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  • · Digitalisierung

    Zahnarztpraxis 4.0: Big Data, Big Science ‒und noch immer Big Skepsis?

    Bild: ©geralt - pixabay.com

    von Dr. Stefan Helka, Fachzahnarzt für Oralchirurgie, Leiter Implantatzentrum Herne, implantatzentrum-herne.com

    | Die Digitalisierung in der Dentalbranche beeinflusst weit mehr als nur die schnell wachsende Menge gesundheitsrelevanter Daten, die im Computer verarbeitet werden. Sie verändert z. B. auch die Kommunikation zwischen Zahnarzt und Patient sowie zahlreiche Diagnose- und Therapieverfahren. Dennoch verharren viele sonst so technikaffine Zahnmediziner in Warteposition. Die Gründe reichen von allgemeiner Unsicherheit bis hin zur Vermeidung hoher Einstiegs- und Aktualisierungskosten. Dabei bietet die Digitalisierung gerade für den niedergelassenen Zahnarzt große Vorteile. |

    Diagnose und Therapie können verbessert werden

    Besonders für die Diagnose und die Behandlungsplanung werden digitale Techniken vermehrt eingesetzt. Sie lösen viele herkömmliche zahnmedizinische Maßnahmen ab. So erfolgen bereits jetzt die Implantatplanung, die Entfernung von Weisheitszähnen oder die Kieferhöhlendiagnostik zum großen Teil computerunterstützt. Ein immer wichtigerer Therapieschritt ist die Bilddiagnostik durch die digitale Volumentomografie (DVT). Sie bietet dem behandelnden Zahnarzt deutlich detailliertere Informationen über Ausdehnung und Beschaffenheit von Zähnen und Kieferknochen als konventionelles Röntgen: So kann z. B. die Lage von Weisheitszähnen in Relation zum Unterkiefernerv oder die vorhandene Knochenmasse bei der Implantatplanung genau beurteilt und das operative Vorgehen entsprechend exakt realisiert werden.

    Arzt-Patienten-Kommunikation verändert sich

    Ein solcher Scan bietet neben hoher Präzision und effizienten Abläufen für den Zahnarzt auch für den Patienten zusätzlichen Komfort: Dieser bekommt via Computerbildschirm oder Tablet direkte Einblicke in die digitalen Befunde und kann besser nachvollziehen, wie die Behandlung im Einzelnen ablaufen wird. Überhaupt verändern die neuen technologischen Möglichkeiten die Arzt-Patienten-Kommunikation grundlegend. Und das von der anfänglichen Informationssuche im Internet über eine unproblematische Terminvereinbarung via SMS oder E-Mail bis hin zur gezielten Behandlungsvorbereitung.

    Vernetzung bietet Vorteile

    Neben dem offiziellen Internetauftritt gewinnen vor allem Social-Media-Kanäle an Bedeutung. Patienten können sich von der Praxis ein Bild machen oder besondere Aufklärung zu Behandlungsmöglichkeiten (z. B. in der Implantologie) sowie zu Alltagsproblemen einholen. Die relativ geringen Eintrittsbarrieren in den sozialen Netzwerken ermöglichen sogar Angstpatienten eine erste Kontaktaufnahme mit dem Zahnarzt, was die Hemmschwelle für einen Praxisbesuch senken kann. So werden teilweise Patienten ins System „Zahnmedizin“ zurückgeholt, die sonst nur im äußersten Notfall zum Zahnarzt gehen.

    Patienten können teilweise digital betreut werden

    Die Kommunikation im virtuellen Raum wird in Zukunft eine große Rolle einnehmen, sodass Praxen ihre Patienten vermehrt auch auf digitaler Ebene betreuen. Nach Social-Media-Kanälen ‒ allem voran aufklärende YouTube-Videos über das Erreichen und Erhalten gesunder Zähne ‒ könnte bald auch die virtuelle Sprechstunde (z. B. für die Nachsorge von Patienten) in der Zahnmedizin Realität werden. Natürlich schließt das den Praxisbesuch für eine genaue Befundung und anschließende individuell angepasste Therapie nicht aus. Doch v. a. neue Methoden, Materialien und Geräte sowie eine smarte Vernetzung machen eine kontinuierliche persönliche Weiterentwicklung und die Fähigkeit notwendig, sich an neue Anforderungen anzupassen.

    Die Grenzen verschieben sich

    Und dabei geht es nicht nur um die Nutzung moderner Technologien. Die Digitalisierung und ihre weitreichenden technischen, ethischen sowie regulatorischen Fragestellungen müssen selbst zum Thema werden. Denn die Grenzen der digitalen Zahnheilkunde verschieben sich mit dem jeweiligen Stand der Technik unaufhörlich. Kaum ein Gebiet entwickelt sich heutzutage schneller weiter als die Medizin bzw. die Zahnmedizin. Was vor kurzer Zeit noch unmöglich schien, gilt mittlerweile quer durch die Fachdisziplinen als selbstverständlich. Künftig werden Automatisierung und Algorithmisierung noch mehr Tätigkeiten betreffen als heute vielfach angenommen.

    Künstliche Intelligenz gewinnt an Bedeutung

    Bereits jetzt befinden sich zahlreiche neue Ansätze zur Diagnoseerstellung durch künstliche Intelligenz in der Erprobung. Im Idealfall entlasten diese neuen digitalen Technologien den Zahnarzt, um so mehr Zeit für das Wesentliche ‒ etwa die Kommunikation und die Behandlung ‒ zu schaffen. Daher gewinnt auch die „sprechende Medizin“ als zentrale Kompetenz zunehmend an Bedeutung. Der Patient mit seinen individuellen Bedürfnissen nimmt dabei eine aktive Rolle ein. Indem z. B. Apps zur Behandlungskontrolle genutzt werden, kann jeder Einzelne seinen persönlichen Gesundheitszustand überwachen und dokumentieren. Voraussetzung hierfür ist natürlich, dass technische Möglichkeiten auch sektorenübergreifend genutzt werden, um den Patienten mit dem behandelnden Arzt optimal zu vernetzen.

     

    FAZIT | Die digitale Revolution in der Zahnheilkunde ist längst in vollem Gang. Aktuell kommen die neuen Möglichkeiten nur nicht ausreichend bei Patienten an. Zwar existieren in Deutschland bereits technische Insellösungen. Diese werden jedoch v. a. im Hinblick auf rechtliche und ethische Aspekte kontrovers diskutiert. Es gilt, in der gesamten Dentalbranche das Bewusstsein für Herausforderungen und Chancen der Digitalisierung zu schärfen, um so den Weg von der analogen zur digitalen Praxis zu ebnen. Denn anders als andere Branchen hat die Zahnmedizin aktuell noch die Chance, ihre eigene Zukunft aktiv mitzugestalten.

     
    Quelle: ID 45967873