23.07.2018 · IWW-Abrufnummer 202454
Vergabekammer Nordbayern: Beschluss vom 09.05.2018 – RMF-SG21-3194-3-10
1. Gem. § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV ist eine Addition der Kostenschätzungen bei Planungsleistungen für Lose über gleichartige Leistungen vorzunehmen. Das Kriterium der „Gleichartigkeit“ der Planungsleistungen bezieht sich auf die wirtschaftliche und technische Funktion der Planungsleistungen.
2. Bei einem Kindergarten handelt es sich nicht um eine hochkomplexe oder hochtechnische Anlage, so dass hier von Einzelplanungsgewerken ausgegangen werden kann. Eine Anlage mit durchschnittlicher Komplexität, wie es ein Kindergarten darstellt, erfordert standardmäßig eine Integration der anderen Planungsleistungen. Diese Integrationsleistung alleine ist nicht schon an sich als funktionelle, wirtschaftliche und technische Einheit der einzelnen Planungsleistungen zu sehen. Vielmehr bedarf es darüber hinaus einer besonderen engen Verzahnung, die ggf. bei hochkomplexen oder hochtechnischen Anlagen vorliegen kann.
Regierung von Mittelfranken
Vergabestelle: …..
Bevollmächtigte:
…..
( Vergabestelle - VSt )
Dienstleistungsauftrag: Neuerrichtung …..;
Überwachung der Mängelbeseitigung in Lph 9 (optional),
Freianlagenplanung;
Vergabeverfahren: Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb nach § 17 VgV
Die Vergabekammer Nordbayern bei der Regierung von Mittelfranken erlässt ohne
mündliche Verhandlung am 09.05.2018 durch den Vorsitzenden ….., die hauptamtliche Beisitzerin ….. und den ehrenamtlichen Beisitzer ….. folgenden
B e s c h l u s s :
- Der Antrag wird verworfen.
- Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Vergabestelle.
- Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Vergabestelle war notwendig.
- Die Gebühr für dieses Verfahren beträgt x.xxx,- €.
Auslagen sind nicht angefallen.
S a c h v e r h a l t :
Die Vergabestelle veröffentlichte im EU-Supplement am xx.xx.xxxx im Verhandlungsverfahren die Planungsleistung des Leistungsbildes Objektplanung Gebäude und Innenräume zur Neuerrichtung eines ….. in …...
(Planungsleistung gem. § 34 HOAI i.V.m. Anl.10 Nr. 10.1, Leistungsphasen 1-9, Erstellung des Brandschutzkonzeptes (optional), Überwachung der Mängelbeseitigung in Lph 9 (optional), Freianlagenplanung).
III.1.3) Technische und berufliche Leistungsfähigkeit
Referenzportfolio Bewerber gesamt (Kindergärten, Kinderhorte, Kinderkrippen u.ä. (Neubauten/mit Neubauten vergleichbare Umbauten) der letzten 8 Jahre ([Fertigstellung bzw. Abschluss der letzten beauftragten Leistungsphase zwischen 1.1.2010 und dem Ablauf der unter IV.2.2 genannten Bewerbungsfrist) mit Angaben zu:
c) Erfahrung mit Bauen im laufenden Betrieb,
d) erbrachten Leistungen in den Leistungsphasen 2-8 im Leistungsbild Objektplanung Gebäude u. Innenräume (Angabe in Prozentpunkten),
e) Größenordnung des Projekts: Anzahl der Kindergartengruppen.
Möglicherweise geforderte Mindeststandards:
Unter II.2.9) „Angabe zur Beschränkung der Zahl der Bewerber, die zur Angebotsabgabe bzw. Teilnahme aufgefordert werden“ der Bekanntmachung heißt es:
2.2. ) Referenzen: Referenzportfolio Bewerber (Büro): Kindergärten, Kinderhorte, Kinderkrippen u.ä. (Neubauten/mit einem Neubau vergleichbare Umbauten): 80 % Bearbeitungszeitraum der Referenzen: 1.1.2010 bis zum Ablauf der unter IV.2.2) genannten Bewerbungsfrist, Referenzobjekte finden nur insoweit Berücksichtigung, als die Fertigstellung (Bezugsfertigkeit/Inbetriebnahme) oder der Abschluss der letzten beauftragten Leistungsphase innerhalb des genannten Zeitraums stattgefunden hat.
— Kindergärten, Kinderkrippen, Kinderhorte (sehr gut vergleichbar),
— Schulen, Jugendhorte (gut vergleichbar),
— Neubau (sehr gut vergleichbar),
— Umbau/Sanierung (gut vergleichbar),
— Vergleichbarkeit im Hinblick auf Erfahrung mit Bauen im laufenden Betrieb [angrenzende Gebäude mit Kindern] (sehr gut vergleichbar, wenn vorhanden),
— Vergleichbarkeit im Hinblick auf die erbrachten Leistungen (Angabe in Prozentpunkten) in den Leistungsphasen 2-8 des Leistungsbildes Objektplanung Gebäude u. Innenräume (sehr gut vergleichbar, wenn insgesamt mind. 90 Prozent der Leistungsphasen nach der jeweils geltenden HOAI erbracht worden sind),
— Vergleichbarkeit im Hinblick auf die Größenordnung: sehr gut vergleichbar aber 3 Gruppen.
In den Vergabeunterlagen findet sich folgendes Dokument vom 21.2.2018:
Begründung Matrixstufe 1
…
2.) technische und berufliche Leistungsfähigkeit
…
2.2) Referenzportfolio
…
-Schulen, Jugendhort (gut vergleichbar)
-Neubau (sehr gut vergleichbar)
-Umbau/Sanierung (gut vergleichbar)
● Vergleichbarkeit im Hinblick auf Erfahrung mit Bauen im laufenden Betrieb [angrenzende Gebäude mit Kindern] (sehr gut vergleichbar, wenn vorhanden)
● Vergleichbarkeit im Hinblick auf die erbrachten Leistungen (Angabe in Prozentpunkten) in den Leistungsphasen 2-8 des Leistungsbildes Objektplanung Gebäude und Innenräume (sehr gut vergleichbar, wenn insgesamt mindestens 90 % der Leistungsphasen nach der jeweils geltenden HOAI erbracht worden sind)
● Vergleichbarkeit im Hinblick auf die Größenordnung: sehr gut vergleichbar ab 3 Gruppen
Eine Vergleichbarkeit im Hinblick auf die Aufgabenstellung muss gegeben sein. Diese liegt dann vor, wenn es sich bei den Referenzen um die angegebenen Bauten handelt. Außerdem sollten die zu beauftragenden Leistungen bereits vom Bewerber erbracht worden sein. Deshalb werden auch die einzelnen erbrachten Leistungen abgefragt. Ferner muss das Projekt auch im Hinblick auf die Größenordnung vergleichbar sein. Eine Vergleichbarkeit ist auch bei Projekten geringerer Größe gegeben, sehr gut vergleichbar (im Hinblick auf das Erreichen von 5 Punkten) sind die Projekte aber erst ab einer Größenordnung von 3 (Kindergarten) Gruppen. Hierbei wurde bereits ein Abschlag zu dem zu beauftragenden Projekt berücksichtigt.
Die Definition von Kindergärten, Kinderkrippen und Kinderhorten als sehr gut vergleichbar ist vorliegend notwendig. Insgesamt sind Gebäude, die für Kinder gestaltet werden, anders zu planen als Gebäude für Erwachsene. Die Dimensionen müssen anders berücksichtigt werden. Auch gibt es gerade im Bereich der Kinderbetreuung einige Unfallverhütungsvorschriften, die auch bereits in der Planung zu berücksichtigen sind. So müssen die Räumlichkeiten z. B. ausreichend dimensioniert sein und über genügend Lichteinfall verfügen. Auch müssen die Materialien entsprechend kindgerecht ausgewählt werden. Verletzungsgefahr, insbesondere an Treppen u.ä. müssen durch entsprechende Maßnahmen in der Planung berücksichtigt werden. Die Sanitäreinrichtungen sind kindgerecht zu planen usw. Auch ist vorliegend der Sonderfall gegeben, dass die Brandschutzplanung mit beim Architekten beauftragt werden soll. Da auch hier besondere Anforderungen bei Kindergärten, Kinderkrippen und Kinderhorten gestellt werden, ist es vorliegend angezeigt, derartige Referenzen als sehr gut vergleichbar einzustufen.
Aber auch Architekten, die sich mit Schulbauten oder Jugendhorten befasst haben, dürften in der Lage sein, diese Anforderungen an die kindgerechte Planung zu erfüllen. Aus diesem Grund werden derartige Projekte als gut vergleichbar angesehen.
Die Kostenschätzung der VSt zur Objektplanung beläuft sich laut Protokoll zur Erstbesprechung vom xx.xx.xxxx auf xxx.xxx,xx € (anrechenbare Kosten gesamt x.xxx.xxx,xxx netto). Hierin enthalten sind laut Protokoll das Honorar für die Grundleistungen (Honorarzone III) zzgl. Besonderer Leistungen und Nebenkosten.
