Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

26.07.2013 · IWW-Abrufnummer 170696

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 04.06.2013 – 22 Sa 73/12

1.



Die Tarifverträge der DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit bilden eine eigene, vom Einheitstarifvertrag oder mehrgliedrigen Tarifvertrag zu unterscheidende Kategorie, die mit der Bezeichnung "mehrgliedrig-einheitlich" charakterisiert werden kann.



2.



Auch wenn die Tarifverträge der Tarifgemeinschaft in einer Urkunde verbrieft und ihrem Wortlaut nach identisch sind, handelt es sich um jeweils selbständige Tarifverträge.



3.



Eine Bezugnahmeklausel auf die Tarifverträge der DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit ist i. d. R. dahin auszulegen, dass als Objekt der Bezugnahme auf arbeitsvertraglicher Ebene die selbständigen Einzeltarifverträge anzusehen sind.



4.



Die Bezugnahmeklausel ist ferner im Sinne einer (ggf. dynamischen) Verweisung auf das in der Urkunde niedergelegte einheitliche Tarifwerk der Tarifgemeinschaft auszulegen. Die Branchenzugehörigkeit des jeweiligen konkreten Entleihers ist nach dem Parteiwillen unerheblich.



5.



Die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf die inhaltsidentischen Tarifverträge der Tarifgemeinschaft Zeitarbeit DGB-BZA verstößt deshalb nicht gegen das Transparenz- oder Bestimmtheitsgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB.


In der Rechtssache ... hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Freiburg - 22. Kammer - durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Dr. Kramer, den ehrenamtlichen Richter N. und den ehrenamtlichen Richter S. auf die mündliche Verhandlung vom 04.06.2013 für Recht erkannt: Tenor: 1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg, Kammern Offenburg vom 31.07.2012 - 5 Ca 469/10 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits. 3. Die Revision wird für die Klägerin zugelassen. Tatbestand: Die Parteien streiten über Differenzvergütung nach §10 Abs. 4 AÜG in der Zeit vom 01.12.2006 bis 31.12.2007. Die 46-jährige Berufungsbeklagte (fortan: Klägerin) war bei der Berufungsklägerin (fortan: Beklagte) aufgrund Arbeitsvertrages vom 10.12.2003 als Produktionshelferin (Leiharbeitnehmerin) in der Zeit von 15.07.2002 bis 28.02.2011, zuletzt gegen ein Stundenentgelt von Euro 7,20 beschäftigt. Während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses wurde die Klägerin bei einem Kunden der Beklagten, der Firma V. A. M. GmbH (ein Betrieb der Süßwarenindustrie), an einer Wickel- und Verpackungsmaschine eingesetzt. Die Beklagte betreibt ein Unternehmen für Personaldienstleistungen mit regelmäßig rd. 6000 Beschäftigten und stellt ihren Kunden Mitarbeiter im Rahmen des AÜG zur Verfügung. Sie ist als Mitglied des Bundesverbandes Zeitarbeit Personal-Dienstleistungen e.V. (BZA) an die Tarifverträge Zeitarbeit (Manteltarifvertrag, Entgeltrahmentarifvertrag und Entgelttarifverträge) BZA-DGB vom 22.07.2003, geändert durch Änderungstarifverträge vom 22.12.2004, 30.05.2006 und 09.03.2010 gebunden. Der Arbeitsvertrag (auf dessen Wortlaut im Übrigen Bezug genommen wird) enthält die folgende Regelung: § 2 Tarifvertrag 2.1. Es gelten die vom Bundesverband Zeitarbeit mit der DGB - Tarifgemeinschaft Zeitarbeit abgeschlossenen Tarifverträge (Mantel-, Entgelt- und Entgeltrahmentarifvertrag) in der jeweils geltenden