Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

13.03.2007 · IWW-Abrufnummer 070906

Bundesgerichtshof: Urteil vom 19.12.2006 – XI ZR 113/06

Ein Darlehensgeber hat auch dann ein Rechtsschutzinteresse an einer Klage auf Darlehensrückzahlung, wenn der Darlehensnehmer in einer notariellen Urkunde eine Grundschuld bestellt, die persönliche Haftung für die Zahlung des Grundschuldbetrages übernommen und sich insoweit der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen unterworfen hat.


BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

XI ZR 113/06

Verkündet am:
19. Dezember 2006

in dem Rechtsstreit

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 19. Dezember 2006 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe, den Richter Dr. Joeres, die Richterin Mayen und die Richter Dr. Ellenberger und Prof. Dr. Schmitt

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des Einzelrichters des 13. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 15. März 2006 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die klagende Bank nimmt den Beklagten auf Rückzahlung eines Darlehens in Anspruch.

Die Klägerin gewährte dem Beklagten, einem Arzt, und seiner Ehefrau durch Vertrag vom 19./23. März 1999 zur Baufinanzierung ein Annuitäten- und ein Vorausdarlehen in Höhe von 286.000 DM bzw. 110.000 DM zu bis zum 31. März 2009 festgeschriebenen effektiven Jahreszinsen von 5,557% bzw. 5,553%. Zur Sicherung der Ansprüche der Klägerin aus beiden Darlehen bestellten der Beklagte und seine Ehefrau in notariellen Urkunden vom 17. März 1999 an zwei Eigentumswohnungen Grundschulden in Höhe von 228.000 DM und 168.000 DM, jeweils zuzüglich Zinsen in Höhe von 15% und einer Nebenleistung von 5%. Sie unterwarfen sich wegen des Grundschuldbetrages, der Zinsen und der Nebenleistung der sofortigen Zwangsvollstreckung in den belasteten Grundbesitz. Ferner übernahmen sie die persönliche Haftung für die Zahlung der Grundschuldbeträge, der Zinsen und der Nebenleistungen und unterwarfen sich insoweit der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen.

Nachdem der Beklagte mit seinen Zins- und Tilgungsleistungen in Rückstand geraten war, kündigte die Klägerin das Kreditverhältnis am 3. August 2001 und bezifferte ihre Gesamtforderung auf 403.495,66 DM (Annuitätendarlehen: 287.197,28 DM; Vorausdarlehen: 110.000 DM; Vorfälligkeitsentgelt: 6.298,38 DM). Da der Beklagte dem Vorschlag der Klägerin, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten, nicht nachkam, hat diese im Dezember 2004 wegen eines Teilbetrages in Höhe von 100.000 ¤ nebst Zinsen aus dem Annuitätendarlehen den Erlass eines Mahnbescheides beantragt. Im streitigen Verfahren hat sie diesen Anspruch in Höhe von 50.000 ¤ nebst Zinsen weiterverfolgt. Der Beklagte hat in erster Instanz diese Forderung der Höhe nach bestritten.

Die Klage hatte in den Vorinstanzen im Wesentlichen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist unbegründet.

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Die Klage sei zulässig. Das Rechtsschutzinteresse der Klägerin, das im Berufungsverfahren allein noch streitig sei, bestehe. Die Klägerin besitze zwar bereits einen Vollstreckungstitel, habe aber einen verständigen Grund für die Klageerhebung dargelegt. Der vorliegende Vollstreckungstitel, die persönliche Unterwerfungserklärung des Beklagten im Sinne des § 794 ZPO, betreffe nicht den streitgegenständlichen erstrangigen Teil der Forderung auf Rückzahlung des Annuitätendarlehens, sondern das abstrakte Schuldversprechen. Der daraus resultierende Anspruch verjähre gemäß § 197 Abs. 1 Nr. 4 BGB n.F. in 30 Jahren, der Darlehensrückzahlungsanspruch hingegen gemäß § 195 BGB n.F. schon nach drei Jahren. Die Befürchtung der Klägerin, die Rechtsprechung könne, anders als das Berufungsgericht selbst, nach Eintritt der Verjährung des Darlehensrückzahlungsanspruches das abstrakte Schuldversprechen als kondizierbar ansehen, sei nicht völlig grundlos. Da der Beklagte nicht auf die Einrede der Verjährung verzichtet habe, bestehe die Möglichkeit, dass er versuchen werde, das Anerkenntnis herauszuverlangen.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung stand.

