· Fachbeitrag · Teammanagement
Fehlzeiten-Report 2023: Steigende ‒ besonders psychisch assoziierte - Fehlzeiten am Arbeitsplatz
| Fehlzeiten am Arbeitsplatz steigen stetig an, insbesondere bedingt durch psychische Erkrankungen. Das geht aus dem jährlich erscheinenden Fehlzeiten-Report 2023 des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) hervor. Die repräsentative Befragung des WIdO unter AOK-Versicherten, die den Fehlzeiten-Report begleitet, zeigt das Ausmaß von vorherrschenden psychischen Beschwerden am Arbeitsplatz wie Erschöpfung, Wut oder Lustlosigkeit. Im Vergleich mit den Befragungsdaten aus den Jahren 2020 bis 2022 wird deutlich, dass die Werte über den Verlauf der COVID-19-Pandemie gestiegen sind und, abgesehen von der Hochphase der Pandemie, weiterhin über dem Vor-Corona-Niveau liegen ‒ trotz wieder leicht sinkender Werte 2023. |
Trend setzt sich bereits über Jahre hin fort
Der Zehnjahresvergleich verdeutlicht den Langzeiteffekt dieser Entwicklung. So hat sich die Anzahl der Fehlzeiten am Arbeitsplatz aufgrund psychischer Beschwerden von 2012 bis 2022 um 48 % erhöht ‒ deutlich überdurchschnittlich im Vergleich zu anderen Erkrankungsgruppen (+35 %). Zumal von den übrigen Erkrankungsgruppen ein Großteil auf die Höchststände der Atemwegserkrankungen im Zuge der Coronapandemie im Jahr 2022 zurückzuführen sind.
Hauptfaktor ist der Zeitraum psychisch bedingter Fehlzeiten
Entscheidend ist in Bezug auf die psychisch bedingten Fehlzeiten nicht die Fallzahl, sondern der besonders lange Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit (AU), der mit einer psychischen Erkrankung einhergeht. Durchschnittlich waren damit im Jahr 2022 rund 29,6 Fehltage je Fall verbunden ‒ mehr als das Vierfache im Vergleich zu Atemwegserkrankungen, die 7,1 Fehltage je Fall verursachten. Alle Erkrankungsgruppen betrachtet, liegt der Durchschnitt bei 11,3 Tagen je Fall.
Berufsgruppen, die in besonderem Maße Fehlzeiten aufgrund psychischer Erkrankungen aufweisen, sind allen voran mit 14 % aller beruflichen Fehltage Berufe im Gesundheits- und Sozialwesen, gefolgt von der öffentlichen Verwaltung bzw. Sozialversicherung und gleichauf den Banken bzw. Versicherungen mit 13 % der Fehltage (siehe auch News vom 13.10.2023). Über alle Branchen hinweg liegt der Durchschnitt bei 10 %.
Handlungsbedarf insbesondere seit pandemiebedingten Veränderungen
Die COVID-19-Pandemie und deren Auswirkungen haben den bereits seit Jahren bestehenden Trend hin zu einer zunehmenden Gefährdung der mentalen Gesundheit am Arbeitsplatz weiter verstärkt. Die verbreitete Einführung von Homeoffice und mobiler Arbeit ruft die Notwendigkeit von Maßnahmen zur Stärkung der mentalen Gesundheit der Beschäftigten immer dringlicher auf den Plan. Denn neben den positiven Effekten, die diese zeitgemäßen Arbeitsformen mit sich bringen wie ein höheres Maß an Flexibilität und Arbeitszufriedenheit, sind auch negative Auswirkungen wie eine Entgrenzung der Arbeit und soziale Isolation zu verzeichnen ‒ eine Verantwortung, der sich verantwortliche Führungskräfte bewusst werden sollten.
WIdO-Befragung nimmt Herausforderungen der Zeit genauer unter die Lupe
Die begleitende WIdO-Befragung nimmt sich unter dem Titel „Zeitenwende ‒ Arbeit gesund gestalten“ diesem Schwerpunkt an. Nahezu die Hälfte der Befragten (47 %) nehmen aktuell starke Veränderungen in ihrer Arbeitsumgebung wahr, die auf die Coronapandemie sowie den technologischen Fortschritt zurückgeführt werden. Während 35 % der Befragten in Bezug auf die gesamtgesellschaftliche Situation eine ausgeprägte Zukunftsangst verspüren, zeigen trotz der aktuell multiplen Krisen lediglich 8 % arbeitgeberbezogene Zukunftsängste ‒ 45 % bescheinigen ihrem Arbeitgeber sogar eine ausgeprägte Zukunftsfähigkeit. In Bezug auf arbeitsbezogene Fehlzeiten ist dies deshalb erfreulich, weil Unternehmen und Organisationen, die von ihren Mitarbeitenden als zukunftsfähig bewertet werden, statistisch gesündere Beschäftigte und weniger berufliche Fehlzeiten aufweisen (11,6 vs. 16,2 Fehltage pro Jahr). Zudem berichten Beschäftigte, die ihren Arbeitgeber als weniger zukunftsfähig bewerten, häufiger über gesundheitliche Beschwerden und damit verbundene Fehltage sowie gehen öfter krank zur Arbeit.
COVID verursacht Rekordwert bei den Fehlzeiten
Im Jahr 2022 ist ein historischer Höchststand bei beruflichen Fehlzeiten zu verzeichnen, mit durchschnittlich 216,6 AU-Fällen je 100 erwerbstätige AOK-Mitglieder. Dies stellt einen Anstieg um mehr als 30 % im Vergleich zu den Jahren 2012 bis 2021 dar, der hauptsächlich durch Atemwegserkrankungen verursacht wurde ‒ 2022 schlugen diese mit 86,5 AU-Fällen je 100 Mitglieder zu Buche, im Vorjahr waren es 36,3 Fälle. Die AU-Quote stieg von 5,4 % in den Jahren 2020 und 2021 auf 6,7 % im Jahr 2022. In der ersten Jahreshälfte 2023 wurden ähnlich hohe Werte verzeichnet, die ab April jedoch saisonbedingt wieder zu sinken begannen.
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Wie sich die Fehlzeiten im weiteren Jahresverlauf 2023 entwickeln werden, bleibt insbesondere vor dem Hintergrund steigender COVID-19-Infektionen und der saisonal bedingten Hochphase von Atemwegserkrankungen abzuwarten und wird sich im Fehlzeiten-Report 2024 zeigen. Der jährlich durchgeführte Fehlzeiten-Report wird seit 1998 vom WIdO in Zusammenarbeit mit der Universität Bielefeld und der Berliner Hochschule für Technik herausgegeben. Besonderheit des diesjährigen Reports ist eine Fülle von Expertenbeiträgen aus diversen Fachdisziplinen, die wissenschaftliche Erkenntnisse zum Kontext von Zeitenwende, Arbeit und Gesundheit aufzeigen. |
Quelle
- WIdO ‒ Fehlzeiten-Report 2023: Anhaltend hohe arbeitsbezogene Beschwerden und stetig steigende Fehlzeiten aufgrund psychischer Erkrankungen