Fassung, im folgenden MTV BZA, ETV BZA und ERTV BZA genannt). Die von der NGG und dem Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie abgeschlossenen Tarifverträge für die Süßwarenindustrie in Baden-Württemberg (Bundesmanteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Süßwarenindustrie vom 14.05.2007; Entgelttarifvertrag vom 13.07.2009 - Entgelt ab 01.09.2009; Entgelttarifvertrag vom 11.05.2007 - Entgelt ab 01.07.2007; Entgelttarifvertrag vom 29.07.2005 - Entgelt ab 01.07.2005) sahen in der Zeit vom 01.07.2006 bis 30.06.2007 in der Tarifgruppe B für einen Arbeitnehmer ab 18 Jahren 1520,00 Euro Brutto und vom 01.07.2007 bis 31.12.2007 in der Tarifgruppe B für einen Arbeitnehmer ab 18 Jahren 1556,00 Euro Brutto als monatliche Grundvergütung vor. Auf die Tarifverträge inklusive des Manteltarifvertrags wird Bezug genommen. Mit ihrer am 29.12.2010 beim Arbeitsgericht eingereichten und am 17.01.2011 zugestellten Klage verlangte die Klägerin Beträge wie folgt: Monat|nach Darstellung der Kläg. beim Entleiher für Monat zu zahlen:||||Insgesamt von Kläg. angesetzte Sollzahlung|abzüglich von Bekl. erbrachte Zahlungen|von Kläg. geforderter Differenzbetrag für diesen Monat: |Grundgehalt|vermw. Leistun-gen|Weihnachtsgeld|Urlaubsgeld||| 12/06|1.520,00|29,25|||1.549,25|1.099,91|449,34 01/07|1.520,00|29,25|||1.549,25|1.158,09|391,16 02/07|1.520,00|29,25|||1.549,25|1.136,21|413,04 03/07|1.520,00|29,25|||1.549,25|1.155,45|393,80 04/07|1.520,00|29,25|||1.549,25|1.147,06|402,19 05/07|1.520,00|29,25|||1.549,25|1.148,08|401,17 06/07|1.520,00|29,25|||1.549,25|1.451,04|98,21 07/07|1.556,00|29,25|||1.585,25|1.156,60|428,65 08/07|1.556,00|29,25|||1.585,25|1.141,59|443,66 09/07|1.556,00|29,25|||1.585,25|1.146,23|439,02 10/07|1.556,00|29,25|||1.585,25|1.154,86|430,39 11/07|1.556,00|29,25|||1.585,25|1.457,87|127,38 12/07|1.556,00|29,25|1 556,00|414,00|3.555,25|1.146,11|2.409,14 ||||||Insgesamt:|6.827,15 Die Klägerin behauptete vor dem Arbeitsgericht, beim Entleiher würden durchgehend die Tarifverträge der Süßwarenindustrie angewendet. Ihre Tätigkeit sei der Tarifgruppe B zuzuordnen. Der Entleiher bezahle zudem monatlich vermögenswirksame Leistungen in Höhe von Euro 29,25. Die Tarifverträge BZA-DGB seien unwirksam, weil die abschließenden Gewerkschaften weder tariffähig noch tarifzuständig seien. Zudem seien sie sittenwidrig und bloße Schein- bzw. Gefälligkeitstarifverträge. Schließlich sei die Bezugnahmeklausel des Arbeitsvertrages AGB-widrig. Die Klägerin beantragte beim Arbeitsgericht zuletzt: Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu Händen ihres Prozessbevollmächtigten 6.827,15 € brutto nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 16.01.2008 zu bezahlen. Die Beklagte beantragte erstinstanzlich, die Klage abzuweisen. Sie hielt die Tarifverträge und die Bezugnahmeklausel für wirksam und bestritt die Höhe der Vergleichsentgelte. Das Arbeitsgericht hat der Klage nach Beweisaufnahme stattgegeben. Der in § 2 des Arbeitsvertrages enthaltene Verweis auf den mehrgliedrigen Tarifvertrag des Bundesverbandes Zeitarbeit und der DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit verstoße gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Die Klausel sei unklar und unbestimmt und benachteilige dadurch die Klägerin unangemessen. Die Klausel sei bereits nach ihrem Wortlaut unklar, da sie den Eindruck erwecke, es werde jeweils nur auf einen einzigen Manteltarifvertrag, einen einzigen Entgeltrahmentarifvertrag und einen einzigen Entgelttarifvertrag verwiesen. Die einzelnen Tarifverträge des mehrgliedrigen Tarifwerkes könnten unterschiedliche Schicksale erleiden, wodurch im Konfliktfall nicht eindeutig sei, welcher Teil gelten solle. Dadurch habe sich die Beklagte den Vorteil verschafft, sich auf keinen Tarifvertrag festlegen zu müssen. Der Klägerin stehe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme equal pay - Differenzvergütung in der tenorierten Höhe zu. Das Urteil des Arbeitsgerichts vom 31.7.2012 wurde der Beklagten am 17.9.2012 zugestellt. Die Berufung der Beklagten ging am 17. 10. 2012 beim Landesarbeitsgericht ein und wurde nach Fristverlängerung bis zum 17.12.2012 per Fax von diesem Datum begründet. Die Berufung und deren Begründung sind damit rechtzeitig. Im Berufungsrechtszug macht die Beklagte zunächst geltend, bei den in Bezug genommenen Tarifverträgen BZA - DGB handele es sich um Einheitstarifverträge. Selbst wenn man jedoch mehrgliedrige Tarifwerke annehme, sei die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel nicht intransparent. Das Bundesarbeitsgericht habe in ständiger Rechtsprechung sogar große dynamische Bezugnahmeklauseln als hinreichend transparent angesehen. Die vorliegende Klausel sei deutlich transparenter, weil lediglich die Identifizierung der jeweils fachlich zuständigen Gewerkschaft notwendig sei. Die Klägerin werde durch die von der Beklagten verwendete Klausel in keinster Weise an der Durchsetzung ihrer Rechte gehindert. Im streitgegenständlichen Zeitraum seien die Tarifverträge vollkommen inhaltsgleich gewesen. Hinzu komme die Richtlinie über die Organisationszuständigkeit der DGB-Mitgliedsgewerkschaften für Arbeitnehmer/innen aus den Betrieben der Zeitarbeit und Leiharbeit (RL Organisationszuständigkeit Zeit- und Leiharbeit) vom 5.3.2003. Auf Seiten der DGB-Gewerkschaften habe danach eine Einheitsbildung stattgefunden. Diese führe dazu, dass eine gegebenenfalls eintretende Tarifentwicklung durch Kündigung einer Mitgliedsgewerkschaft den Bestand der Tarifverträge unverändert lasse. Damit könne dieser Fall zur Begründung der Intransparenz nicht herangezogen werden. Zudem habe das Arbeitsgericht ungeprüft die Rechtsprechung der Instanzgerichte zu den Tarifverträgen der christlichen Gewerkschaften herangezogen. Auch die von der Klägerin herangezogene Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13.3.2013 betreffe die christlichen Gewerkschaften und sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Die Klägerin verkenne den Maßstab der AGB-Kontrolle. Es sei nicht erheblich, ob eine arbeitsvertragliche Klausel den jeweiligen Arbeitnehmer umfassend in die Lage versetze, alle möglichen Rechte geltend zu machen. Entscheidend sei, dass der Arbeitnehmer nicht von der Geltendmachung der Rechte abgehalten würde. Die Beklagte beantragt im Berufungsrechtszug: Das mit der Berufung angegriffene Urteil des Arbeitsgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt: Die Berufung zurückzuweisen. Die Klägerin verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil. Die Berufungsangriffe der Beklagten seien rechtlich unzutreffend. Insbesondere sei die Bezugnahmeklausel nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts intransparent und daher nicht als wirksam anzusehen. Die Bezugnahme