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11.04.2017 · IWW-Abrufnummer 193214

Landgericht Dortmund: Urteil vom 16.03.2017 – 2 O 175/16

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Landgericht Dortmund

2 O 175/16

Tenor:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 36.260,50 € (i. W.: sechsunddreißigtausendzweihundertundsechzig 50/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.06.2015 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 12 % und die Beklagte 88 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages.

Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

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T a t b e s t a n d

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Die vorsteuerabzugsberechtigte Klägerin unterhielt bei der Beklagten seit dem 08.10.2013 eine Vollkaskoversicherung mit 5.000,00 € Selbstbeteiligung für den Pkw Lamborghini Gallardo LT 560-4 Spyder mit dem amtlichen Kennzeichen ##-## ###. Grundlage waren der Versicherungsschein vom 17.10.2013 (Blatt 36 bis 39 d. A.) und die AKB 01.07.2013 u. a. mit folgenden Regelungen:

3

„A.2.3 Welche Ereignisse sind in der Vollkasko versichert?

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Versicherungsschutz besteht bei Beschädigung … des Fahrzeugs einschließlich seiner mitversicherten Teile durch die nachfolgenden Ereignisse:

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Unfall

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A.2.3.2 Versichert sind Unfälle des Fahrzeugs. Als Unfall gilt ein unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis. …

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A.2.7 Was zahlen wird bei Beschädigung?

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Reparatur

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A.2.7.1 Wird das Fahrzeug beschädigt, zahlen wir die für die Reparatur erforderlichen Kosten bis zu folgenden Obergrenzen:

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b)

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Wir das Fahrzeug nicht, nicht vollständig oder nicht fachgerecht repariert, zahlen wir die erforderlichen Kosten einer vollständigen Reparatur bis zur Höhe des um den Restwert verminderten Wiederbeschaffungswerts (siehe A.2.6.6 und A.2.6.7).

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A.2.9 Mehrwertsteuer

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Die Mehrwertsteuer erstatten wir nicht, sofort Vorsteuerabzugsberechtigung besteht.

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F Rechte und Pflichten der mitversicherten Personen

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Ausübung der Rechte

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F.2 Die Ausübung der Rechte der mitversicherten Personen aus dem Versicherungsvertrag steht nur ihnen als Versicherungsnehmer zu, soweit nichts anderes geregelt ist.

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… „

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Die Klägerin vermietete das von der Volkswagenbank finanzierte Fahrzeug mit schriftlichem Vertrag vom 31.03.2014 (Blatt 61 d. A.) an die B GmbH, die das Fahrzeug mit schriftlichem Vertrag vom 01.07.2014 (Blatt 49 d. A.) an C und N Motors vermietete. Die Volkswagenbank stellte der Klägerin nach der Kündigung des Kreditvertrages mit Schreiben vom 29.01.2015 (Anlage K 2, Blatt 84 d. A.) 110.893,04 € in Rechnung und übersandte der Klägerin nach Zahlung mit Schreiben vom 05.02.2015 (Anlage K 3, Blatt 85 d. A.), die Zulassungsbescheinigung Teil II. Die Klägerin verkaufte das Fahrzeug an die B GmbH, die im März 2015 mit der b-finanz einen Leasingvertrag schloss.

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Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin Versicherungsleistungen für die Schäden, die in dem Gutachten der DEKRA GmbH vom 25.02.2015 (Blatt 90 bis 140 d. A.) dokumentiert sind. Sie übersandte der Beklagten über die von ihr unterschriebene formularmäßige „Kasko-Schadenanzeige“ vom 13.03.2015 (Blatt 42 und 43 d. A.) nebst Unfallbericht in französischer Sprache (Blatt 44 d. A.).

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Sie behauptet, das Fahrzeug sei am 28.09.2014 bei einem Unfall in Frankreich beschädigt worden. Fahrer sei C gewesen und Unfallgegner L 1.

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Die Reparaturkosten beliefen sich nach dem Gutachten der DEKRA vom 25.02.2015 auf netto 74.956,43 € und der um den Restwert verminderte Wiederbeschaffungswert auf 118.000,00 € - 68.900,00 € = 49.100,00 € brutto = 41.260,50 € netto, die Klageforderung.

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Die Klägerin beantragt,

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die Beklagte zu verurteilen, an sie, die Klägerin, 41.260,50 € zu zahlen nebst 9 Prozentpunkten hieraus über dem Basiszinssatz seit dem 18.06.2015 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von netto 1.434,40 €.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie bestreitet die Aktivlegitimation der Klägerin und den Unfallhergang. Sie beruft sich auf ihre Leistungsfreiheit wegen Falschangaben zum Unfallhergang und zur Veräußerung des Fahrzeuges.

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Mit Anwaltsschreiben vom 05.05.2015 (Blatt 54 und 55 d. A.) teilte die Klägerin der Beklagten unstreitig u. a. mit, dass die VW Bank zwischenzeitlich nicht mehr Eigentümerin/Leasinggeberin des Fahrzeugs sei. Vielmehr sei das Fahrzeug von der Klägerin abgelöst und zwischenzeitlich auch weiter veräußert worden. Die b-finanz sei erst viel später Eigentümerin geworden.

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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

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Die Klage ist indem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

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Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen versicherungsvertraglichen Anspruch auf Zahlung von 41.260,50 € - 5.000,00 € (Selbstbeteiligung) = 36.260,50 €.

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Zwischen den Parteien besteht unstreitig eine Vollkaskoversicherung mit 5.000,00 € Selbstbeteiligung.

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Unbeachtlich ist, ob die Klägerin zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls Eigentümerin des Fahrzeuges war, denn ihre Aktivlegitimation ergibt sich ohne Weiteres aus F 2 AKB, wodurch § 44 Abs. 2 VVG wirksam abbedungen wird (OLG Hamm 20 U 53/04, Urteil vom 06.10.2004 = VersR 2005, 934). Nach F 2 AKB steht auch die Ausübung der Rechte mitversicherter Personen aus dem Versicherungsvertrag nur dem Versicherungsnehmer zu, soweit nichts anderes geregelt ist, was vorliegend der Fall ist (Prölls-Martin, VVG, 29. Aufl., 350, AKB F Rn. 2).

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Der Versicherungsfall ist eingetreten.

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Versichert sind nach A.2.3.2 Unfälle des Fahrzeuges.

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Wird die Außenhaut eines Fahrzeuges beschädigt, was im vorliegenden Fall aufgrund der unstreitigen Fotos des Gutachtens der DEKRA vom 25.02.2015 zweifelsfrei feststeht, dann liegen in der Vollkaskoversicherung ohne Weiteres die Voraussetzungen des Versicherungsfall „Unfall“ vor (OLG Koblenz, Urteil vom 31.10.2003, 10 U 39/13 = NRW-RR 2004, 113, OLG Naumburg, Urteil vom 07.02.2013, 4 U 16/12 bei Juris). Ein Unfall erfordert nämlich lediglich ein unmittelbar von außen her plötzlich mit mechanischer Gewalt einwirkendes Ereignis auf das Fahrzeug. Unerheblich ist, ob sich der Versicherungsfall so ereignet haben kann, wie vom Versicherungsnehmer geschildert. Denn die Unfreiwilligkeit bzw. Zufälligkeit des Schadensereignisses gehört nicht zum Begriff des Unfalls im Sinne der AKB, da andernfalls die gegenläufige Regelung des § 81 VVG in der Schadensversicherung, um die es auch hier geht, zu Lasten des Versicherungsnehmers ausgehöhlt würde (OLG Naumburg, 4 U 16/12, Rn. 33, BGH IV ZR 245/96, Urteil vom 25.06.1997).

41

Um leistungsfrei zu werden muss der Versicherer die Voraussetzungen des § 81 VVG vortragen und beweisen, mithin die vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls durch den Versicherungsnehmer oder seine Repräsentanten. Es kommt nicht darauf an, ob der Versicherer Umstände schlüssig vorgetragen hat, aus denen sich die erhebliche Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung des Versicherungsfalls herleiten lässt, denn der Versicherer muss voll beweisen, wenn der Versicherungsfall „Unfall“ bewiesen ist.

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Grundsätzlich entspricht nämlich die Beweisabsenkung zu Gunsten einer Partei des Versicherungsvertrages einer ähnlichen für die andere Partei. Dem Versicherer kommen die Beweiserleichterungen zur Vortäuschung nur dann zu Gute, wenn dem Versicherungsnehmer beim Nachweis des Eintritts des Versicherungsfalls solche Beweiserleichterungen zustehen. Ist hingegen der Versicherungsfall voll bewiesen oder unstreitig, dann muss auch der Versicherer den Vollbeweis für eine Herbeiführung für den Versicherungsnehmer oder dessen Repräsentanten erbringen. Im Fall der Zerstörung oder Beschädigung eines Kraftfahrzeuges bedarf es einer Beweisführung mittels des äußeren Bildes von vornherein nicht, weil das versicherte Objekt zur Feststellung, ob der Versicherungsfall eingetreten ist, besichtigt werden kann und im vorliegenden Fall auch besichtigt worden ist (BGH IV ZR 245/96).