1. Das Berufungsgericht hat die Klage rechtsfehlerfrei als zulässig angesehen.

a) Leistungsklagen, mit denen fällige Ansprüche verfolgt werden, sind grundsätzlich ohne Darlegung eines besonderen Interesses an einem Urteil zulässig. Nur wenn das Rechtsschutzbedürfnis ausnahmsweise aus besonderen Gründen fehlt, ist eine solche Klage als unzulässig abzuweisen (Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht 16. Aufl. § 89 IV 1 Rdn. 29 f.). Dies kann der Fall sein, wenn der Kläger bereits einen vollstreckbaren Titel über die Klageforderung besitzt und daraus unschwer die Zwangsvollstreckung betreiben kann. Allerdings ist dem Gläubiger trotz eines Vollstreckungstitels die Erhebung der Klage nicht verwehrt, wenn er hierfür einen verständigen Grund hat. Verfügt er über einen nicht der Rechtskraft fähigen Vollstreckungstitel, ist sein Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage bei Vorliegen eines besonderen Interesses zu bejahen, das etwa gegeben ist, wenn mit einer Vollstreckungsgegenklage des Schuldners zu rechnen ist (BGHZ 98, 127, 128 und Urteil vom 7. Dezember 1988 - IVb ZR 49/88, NJW-RR 1989, 318, 319; jeweils m.w.Nachw.). Selbst ein rechtskräftig festgestellter Anspruch kann erneut eingeklagt werden, wenn dies der einzige Weg ist, um der drohenden Verjährung zu begegnen (BGHZ 93, 287, 289; Zöller/Greger, ZPO 26. Aufl. vor § 253 Rdn. 18 a; jeweils m.w.Nachw.).

b) Nach diesen Grundsätzen ist ein Rechtsschutzbedürfnis zu bejahen.

aa) Die Klägerin besitzt schon gar keinen Vollstreckungstitel für die streitgegenständliche Forderung gemäß § 607 Abs. 1 BGB a.F. auf Rückzahlung des Annuitätendarlehens. Die Vollstreckungstitel gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO, die notariellen Urkunden vom 17. März 1999, in denen sich der Beklagte der Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen unterworfen hat, betreffen die persönliche Haftungsübernahme, d.h. die Ansprüche gemäß § 780 BGB aufgrund abstrakter Schuldversprechen. Die Ansprüche gemäß § 607 Abs. 1 BGB a.F. und gemäß § 780 BGB unterscheiden sich nach Entstehungsgrund, Inhalt und Rechtswirkung.

bb) Das Rechtsschutzbedürfnis kann entgegen der Auffassung der Revision nicht mit der Begründung verneint werden, die Ansprüche aus dem Darlehen und aus den abstrakten Schuldversprechen seien bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise identisch.

(1) Ein notariell beurkundetes abstraktes Schuldversprechen in Verbindung mit einer Vollstreckungsunterwerfung stellt neben der Grundschuld eine zusätzliche Sicherheit dar und eröffnet den Vollstreckungszugriff auf das gesamte Vermögen des Schuldners (vgl. Senat, Urteile vom 2. Oktober 1990 - XI ZR 306/89, WM 1990, 1927, 1929 und vom 28. März 2000 - XI ZR 184/99, WM 2000, 1058, 1059). Der Gläubiger hat ein berechtigtes Interesse daran, seine durch die Begründung von zwei schuldrechtlichen Ansprüchen gestärkte Rechtsposition zu bewahren und zu diesem Zweck der Verjährung eines seiner beiden Ansprüche, nämlich des Anspruchs auf Darlehensrückzahlung, durch Klageerhebung zu begegnen.