knüpfe nicht an die inhaltsgleichen Tarifverträge sondern an die ungeklärte Zahl der tarifvertragsschließenden Parteien an. Selbst für einen fachkundigen Berater bleibe nach Lektüre der Tarifverträge schwer feststellbar, ob es sich um ein - oder mehrgliedrige Tarifverträge handele. Die verwendete Klausel sei eindeutig irreführend, weil es eine DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit nicht gebe und sie damit auf eine nicht existente Gewerkschaft hinweise. Die Rechtsprechung habe mehrfach entschieden, dass die Einbeziehung mehrgliedrige Tarifverträge für den Arbeitnehmer zwingend klar und verständlich sein müsse. Jede der im Tarifvertrag genannten Gewerkschaften habe mit dem Arbeitgeberverband einen eigenen Tarifvertrag abgeschlossen. Der Arbeitsvertrag enthalte keinerlei Klarstellung dahingehend, welcher der Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung finden solle. Es sei für die Klägerin unklar, wenn sie erst noch in verschiedenen Gewerkschaftssatzungen oder in DGB-Richtlinien nachsehen müsse. Die Klägerin beruft sich zudem auf ihren erstinstanzlichen Vortrag und ergänzt der Vollständigkeit halber, dass die streitgegenständlichen DGB Tarifverträge auch mangels Tarifzuständigkeit und Tariffähigkeit der DGB Einzelgewerkschaften unwirksam seien, was in verschiedenen erstinstanzlichen Beschlussverfahren bereits überprüft werde. Die Klägerin ist nach wie vor der Ansicht, es handele sich um einen Einheitstarifvertrag, der schon bei Wegfall einer Tarifvertragspartei (wie vorliegend der Gewerkschaft TRANSNET im Jahr 2006) unwirksam sei. Es sei nicht erkennbar, was die Beklagte mit der Vorlage der Richtlinie vom 5.3.2003 bezwecke. Die Gewerkschaften dürften nur erklären, wozu ihre jeweilige Satzung sie ermächtige. Da die Einzelgewerkschaften für den Bereich der Zeitarbeit nicht zuständig seien, könnten sie auch keine Vereinbarungen für die betreffenden Arbeitnehmer abschließen. Das ordnungsgemäße Zustandekommen der Richtlinie werde ausdrücklich bestritten. Bereits in CGZP-Verfahren sei mehr als deutlich geworden, dass Spitzenorganisationen zum Abschluss von Tarifverträgen nicht zuständig seien. Wenn das Gericht zu der Einschätzung komme, die Bezugnahmeklausel sei transparent, sei das Verfahren aufgrund der fehlenden Tarifzuständigkeit der tarifschließenden Parteien (unter Verweis auf den erstinstanzlichen Vortrag) auszusetzen. Es bestünden in der Rechtsprechung der Instanzgerichte und in der Rechtslehre vernünftige Zweifel an der Tariffähigkeit und Tarifzuständigkeit der DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf den Inhalt der zwischen Ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und Bezugnahmen sowie auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls verwiesen. Entscheidungsgründe: I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 64, 66 ArbGGund §§ 519, 520 ZPO. II. Die Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung des arbeitsgerichtlichen Urteils und Abweisung der Klage. Die auf das vorliegende Leiharbeitsverhältnis anzuwendenden Tarifverträge treffen von den §§ 3 Abs. 1 Nr. 3, 9 Nr. 2 AÜG abweichende Regelungen, so dass die Beklagte der Klägerin nach § 10 Abs. 4 S. 2 AÜG lediglich die nach diesen Tarifverträgen geschuldeten Arbeitsbedingungen gewähren musste und Differenzlohnansprüche nach equal-pay/treatment nicht zustehen. 