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  • · Fachbeitrag · Standgeld

    Alles Wissenswerte rund um das Standgeld

    | Eine Kfz-Werkstatt ist keine kostenlose Abstellfläche für beschädigte Fahrzeuge. Grund und Boden ist teuer und muss sich amortisieren. Jeder Parkplatzvermieter erzielt aus diesem Kapitaleinsatz Erträge. Das darf die Werkstatt auch. Eine Form der Amortisation ist das Standgeld, das der Werkstatt für die Zeit vor und nach der Reparatur zustehen kann. Erfahren Sie nachfolgend alles, was Sie zum Standgeld wissen müssen. |

    Wann kommt ein Standgeld in Betracht?

    Keine Rolle spielt das Thema „Standgeld“ für die Zeit, in der das Fahrzeug wegen der Reparatur in der Werkstatt steht. Dann ist es gerade Sinn der Werkstatttätigkeit, dass das Auto zur Bearbeitung dort ist.

     

    Beim Standgeld geht um die Zeiten, die

    • als Vorspann (Warten auf Entscheidungen, zum Beispiel auf eine Kostenübernahmebestätigung) und
    • als Nachspann (keine Herausgabe ohne Geld) einer Reparatur entstehen.

     

    Gleiches gilt für abgestellte Unfallfahrzeuge, bei denen es gar nicht zur Reparatur kommt, bis zu deren Verwertung. Und auch das gilt nur, solange die Werkstatt das zu verwertende Fahrzeug nicht selbst angekauft hat.

     

    „Freiwillig“ oder „zwangsweise“?

    Dabei sind zwei Fallgruppen zu unterscheiden:

     

    • 1.Das Fahrzeug steht einvernehmlich, also aufgrund einer (auch stillschweigenden) Vereinbarung zwischen der Werkstatt und dem Kunden dort.

     

    • 2.Das Fahrzeug steht zwangsweise dort, weil die Werkstatt es ohne vorherige Zahlung nicht herausgibt.

     

    Bei der Fallgruppe 1 sollte das Thema Standgeld mit dem Kunden besprochen werden. Dann muss hinterher kein Schweigen interpretiert werden. Ideal wäre ein schriftlicher Auftrag, dann gibt es gar keine Zweifel („Fahrzeug aufbewahren, x Euro täglich“).

     

    Werkunternehmerpfandrecht

    Bei der Fallgruppe 2 erübrigt sich eine Vereinbarung. Die wird wohl auch kaum zustandekommen, wenn der Kunde sein Fahrzeug gegen seinen Willen nicht bekommt. Aber da hilft das Gesetz.

     

    Gibt die Werkstatt das reparierte Fahrzeug mangels Bezahlung nicht heraus, weil sie von ihrem Werkunternehmerpfandrecht Gebrauch macht, kann sie vom Schuldner für die Aufbewahrung des Fahrzeugs Standgeld verlangen. Den Anspruch kann die Werkstatt nämlich auf § 304 BGB stützen, wie das LG Berlin herausgearbeitet hat (LG Berlin Urteil vom 27.11.2012, Az. 3 O 56/12; Abruf-Nr. 130524; eingesandt von Rechtsanwalt Marcus Gülpen, Berlin/Potsdam). Auch das AG Görlitz spricht das Standgeld in dieser Situation zu (Urteil vom 7.10.2013, Az. 4 C 18/13; Abruf-Nr. 133241; eingesandt von Rechtsanwältin Daniela Mielchen, Hamburg).

     

    Ersatz von Mehraufwendungen

    Der Schuldner kann im Falle des Verzugs des Gläubigers Ersatz der Mehraufwendungen verlangen, die er für das erfolglose Angebot sowie für die Aufbewahrung und Erhaltung des geschuldeten Gegenstands machen musste.

     

    Wie hoch darf das Standgeld sein?

    Für beide Fallgruppen liegen zur Höhe des täglichen Betrags mehrere Urteile vor. Diese differenzieren hinsichtlich der Aufbewahrung im Freien und in der Halle. Letzteres ist angebracht, wenn das Fahrzeug nicht mehr wetterdicht oder nicht mehr verschließbar oder beides ist.

     

    Die Urteile reichen

     

    PRAXISHINWEIS | Beträge in dieser Bandbreite sind rechtlich unproblematisch und sicher durchsetzbar. Eine Degression, also Wochen- oder Monatspreise ist - anders als bei Mietwagenkosten - nicht erforderlich. Bei Mietwagen wird die Degression mit dem sinkenden Aufwand begründet. Bei den Standkosten sinkt der Aufwand aber nicht.

     

    Wichtig | Das bisher Gesagte betrifft nur das Verhältnis der Werkstatt zum Kunden.

    Wann muss der Versicherer für das Standgeld einstehen?

    Eine andere Frage ist, wann und unter welchen Umständen der eintrittspflichtige Versicherer dafür aufkommen muss.

     

    • Für den Kaskoversicherer gilt im Grundsatz: Für solche Folgeschäden ist er nicht eintrittspflichtig. Nur, wenn er eindeutig in Verzug ist (aber das ist selten), kann ihm das Standgeld als Verzugsschaden angelastet werden.

     

    • Anders ist es beim Haftpflichtversicherer. Der ist von vornherein auch ohne Verzug für Folgeschäden verantwortlich. Allerdings kann es hier eine Warn- und Hinweispflicht des Geschädigten geben.

     

    Maßstab sind die Kosten einer anderen gewerblichen Abstellmöglichkeit

    Ein verunfalltes nicht mehr fahrfähiges Fahrzeug kann nicht einfach am Straßenrand abgestellt werden. Wenn es bei einer Werkstatt untergebracht wird und die dafür Standkosten berechnet, geht das in Ordnung. Schadenrechtlich erstattungsfähig sind die Kosten dann, wenn die Kosten die einer anderen gewerblichen Abstellmöglichkeit, etwa in einem öffentlichen Parkhaus, nicht übersteigen (BGH, Urteil vom 5.2.2013, Az. VI ZR 363/11; Abruf-Nr. 130595).

     

    Dass die Werkstatt gegenüber dem Kunden Standkosten berechnen darf, ist klar. Schadenrechtlich genügt dem BGH, dass sie es tut. Und dann dürfen der Geschädigte oder aus abgetretenem Recht die Werkstatt diese Schadenposition an den Versicherer weiterreichen.

     

    Einfach stehen lassen und „Nach mir die Sintflut“ oder warnen?

    Wann der Versicherer vor der Standgeldsituation gewarnt werden muss und wann nicht, hängt von den Umständen ab:

     

    • Alles, was „normal“ ist, bedarf keiner Warnung. Wenn also beim Totalschaden auf den Restwertkäufer gewartet wird, ist das Standgeld eine selbstverständliche Position. Das weiß der Versicherer, mindestens kann er es wissen. Vor dem Standgeld als solchem muss also nicht gewarnt werden.

     

    • Die Warnpflicht nach § 254 Abs. 2 BGB greift aber dann ein, wenn die Sache aus dem Ruder läuft, weil zum Beispiel mit der Reparatur erst begonnen werden kann, wenn die Zahlungszusage des Versicherers da ist oder wenn das Fahrzeug erst herausgegeben wird, wenn das Geld tatsächlich eingetroffen ist.

     

    Keine Pflicht zur Nutzung von Kredit oder Vollkaskoversicherung

    Beides setzt voraus, dass der Geschädigte zu einer Zahlung aus eigenen Haben-Mitteln nicht in der Lage ist. Könnte er aus eigenem Haben zahlen, darf er nicht einfach auf Kosten des Versicherers warten.

     

    Wichtig | Einen Kredit muss der Geschädigte zur Entlastung nicht aufnehmen und einsetzen (BGH, Urteil vom 6.3.2007, Az. VI ZR 36/06; Abruf-Nr. 071391). Ebenso wenig muss er zur Entlastung des gegnerischen Versicherers seine Vollkaskoversicherung in Anspruch nehmen (OLG Schleswig, Urteil vom 30.8.12, Az. 7 U 146/11; Abruf-Nr. 132194; OLG Dresden, Urteil vom 4.5.2012, Az. 1 U 1797/11; Abruf-Nr. 121908; OLG Düsseldorf, Urteil vom 5.7.2011, Az. I-1 U 220/10; Abruf-Nr. 112855; LG Bielefeld, Urteil vom 18.1.2012 , Az. 21 S 1161/11; Abruf-Nr. 130523).