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Zu § 81 VVG hat die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte keine Indiztatsachen vorgetragen.

44

Die Beklagte ist auch nicht nach § 28 Abs. 2 VVG leistungsfrei. Die Beklagte hat schon nicht schlüssig vorgetragen, dass die Klägerin Auskunftsobliegenheiten nach dem Versicherungsfall verletzt hat.

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Die Frage in der „Kasko-Schadensanzeige“ zum Hergang des Schadenshergangs hat die Klägerin wie folgt beantwortet:

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„Laut dem Kunden aussage hat der Gegner die Vorfahrt missachtet.“

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Dahinstehen können Falschangaben durch den Mieter. Die Klägerin muss sich Falschangaben des Mieters nicht zurechnen lassen, weil der Mieter nicht ihr Repräsentant ist (BGH IV a ZR 242/87, Urteil vom 26.04.1989 = VersR 1989, 737, OLG Hamm 20 U 186/00, Urteil vom 12.09.2001 = VersR 2002, 433, Langheit-Rickxecker, VVG, 5. Aufl., § 28 Rn. 44, Prölss-Martin, VVG, 29. Aufl., 350, AKB, A2.16 Rn. 14).

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Dass die Klägerin Kenntnis von dem Unfallhergang hat und die entsprechende Frage in der Kasko-Schadensanzeige bewusst falsch beantwortet hat, hat die Beklagte nicht unter Beweis gestellt.

49

Die Angaben in dem Anwaltsschreiben vom 05.05.2015 (Blatt 54 und 55 d. A.) waren zutreffend und wegen der Regelungen in F 2 AKG zur Aktivlegitimation und in A.2.14.4 AKB zum Abtretungsverbot für die Entscheidung oder den Umfang der Leistungspflicht der Beklagten offensichtlich irrelevant. Es fehlt damit auch an der notwendigen konkreten Kausalität (Prölss-Martin, § 28 Rn. 252 ff.) und der Arglist der Klägerin.

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Die Klägerin kann nach A.2.7 AKB die Differenz zwischen dem Wiederbeschaffungswert und dem Restwert ersetzt verlangen, weil das Fahrzeug unstreitig nicht oder nicht fachgerecht repariert worden ist.

51

Der Wiederbeschaffungswert beläuft sich auf 118.000,00 € einschließlich Umsatzsteuer. Diese Feststellung entnimmt das Gericht dem von der Beklagten eingeholten Gutachten der DEKRA vom 25.02.2015.

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Substantiierte Einwendungen hat die Beklagte nicht vorgetragen. Die Beklagte bestreitet zwar die Vorschadensfreiheit des Fahrzeuges, trägt dazu aber keine konkreten Tatsachen vor. Der Sachverständige Dipl.-Ing. T2, der das Fahrzeug nach dem Unfall untersucht hat, hat in dem Gutachten vom 25.02.2015 keine Vorschäden dokumentiert.

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Die in dem Wiederbeschaffungswert enthaltene Umsatzsteuer kann die vorsteuerabzugsberechtigte Klägerin nach A.2.9 AKB nicht ersetzt verlangen, so dass sich der Wiederbeschaffungswert auf 118.000,00 € : 1,19 = 99.159,66 € beläuft.

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Unterliegt der Versicherungsnehmer oder Versicherte beim Fahrzeugverkauf der Umsatzsteuerpflicht, was vorliegend unstreitig ist, stellt lediglich der nach Abführung der Umsatzsteuer verbleibende Nettokaufpreis den anzurechnenden Restwert dar (BGH IV ZR 379/13, Urteil vom 10.09.2014). Der Restwert beläuft sich auf unstreitig 68.900,00 € (brutto): 1,19 = 57.899,16 € (netto) und die Differenz zwischen Wiederbeschaffungswert und Restwert auf 41.260,50 €.

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Der Zinsanspruch der Klägerin folgt aus § 288 BGB.

56

Die Klägerin kann nach § 288 Abs. 1 BGB lediglich Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins verlangen, weil die Versicherungsleistung keine Entgeltforderung ist und damit die Voraussetzungen von § 288 Abs. 2 BGB nicht vorliegen (Beck OK, § 286 Rn. 40).

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Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten kann die Klägerin nicht ersetzt verlangen, weil sich die Beklagte nicht in Verzug befand, als die Klägerin ihre Prozessbevollmächtigten vorgerichtlich mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragte.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO und berücksichtigt das jeweilige Unterliegen der Parteien.

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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

RechtsgebieteVVG, AKBVorschriften§ 44 Abs. 2 VVG; F 2 AKB

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