1. Entgegen den Rechtsausführungen der Klägerin sind die Tarifverträge der Tarifgemeinschaft Zeitarbeit (Manteltarifvertrag, Entgeltrahmentarifvertrag und Entgelttarifverträge) BZA - DGB vom 22.7.2003 geändert durch Änderungstarifverträge vom 22.12.2004, 30.5.2006 und 9.3.2010 wirksam. a. Die Tarifverträge der Tarifgemeinschaft Zeitarbeit bilden eine eigene, vom Einheitstarifvertrag oder mehrgliedrigen Tarifvertrag zu unterscheidende Kategorie, die mit der Bezeichnung "mehrgliedrig-einheitlich" charakterisiert werden kann. Schließen sich mehrere tariffähige Arbeitnehmervereinigungen zu dem Zwecke zusammen, ihre Tariffähigkeit gemeinsam zum Abschluss von Tarifverträgen zu nutzen, ohne dabei eine Spitzenorganisation im Sinne des § 2 Abs. 3 TVG zu bilden, liegt eine sogenannte Tarifgemeinschaft vor. Das TVG enthält keine Regelungen zu dieser Organisationsform. Deren Rechtmäßigkeit ist soweit ersichtlich im Schrifttum jedoch allgemein anerkannt. Als aktuelles Beispiel gilt die Tarifgemeinschaft Zeitarbeit der acht DGB-Gewerkschaften (Thüsing/Emmert, Tarifrecht, Handbuch, 2011, Kap. 2, Rn. 145). Jedes der Mitglieder der Tarifgemeinschaft wird Vertragspartner des Tarifvertrages. Die Tarifgemeinschaft stellt sich als BGB-Außengesellschaft dar, ist jedoch selbst nicht tariffähig. Tariffähig sind die einzelnen Mitglieder, die ihre Befugnis zum Abschluss von Tarifverträgen behalten (eigene Tarifverträge wären gegebenenfalls als speziellere Regelungen vorrangig). Eine Tarifgemeinschaft aus Arbeitnehmervereinigungen ist dabei immer und ausschließlich tarifzuständig im Rahmen der satzungsmäßig festgelegten Tarifzuständigkeit ihrer einzelnen Mitglieder. Gewerkschaften sind dabei zumindest auch tarifzuständig für ihre jeweils in der Arbeitnehmerüberlassung tätigen Mitglieder. Das setzte der Gesetzgeber etwa bei der Neuregelung des § 3a AÜG ohne weiteres voraus (Bundestagsdrucksache 17/5238, Seite 15). Soweit dies infrage gestellt wird, (Rieble BB 2012, 2177, 2178), gilt der Zweifel soweit ersichtlich aufgrund der dortigen Satzungsfassung nicht der NGG (Rieble a.a.O., 2179). b. Auch wenn die Tarifverträge der Tarifgemeinschaft in einer Urkunde verbrieft und ihrem Wortlaut nach identisch sind, handelt es sich um jeweils selbstständige Tarifverträge. Jede Vertragspartei behält grundsätzlich auch bei einer Tarifgemeinschaft die Autonomie über die Vertragsgestaltung, allerdings kann der Vertrag nur einheitlich gegenüber allen Mitgliedern gekündigt werden (Thüsing/Emmert, a.a.O., Rn. 157). Selbst wenn also die Tarifverträge in einer Urkunde verbrieft und ihrem Wortlaut nach identisch sind, handelt es sich nicht um sog. Einheitstarifverträge. Denn der Einheitstarifvertrag entspricht in aller Regel im Bereich der Zeitarbeit nicht dem Parteiwillen. Insbesondere der Regelungszweck spricht für die Annahme eines mehrgliedrigen Tarifwerks. Bei einem Einheitstarifvertrag würde die Tarifunfähigkeit einer tarifschließenden Gewerkschaft unweigerlich die Unwirksamkeit des gesamten Tarifvertrages nach sich ziehen. Dies war den tarifschließenden Parteien bewusst. Schon deshalb konnte ein Einheitstarifvertrag nicht gewollt sein, da einzig die Annahme mehrerer rechtlich selbständiger Tarifverträge eine Risiken minimierende Wirksamkeitsbeurteilung erlaubt (nach Stoffels/Bieder RdA 2012, 27, 28). c. Die Tarifverträge der Tarifgemeinschaft Zeitarbeit (hier konkret: Manteltarifvertrag, Entgeltrahmentarifvertrag