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06.03.2008 · IWW-Abrufnummer 080182

Sozialgericht Würzburg: Urteil vom 29.11.2007 – S 2 KR 248/02

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Sozialgericht Würzburg

S 2 KR 248/02

I. Die Bescheide vom 31.08.2001 und 16.10.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.08.2002 werden aufgehoben.
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte im Zeitraum vom 20.07.2001 bis 23.01.2003 die zuständige Krankenkasse des Klägers war.
III. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten Krankenversicherungsschutz im Zeitraum vom 20.07.2001 bis 23.01.2003.

Der 1954 geborene Kläger war bis Mitte 1999 bei der Beigeladenen gesetzlich versichert. Anschließend war er bis 19.07.2001 nicht mehr versichert. Am 20.07.2001 begann der Kläger eine Tätigkeit als Angestellter bei der Firma Auto-F. Zum Arbeitsbeginn teilte er seinem Arbeitgeber mit, dass er bei der Beklagten versichert sein wolle, worauf der Arbeitgeber den Kläger bei der Beklagten mit Schreiben vom 28.07.2001, Eingang bei der Beklagten am 30.07.2001, anmeldete.

Am 27.07.2001 erlitt der Kläger einen schweren Flugunfall, infolgedessen er zunächst im Koma lag, stationär behandelt werden musste und deshalb Krankenversicherungsleistungen anfielen.

Mit Schreiben vom 31.08.2001 teilte die Beklagte mit, die Zuständigkeit der Beigeladenen sei gegeben. Nach § 175 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünf (SGB V) sei die Ausübung des Wahlrechts gegenüber der gewählten Krankenkasse zu erklären. Dies sei nicht geschehen. Eine Erklärung gegenüber dem Arbeitgeber stelle keine Wahlrechtserklärung dar und begründe keine Kassenzuständigkeit. Auch durch die arbeitgeberseitige Anmeldung werde das Wahlrecht nicht ausgeübt. Nach § 175 Abs. 3 Satz 2 SGB V sei die zuständige Krankenkasse die Kasse, bei der zuletzt eine Mitgliedschaft bestanden habe, wenn kein Wahlrecht ausgeübt werde. Die Beigeladene habe Mitgliedszeiten für den Zeitraum vom 01.01.1999 bis 15.08.1999 bestätigt und sei daher die zuständige Krankenkasse.

Dagegen erhob der Kläger am 07.09.2001 Widerspruch, da die Firma F. rechtskonform gehandelt habe und der Beklagten als einer nach § 173 SGB V für ihn wählbaren Krankenkasse angemeldet habe und dies ihr mitgeteilt habe. Damit habe er sein Wahlrecht gemäß § 175 Abs. 1 SGB V ausgeübt.

Mit Bescheid vom 16.10.2001 lehnte die Beklagte nach einer Anhörung vom 26.09.2001 es erneut ab, die Mitgliedschaft des Klägers anzuerkennen. Die Ausübung des Wahlrechts hätte gegenüber der Beklagten spätestens innerhalb von 14 Tagen nach Eintritt der Versicherungspflicht vom Kläger selbst erklärt werden müssen. Dies sei nachweislich nicht der Fall. Damit habe er keinen fristgerechten Antrag auf Mitgliedschaft bei der Beklagten gestellt. Aus diesen Gründen sei die Beigeladene Kraft Gesetzes die zuständige Krankenkasse.

Der Kläger legte daraufhin eine Bestätigung des Arbeitsgebers vom 21.01.2002 vor, worin bescheinigt wird, dass der Arbeitgeber auf Wunsch des Klägers ihn bei der Beklagten angemeldet habe.

Die Beigeladene erklärte gegenüber der Beklagten am 29.01.2002, dass die Beklagte die Mitgliedschaft des Klägers Kraft Gesetzes nicht habe ablehnen dürfen. Denn dem Kläger habe bei Arbeitgeberwechsel innerhalb von 14 Tagen nach Eintritt der Versicherungspflicht ein neues Wahlrecht zugestanden. Der Kläger habe seine Wahlentscheidung, Mitglied der Beklagten zu werden, bei Beschäftigungsbeginn gegenüber dem Arbeitgeber geäußert. Der Arbeitgeber habe die Anmeldung rechtzeitig gegenüber der Beklagten abgegeben. Als gewählte Krankenkasse sei die Beklagte deshalb für den Kläger zuständig.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.08.2002 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, weil eine Mitgliedschaft des Klägers bei ihr zum 20.07.2001 nicht zustande gekommen sei. Die Ausübung des Wahlrechts erfolge durch Erklärung des Versicherten gegenüber der gewählten Kasse. Die Krankenversicherungspflicht des Klägers habe mit Aufnahme der versicherungspflichtigen Beschäftigung am 20.07.2001 bestanden. Die für das Kassenwahlrecht maßgebliche Frist sei demgemäß am 02.08.2001 abgelaufen. Der Kläger habe innerhalb der genannten Frist das Wahlrecht zu Gunsten der Beklagten nicht rechtswirksam ausgeübt. Es sei lediglich eine Anmeldung des Arbeitgebers erfolgt. Eine Wahlrechtserklärung gegenüber dem Arbeitgeber begründe keine Krankenkassenzuständigkeit.

Bereits vor Erlass dieses Widerspruchsbescheides hatte der Kläger am 11.07.2002 beim Sozialgericht einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt und beantragt, die Beklagte zu verpflichten, ihn in die gesetzliche Krankenkasse aufzunehmen und die Kosten für die Krankenbehandlung zu übernehmen, die durch den Unfall vom 27.07.2001 entstanden seien, sowie Krankengeld ab dem 08.09.2001 zu zahlen (Az.: S 3 KR 176/02 ER). Nach Erklärung der Beklagten vom 25.07.2002, dass sie sich grundsätzlich bereit erkläre, als zuerst angegangener Leistungsträger vorläufig Leistungen nach § 43 SGB I zu erbringen, erklärte der Kläger am 26.07.2002 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung für erledigt.

Mit Schriftsatz vom 28.08.2002 (eingegangen am 30.08.2002) hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg erhoben. Er hat erneut vorgetragen, dass er sein Wahlrecht innerhalb der einzuhaltenden Frist von zwei Wochen gegenüber der Beklagten geltend gemacht habe. Die Ausübung des Wahlrechts sei an keine bestimmte Form gebunden. Er habe sein Wahlrecht auch über seinen Arbeitgeber ausüben dürfen.

Der Kläger stellt den Antrag:

1. Die Bescheide vom 31.08.2001 und 16.10.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.08.2002 werden aufgehoben.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte im Zeitraum vom 20.07.2001 bis 23.01.2003 die zuständige Krankenkasse des Klägers war.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beigeladene beantragt,

der Klage stattzugeben.

Die Kammer hat zum Verfahren die AOK B. - Die Gesundheitskasse, M., vertreten durch den Direktor der Direktion S., S., beigeladen, da die Entscheidung bezüglich der Kassenmitgliedschaft nur einheitlich ergehen kann (§ 75 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

Die Kammer hat zum Verfahren die Akte der Beklagten beigezogen.

Ergänzend zum Sachverhalt wird auf den Inhalt der Beklagtenakte, der Akte des Sozialgerichts Würzburg im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (S 3 KR 176/02 ER) sowie auf den Inhalt der Klageakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Klage ist zulässig. Sie ist auch begründet.

Die Beklagte ist verpflichtet, den Kläger im Zeitraum vom 20.07.2001 bis 23.01.2003 als pflichtversichertes Mitglied zu führen und ihm die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu erbringen.

Zwischen den Beteiligten unstreitig war der Kläger ab 20.07.2001 in der Krankenversicherung versicherungspflichtig als Angestellter bei der Firma Auto-F. gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V.

Für die Durchführung dieser Versicherung ist die Krankenkasse zuständig, die der Antragsteller wählt (§ 173 Abs. 1 SGB V). Die Ausübung des Wahlrechts ist gegenüber der gewählten Krankenkasse zu erklären, welche die Mitgliedschaft nicht ablehnen darf (§ 175 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB V).

Im Fall des Klägers war eine derartige Krankenkassenwahl zum 20.07.2001 unstreitig möglich.

Nach § 175 Abs. 3 SGB V in der Fassung vom 22.12.1999, gültig vom 01.01.2000 bis 31.12.2001, ist das Wahlrecht Versicherungspflichtiger spätestens zwei Wochen nach Eintritt der Versicherungspflicht auszuüben. Wird das Wahlrecht nicht ausgeübt, hat die zur Meldung verpflichtete Stelle den Versicherungspflichtigen ab Eintritt der Versicherungspflicht bei der Krankenkasse anzumelden, bei der zuletzt eine Versicherung bestand; bestand vor Eintritt der Versicherungspflicht keine Versicherung, hat die zur Meldung verpflichtete Stelle den Versicherungspflichtigen ab Eintritt der Versicherungspflicht bei einer nach § 173 wählbaren Krankenkasse anzumelden und den Versicherungspflichtigen unverzüglich über die gewählte Krankenkasse zu unterrichten. Für die Fälle, in denen das Wahlrecht nicht nach Absatz 1 Satz 1 ausgeübt wird und keine Meldung nach Satz 2 erfolgt, vereinbaren die Spitzenverbände der Orts-, Betriebs-, Innungs- und Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich Regeln über die Zuständigkeit.

Aus den Angaben des Klägers und des Arbeitgebers ergibt sich, dass der Kläger die Beklagte wählen wollte und der Kläger dies auch gegenüber seinem Arbeitgeber (Meldestelle) ausdrücklich erklärt hat. Diese Wahlentscheidung hat der Arbeitgeber des Klägers als Meldestelle an die Beklagte innerhalb der 2-Wochen-Frist am 28.07.2001 (Eingang bei der Beklagten am 30.07.2001) ausgeübt. Der Kläger ist deshalb auch davon ausgegangen, dass er bei der Beklagten versichert war, so dass für ihn kein Anlass bestand, sich zusätzlich unmittelbar bei der Beklagten anzumelden.

Die Wirksamkeit dieser Wahlentscheidung wird nicht dadurch beeinträchtigt, dass diese zunächst nicht gegenüber der Beklagten, sondern gegenüber dem Arbeitgeber als Meldestelle erklärt wurde. Die Wahl muss gegenüber der gewählten Krankenkasse nicht höchstpersönlich erklärt werden, sondern kann auch durch einen Stellvertreter erfolgen (Kasseler Kommentar - Peters § 175 Rdnr. 7). Es kann dahingestellt bleiben, ob der Arbeitgeber als Bote oder als Vertreter des Klägers dessen Wahlentscheidung an die Beklagte weitergegeben hat.

Nach § 16 Abs. 1 SGB I sind Anträge auf Sozialleistungen zwar beim zuständigen Leistungsträger zu stellen, sie werden jedoch auch von allen anderen Leistungsträgern entgegen genommen. Nach § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB I gilt dabei der Antrag als zu dem Zeitpunkt gestellt, in dem er bei den oben genannten Stellen eingegangen ist. Zwar ist der Arbeitgeber kein Leistungsträger im Sinne des SGB, da er jedoch vom Gesetzgeber als meldepflichtige Stelle eingesetzt wurde (§ 198 ff SGB V) wird der Arbeitgeber auch regelmäßig in der Praxis dazu beauftragt, die Wahlentscheidung des Arbeitnehmers an die zuständige Krankenkasse weiterzugeben. Diese Auffassung berücksichtigt auch die Rechtsprechung, die zu § 310 Abs. 1 Satz 3 Reichsversicherungsordnung (RVO) ergangen ist, wonach "der Beitritt durch schriftliche oder mündliche Anmeldung beim Vorstand oder der Meldestelle der Kasse" geschehen konnte. Die Kammer sieht keine Gesichtspunkte, weshalb im Hinblick auf § 175 Abs. 1 SGB V, wonach die Ausübung des Wahlrechts "gegenüber der gewählten Krankenkasse" zu erklären ist, etwas anderes gelten sollte. Insbesondere lässt sich aus § 175 Abs. 3 SGB V kein anderes Ergebnis herleiten.

Sinn und Zweck der Regelung des § 175 Abs. 3 SGB V ist, kurzfristig Klarheit über die für die Durchführung der Pflichtversicherung zuständige Krankenkasse herzustellen. Wenn der Versicherte innerhalb der zweiwöchigen Frist eine Krankenkasse gewählt hat, ist die gewählte Krankenkasse daran gebunden. Denn die Meldung hat nicht nur die Bedeutung, dass nur hierdurch der Beitritt zur gewählten Krankenkasse wirksam wird, sondern dient auch dazu, gegenüber der meldepflichtigen Stelle die vorgenommene Krankenkassenwahl möglichst frühzeitig zu erklären. Es reicht deshalb aus, wenn der Versicherte eine Wahl innerhalb der 2-Wochen-Frist unmittelbar gegenüber der meldepflichtigen Stelle vornimmt und diese die Wahlentscheidung des Versicherten an die gewählte Krankenkasse weiterleitet (vgl. Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 22.08.2005 - L 8 KR 113/05 ER -).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

RechtsgebietSGB VVorschriften§ 173, § 175 SGB V

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