3.
4.
5.
- Die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens gemäß § 160 ff. GWB;
- festzustellen, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist;
- geeignete Maßnahmen zu treffen, um die von der Vergabekammer festgestellten Rechtsverletzungen zu beseitigen.
- Hilfsweise:
für den Fall der Erledigung des Nachprüfungsverfahrens durch Erteilung des Zuschlags, durch Aufhebung oder in sonstiger Weise: festzustellen, dass eine Rechtsverletzung vorgelegen hat; - Einsicht in die Vergabeakte gemäß § 165 Abs. 1 GWB zu gewähren;
- der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Die Antragstellerin sei durch die Durchführung des Vergabeverfahrens in ihren Rechten verletzt. Der Antrag sei zulässig und begründet.
6.
7.
- Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin wird zurückgewiesen.
- Die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung des Antragsgegners notwendigen Kosten trägt die Antragstellerin.
- Es wird festgestellt, dass die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten durch den Antragsgegner notwendig war.
8.
9.
10.
B e g r ü n d u n g:
1.
Der Rechtsweg ist nicht eröffnet, weil der Auftragswert den Schwellenwert nicht erreicht.
a) § 106 Abs. 1 GWB bestimmt, dass der Vierte Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen nur Anwendung auf Aufträge findet, welche die Schwellenwerte erreichen oder überschreiten. Maßgeblich ist der geschätzte Auftragswert, im Sinne einer objektiven Vorabschätzung durch die Vergabestelle (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 06.07.2000 - 1 Verg 1/99).
b) Vorliegend handelt es sich um einen öffentlichen Auftrag i.S.d. § 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB. Der maßgebliche Schwellenwert für einen Dienstleistungsauftrag beträgt 221.000,- € gem. Art. 13 Abs. 1 lit. b Richtlinie 2014/24/EU.
Für die Frage, ob der Schwellenwert erreicht wird, ist auf die geschätzte Gesamtvergütung für die vorgesehene Leistung ohne Umsatzsteuer einschließlich etwaiger Prämien oder Zahlungen an Bewerber oder Bieter abzustellen (§ 3 Abs. 1 VgV).
c) Der Ansatz der VSt für eine Gesamtvergütung der Objektplanung für den Kindergarten liegt vorliegend unterhalb des Schwellenwertes für Dienstleistungsaufträge i.H.v. 221.000,- €.
d) Eine Addition der Planungskosten für Objektplanungsleistungen, Tragwerksplanung und Planung technische Gebäudeausrüstung musste nicht vorgenommen werden.
Gem. § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV ist eine Addition der Kostenschätzungen bei Planungsleistungen für Lose über gleichartige Leistungen vorzunehmen.
Das Kriterium der „Gleichartigkeit“ der Planungsleistungen bezieht sich auf die wirtschaftliche und technische Funktion der Planungsleistungen (OLG München, Beschluss vom 13.3.2017-Verg 15/16).
2. Gemäß § 166 Abs. 1 S. 3 2. Alt. GWB konnte ohne mündliche Verhandlung nach Lage der Akten entschieden werden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 182 GWB.
a) Die ASt hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der VSt zu tragen, weil sie unterlegen ist (§ 182 Abs. 3 S. 1 GWB).
b) Die Kostenerstattungspflicht gegenüber der VSt ergibt sich aus § 182 Abs. 4 S. 1 GWB.
c) Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war für die VSt notwendig (§ 182 Abs. 4 S. 4 GWB i.V.m. Art. 80 Abs. 2 S. 3 BayVwVfG entspr.). Es handelt sich um einen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nicht einfach gelagerten Fall, so dass es der VSt nicht zuzumuten war, das Verfahren vor der Vergabekammer selbst zu führen.
d) Die Gebühr war nach § 182 Abs. 2 GWB festzusetzen. Da die ASt kein Angebot abgegeben hat, konnte die Vergabekammer zur Berechnung der Verfahrenskosten ein solches nicht heranziehen. Die Vergabekammer ist zur Berechnung der Verfahrenskosten daher von den durch die VSt geschätzten Kosten ausgegangen. Unter Zugrundelegung eines durchschnittlichen personellen und sachlichen Aufwands der Vergabekammer errechnet sich entsprechend der Tabelle des Bundeskartellamtes eine Gebühr in Höhe von x.xxx,- €.
e) Die Gebühr wird mit dem geleisteten Kostenvorschuss von 2.500,- € verrechnet.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g:
xxx