und Entgelttarifverträge BZA - NGG vom 22.7.2003 geändert durch Änderungstarifverträge vom 22.12.2004, 30.5.2006 und 9.3.2010) sind nicht sittenwidrig oder Schein- bzw. Gefälligkeitstarifverträge. Der objektive Tatbestand sowohl des Lohnwuchers (§ 138 Abs. 2 BGB) als auch des wucherähnlichen Geschäfts (§ 138 Abs. 1 BGB) ist vorliegend nicht erfüllt. In § 138 BGB kommen elementare Gerechtigkeitsanforderungen, wie sie etwa in Art. 2 Abs. 1, 20 Abs. 1 GG Eingang gefunden haben, zum Ausdruck (BAG 24.03.2004 - 5 AZR 303/03, [...] Rn. 43). Bei der Prüfung, ob der Tariflohn der Zeitarbeitstarifverträge gegen elementare Gerechtigkeitsanforderungen des Art. 2 Abs. 1, 20 Abs. 1 GG verstößt, ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten der jeweiligen Branche festzustellen, ob das tarifliche Arbeitsentgelt für die jeweils geschuldete Arbeitsleistung dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widerspricht (Anstandsformel als Maßstab für die guten Sitten). Es lässt sich indessen schwer feststellen, ob ein niedriger Branchentariflohn Folge einer von der Gewerkschaft nicht abgewehrten "Ausbeutung" ist oder ob die Ertragskraft der Arbeitgeber keine höheren Löhne hergibt. In der Zeitarbeitsbranche fehlt ein repräsentatives Vergleichsentgelt. Deshalb hat das Bundesarbeitsgericht klar festgestellt, dass man die Tarifentgelte der Leiharbeit nicht an den Tarifentgelten der Stammbelegschaft messen kann (nach Löwisch/Rieble, Tarifvertragsgesetz, 3. Auflage 2012, § 1 Rn. 523). Diese Erkenntnis hat letzten Endes den Gesetzgeber zur Neufassung des § 3 a AÜG (Lohnuntergrenze) bewogen. Die Gesetzgebung erkennt die Besonderheiten dieses Wirtschaftszweiges an (BAG a.a.O., Rn. 47). 2. Die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf die zwischen dem Bundesverband Zeitarbeit Personaldienstleistungen e.V. (BZA) und der DGB - Tarifgemeinschaft Zeitarbeit geschlossenen Branchentarifverträge verstößt nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1, 2 BGB. a. Die Bezugnahmeklausel ist dahin auszulegen, dass als Objekt der Bezugnahme auf arbeitsvertraglicher Ebene die selbstständigen Einzeltarifverträge anzusehen sind. Die Tariföffnungsklausel der §§ 3 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2, 9 Nr. 2 HS. 2 AÜG lässt nach dem Willen des Gesetzgebers Abweichungen vom equal-pay-Grundsatz nach unten zu. Damit gibt es den Fall der Geltung abweichender Zeitarbeitsverträge aufgrund beiderseitiger Tarifbindung in aller Regel nicht. Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber die Möglichkeit der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf die abweichenden Tarifverträge geschaffen. Nach §§ 3 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3, 9 Nr. 2 HS. 3 AÜG "können im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren". Die arbeitsvertragliche Verweisungsklausel ist dabei in einem ersten Schritt auszulegen. Auszulegen ist das Tarifwerk als Objekt der Bezugnahme, was sich insbesondere bei mehrgliedrigen Tarifverträgen als schwierig erweisen kann. Sodann ist die Bezugnahmeklausel ihrerseits auszulegen. Nach dem Regelungszweck ist dabei die Bezugnahme im Sinne eines Verweises auf den mehrgliedrigen Tarifvertrag als Einheit zu verstehen (Stoffels/Bieder RdA 2012, 27,31). Das führt dazu, dass auf der arbeitsvertraglichen Ebene die von den Tarifparteien bewusst gewählte Selbständigkeit