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07.01.2015 · IWW-Abrufnummer 173954

Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein: Beschluss vom 22.10.2014 – 6 Ta 93/14


In dem Beschwerdeverfahren
betr. Kostenfestsetzung
in dem Rechtsstreit
pp.
hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein
am 22.10.2014
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden
beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Kiel vom 19.12.2013 - 3 Ca 941 b/12 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.



Gründe



I.



Der Kläger hat die Beklagte, die ihren Sitz in B... hat, auf Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses und auf Beschäftigung verklagt. Der Kläger hat seine Klage bei dem für die Niederlassung R... zuständigen Arbeitsgericht Kiel anhängig gemacht. Am 13.11.2013 hat das Landesarbeitsgericht auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel abgeändert und die Klage abgewiesen. Das Urteil ist rechtskräftig.



Die Beklagte beantragte am 19.12.2013 Kostenfestsetzung gegen den Kläger für den zweiten Rechtszug. U.a. machte sie Reisekosten in Höhe von 708,80 EUR geltend. Darin waren 507,31 EUR Flugkosten enthalten.



Am 07.05.2014 setzte der Rechtspfleger beim Arbeitsgericht die der Beklagten von dem Kläger zu erstattenden Kosten fest (Kostenfestsetzungsbeschluss = Bl. 428 d.A.). In der Festsetzung sind Reisekosten gemäß einer fiktiven Vergleichsberechnung enthalten, und zwar 300,00 EUR für die Bahnfahrt zwischen E... und K..., fiktive Übernachtungskosten in Höhe von 70,00 EUR sowie Abwesenheitsgelder in Höhe von insgesamt 110,00 EUR. Der Kostenfestsetzungsbeschluss wurde der Klägervertreterin am 12.05.2014 zugestellt. Der von dieser für den Kläger am 26.05.2014 erhobenen sofortigen Beschwerde hat der Rechtspfleger nicht abgeholfen (Nichtabhilfebeschluss vom 18.06.2014 = Bl. 439 f. d.A.). Er hat die Sache dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.



II.



Die gemäß §§ 104 Abs. 3, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 2 ZPO; § 11 Abs. 1 RPflG; 78 S. 1 ArbGG statthafte sofortige Beschwerde des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt. Der Beschwerdewert von mehr als 200,00 EUR ist erreicht, sodass die Beschwerde insgesamt zulässig ist.



Die sofortige Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Die Beklagte kann die ihr in dem Kostenfestsetzungsbeschluss zugestandenen Reisekosten von dem Kläger verlangen.



1.



Gemäß § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO hat die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Sie muss die dem Gegner erwachsenen Kosten erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Dazu gehören auch die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei (§ 91 Abs. 2 S. 1 ZPO). Nach § 91 Abs. 2 S. 1 2. Halbs. ZPO sind die Reisekosten des Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit zu erstatten, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Nach ganz überwiegender Ansicht stellt die Beauftragung eines am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässigen Rechtsanwalts durch eine an einem auswärtigen Gericht klagende oder verklagte Partei regelmäßig eine Maßnahme dar, die im vorgenannten Sinne der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung dient (BGH, 18.12.2003, II ZB 21/03, NJW-RR 2004, 855 [BGH 18.12.2003 - I ZB 21/03]; BGH, 21.01.2004, IV ZB 32/03, BGH-Report 2004, 706; BGH, 03.03.2005, I ZB 24/04, NJW-RR 2005, 922).



2.



Diese Rechtsprechung hat der Rechtspfleger zugrunde gelegt, als er die Reisekosten der Beklagtenvertreter so berechnet hat, als seien sie am Geschäftsort der Beklagten in B... ansässig.



3.



Die Beklagte muss sich nicht darauf verweisen lassen, sie hätte zur Vermeidung höherer Kosten einen im Bezirk des Prozessgerichts, am Sitz der Niederlassung in R... oder am Sitz ihrer Niederlassung in H... ansässigen Rechtsanwalt mit der Prozessvertretung beauftragen müssen. Eine Partei, die einen Rechtsstreit zu führen beabsichtigt oder - wie hier - selbst verklagt ist und die ihre Belange in angemessener Weise wahrgenommen wissen will, wird nämlich vernünftigerweise einen Rechtsanwalt in der Nähe ihres Wohn- oder Geschäftsorts aufsuchen, um dessen Rat in Anspruch zu nehmen und ihn ggf. mit der Prozessvertretung zu beauftragen. Sie wird dies wegen der räumlichen Nähe und in der Annahme tun, dass zunächst ein persönliches Gespräch erforderlich ist. Diese Erwartung ist berechtigt, denn für eine sachgemäße gerichtliche oder außergerichtliche Beratung und Vertretung ist der Rechtsanwalt zunächst auf die Tatsacheninformation der Partei angewiesen. Diese kann in aller Regel nur in einem persönlichen Gespräch erfolgen und üblicherweise auch noch in weiteren, nämlich wenn die Schriftsätze der Gegenseite vorliegen BGH, 11.02.2003, VIII ZB 92/02, NJW 2003, 1534; Hessisches LAG, 15.08.2012 -13 Ta 242/12 -).



Nach dem Vorbringen der Beklagten werden arbeitsrechtliche Streitigkeiten an ihrem Sitz in B.... bearbeitet, nicht aber am Sitz ihrer rechtlich unselbstständigen Niederlassungen, sei es in R... oder in H... . Für die Möglichkeit, ein persönliches Beratungsgespräch mit einem Rechtsanwalt am Ort zu führen, ist daher auf den Sitz der Beklagten in B... abzustellen. Denn dort bearbeitet die Beklagte ihre rechtlichen Angelegenheiten. Im Rahmen der Kostenerstattung kommt es auf die tatsächliche Organisation des Unternehmens der Partei an und nicht darauf, ob durch eine andere Organisation Mehrkosten bei der Führung eines Rechtsstreits vermieden werden könnten (BGH, 03.03.2005 a.a.O.).



Zwar scheidet die Beauftragung eines in der Nähe des Wohn- oder Geschäftsortes der Partei ansässigen Rechtsanwalts zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Verteidigung aus, wenn schon zum Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts feststeht, dass ein eingehendes Mandantengespräch für die Prozessführung nicht erforderlich sein wird. An dieser Notwendigkeit fehlte es hier aber nicht. Zum einen verfügt die Beklagte unstreitig über keine Rechtsabteilung. Der durchaus komplexe Sachverhalt erforderte daher intensive Mandantengespräche. Aufgrund der erheblichen Bedeutung des Verfahrens für die Beklagte waren diese nachvollziehbarerweise von der Hauptverwaltung zu führen. Daran ändert der Umstand nichts, dass für die Mandatsbearbeitung auch Informationen der Niederlassungsleitung und des Regionalleiters aus H... erforderlich waren. Die Beklagte musste zwar dafür sorgen, dass die Informationen an ihren Prozessbevollmächtigten gelangten. Sie musste sich bei der Beauftragung des Rechtsanwalts aber nicht danach richten, wo wichtige Informanten ansässig sind.



Weitere Einwendungen, insbesondere zur Berechnungsweise der zugesprochenen Reisekosten sind weder vorgetragen noch ersichtlich



Die Kostenentscheidung folgt, soweit sie die außergerichtlichen Kosten betrifft, aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die Gerichtskosten ergibt sich aus Nr. 8614 der Anlage 1 zu § 34 GKG.

Vorschriften§§ 104 Abs. 3, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 2 ZPO, § 11 Abs. 1 RPflG, 78 S. 1 ArbGG, § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO, § 91 Abs. 2 S. 1 2. Halbs. ZPO, § 97 Abs. 1 ZPO, § 34 GKG

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