12.10.2016 · IWW-Abrufnummer 189192
Bundesgerichtshof: Beschluss vom 08.09.2016 – 1 StR 232/16
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 1. auf dessen Antrag - am 8. September 2016 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Tenor:
1. Der Beschluss des Landgerichts Mosbach vom 6. April 2016, durch den die Revision als unzulässig verworfen wurde, wird aufgehoben.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mosbach vom 19. Februar 2016 mit den Feststellungen aufgehoben.
3. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt - wobei drei Monate als vollstreckt gelten - und die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Mit Beschluss vom 6. April 2016 hat das Landgericht die Revision des Angeklagten vom 25. Februar 2016 als unzulässig verworfen, weil eine Revisionsbegründung nicht rechtzeitig eingegangen sei.
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Der Antrag des Angeklagten auf Entscheidung des Revisionsgerichts nach § 346 Abs. 2 StPO und seine mit der allgemeinen Sachrüge begründete Revision haben in vollem Umfang Erfolg ( § 349 Abs. 4 StPO ).
I.
3
Zu dem Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts nach § 346 Abs. 2 StPO hat der Generalbundesanwalt ausgeführt:
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5
6
Dem schließt sich der Senat an.
II.
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Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge in vollem Umfang Erfolg ( § 349 Abs. 4 StPO ).
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1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
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Der Angeklagte bestellte im Internet aufgrund jeweils neu gefassten Tatentschlusses synthetische Cannabinoide mit einem Reinheitsgehalt von mindestens 85%, die aufgrund seiner Bestellung aus China versandt, in das Bundesgebiet eingeführt und an die Wohnanschrift des Angeklagten geliefert wurden.
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Im Einzelnen handelte es sich um folgende Fälle:
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a) Bestellung vom 23. Februar 2014 über 100 Gramm des synthetischen Cannabinoids JWH-122 zum Preis von 346,05 Euro. Die nicht geringe Menge von JWH-122 liegt bei höchstens zwei Gramm.
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b) Bestellung Ende Februar 2014 über 100 Gramm des synthetischen Cannabinoids UR-144 zum Preis von mindestens 300 Euro. Die nicht geringe Menge von UR-144 liegt bei höchstens sechs Gramm.
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2. Die Feststellungen tragen den Schuldspruch nicht. Die Annahme täterschaftlicher unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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Zwar erfordert der Tatbestand der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln keinen eigenhändigen Transport der Betäubungsmittel über die Grenze, so dass Mittäter nach § 25 Abs. 2 StGB grundsätzlich auch ein Beteiligter sein kann, der das Rauschgift nicht selbst in das Inland verbringt. Es müssen jedoch die Voraussetzungen für ein täterschaftliches Handeln nach den Grundsätzen des allgemeinen Strafrechts vorliegen. Hierzu ist eine wertende Gesamtbetrachtung erforderlich ( BGH, Beschlüsse vom 31. März 2015 - 3 StR 630/14 ,StV 2015, 632und vom 2. Juni 2015 - 4 StR 144/15 , BGHR BtMG § 30 Abs. 1 Nr. 4 Einfuhr 3 ). Von besonderer Bedeutung sind dabei der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Einfluss bei der Vorbereitung der Tat und der Tatplanung, der Umfang der Tatbeteiligung und die Teilhabe an der Tatherrschaft oder jedenfalls der Wille dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch von dem Willen des Betreffenden abhängen. Entscheidender Bezugspunkt ist der Einfuhrvorgang selbst. Das bloße Interesse an dessen Gelingen genügt nicht, wenn der Betreffende keine Tatherrschaft oder zumindest Tatherrschaftswillen hat (statt vieler: BGH, Beschluss vom 2. Juni 2016 - 1 StR 161/16 ). Eine Person, die den Einfuhrvorgang zwar veranlasst, aber keinen Einfluss auf dessen Durchführung hat, kann weder Mittäter noch Gehilfe der Einfuhr sein ( BGH, Beschlüsse vom 31. März 2015 - 3 StR 630/14 ,StV 2015, 632und vom 16. Februar 2012 - 3 StR 470/11 , StraFo 2012, 158).
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Nach diesen Grundsätzen kann die Verurteilung wegen täterschaftlicher Einfuhr keinen Bestand haben. Die Feststellungen des Landgerichts beschränken sich darauf, dass der Angeklagte die Betäubungsmittel über das Internet in China bestellte, ohne irgendeinen Einfluss auf den Einfuhrvorgang zu haben.
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Ob eine Strafbarkeit wegen Anstiftung (oder Beihilfe) zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, in Betracht kommt, kann der Senat anhand der vorliegenden Feststellungen nicht beurteilen. Hierzu hätte es insbesondere näherer Feststellungen zu den Bestellvorgängen bedurft.
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Im Übrigen könnte der Senat nicht ausschließen, dass der Angeklagte sich gegen den Vorwurf der Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln anders hätte verteidigen können, so dass eine Umstellung des Schuldspruchs auch aus diesem Grund ausscheidet.
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Damit entfallen auch die tateinheitlichen Verurteilungen wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Juli 2015 - 1 StR 16/15 , NStZ 2016, 339, 340). Eine Prüfung des vom Angeklagten geltend gemachten Irrtums ( §§ 16 , 17 StGB ) ist deshalb entbehrlich.
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3. Um dem neuen Tatgericht widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen, hebt der Senat auch die zugrunde liegenden Feststellungen auf.RiBGH Prof. Dr. Jäger ist im Urlaub und deshalb an der Unterschriftsleistung gehindert.
Raum
Graf
RiBGH Prof. Dr. Jäger ist im Urlaub und deshalb an der Unterschriftsleistung gehindert.Raum
Cirener
Fischer