der Einzeltarife nicht aufgehoben wird. b. Die Bezugnahmeklausel in § 2 des Arbeitsvertrages ist ferner unabhängig von der Branchenzugehörigkeit des jeweiligen Ver- oder Entleihers im Sinne einer dynamischen Verweisung auf das in der Urkunde niedergelegte einheitliche Tarifwerk der Tarifgemeinschaft auszulegen. Ein arbeitsvertraglicher Verweis auf den mehrgliedrigen Tarifvertrag einer Tarifgemeinschaft bedeutet wegen der Einheitlichkeit des Tariftextes in aller Regel, dass es für die Auslegung der Bezugnahmeklausel auf die Auswahl des konkret anwendbaren Tarifvertrages nicht ankommen soll. Unabhängig von der Tarifzuständigkeit der Gewerkschaften sowie der Branchenzugehörigkeit von Verleiher oder Entleiher, soll die in Bezug genommene Vertragsurkunde des mehrgliedrigen Tarifvertrages anwendbar (nach Stoffel/Bieder RDA 2012, 27,30 gegen ArbG Lübeck vom 15.03.2011) sein. Dies entspricht dem Willen der vertragschließenden Parteien und ist angesichts der Gepflogenheiten in der Zeitarbeitsbranche die einzig praktikable Lösung (die von Rieble a.a.O., 2179 f. geäußerten tarifrechtlichen Bedenken gelten für die arbeitsvertragliche Bezugnahme so nicht). Aus diesem Grund ist der vorliegende in Bezug genommene Tarifvertragstyp mit der Bezeichnung "mehrgliedrig-einheitlich" (der Begriff stammt von Rieble a.a.O., 2178) zutreffend charakterisiert. c. Die arbeitsvertragliche Bezugnahme in § 2 des vorliegenden Arbeitsvertrages auf die inhaltsidentischen Tarifverträge der Tarifgemeinschaft Zeitarbeit DGB-BZA verstößt nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs.1 S.2 BGB. Herzstück der auf die Auslegung folgenden Inhaltskontrolle arbeitsvertraglicher Bezugnahmen bildet das Transparenzgebot, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGBkann sich eine unangemessene Benachteiligung daraus ergeben, dass eine Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Das Transparenzgebot schließt dabei das Bestimmtheitsgebot mit ein (BAG, 31.08.2005 - 5 AZR 545/04- AP Nr. 8 zu § 6 ArbZG). Die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen müssen in der Klausel so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Die Klausel muss deshalb, im Rahmen des rechtlichen und tatsächlichen Zumutbaren die Rechte und Pflichten des Vertragspartners so klar und präzise wie möglich beschreiben. Sie darf keine vermeidbaren Unklarheiten und Spielräume enthalten, wobei ein Verstoß gegen das Transparenzgebot nicht schon allein deshalb vorliegt, weil der Arbeitnehmer keine oder nur erschwerte Möglichkeiten hat, die betreffende Regelung zu verstehen. Erst in der Gefahr, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders wegen unklar abgefasster allgemeiner Vertragsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB(vgl. BAG, 18.05.2011 - 10 AZR 206/10- NZA 2011, 1289- 1292). Dabei ist bei der Bewertung und Beurteilung der Transparenz auf die Erwartungen und Erkenntnisse eines durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abzustellen. In Bezug auf mehrgliederige Tarifverträge wird im Schrifttum die Transparenz einer entsprechenden Klausel deshalb bejaht (arg. § 2 Abs. 1 Nr. 10 und Abs. 3 NachwG nach Wolf/Damman AGB-Recht, 5. Aufl. 2009 Rn. 106; Clemenz/Brühler AGB-Arbeitsrecht, 2013, § 307 Rn. 156; weitere Nachweise bei Stoffels/Bieder RdA 2012 27, 33, Fn. 67 ff.), weil zwar auf den ersten Blick mehrere Tarifverträge nebeneinander stehen, der jeweils anwendbare Tarifvertrag aber ohne weiteres bestimmbar ist. Dies steht bei jeweils inhaltsidentischen Tarifverträgen - wie hier - generell außer Frage (nach Clemenz/Brühler a.a.O., Rn. 156; Bayreuther NZA 2012, 14,17; Wolf/Damman a.a.O., Rn. 105; Stoffels/Bieder a.a.O., 27,33). Soweit Bezugnahmeklauseln in der Rechtsprechung als intransparent angesehen wurden (siehe etwa LAG Rheinland-Pfalz 01.06.2012 - 9 Sa 24/12 einerseits und LAG Niedersachsen 19.04.2012 - 5 Sa 1607/11), hat dies CGZP-Verweisung betroffen und dürfte den konkreten Formulierungen geschuldet gewesen sein. Die von der Klägerin ins Feld geführten hypothetisch möglichen Schwierigkeiten bei der Bestimmung der tarifrechtlichen Lage (durch künftiges Auseinanderentwickeln des Tarifwerks etwa infolge der Kündigung eines Tarifvertrages oder dem Hinzutreten bzw. Wegfall einer Tarifvertragspartei) werden bei einheitlich - mehrgliedrigen Tarifverträgen in aller Regel wegen der schuldrechtlichen Bindungen der BGB-Gesellschaft nicht eintreten. Sollte sich der Fall gleichwohl ergeben, bleiben die anwendbaren Tarifverträge bestimmbar, wobei wegen der Einzelheiten auf die Ausführungen bei Stoffels/Bieder BB 2012, 27, 34 ff. verwiesen wird. 4. Das Verfahren war nicht nach § 97 Abs. 5 S. 1 ArbGG auszusetzen. Der prozessuale Anspruch der Klägerin ist nach den vorstehenden Ausführungen deshalb nicht gegeben, weil die auf das vorliegende Leiharbeitsverhältnis anzuwenden Tarifverträge von den §§ 3 Abs. 1 Nr. 3, 9 Nr. 2 AÜG abweichende Regelungen treffen, so dass die Beklagte der Klägerin nach § 10 Abs. 4 S. 2 AÜG lediglich die nach diesen Tarifverträgen geschuldeten Arbeitsbedingungen gewähren musste und Differenzlohnansprüche nach equal-pay/treatment nicht zustehen. Damit scheint der Ausgang des Rechtsstreits allein von der Geltung einer bestimmten Kollektivvereinbarung (hier konkret: Manteltarifvertrag, Entgeltrahmentarifvertrag und Entgelttarifverträge BZA - NGG vom 22.7.2003 geändert durch Änderungstarifverträge vom 22.12.2004, 30.5.2006 und 9.3.2010) als Tarifvertrag abzuhängen. Gleichwohl darf die Aussetzung des Verfahrens nur erfolgen, wenn zumindest eine der in § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG genannten Eigenschaften streitig ist. Allerdings ist der Ausgangsrechtsstreit nicht schon dann auszusetzen, wenn die Tariffähigkeit und Tarifzuständigkeit einer Vereinigung nur von einer Partei ohne Angabe von nachvollziehbaren Gründen infrage gestellt wird. Vielmehr müssen sich vernünftige Zweifel ergeben und im Arbeitsleben geäußerte Vorbehalte erkennbar sein. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Nach den Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts im Beschluss vom 19.12.2012 - 1 AZB 72/12 ist vorliegend in Bezug auf die Mitgliedsgewerkschaften der DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit nicht ersichtlich, dass an deren Tariffähigkeit oder Tarifzuständigkeit vernünftige Zweifel bestehen. Damit kommt eine Aussetzung nicht in Betracht. 5. Da die Berufung der Beklagten Erfolg hatte, hat die Klägerin die Kosten des Rechtstreits zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO. Die Zulassung der Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung veranlasst, § 72 Abs. 2 Nr.1 ArbGG. Dr. Kramer N. S. Hinweise: Verkündet am 04.06.2013

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr