Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

06.04.2017 · IWW-Abrufnummer 193115

Arbeitsgericht Rheine: Urteil vom 09.03.2017 – 4 Ca 1006/16

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Arbeitsgericht Rheine

4 Ca 1006/16

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Der Wert des Streitgegenstandes beträgt 14.573,88 €.

1

T a t b e s t a n d

2

Die Parteien streiten über die Gewährung von Hausbrandkohlen über den 31.12.2018 hinaus, sowie über die Zahlung einer erhöhten Abfindung für die Ablösung des Anspruchs.

3

Der 1956 geborene Kläger schied zum 30.08.2013 aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten aus. Der Kläger bezieht derzeit Anpassungsgeld und wird ab dem 01.09.2018 voraussichtlich eine Altersrente erhalten. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge für die Arbeitnehmer des Jer Steinkohlebergbaus Anwendung.

4

Der Kläger hat derzeit einen Anspruch auf Hausbrand nach § 54 des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer der Jer Steinkohlebergbaus in Verbindung mit den Bestimmungen der Anlagen 7 und 7 a des Manteltarifvertrages. Mit Tarifvertrag vom 29.04.2015 (im Folgenden: Änderungstarifvertrag) änderten die Tarifvertragsparteien u.a. die Anlage 7 a wie folgt:

5

„Ab dem 01. Januar 2019 entfällt der Anspruch auf Hausbrandkohlen. Anstelle von Hausbrandkohlen erhalten alle Anspruchsberechtigten Energiebeihilfe nach den weiter anzuwendenden Regelungen der Anlage 7. Die Ansprüche auf Energiebeihilfe nach Anlage 7 II. (Ausgeschiedene) können durch den Arbeitgeber oder sonst Leistungsverpflichteten gemäß der Tabelle abgefunden werden.

6

Die Abfindungshöhe berechnet sich nach der Höhe des individuellen Anspruchs auf Energiebeihilfe und dem Lebensalter im Jahr der Auszahlung der Abfindung sowie einer bestehenden bzw. nicht bestehenden Hinterbliebenenabsicherung.

7

Die Abfindung wird in dem Kalenderjahr ausgezahlt, in dem keine anderen Leistungen der Anlage 7 bezogen worden sind.“

8

Weiter vereinbarten die Tarifvertragsparteien in den Anhängen 1 und 2 des Änderungstarifvertrages Abfindungstabellen, die nach Lebensalter gestaffelte Abfindungen vorsehen, die sich an der Barwertberechnung nach § 4 Abs. 5 BetrAVG und an versicherungs- und finanzmathematischen Kriterien, wie Lebenserwartung, Sterbens- und Erlebenswahrscheinlichkeiten, Abzinsung und Hinterbliebenenanspruch orientieren.

9

Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte habe auch nach dem 31.12.2018 Hausbrandkohlen an den Kläger zu leisten.

10

Er bestreitet, dass der Änderungstarifvertrag formell ordnungsgemäß zustande gekommen ist, da der bekannte Tarifvertrag keine Unterschriften habe. Eine, vom Kläger mit Nichtwissen bestrittene, Stilllegung des Steinkohlebergbaus mit Wirkung zum 31.12.2018 könne der Leistung nicht entgegenstehen. Er verweist auf die Regelungen des Manteltarifvertrages in Anlage 7 II Nr. 6 (§ 105), wonach auch für den Fall der Stilllegung, die Erfüllung der sich ergebenden Ansprüche sicherzustellen sei. Damit bestehe eine garantieähnliche Versorgungsverschaffungspflicht oder zumindest eine Pflicht zu einer wertgleichen Geldleistung. Die Beklagte könne auch Importkohlen liefern, dies sei in der Vergangenheit auch erfolgt.

11

Die Regelungen des Änderungstarifvertrags verstießen gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes. Gerade im Vertrauen auf die uneingeschränkte Versorgungszusage hätten die Arbeitnehmer entsprechende Dispositionen, wie die Anschaffung von Öfen getroffen. Die Ablösung erdienter Anwartschaften bedürfe eines besonders gewichtigen Grundes. Die Ablösung der Versorgungsleistungen mit Kohle durch Versorgungsleistungen mit Energiebeihilfe sei nur möglich, wenn die alte und neue Versorgungsleistung wertadäquat sei. Bezogen auf die Hausbrandkohle fehle es an einer objektiven Gleichwertigkeit.