     

    PRAXISHINWEIS | Ist der Geschädigte zur Vorleistung nicht in der Lage, muss ja wegen des Ausfallschadens, also der Nutzungsausfallentschädigung oder der

    Mietwagenkosten ohnehin gewarnt werden. Da muss das Wort „Standgeld“ nicht extra erwähnt werden, es genügt die Warnung vor dem sich erhöhenden Schaden. Jeder Euro, der den Schaden teurer macht, ist ein Grund für den Versicherer, sich zu sputen. Das hilft, eine beschleunigte Zahlung auszulösen.

     

    Warum muss überhaupt gewarnt werden?

    Die Warnpflicht aus § 254 Abs. 2 BGB hat den Sinn, dass der Versicherer zur Vermeidung erhöhter Kosten durch eine schnelle Zahlung reagieren kann. Eine unterlassene Warnung kann ausnahmsweise folgenlos bleiben, wenn nachgewiesen ist, dass der Versicherer auch bei einer erfolgten Warnung nicht schneller reagiert hätte. Zum Beispiel weil er mit oder ohne Warnung die Ermittlungsakte abwartet. Das ist aber sehr dünnes Eis.

     

    Warnung so früh wie möglich

    In einem vom AG Kulmbach entschiedenen Fall stand das Fahrzeug 30 Tage. Der Geschädigte wusste von vornherein, dass die Verwertung erst nach der Klärung mit der Bank erfolgen kann. Also muss sofort gewarnt werden mit einer kurzen Frist zur Zahlung. Die ersten Tage Standgeld muss der Versicherer dabei ohnehin erstatten, weil die Warnpflicht nur bei ungewöhnlicher Schadenerweiterung gilt. Ist die Frist dann ergebnislos verstrichen, geht der normale und ohnehin zu ersetzende Schaden nahtlos in den erhöhten und wegen erfolgter Warnung zu ersetzenden Schaden über. Warnt man hingegen erst, wenn sich eine Verzögerung bei der Versicherung abzeichnet, bleibt eine Lücke. Und die geht dann zulasten des Geschädigten (AG Kulmbach, Urteil vom 14.6.2012, Az. 70 C 580/11; Abruf-Nr. 122226).

     

    Ein Sonderfall aus Düsseldorf

    In einem Düsseldorfer Fall gab es sofort Streit um den Unfallhergang. Schon an der Unfallstelle hatten der beteiligte Lkw-Fahrer und dessen Beifahrer einen abweichenden Unfallhergang behauptet. Widerleglich war diese Behauptung nur mit den Spuren an den Fahrzeugen und mit deren Gegenüberstellung. Deshalb wurde schnellstmöglich ein Beweissicherungsverfahren eingeleitet. Bis zu dessen Durchführung musste der Schaden am Fahrzeug unverändert bleiben und wurde in der Werkstatt aufbewahrt. So kamen am Ende 80 Tage Ausfall zusammen.

     

    Der Anwalt der Geschädigten hatte die Versicherung des Lkw auf diese Sachlage am Tag nach dem Unfall hingewiesen und ihr sogar eine Kopie seines an das Gericht gerichteten Antrags geschickt. Die Versicherung hat darauf nicht reagiert. So wurde sie am Ende auch zur Zahlung des Standgeldes verurteilt. Das Gericht wies aber ausdrücklich darauf hin, dass das ein Sonderfall war (OLG Düsseldorf, Urteil vom 7.4.2008, Az. I-1 U 212/07; Abruf-Nr. 081130).

     

    PRAXISHINWEIS | Warnpflichtfälle sind stets Anwaltssache.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Beitrag „Werkunternehmerpfandrecht und zusätzlich Standgeld“, UE 11/2013, Seite 2
    Quelle: Ausgabe 11 / 2013 | Seite 8 | ID 42376325