass eine Email auch Missbrauchsmöglichkeiten eröffnet, die Identität des Erklärenden erschlichen oder missbräuchlich genutzt werden könne und Email-Adressen sehr oft nicht den Klarnamen enthalten, kann nicht überzeugen. Die besonderen technischen Risiken eines Kommunikationsmittels dürfen nicht generell dem Bürger angelastet werden (BVerfG, NJW 1996, 2857; BGH, NJW 1993, 732). Das Risiko, dass die als Erklärender ausgewiesene Person in Wahrheit überhaupt keine Erklärung abgegeben hat, mithin ein Missbrauch durch einen Dritten vorliegt, besteht unabhängig von der Übermittlungsform. Die Nutzung einer Phantasieemailadresse führt auch zu keiner anderen Bewertung, denn nicht der Absender, sondern der Erklärende muss aus der Erklärung ersichtlich sein. Das Übermittlungsrisiko, sowie das Risiko von Missverständnissen fallen dem Betroffen, wie auch bei den anderen Übersendungsarten, anheim (Göhler/Seitz/Bauer, § 67 OWiG, Rn. 26).

Der Gegenmeinung, die ausführt, dass es keinen Anlass dafür gebe, eine Einspruchseinlegung per Email zuzulassen (LG Fulda, Beschluss vom 2. Juli 2012, Aktenzeichen: 2 Qs 65/12), kann nicht gefolgt werden. Ausschlaggebend kann schon nicht sein, ob die Verwaltungsbehörde auf ihrem Bußgeldbescheid eine Email-Adresse abdruckt oder nicht (LG Fulda a. a. O.), sondern ob durch die Einspruchseinlegung per Email für die Verwaltungsbehörde der Erklärungsinhalt und die Person des Erklärenden zuverlässig bestimmt werden kann. Es gilt vielmehr, dass durch den Abdruck einer Email-Adresse, wie im vorliegenden Fall gegeben, die Verwaltungsbehörde in ihrem Bußgeldbescheid zu erkennen gibt, dass sie diese Form der Kommunikation nutzt und Erklärungen hierüber entgegennimmt (BeckOK/Gertler, § 67 OWiG, Rn. 68; Göhler/Seitz, § 67 OWiG, Rn. 22a; Karlsruher Kommentar /Ellbogen, § 67 OWiG, Rn. 65a).

Dass das Regierungspräsidium Karlsruhe in der Fußzeile des Bußgeldbescheids den Hinweis erteilt hat, dass Rechtsmittel per Email nicht zulässig seien, kann an der formwirksamen Einspruchseinlegung nichts ändern. Eine einseitige Beschränkung des Email-Verkehrs durch die Verwaltungsbehörde dahingehend, dass bestimmte Anträge nicht per E-mail übermittelt werden dürfen, ist rechtlich nicht anerkennenswert (vgl. BeckOK/Gertler, § 67 OWiG, Rn. 68), denn die Verwaltungsbehörde kann nicht einseitig bestimmen, wenn sie, wie im vorliegenden Fall, einen Email-Verkehr eröffnet und zudem mit dem Beschwerdeführer per Email korrespondiert, welche Erklärungen per Email sie als verbindlich und welche als unverbindlich ansieht. Wenn die Verwaltungsbehörde die Zahlung eines Bußgeldes - bürgerfreundlich - via Paypal, giropay oder Kreditkarte zulässt und zur Zahlungsvereinfachung und -erleichterung auf den Bußgeldbescheid einen QR- und einen Giro-Code abdruckt, zeigt sich, dass die Verwaltungsbehörde die neusten technischen Möglichkeiten einsetzt und nutzt. Dass allein die Einspruchseinlegung per Email durch die Verwaltungsbehörde als nicht zulässig bezeichnet wird und die Sachbearbeiterin dem Beschwerdeführer noch dazu per Email - entgegen der Rechtsprechung - mitteilt, sein Einspruch per Email sei nur dann zulässig, wenn dieser unverzüglich schriftlich mit eigenhändiger Unterschrift bestätigt werde, stellt einen Anachronismus dar, der von dem Erfordernis der Schriftlichkeit der Einspruchseinlegung nicht mehr gedeckt ist.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 467 StPO analog, § 46 Abs. 1 OWiG.

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