12

Die Abfindung unverfallbarer Anwartschaften verstoße gegen § 3 BetrAVG. Jedenfalls stehe der klagenden Partei ein Abfindungsanspruch zu, der sich nicht an den Eigenproduktionskosten der Beklagten, sondern am tatsächlichen Marktpreis der Kohle am 01.01.2019 orientieren müsse. Dieser betrage mindestens 500 € pro Tonne.

13

Der Kläger beantragte,

14

15

1. Die Beklagte wird verurteilt, der klagenden Partei über den 31.12.2018 hinaus jährlich 2,5 Tonnen Anthrazit-Nusskohle zu liefern.

16

17

2. Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu Ziffer 1.: Es wird festgestellt, dass die klagende Partei Anspruch auf die Lieferung von 2,5 Tonnen Anthrazit-Nusskohle gegen die Beklagte über das Jahr 2018 hinaus hat.

18

3. Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit den Anträgen zu Ziff. 1 und 2.: Die Beklagte wird verurteilt, an die klagende Partei eine Abfindung in Höhe von 13.657,38 € netto für den Verlust ihres Naturalanspruchs auf 2,5 Tonnen Anthrazit-Nusskohle zu zahlen.

19

20

4. Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu Ziff. 3: Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die klagende Partei eine Abfindung für den Verlust ihres Naturalanspruches auf 2,5 Tonnen Anthrazit-Nusskohle zu zahlen, deren Höhe sich nach dem Verkaufspreis je Tonne bemisst, zu dem die Kohl ab dem 01.01.2019 zuzüglich Lieferung gehandelt wird.

21

Die Beklagte beantragte,

22

die Klage abzuweisen.

23

Es bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis für die Klageanträge zu 1. u. 2., da der Kläger noch bis zum 31.12.2018 Festbrandstoffe bezieht. Die Beklagte stelle die Förderung zum 31.12.2018 ein.

24

Eine Verpflichtung der Beklagten weiter Kohle zu beschaffen, obwohl sie keine eigene Produktion mehr betreibe, bestehe nicht. Geschäftsgrundlage sei den Mitarbeitern Leistungen zuzuwenden, welche die Beklagte zum Selbstkostenpreis generieren konnte. Auch wenn die tarifvertragliche Definition des Hausbrandes als „Festbrennstoffe aus der eigenen Produktion des deutschen Steinkohlenbergbaus“ lediglich in den Regelungen für aktive Arbeiter und Angestellte enthalten sei, gelte diese auch für die Ausgeschiedenen. Die Tarifvertragsparteien seien in Bezug auf die Versorgung mit Produkten aus der eigenen deutschen Produktion von einer Gleichbehandlung von Aktiven und Ausgeschiedenen ausgegangen. Eine Versorgungszusage auf Lieferung von selbstgeförderten Rohstoffen stehe unter dem Vorbehalt, der Arbeitgeber fördere auch weiterhin. Die Regelung in der Anlage 7 II Nr. 6 (§ 105) des Manteltarifvertrages zum Verlust der Kohlebasis gelte nur, solange noch eine Kohlezeche aus dem Konzernverbund existiere und diese noch fördere.

25

Die Ablösung des Hausbrandanspruchs durch die Gewährung von Energiebeihilfe erfolge, da die Tarifvertragsparteien stets von einer Gleichwertigkeit der Energiebeihilfe mit dem Kohledeputat ausgegangen seien. Selbst wenn der Markt- oder Verkaufspreis der Hausbrandkohlen tatsächlich höher sei als die Energiebeihilfe, komme es allein auf die Wertung der Tarifvertragsparteien an. Die Gewährung einer Naturalleistung die in der Lieferung von Rohstoffen bestehe, stelle immer eine Teilhabe am Produktionsergebnis dar und stehe unter dem immanenten Vorbehalt, dass dies zu den Kosten der eigenen Produktion erfolgen solle.

26

Der Bezug von Hausbrand im laufenden Arbeitsverhältnis und während des Bezuges von Anpassungsgeld und Knappschaftsausgleichsleistung stelle keine Leistung der betrieblichen Altersversorgung dar.

27

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Die Akten 4 Ca 986/16 waren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

28

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

29

I.

30

Der Klageantrag zu Ziff. 1. ist zulässig aber unbegründet.

31

32

1. Der Antrag ist als Leistungsantrag auf künftige Leistungen nach § 259 ZPO zulässig. Dem Kläger stand insoweit ein Wahlrecht zu, eine Leistungsklage oder Feststellungsklage zu erheben (vgl. BAG, Urteil v. 29.10.1997 – 5 AZR 573/96).

33

Es besteht auch ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis, obwohl der Kläger noch bis zum 31.12.2018 Hausbrandleistungen durch die Beklagte erhält. Wegen des Erfordernisses ggf. Dispositionen im Hinblick auf die Umstellung der Heizungsanlage zu tätigen, besteht auch für die Leistungsklage vor dem 01.01.2019 ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis.

34

35

2. Der Klageantrag zu Ziff. 1. ist unbegründet.

36

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Weitergewährung von Hausbrandkohle über den 31.12.2018 hinaus.

37

Der Anspruch des Klägers auf Belieferung mit Hausbrandkohlen ist durch den Änderungstarifvertrag vom 29.04.2015 mit dem 31.12.2018 rechtswirksam beendet.

38

a) Der Änderungstarifvertrag vom 29.04.2015 ist formell ordnungsgemäß zustande gekommen.

39

Die der Kammer vorliegende Kopie des Änderungstarifvertrages trägt Unterschriften. Der Kläger hat keine weiteren Anhaltspunkte vorgetragen, die dazu führen, dass die Kammer von einem formell nicht ordnungsgemäß zustande gekommenen Änderungstarifvertrag ausgehen musste.

40

b) Die Regelungen des Änderungstarifvertrages vom 29.04.2015 erweisen sich auch inhaltlich als rechtswirksam.

41

42

a. Im Verhältnis von zwei aufeinanderfolgenden Tarifverträgen gilt die Zeitkollisionsregel. Die Tarifvertragsparteien können eine Tarifnorm sowohl zugunsten wie auch zum Nachteil der betroffenen Arbeitnehmer ändern. Die jüngere Norm ersetzt die ältere (BAG, Urteil v. 20.02.2001 – 3 AZR 515/99; BAG, Urteil v. 24.08.1993 – 3 AZR 313/93).

43

Tarifverträge unterliegen keiner gerichtlichen Billigkeitskontrolle, da den Tarifvertragsparteien bei der inhaltlichen Gestaltung ihrer Regelungen ein Beurteilungs- und Ermessensspielraum zusteht (vgl. BAG, Urteil v. 20.02.2001 – 3 AZR 515/99). Die Gerichte haben Tarifverträge nur daraufhin zu überprüfen, ob sie gegen das Grundgesetz oder anderes höherrangiges Recht verstoßen (vgl. BAG, Urteil v. 07.03.1995 – 3 AZR 282/94).

44

45

b. Ein solcher Verstoß liegt nicht vor.

46

Die Ablösung der Hausbrandleistungen der Energiebeihilfe verstößt nicht gegen grundgesetzliche Wertungen und auch nicht gegen die Grundsätze des Verhältnismäßigkeitsprinzips oder des Vertrauensschutzes.

47

48

i. Die Regelungen des Änderungstarifvertrages verstoßen nicht gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes.

49

Nach den tariflichen Regelungen entstehen die Bezugsansprüche vorbehaltlich späterer Regelungen der Tarifparteien. Kein Arbeitnehmer kann ernstlich darauf vertrauen, dass sich seine Arbeitsbedingungen durch Tarifvertrag stets nur verbessern (BAG 10.10.1989 – 3 AZR 200/88). Der Kläger konnte deshalb nicht davon ausgehen, dass die Belieferung mit Hausbrandkohle auf der Basis der geltenden Tarifverträge auch künftig unverändert bleiben würde oder nur zu seinen Gunsten geändert werden würde.

50

Die Tarifvertragsparteien haben ausdrücklich vor dem Hintergrund der Beendigung des deutschen Steinkohlebergbaus und der damit einhergehenden Einstellung der Förderung die Regelungen über die Gewährung von Hausbrand geändert. Diese Regelungsabsicht folgt aus dem Eingangssatz des Tarifvertrages zur Änderung des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer des Jer Steinkohlebergbaus in der Fassung vom 11. März 2015.

51

Soweit der Kläger mit Nichtwissen die Stilllegung der Zeche in J zum 31.12.2018 bestreitet, war dies unerheblich. Die Tarifvertragsparteien gingen bei Abschluss des Änderungstarifvertrages von der Einstellung der Kohleförderung zum 31.12.2018 aus, wie sich aus dem Eingangssatz des Tarifvertrages zur Änderung des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer des Jer Steinkohlebergbaus in der Fassung vom 11. März 2015 ergibt.