(2) Hinzu kommt, dass die Verjährung des Anspruchs aus dem Darlehensvertrag gemäß § 195 BGB n.F., Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB auch die von ihm abhängenden Nebenleistungen erfasst (§ 217 BGB n.F., § 224 BGB a.F.). Mit dem Anspruch gemäß § 607 Abs. 1 BGB a.F. verjährt insbesondere auch ein etwaiger Schadensersatzanspruch wegen Verzuges (BGHZ 128, 74, 77). Der Gläubiger eines Anspruchs auf Darlehensrückzahlung hat deshalb, ungeachtet seiner Sicherung durch ein notariell beurkundetes abstraktes Schuldversprechen, ein berechtigtes Interesse daran, durch die Erhebung einer Klage auf Darlehensrückzahlung der Verjährung eines etwaigen Anspruchs auf Ersatz des Verzugsschadens zu begegnen. Dem steht nicht entgegen, dass die Verjährung auch durch die klageweise Geltendmachung dieses Anspruchs selbst gehemmt werden kann (BGHZ 128, 74, 81 ff.). Der Anspruch auf Ersatz des Verzugsschadens verjährt nämlich selbst dann mit dem Hauptanspruch, wenn der Verzugsschaden erst nach Ablauf der Verjährungsfrist beziffert werden kann (OLG Köln NJW 1994, 2160; MünchKommBGB/Grothe 5. Aufl. § 224 Rdn. 2; Palandt/Heinrichs BGB 66. Aufl. § 217 Rdn. 1). Der Gläubiger muss sich nicht auf die in diesem Fall allein mögliche Feststellungsklage verweisen lassen.

cc) Entgegen der Ansicht der Revision kann auch keine Rede davon sein, die Klägerin habe keinen verständigen Grund zur Erhebung der Klage auf Rückzahlung des Darlehens. Die Klägerin hat keine hinreichende Sicherheit dafür, nach Verjährung dieses Anspruches den Anspruch gemäß § 780 BGB aus dem abstrakten Schuldversprechen noch durchsetzen zu können. Die Frage, ob der Schuldner nach Verjährung des gesicherten Anspruchs gemäß § 812 Abs. 2 BGB die Herausgabe des als Sicherheit dienenden Schuldversprechens verlangen kann oder ob dem § 216 Abs. 2 Satz 1 BGB entgegensteht (vgl. hierzu Hohmann WM 2004, 757, 763 f.; Cartano/Edelmann WM 2004, 775, 779), ist in Rechtsprechung und Literatur nicht hinreichend geklärt.

dd) Auf die - nach Verjährung der gesicherten Forderung fortbestehende (vgl. Staudinger/Peters, BGB Neubearb. 2004 § 216 Rdn. 2) - Möglichkeit, aus der Grundschuld zu vollstrecken, kann die Klägerin schon wegen der ungewissen Werthaltigkeit des belasteten Grundbesitzes nicht verwiesen werden.

ee) Der Beklagte kann dem Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin nicht entgegenhalten, die Titulierung der Darlehensforderung neben der bereits titulierten Forderung aus dem abstrakten Schuldversprechen begründe für ihn die Gefahr doppelter Inanspruchnahme. Dem steht der Sicherungszweck des abstrakten Schuldversprechens entgegen, der gegebenenfalls mit einer Vollstreckungsabwehrklage geltend gemacht werden kann.

2. Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei und von der Revision unangegriffen auch von der Begründetheit der Klage, die der Beklagte im Berufungsverfahren nicht mehr bestritten hat, ausgegangen.

III.

Die Revision war demnach als unbegründet zurückzuweisen.

RechtsgebieteBGB, ZPOVorschriftenBGB § 488 ZPO § 253 ZPO § 794 Abs. 1 Nr. 5

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr