Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 29.07.2015 · IWW-Abrufnummer 145018

    Oberlandesgericht Koblenz: Urteil vom 19.03.2015 – 10 U 964/14

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Geschäftsnummer: 10 U 964/14
    6 O 289/13 LG Trier
    Verkündet am 19. März 2015

    OBERLANDESGERICHT KOBLENZ

    IM NAMEN DES VOLKES

    URTEIL

    in dem Rechtsstreit

    Beklagte und Berufungsklägerin,
    Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …
    g e g e n

    Kläger und Berufungsbeklagter,
    Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt …

    Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Janßen als Vorsitzende, die Richterin am Oberlandesgericht Schwager-Wenz und die Richterin am Oberlandesgericht Zeitler-Hetger

    auf die mündliche Verhandlung vom 27. Februar 2015

    für R e c h t erkannt:

    Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 5. August 2014 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Der Kläger hat die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch eine Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund des Urteils gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung eine Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

    G r ü n d e :

    I.

    Der Kläger nimmt die Beklagte auf Leistung aus einer bei dieser im Juni 2009 unter Einbezug der HA 0165 (Besondere Bedingungen für die Mitversicherung von Forderungsausfällen) geschlossenen Haftpflichtversicherung mit der Begründung in Anspruch, er sei bedingungsgemäß mit einer rechtskräftig titulierten Forderung in Höhe von 22.237,89 € ausgefallen. In dem Versäumnisurteil vom 11.9.2012 – 4 b C 264/12 – hat das Amtsgericht Bernkastel-Kues festgestellt, dass die Forderung auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung der Beklagten des vorgenannten Verfahrens beruhe.

    Die Beklagte hat die Leistung abgelehnt.

    Der Kläger hat vorgetragen,

    die Beklagte sei versicherungsvertraglich aufgrund der vereinbarten Ausfalldeckung zum Ersatz der von seinen Mietern vorsätzlich verursachten Schäden verpflichtet. Aus Ziffer 4 der HA 0165 könne nicht hergeleitet werden, dass vorsätzliche Handlungen Dritter zum Ausschluss des Versicherungsschutzes führten. Die Beklagte sei an das rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts Bernkastel-Kues vom 11.9.2012 gebunden.

    Der Kläger hat beantragt,

    1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 22.237,89 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 31. Oktober 2012 zu zahlen, Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche des Klägers aus dem Versäumnisurteil des Amtsgerichts Bernkastel-Kues vom 11. September 2012 – 4 b C 264/12 – in Höhe eines Betrages von 22.237,89 € sowie gegen Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigungen des Versäumnisurteils vom 11. September 2012 sowie des Zweiten Versäumnisurteils vom 3. Januar 2013 und sämtlicher Vollstreckungsunterlagen,

    2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme der in Ziffer 1 genannten Abtretung der Ansprüche des Klägers sowie der Annahme der vollstreckbaren Ausfertigungen des Versäumnisurteils vom 11. September 2012 und der Vollstreckungsunterlagen in Annahmeverzug befindet,

    3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 554,42 € zu zahlen.

    Die Beklagte hat beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Die Beklagte hat vorgetragen,

    die vereinbarte Ausfalldeckung schließe Vorsatztaten Dritter nicht ein. Der geltend gemachte Anspruch werde auch der Höhe nach bestritten. Darüber hinaus entfalte das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Bernkastel-Kues keine Bindungswirkung im vorliegenden Verfahren.

    Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß mit der Begründung verurteilt, mit dem eingetretenen Forderungsausfall sei der in Ziffer 1 HA 0165 geregelte Versicherungsfall bedingungsgemäß eingetreten. Dabei sei das Gericht an die im Versäumnisurteil des Amtsgerichts Bernkastel-Kues vom 11. September 2012 getroffenen Feststellungen gebunden, so dass das Bestreiten der Beklagten hinsichtlich des Umfangs sowie der Bezifferung des Sachschadens unerheblich sei. Der Ersatzpflicht der Beklagten stehe auch nicht entgegen, dass der Schadenersatzanspruch des Klägers auf einer von Dritten vorsätzlich begangenen Sachbeschädigung beruhe. Ziffer 4 der HA 0165 schließe den Versicherungsschutz nicht wegen der Vorsatztat der Schuldner aus. Bei der Haftpflichtversicherung und der Ausfalldeckung handele es sich um zwei verschiedene Versicherungsvertragsverhältnisse, die unabhängig voneinander zu betrachten seien. Es sei daher nicht zwingend und keine automatische Folge, dass die Versicherungsbedingungen der Haftpflichtversicherung auch im Rahmen der Forderungsausfallversicherung für den Dritten gelten. Die Versicherungsbedingungen der Haftpflichtversicherung des Klägers seien also nur insoweit auf das fiktive Versicherungsverhältnis der Beklagten zum Drittschädiger zu übertragen, wie dies im Versicherungsvertrag zwischen dem Kläger und der Beklagten deutlich und verständlich vereinbart sei.

    Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.

    Die Beklagte trägt vor,

    das Landgericht habe den Wortlaut der maßgebenden Vorschrift HA 0165 nicht vollumfänglich berücksichtigt, die zudem mit „Inhalt und Umfang des Versicherungsschutzes“ überschrieben sei. Die Auffassung, der Ausschluss des Versicherungsschutzes für Vorsatztat nach Ziffer 7.1 der AHB 2008 gelte für schädigende Handlungen Dritter im Rahmen der Forderungsausfallversicherung nicht, sei unzutreffend. Ziffer 4 der HA 0165 enthalte eine eindeutige Bezugnahme. Maßgeblich sei die Beurteilung, ob der Kläger, wenn er bei ansonsten identischen Sachverhalten der Schädiger wäre, über seinen Haftpflichtversicherungsvertrag von der Beklagten die Deckung der von ihm verursachten Fremdschäden verlangen könnte. Dies sei bei einer Vorsatztat des Schädigers nicht der Fall. Darüber hinaus sei das Landgericht rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Bernkastel-Kues entfalte im vorliegenden Verfahren Bindungswirkung.

    Die Beklagte beantragt,

    das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

    Der Kläger beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Sachvortrages.

    Wegen aller weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die in beiden Instanzen zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

    II.

    Die zulässige Berufung ist begründet.

    Der Kläger kann von der Beklagten aus § 1 VVG, Ziffer 1 HA 0165 (Besondere Bedingungen für die Mitversicherung von Forderungsausfällen) der Beklagten in Verbindung mit dem Versicherungsvertrag keinen Ausgleich der ihm gegen seine ehemaligen Mieter zustehenden Forderung verlangen. Sein Anspruch ist gemäß Ziffer 4 HA 0165 der Besonderen Bedingungen für die Mitversicherung von Forderungsausfällen vom Versicherungsschutz ausgeschlossen.

    Die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche des Klägers gegenüber der Beklagten bestehen aufgrund der Regelung der Ziffer 4 HA 0165 nicht. Entgegen der Auffassung des Klägers sind in der Forderungsausfallversicherung Ansprüche, denen eine vorsätzliche Schädigung durch Dritte zugrunde liegt, nicht versichert.

    Die maßgebliche Ziffer 4 HA 0165 lautet wie folgt:

    „Inhalt und Umfang des Versicherungsschutzes

    Mit der Ausfalldeckung werden Sie so gestellt, als ob der Schädiger Versicherungsschutz über eine eigene Privathaftpflichtversicherung genießen würde.

    Der Versicherungsschutz richtet sich nach den für Sie vereinbarten Versicherungssummen und versicherten Tatbeständen der in diesem Vertrag enthaltenen Privathaftpflichtversicherung.“

    Inhalt und Umfang des Versicherungsschutzes werden demnach durch die für den Haftpflichtversicherungsvertrag des Klägers bei der Beklagten geltenden Bestimmungen definiert. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer, der die Besonderen Bedingungen der Beklagten für die Mitversicherung von Forderungsausfällen aufmerksam liest und verständigt würdigt, kann der maßgeblichen Klausel entnehmen, dass damit der Versicherungsnehmer so gestellt wird, als würde der Schädiger Versicherungsschutz über eine eigene Privathaftpflichtversicherung genießen, wobei sich Inhalt und Umfang dieser (fiktiven) Privathaftpflichtversicherung des Schädigers sich nach den allgemeinen Haftpflichtversicherungsbedingungen (hier AHB 2008), die dem Versicherungsvertrag des Versicherungsnehmers mit dem Versicherer zugrunde liegen, richten.

    Der durchschnittliche Versicherungsnehmer kann der Klausel 4 HA 0165 entnehmen, dass seine Haftpflichtversicherung gehalten ist, Leistungen aus Forderungsausfällen zu erbringen, wenn die Versicherung dann, wenn er der Schädiger wäre, nach den zwischen ihm und der Versicherung vereinbarten Versicherungssummen und versicherten Tatbeständen der Privathaftpflichtversicherung die Deckung der von ihm verschuldeten Fremdschäden verlangen könnte. Inhalt und Umfang des (Forderungsausfall-)Versicherungsschutzes richten sich spiegelbildlich nach Inhalt und Versicherungsumfang der Allgemeinen Haftpflichtversicherungsbedingungen. Der Versicherungsumfang der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AHB 2008) HA 9005 ist in Ziffern 1 bis 7 unter der Überschrift „Der Versicherungsumfang“ beschrieben. Nach Ziffer 7.1 sind Versicherungsansprüche aller Personen, die den Schaden vorsätzlich herbeigeführt haben, vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Vorsätzlich herbeigeführte Schäden sind daher der allgemeinen Haftpflichtversicherung nicht vom Versicherungsumfang gedeckt bzw. gehören nicht zu den versicherten Tatbeständen. Die in Ziffer 4 HA 0165 angeordnete entsprechende Anwendung der Regelungen zum Inhalt und Umfang der Privathaftpflichtversicherung führt demzufolge in der Forderungsausfallversicherung dazu, dass diejenigen Schäden des Versicherungsnehmers vom Deckungsschutz ausgenommen sind, die der Dritte dem Versicherungsnehmer vorsätzlich zugefügt hat. Vorsätzlich herbeigeführte Schäden sind in der Forderungsausfallversicherung ebenso wie in der allgemeinen Haftpflichtversicherung im Deckungsumfang nicht mit eingeschlossen.

    Entgegen der Auffassung des Landgerichts handelt es sich bei der Haftpflichtversicherung und der streitgegenständlichen Ausfalldeckung nicht um zwei unabhängig voneinander zu betrachtende Versicherungsverhältnisse, sondern um einen Haftpflichtversicherungsvertrag, der gemäß der Besonderen Bedingungen für die Mitversicherung von Forderungsausfällen um eine Ausfalldeckung erweitert ist.

    Etwas anderes ergibt sich für den vorliegenden Fall auch nicht aus der Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm vom 26. Januar 2005 (20 U 170/04, VersR 2005, 1527). Dies gilt bereits deshalb, weil der Entscheidung andere Versicherungsbedingungen zugrunde lagen als die Versicherungsbedingungen, die Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits sind. Jedenfalls bei den hier zugrunde zu legenden Versicherungsbedingungen führt ein vorsätzliches Verhalten des Schädigers zum Ausschluss der Zahlungspflicht einer Forderungsausfall-Versicherung. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer kann der im vorliegenden Fall maßgeblichen Ziffer 4 HA 0165, in der unmissverständlich klar gestellt wird, dass der Versicherungsnehmer mit der Ausfalldeckung so gestellt wird, als ob der Schädiger Versicherungsschutz über eine eigene Privathaftpflichtversicherung genießen würde, wobei sich der (fiktive) Versicherungsschutz des Schädigers nach den für den Versicherungsnehmer vereinbarten Versicherungssummen und versicherten Tatbeständen der Privathaftpflichtversicherung des Versicherungsnehmers richtet, in der Zusammenschau der Versicherungsbedingungen unmissverständlich entnehmen, dass für Vorsatztaten des Schädigers kein Deckungsschutz in der Forderungsausfallversicherung besteht.

    Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche bereits dem Grunde nach nicht gegeben sind. Obwohl es deshalb hierauf nicht entscheidungserheblich ankommt, ist weiter darauf hinzuweisen, dass das Landgericht rechtsfehlerhaft davon ausgegangen ist, dass das zwischen dem Kläger und seinem Schädiger ergangene Versäumnisurteil des Amtsgerichts Bernkastel-Kues Bindungswirkung für die Beklagte habe, so dass deren Einwendungen gegen die Höhe des geltend gemachten Schadens unerheblich seien.

    Die vom Bundesgerichtshof für eine Bindungswirkung der Feststellungen im vorangegangenen Haftpflichtprozess zwischen dem Geschädigten und dem Versicherungsnehmer im nachfolgenden Deckungsprozess zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer geforderte Voraussetzungsidentität ist hier nicht gegeben (vgl. hierzu BGH VersR 2004, 590 f). Nur dann ist es aber gerechtfertigt, anzunehmen, eine Feststellung sei Grundlage für die Entscheidung im Haftpflichtprozess (BGH, a. a. O.). Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass bei der streitgegenständlichen Ausfalldeckung bereits keine Parallelität zwischen dem Haftungs- und dem Deckungsverhältnis vorliegt. Die Beklagte hatte hier weder tatsächlich noch rechtlich die Möglichkeit, unabhängig von der Frage, ob sie von dem Vorprozess Kenntnis hatte, auf diesen in irgendeiner Weise Einfluss zu nehmen. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass in einem Haftpflichtprozess das wesentliche Interesse des Haftpflichtversicherers darin liegt, seinen als Schädiger in Anspruch genommenen Versicherungsnehmer zu unterstützen. Demgegenüber wären bzw. sind die Interessen in der Forderungsausfallversicherung zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer, der seinerseits Ansprüche gegen einen Schädiger geltend macht, gegenläufig. Unabhängig davon, dass, wie bereits ausgeführt, eine Haftung bereits dem Grunde nach nicht besteht, würde das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Bernkastel-Kues für den geltend gemachten Anspruch aus einer Forderungsausfallversicherung auch keine Bindungswirkung entfalten.

    Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

    Die Revision wird nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.

    Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 22.237,89 € festgesetzt.