52

Darüber hinaus ist die Stilllegung der Zeche in J allgemeinbekannt. Der Kläger hat auch keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, die Beklagte strebe eine Fortsetzung der Förderung über den 31.12.2018 hinaus an.

53

Auch soweit der Kläger im Vertrauen auf ein Fortbestehen der ursprünglichen tarifvertraglichen Regelung einen Kohleofen angeschafft hat, begründet dies keinen besonderen Vertrauensschutz. Dies gilt auch soweit die Beklagte dafür vergünstigte Darlehen gewährt haben sollte. Ausweislich der eindeutigen Regelungen im Tarifvertrag entstanden entsprechende Bezugsrechte auf Hausbrand immer vorbehaltlich einer abweichenden Regelung durch die Tarifvertragsparteien. Gerade für die Leistung von Hausbrandkohlen gilt, dass mit der Einstellung der Förderung jedenfalls seit 2011 vor dem Hintergrund des Kohlekompromisses gerechnet werden konnte.

54

Der Kläger kann sich auch unter Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes nicht erfolgreich auf die Regelung in der Anlage 7 II Nr. 6 (§ 105) des Manteltarifvertrages (Verlust der Kohlenbasis) berufen. Diese Regelung findet sich weiterhin im Manteltarifvertrag trotz der durch den Änderungstarifvertrag geänderten Anlage 7. Die Tarifvertragsparteien haben mit dem Änderungsvertrag eine jedenfalls dem Wortlaut der Regelung zum Verlust der Kohlebasis widersprechende Regelung getroffen. Damit ist davon auszugehen, dass die Regelung des ehemaligen § 105 durch speziellere Regelung des Änderungstarifvertrages abgelöst werden sollte und die ältere Regelung des ehemaligen § 105 lediglich nicht abgeändert wurde.

55

56

ii. Die Regelungen des Änderungstarifvertrages zur Ablösung des Hausbrandanspruchs durch Energiebeihilfe sind verhältnismäßig.

57

Die Tarifvertragsparteien haben sich auf eine verhältnismäßige Regelung geeinigt, in dem sie nach dem 31.12.2018 eine Ablösung der Hausbrandbezugsrechte durch die Gewährung von Energiebeihilfe vereinbarten.

58

Die Umstellung des Naturalbezugs auf Geldleistung ist insbesondere vor dem Hintergrund der Einstellung der Kohleförderung eine geeignete Änderung. Mit der Einstellung der eigenen Produktion fördert die Beklagte keine eigene Kohle mehr. Die Weitergabe an die Bezugsberechtigten ist damit nicht mehr wie bisher möglich. An die Stelle des Anspruchs auf Hausbrandkohle tritt der Anspruch auf Energiebeihilfe, der gleichwertig ist.

59

Die Tarifvertragsparteien sind davon ausgegangen, dass die Ablösung der Hausbrandkohle durch die Energiebeihilfe eine gleichwertige Leistung darstellt. Dafür spricht die Tarifhistorie. Die Regelungen in den einschlägigen Tarifverträgen gehen immer von einer Vergleichbarkeit von Energiebeihilfe mit Kohledeputat aus. Insbesondere wurde die Höhe der Energiebeihilfe immer in Relation zur Tonne Kohledeputat gesetzt. Die Energiebeihilfe wird verstanden als eine Ersatzleistung für die Arbeitnehmer bzw. Ausgeschiedenen, die die Deputatkohle nicht oder jedenfalls nicht in voller Höhe verwenden konnten. Die Höhe der Energiebeihilfe wird durch die Tarifvertragsparteien für jedes Bezugsjahr gemäß Ziff. 12 bzw. Ziff. 21 Abs. 3 der Anlage 7 zum Manteltarifvertrag festgelegt.

60

Entgegen der Auffassung des Klägers ist im Hinblick auf die Frage der Gleichwertigkeit zwischen Kohledeputat und Energiebeihilfe nicht auf den Marktwert der Deputatkohle abzustellen. Auch wenn sich der Hausbrandbezug von einem Deputat, d. h. Teilnahme am Produktionsergebnis zu einer Versorgungsleistung entwickelt hat, gehen die Tarifvertragsparteien offensichtlich davon aus, dass hinsichtlich der Bewertung des Hausbrandes nicht auf den Marktwert abzustellen ist. Vielmehr ist auf den Selbstkostenpreis bzw. Kosten der Produktion der entsprechenden Tonne Kohle abzustellen. Dies wird auch belegt durch die seit 1992 nicht mehr erfolgte Anpassung der Energiebeihilfe trotz schwankendem Kohlepreis. Dass die Tarifvertragsparteien tatsächlich von einer Gleichwertigkeit von Hausbrand und Energiebeihilfe ausgehen, zeigt sich nach Auffassung der Kammer auch aus dem Anhang der geänderten Anlage 7. Auch bei der Bemessung der Abfindung stellten die Tarifvertragsparteien auf den Wert der Energiebeihilfe pro Tonne Kohle ab.

61

Darüber hinaus ist kein Grund für eine Schlechterstellung oder Ungleichbehandlung der Bezieher von Energiebeihilfe gegenüber den Beziehern von Hausbrandkohlen ersichtlich. Die Energiebeihilfe wurde eingeführt, um den Beschäftigten, die keine Hausbrandkohlen verwerten können, einen wertgleichen Ersatz zu kommen zu lassen (vgl. dazu auch BAG, Urt. v. 2.12.1986 – 3 AZR 259/85).

62

Auch der Wandel des Hausbrandes von der reinen Deputatleistung zu einer Versorgungsleistung spricht für eine Gleichwertigkeit von Hausbrandkohle und Energiebeihilfe. Eine Versorgungsleistung durch Naturalleistung einerseits und andererseits durch Geldleistung zu gestalten, wenn die Versorgungsempfänger die Naturalleistung nicht verwerten können, setzt voraus, dass die Tarifvertragsparteien von einer Gleichwertigkeit der Leistungen ausgegangen sind.

63

Wegen der Einstellung der Kohleförderung zum 31.12.2018 war die entsprechende Regelung der Tarifvertragsparteien auch erforderlich. Soweit der Kläger darauf verweist, die Beklagte könne Importkohle liefern, so ist diese dazu nach den Regelungen des Tarifvertrages nicht verpflichtet. Selbst wenn zu Gunsten des Klägers davon ausgegangen wird, die Regelung in dem ehemaligen § 39 „als Hausbrandkohlen gelten für Kleinfeuerungsanlagen geeignete Festbrandstoffe aus der eigenen Produktion des Deutschen Steinkohlebergbaus“ beziehe sich tatsächlich nur auf die aktiven Arbeitnehmer, so sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Tarifvertragsparteien im Hinblick auf die ausgeschiedenen Arbeitnehmer eine Pflicht zur Einführung einer Lieferung von Hausbrandkohlen mit Importkohle trifft. Ausgehend von einer Gleichwertigkeit von Hausbrandkohle und Energiebeihilfe steht es im Ermessen der Tarifvertragsparteien, welche Regelung sie im Fall der Produktionseinstellung treffen.

64

Die tarifliche Regelung zur Ablösung des Hausbrandanspruchs durch den Anspruch auf Energiebeihilfe ist auch angemessen im engeren Sinne. Die Tarifvertragsparteien haben sich darauf beschränkt den geringsten Eingriff vorzunehmen, in dem sie die Leistung von Kohledeputat bis zum Zeitpunkt der Einstellung der Förderung dem 31.12.2018 fortsetzen. Erst danach erfolgt eine Umstellung auf eine gleichwertige Energiebeihilfe.

65

c) Der Kläger bezieht derzeit Übergangsleistungen, diese sind nach Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG Urteil v. 16.03.2010 – 3 AZR 894/08; BAG Urteil v. 14.02.2012 – 3 AZR 260/10) keine Versorgungsleistungen im Sinne einer betrieblichen Altersversorgung. Erst mit Bezug der Altersrente finden die Regelungen der betrieblichen Altersversorgung auf die Hausbrandkohleleistungen Anwendung.

66

Auch soweit durch die Umstellung des Bezuges der Hausbrandkohle auf Energiebeihilfe Eingriffe in Anwartschaften des Klägers im Hinblick auf eine künftige Versorgungsleistung ab Beginn der Altersrente entstanden sein sollten, ist die Regelung der Tarifvertragsparteien rechtswirksam.

67

68

a. Verschlechternde ablösende Tarifregelungen wirken typischerweise auf die noch nicht abgeschlossenen Rechtsbeziehungen der aktiven Arbeitnehmer oder der Betriebsrentner ein. Damit entfalten sie regelmäßig unechte Rückwirkung (vgl. BAG, Urt. v. 20.09.2016 - 3 AZR 273/15). Führt die tarifliche Regelung zu einem Eingriff in Versorgungsrechte oder in laufende Betriebsrenten, bedürfen die Tarifvertragsparteien daher für die verschlechternde Ablösung besonderer, den Eingriff legitimierender Gründe. Wie gewichtig diese sein müssen, hängt von den Nachteilen ab, die den Versorgungsberechtigten durch die Änderung der Versorgungsregelungen entstehen (vgl. BAG, Urt. v. 11.12.2001 – 3 AZR 327/00). Bei tariflichen Regelungen, die für die betroffenen Arbeitnehmer oder Versorgungsempfänger nur zu geringfügigen Nachteilen führen, reichen sachliche Gründe aus (vgl. BAG, Urt. v. 20.09.2016 – 3 AZR 273/15).

69

70

b. Vorliegend liegt lediglich ein geringfügiger Eingriff in die Versorgungsrechte des Klägers vor.

71

Ausgehend von einer Gleichwertigkeit von Energiebeihilfe und Kohledeputat (s.o.) ist der Bezug von Hausbrandleistungen im Verhältnis zur weiteren Versorgungsleistungen relativ geringfügig. Mehr als geringfügig sind lediglich solche Eingriffe, die dem Versorgungsempfänger – hätte er mit ihnen gerechnet - während des noch bestehenden Arbeitsverhältnisses vernünftigerweise hätten Anlass geben können, sie durch eine weitere private Absicherung auszugleichen (vgl. BAG, Urteil v. 28.06.2011 – 3 AZR 282/09). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Die Tarifvertragsparteien haben die Ablösung des Hausbrandes durch Energiebeihilfe vereinbart. Es ist nicht davon auszugehen, dass der Kläger, wenn er diese Umstellung im laufenden Arbeitsverhältnis erfahren hätte, sich dagegen privat weiter abgesichert hätte.

72

d) Es kann dahinstehen, ob die im Änderungstarifvertrag vorgesehene Abfindungsmöglichkeit der Ansprüche auf Energiebeihilfe unter Berücksichtigung des oben dargestellten Prüfungsmaßstabs wirksam vereinbart werden konnte. Auch bei einem etwaigen Verstoß der Abfindungsmöglichkeit gegen die o.g. Grundsätze (dagegen LAG Hamm, Urteil v. 20.06.2016 – 15 Sa 1886/15) besteht kein Anspruch des Klägers auf Weiterbelieferung mit Hausbrandkohlen. Der Anspruch auf Hausbrandkohlen ist wirksam durch Energiebeihilfe abgelöst worden (s.o.).

73

II.

74

Der Hilfsantrag zu Ziffer 2) fiel wegen Zulässigkeit des Leistungsantrags zu Ziffer 1) nicht zur Entscheidung an.

75

III.

76

Der Klageantrag zu Ziffer 3) ist zulässig aber unbegründet.

77

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung einer am voraussichtlichen Marktwert der Tonne Anthrazit-Nusskohle zum 01.01.2019 orientierten Abfindung.

78

Für eine solche, höhere Abfindung gibt es bereits keine Anspruchsgrundlage. Selbst wenn die Regelungen des Tarifvertrages hinsichtlich der Abfindung der Energiebeihilfe/des Kohledeputats unverhältnismäßig sein sollten, folgt daraus nicht, dass der Kläger einen Anspruch auf eine höhere Abfindung orientiert am Verkehrswert bzw. Marktwert per 01.01.2019 hätte.

79

IV.

80

Der Klageantrag zu Ziffer 4) fiel wegen der Zulässigkeit des Klageantrags zu Ziffer 3) nicht zur Entscheidung an.

81

V.

82

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 ZPO.

83

Der Wert des Streitgegenstandes wurde festgesetzt auf den 3-fachen Jahreswert, ausgehend von 122,20 € pro Tonne für den Klageantrag zu Ziff. 1 sowie zzgl. der bezifferten Abfindung (Klageantrag Ziff. 3).

RechtsgebieteGG, BetrAVG, TVGVorschriftenArt. 9 Abs. 3 GG, §§ 333 ff. BetrAVG, 31 TVG

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr